Die Theodizeefrage im Expressionismus erläutert anhand von Alfred Liechtensteins "Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn"


Hausarbeit, 2015

16 Seiten


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
Expressionisms
Alfred Lichtenstein
Kuno-Kohn-Zyklus

2.Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn

3. Gedichtanalyse
Formale Analyse
Inhaltliche Analyse

4. Konklusion
Gottesfrage

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Expressionisms

Der Expressionismus existiert „,als Sammelbezeichnung für eine spezifische Strömung“[1], da es keine präzisen Merkmale und keine all-werk-umfassende Definition gibt. 1910 bis 1920[2] prägen über 300 Autoren diese Bewegung und sorgen für eine Variabilität an Werken und Merkmalen, die eine einheitliches Programm nicht zu lassen. Es lässt sich lediglich durch die Unterscheidung von den Vor- und Nachprägern eine Richtlinie erahnen.

Um die Jahrhundertwende von 1900 kreisen neben dem Expressionismus mehrere Strömungen: Impressionismus, Symbolismus, Jugendstil, Neuromantik, Neuklassik, Naturalismus, Realismus und décadence.[3] Diese Tendenzen wirken gleichzeitig oder folgen zumindest unmittelbar aufeinander.

Das Deutschland des späten 19. Jahrhunderts vollzieht einen raschen wirtschaftlichen Aufschwung und erlebt die Wende von einer manuell geprägten Agrargesellschaft zu einer modernen Industrienation. Die aufkommende Wichtigkeit der Großstädte und der Industrie bedeutet die Entindividualisierung und das Gefühl von Nutzlosigkeit für die Menschen. Der radikale Zerfall von gewohnten Lebensrhythmen durch die Mechanisierung bedeutet eine Entwurzelung für den Menschen. Des Weiteren wird die Religion durch die Industrie von ihrer gesellschaftlichen Machtposition entthront, was einen weiteren Bruch in der menschlichen Ordnung bedeutet. Mit der Infragestellung Gottes als Zentrum und Bindeglied für die Menschheit wird auch die Entität allen Seins in Frage gestellt. Diese Stimmung von Ich-Zerfall und Unruhe durch Ordnungsbruch wird durch historische Begebenheiten gestützt und verstärkt. Die Ereignisse des Ersten Weltkriegs erschüttern 1914 - 1918 die europäischen Länder und die anfängliche Kriegseuphorie erstickt in der Erkenntnis der Grausamkeit über die Kriegsführung und die unzähligen Opfer. Diese erlebte Erbarmungslosigkeit weckt bei den Menschen den Glauben an eine Apokalypse, welcher durch die Erinnerung an die Naturkatastrophe des Halley’schen Kometen 1910 gestärkt wird.[4]

Alfred Lichtenstein

wird 1889 als ältester Sohn einer jüdischen Familie in Wilmersdorf bei Berlin geboren, besucht dort die Schule und studiert Jura. 1913 tritt er dem bayerischen Infanterieregiment bei und ist von Anfang an am Kriegsgeschehen als Freiwilliger beteiligt. Am 25. September 1914, fiel er an der Westfront in Vermandovillers, einer kleinen nordfranzösischen Gemeinde. Alfred Lichtensteins Werke sind überschaubar da er bereits im jungen Alter von 24 Jahren im Krieg gefallen ist und seine Zeit als Schriftsteller somit begrenzt war. Seine Publikationen können in fünf Gruppen eingeteilt werden. Die ersten drei davon findet man in der expressionistischen Zeitschrift Die Aktion und zeugen von der Selbstkritik Lichtensteins ,hierzu gehören eine Gedichtreihe namens „Capriccio“, „Die Dämmerung“ und „Die Gedichte des Kuno Kohn“. Die beiden letzten Gruppierungen befassen sich mit den „Soldaten-“ sowie „Kriegsgedichten“.[5]

Kuno-Kohn-Zyklus

Joachim Bechtle-Bechtinger, der 1926 gebürtige deutsche Schriftsteller[6],macht es sich zur Aufgabe Lichtensteins Gedichte und epische Texte unter dem Thema der Figur des Kuno Kohn zu sammeln. 1996 veröffentlicht er unter dem Pseudonym Joachim Schreck diese Sammlung an Gedichten mit dem Titel Große Mausefalle tragend und dem Untertitel Groteske Gedichte. Hierbei handelt es sich um einen Kuno-Kohn-Zyklus[7]. In diesem Zyklus findet man unter anderem Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn, mit welchen wir uns später unter der Form einer Analyse beschäftigen werden.

Kuno Kohn ist häßlich, er hat einen Buckel. Das Haar ist messingfarben, das Gesicht ist bartlos und von Furchen rissig. Die Augen sehen alt aus, um sie sind Schatten. Am Hals beginnt eine Narbe wie eine Regenrinne. Das eine Bein ist angeschwollen. Kuno Kohn hat einmal gesagt, daß er Knochenfraß habe.[8]

Der buckelige und kleinwüchsige Kuno Kohn verfügt über ein als nicht schön empfundenes Erscheinungsbild und wird als minderwertig angesehen, da es nicht dem Idealtypus der arischen Rasse[9] entspricht. Er verkörpert eine jämmerliche Randerscheinung, eine Außenseiterfigur in einer antisemitisch[10] geprägten Gesellschaft, welche ihn allseits meidet und ablehnt. Es liegt die Vermutung nahe, dass Lichtenstein auf Grund seiner jüdischen Abstammung seine eigene Person in die Figur des verstoßenen Kuno projiziert und sich in dieser Rolle mit der von Ablehnung und Verfolgung geprägten jüdischen Geschichte befasst. „Die Geschichte des Judentums - es ist auch die Geschichte eines rast- und ruhelosen Volkes, eine Geschichte voller Leid und Unterdrückung, Verfolgung und Vertreibung.“[11] Hartmut Vollmer[12] beschreibt Kuno als „äußeres Spiegelbild der inneren Disharmonie und Zerrissenheit Lichtensteins“[13] ; auch Joachim Schreck sieht in der Figur Kunos die „groteske Variante des Dichters Alfred Lichtenstein“[14].

Im Folgenden wird eine Interpretation des Gedichts Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn von Alfred Lichtenstein vorgelegt. Das ausgewählte Gedicht wird zunächst formal und anschließend auch inhaltlich behandelt. Dabei wird großen Wert auf werkimmanente Arbeit gelegt die sich aber unter anderem auf die Interpretation von Ines Siegfried Schnider Die Verzerrung des verzerrten Bildes: Studien zu Alfred Lichtensteins Kuno-Kohn-Zyklus[15] stützt.

Alfred Lichtenstein

2.Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn

3. Gedichtanalyse

Formale Analyse

Alfred Lichtensteins Gedicht Die fünf [16] Marienlieder des Kuno Kohn besteht aus 11 Strophen und 45 Versen, aufgeteilt auf fünf Lieder. Die Unterteilung der Lieder in Strophen ist für die ersten drei Marienlieder unregelmäßig, das vierte Lied unter dem Titel trauriges Lied besteht aus 2 Quartetten und das letzte Lied mit gleichnamigen Titel letztes Lied besteht aus vier Terzetten. Das Gedicht besteht, bis auf einige Ausnahme, hauptsächlich aus 10- und 12-silbigen Versen. Über die Metrik des Gedichtes lässt sich folgendes sagen:

Im ersten Lied ist der erste Vers ein sechshebiger Trochäus mit männlicher Kadenz und der letzte Vers ein vierhebiger Trochäus mit weiblicher Kadenz. Die neun mittleren Verse sind fünfhebige Jamben, wovon die ersten acht eine Enumeratio von Orten ohne das Konjunktionswort „und“ darstellen (einzige Ausnahme „In allen Wettern und in allen Tagen“[17] ). Die fünf Verse des nächsten Lied[es] bestehen einheitlich aus fünfhebigen Trochäen mit weiblicher Kadenz. Das dritte Lied mit dem Titel Hohes Lied zeigt neben den fünfhebigen Trochäen mit männlicher Kadenz nur eine Ausnahme im Metrum auf, den Vers 13 welcher aus 13 Silben besteht und einen siebenhebigen Trochäus mit weiblicher Kadenz bildet. („Um deine weiße Hauf der weiße Sand, Maria“[18] ). Der Name „Maria“ sprengt den Versrahmen eines fünfhebige Trochäus und weitet ihn zu einem siebenhebigen aus. Das Metrum des traurigen Lied[es] weist eine regelmäßige Abwechslung zwischen sechshebigen Trochäen mit männlicher Kadenz und fünfhebigen Trochäen mit weiblicher Kadenz auf. Der Vers 36 im letzte[n] Lied bildet als fünfhebiger Trochäus mit männlicher Kadenz eine Ausnahme gegenüber den an sonst unbetont endenden drei Strophen von fünfhebigen Trochäen.

Dem mit allen geltenden Regeln brechenden Expressionismus entsprechend folgt Alfred Lichtensteins Gedicht keinem klassischen Muster was die Metrik und die Strophenaufteilung betrifft.

Inhaltliche Analyse

Die inhaltliche Analyse beschäftigt sich mit dem Herausfiltern von rhetorischen Stilmittel und ihrer Interpretation im Kontext des Gedichtes sowie in einem biblisch geprägten Rahmenkontext, da es sich um Marienlieder handelt. Lied für Lied wird diese stilistische und inhaltliche Interpretation durchgeführt. In einer anschließenden Konklusion werden alle relevanten Informationen kombiniert und die Gottesfrage wird geklärt.

[...]


[1] Ralf Georg Bogner: Einführung in die Literatur des Expressionismus. 2.Aufl., Darmstadt, 2009, S.7 .

[2] Zuzüglich Epochenschwellen

[3] Norbert Schläbitz / Katharina Pappas : Einfach Deutsch Unterrichtsmodelle Expressionismus. Unterrichtsmodell, Paderborn 2003 . S.12 .

[4] ebd. S.13 .

[5] www.literaturportal-bayern.de/autorenlexikon - Alfred Lichtenstein verfasst von Dr. Peter Czoik .

[6] www.wikipedia.de .

[7] Zyklus : Reihe inhaltlich zusammengehörender literarischer Werke derselben Gattung, Folge von Vorträgen. www.duden.de .

[8] www.zeno.org/Literatur/M/Lichtenstein,+Alfred/Prosa/Skizzen/Kuno+Kohn .

[9] Arier : Angehöriger einer (besonders in Gegensatz zu den Juden definierten) angeblich geistig, politisch und kulturell überlegenen nordischen Menschengruppe. www.duden.de .

[10] antisemitisch : feindlich gegenüber den Juden eingestellt www.duden.de .

[11] www.judentum-projekt.de/geschichte .

[12] Verwaltungsprofessor für Didaktik der deutschen Literatur am Institut für Deutsche Sprache, Literatur und ihre Didaktik an der Universität Lüneburg www.leuphana.de/hartmut-vollmer.html .

[13] Hartmut Vollmer: Alfred Lichtenstein. 1988. S. 151.

[14] Alfred Lichtenstein: Die Dämmerung. Ausgewählte Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Joachim Schreck. Berlin u. Weimar 1977. S. 106.

[15] Ines Siegfried Schneider: Die Verzerrung des verzerrten Bildes. Studien zu Alfred Lichtensteins Kuno-Kohn-Zyklus. Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde an philosophischen Fakultät der Universität Freiburg in der Schweiz. Genehmigt von der Philosophischen Fakultät auf Antrag der Professoren Stefan Bodo Würffel (1. Gutachter) und Klaus Kanzog (2. Gutachter). Freiburg, 18. November 2005. Prof. Dr. Jean-Michel Spieser, Dekan.

[16] Alfred Lichtenstein: Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn in Alfred Lichtenstein in Alfred Lichtenstein: Die Dämmerung. Ausgewählte Gedichte. Ausgewählt und mit einem Nachwort versehen von Joachim Schreck. Berlin u. Weimar 1977. S. 106

[17] Alfred Lichtenstein: Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn . V.6 .

[18] ebd. V.13 .

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Theodizeefrage im Expressionismus erläutert anhand von Alfred Liechtensteins "Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn"
Hochschule
Université du Luxembourg
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V292970
ISBN (eBook)
9783656903901
ISBN (Buch)
9783656903918
Dateigröße
664 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
theodizeefrage, expressionismus, alfred, liechtensteins, marienlieder, kuno, kohn
Arbeit zitieren
Vicky Boever (Autor:in), 2015, Die Theodizeefrage im Expressionismus erläutert anhand von Alfred Liechtensteins "Die fünf Marienlieder des Kuno Kohn", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/292970

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