Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
2 Theoretische Grundlagen des Accounting
2.1 Definition Accounting
2.2 Systematisierung und Adressaten des Rechnungswesens
2.3 Aufgaben und Funktionen des Accounting
2.4 Entscheidungstheorie und Prämissen des Homo Oeconomicus
3 Verknüpfung des Accounting mit den Behavioral Sciences
3.1 Behavioral Sciences als Wurzeln des Behavioral Accounting
3.2 Notwendigkeit, Definition und Aufgaben des Behavioral Accounting
3.3 Kernbereiche der Behavioral Accounting-Forschung und deren Inhalte
3.3.1 Behavioral Financial Accounting
3.3.2 Behavioral Tax Accounting
3.3.3 Behavioral Management Accounting
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
Anfangs wurde das Accounting, die englische Bezeichnung für das Rechnungswesen, als Fremdkörper in der Wissenschaft betrachtet. In den letzten Jahrzehnten jedoch haben For- schungsbemühungen im Bereich des Rechnungswesens kontinuierlich zugenommen und diese Problematik wurde zu einem anerkannten Teilbereich der Betriebswirtschaftslehre. Inzwi- schen ist das Accounting als eine Wissenschaft mit diversen Modellen und Instrumenten an- erkannt. Eine Weiterentwicklung dieser Forschungsthematik ist das Behavioral Accounting, was seit den 1960er Jahren vorwiegend in der angloamerikanischen Betriebswirtschaftslehre Gegenstand von Forschungsaktivitäten ist.1 Die konventionelle Aufgabe des Rechnungswe- sens ist die Versorgung mit relevanten und aktuellen Informationen über die finanziellen Ak- tivitäten eines Unternehmens, um interne und externe Adressaten bei der Entscheidungsfin- dung zu unterstützen. Dabei konzentriert sich das zahlengetriebene Accounting lediglich auf die Bereitstellung finanzieller Informationen.
Im Laufe der Zeit wurde den Entscheidungsträgern im Unternehmen klar, dass die rein quantitative Betrachtung von Sachverhalten zum Treffen von fundierten Entscheidungen nicht ausreicht. Manager und Buchhalter verlangen zunehmend nach zusätzlichen nichtbilanziellen Informationen. Aus diesem Sachverhalt heraus entstand die verhaltensorientierte Rechnungswesenforschung (Behavioral Accounting), welche das menschliche Verhalten und dessen Auswirkungen auf das Rechnungswesen bzw. die Auswirkungen des Rechnungswesens auf das menschliche Verhalten untersucht.
Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, den aktuellen Stand der Literatur sowie die Charakteristik des Behavioral Accounting herauszuarbeiten, um anschließend die Unterschiede dieses Ansatzes im Vergleich zum traditionellen Accounting aufzuzeigen.
Für ein besseres Verständnis soll dem Leser zu Beginn das Accounting mit seinen Wesens- merkmalen vorgestellt und erläutert werden (Kapitel 2). Daran anschließend werden die Ver- bindungen zu den Behavioral Sciences, die Notwendigkeit zur Herausbildung einer neuen Forschungsdisziplin sowie wesentliche Aufgaben und Kernbereiche des Behavioral Account- ing dargestellt (Kapitel 3). Die Ausführungen schließen mit einem Fazit, in dem die Unter- schiede dieser beiden Forschungsdisziplinen herausgestellt werden (Kapitel 4).
2 Theoretische Grundlagen des Accounting
2.1 Definition Accounting
Unter dem Begriff Accounting ist im deutschen Sprachgebrauch das betriebliche Rechnungswesen zu verstehen. Es hat die Aufgabe alle relevanten Sachverhalte vollständig, systematisch und zeitlich zuordenbar sowohl mengen- als auch wertmäßig darzustellen.2 Dabei handelt es sich zum einen um die aus der Interaktion des Unternehmens mit seiner Umwelt resultierenden Geld- und Güter- bzw. Dienstleistungsströme sowie die durch die betriebsinterne Erstellung und Verwertung von Leistungen entstehenden und mit der Unternehmenstätigkeit in Zusammenhang stehenden Kosten- und Leistungsströme.3
2.2 Systematisierung und Adressaten des Rechnungswesens
Unter dem Begriff des Accounting wird in der Regel das Financial Accounting, Management Accounting, Auditing und Taxation subsumiert, wobei zwischen dem klassischen deutschen Rechnungswesen und dem US-amerikanischen Accounting einige Unterschiede bestehen. Am signifikantesten ist in diesem Zusammenhang die Trennung zwischen externem und internem Rechnungswesen zu nennen, wie sie in Deutschland bislang vorherrscht.4 Diese Unterscheidung ist auf die unterschiedlichen Adressaten der jeweiligen Rechnungsle- gungsergebnisse zurückzuführen. Während sich die interne Unternehmensrechnung an die Informationsbedürfnisse interner Benutzer, darunter insbesondere Entscheidungsträger aller Managementebenen richtet, bedient die externe Unternehmensrechnung die Zielsetzungen von Stakeholdern, wie beispielsweise externen Kapitalgebern, Kunden, Lieferanten und dem Fiskus.5
Um die entsprechenden Bedürfnisse externer Adressaten zu erfüllen, benutzt das externe Rechnungswesen den im Rahmen der kaufmännischen Buchhaltung erstellten Jahresab- schluss, welcher sich aus Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie diverser rechtsform- spezifischer Unterlagen zusammensetzt.6 Die interne Rechnungslegung greift dagegen auf die Ergebnisse der Kosten- und Leistungsrechnung, der Investitions- und Finanzierungsrechnung sowie der betrieblichen Statistik zurück7, um ihren Aufgaben und Funktionen nachzukommen, welche im folgenden Abschnitt näher betrachtet werden.
2.3 Aufgaben und Funktionen des Accounting
Ausgehend von den Rechnungslegungsadressaten und deren Zielsetzungen ergeben sich ver- schiedene Funktionen, die dem Rechnungswesen in Unternehmen zugeschrieben werden. Die grundlegendste Aufgabe ist dabei die Dokumentationsfunktion, welche alle nötigen In- formationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines Unternehmens sammelt und für eine aussagekräftige Darstellung aufarbeitet.8 Eine Pflicht zur Dokumentation ergibt sich zudem aus § 238 HGB.9
Auf der Dokumentationsfunktion aufbauend dient das Rechnungswesen der Bereitstellung von Informationen zur Befriedigung des jeweiligen Informationsbedürfnisses der oben benannten Adressaten10, sowie unternehmenseigen zu Selbstinformationszwecken.11 Eine Informationspflicht ergibt sich ebenfalls aus § 238 HGB und wird für Kapitalgesellschaften in § 264 Abs. 2 HGB noch weiter konkretisiert.12
Im Sinne der Ausschüttungen an die Anteilseigner und zur Bemessung des steuerpflichtigen Gewinns erfüllt das Rechnungswesen eine sogenannte Zahlungsbemessungsfunktion.13 Die Ausführungen zu den oben genannten Funktionen der Rechnungslegung (Dokumentation, Information, Zahlungsbemessung) verdeutlichen, dass im Rahmen des externen Rechnungs- wesens zwischen Ersteller und Benutzer der Informationen Potential für Interessenkonflikte besteht, die eine gesetzliche Normierung derartiger Anforderungen an das Rechnungslegungs- system eines Unternehmens notwendig machen. Im Gegensatz dazu sind für die Zielsetzun- gen des internen Rechnungswesens keine solchen Regelungen vorhanden, da keine Konflikte mit externen Adressaten bestehen können. Das interne Rechnungswesen kann hingegen so ausgestaltet werden, wie es für die bestmögliche Unterstützung des Managements erforderlich ist.14 Es dient in erster Linie der Planung, Steuerung und Kontrolle und leistet Entscheidungs- trägern Hilfestellung bei unternehmensrelevanten Entscheidungen durch das Bereitstellen aller relevanten Informationen.15 Es wird demnach eine Entscheidungsunterstützungsfunktion erfüllt, welche auch als Planungs- und Steuerungsfunktion in der Literatur benannt wird.16 Soweit es sich bei der Entscheidungsfunktion um die Beeinflussung unternehmenseigener Entscheidungen handelt, ist als weitere herausragende Funktion des Rechnungswesens die Verhaltenssteuerungsfunktion anzuführen, bei der es um die Einflussnahme auf fremde Ent- scheidungen geht.17 Die Verhaltenssteuerungsfunktion im Rahmen des betrieblichen Rech- nungswesens greift mögliche Zielkonflikte zwischen den Entscheidungsträgern sowie die asymmetrische Verteilung von Informationen innerhalb eines Unternehmens auf und versucht mit Hilfe von Instrumenten zur Kontrolle und/oder zur Koordination einen Beitrag zur Besei- tigung dieser Konflikte bzw. Defizite zu leisten.18
Abschließend ist noch einmal unabhängig von ihrer Involviertheit in Entscheidungs- und Verhaltenssteuerungsfunktion die Kontrolle als gesondert nennenswerte Funktion des Rech- nungswesens anzuführen. Dabei geht es wiederum um die Darlegung der notwendigen Daten, jedoch mit der Intention einen Istzustand mit den geplanten Zielwerten zu vergleichen und auf Basis dieses Vergleichs Maßnahmen zur Abstellung auftretender Abweichungen festlegen zu können.19
2.4 Entscheidungstheorie und Prämissen des Homo Oeconomicus
Bezüglich grundlegender betriebswirtschaftlicher Entscheidungstheorien ist zwischen der präskriptiven bzw. normativen und der deskriptiven Entscheidungstheorie zu unterscheiden.20 Erstere verfolgt das Ziel rationale Lösungswege für die Entscheidungsfindung aufzuzeigen und kann in Form eines Grundmodells, bestehend aus Zielraum, Entscheidungsfeld und Er- gebnismatrix sowie die sich daraus ergebende Entscheidungsmatrix, dargestellt werden.21 Es geht bei der präskriptiven Entscheidungstheorie primär um die Entscheidungslogik, mit der ein rationaler Entscheider in bestimmten Situationen zwischen bestehenden Handlungsalter- nativen auswählt.22
Dahingegen beschäftigt sich die deskriptive Entscheidungstheorie mit der Frage, wie Entscheidungen tatsächlich in der Realität getroffen werden und weshalb sich ein Entscheider für eine bestimmte Alternative und nicht für eine andere entscheidet.23 Ihre Erkenntnisse stützen sich auf Ergebnisse empirischer Untersuchungen, von denen allgemeingültige Hypothesen abgeleitet werden sollen, mit denen wiederum das Verhalten von Entscheidern innerhalb bestimmter Entscheidungssituationen prognostizierbar wird.24
Grundlage des konventionellen Accounting ist das klassische ökonomische Verhaltensmodell. Diesem liegt das Menschenbild des Homo Oeconomicus zugrunde. Sein Handlungsspielraum beschränkt sich auf eine Situation der Knappheit, in der eine Entscheidungssituation herbeige- führt wird, die zwangsweise eine Priorisierung der Bedürfnisbefriedigung verlangt. Der han- delnde Mensch muss sich entscheiden, welchen Bedürfnissen er vor anderen nachgeht.25 Bei der Auswahl aus mehreren Alternativen wird dem Homo Oeconomicus unterstellt, dass er streng rational handelt, wobei er stets egoistisch das Prinzip der Nutzenmaximierung verfolgt und entsprechend seiner Präferenzen sowie im Rahmen bestehender Restriktionen entschei- det.26 Dabei besteht vollständige Information über alle den Entscheidungsalternativen zugrun- de liegenden Prämissen sowie Konsequenzen der einzelnen Handlungsalternativen.27
[...]
1 Vgl. Schweitzer/Küpper (2011), S. 610.
2 Vgl. Eisele/Knobloch/Disselkamp/Becker/Sossong (2011), S. 15.
3 Vgl. Wehrheim/Renz (2009), S. 3.
4 Vgl. Becker/Lutz/Back (2011), S. 5.
5 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2007), S. 3.
6 Vgl. Busse von Colbe/Crasselt/Pellens (2011), S. 654.
7 Vgl. Becker/Lutz/Back (2011), S. 115.
8 Vgl. Coenenberg/Mattner/Haller/Schultze (2014), S. 5.
9 Vgl. Wehrheim/Renz (2009), S. 3.
10 Vgl. Coenenberg/Mattner/Haller/Schultze (2014), S. 5.
11 Vgl. Busse von Colbe/Crasselt/Pellens (2011), S. 407.
12 Vgl. Wehrheim/Renz (2009), S. 3.
13 Vgl. von Sicherer (2013), S. 11f.
14 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2007), S. 4.
15 Teilweise wird in der Literatur (so z.B. bei Wehrheim/Renz) noch die Dispositionsaufgabe benannt, welche die Aufarbeitung der ermittelten Informationen, die als Entscheidungsbasis dienen sollen, beinhaltet.
16 Vgl. von Sicherer (2013), S. 11f.
17 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2007), S. 6.
18 Vgl. Ewert/Wagenhofer (2007), S. 10.
19 Vgl. Coenenberg/Mattner/Haller/Schultze (2014), S. 5.
20 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2008), S. 1.
21 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2008), S. 15-40.
22 Vgl. Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2011), S. 4.
23 Vgl. Bamberg/Coenenberg/Krapp (2008), S. 4.
24 Vgl. Laux/Gillenkirch/Schenk-Mathes (2011), S. 17.
25 Vgl. Kirchgässner (2001), S. 1.
26 Vgl. Kirchgässner (2008), S. 13.
27 Vgl. Franz (2004), S. 9.