„Bettler langen lieber nach einem Schnittlein Brot als nach einem Kreuzer, um welchen man gar kein Brod mehr kaufen kann. Was noch vor kurzem 2 Pfennig kostete, kostet jetzt 2 Kr.“
Johann Andreas Schmeller schreibt diese Worte in seinem Tagebuch im Mai 1817 nieder. Er spricht von der extremen Preissteigerung und der damit verbundenen Hungerkrise, welche in den Jahren 1816 und 1817 im Südwesten des Deutschen Bundes wütete. Dabei nimmt der Autor die Perspektive eines Beobachters ein. Er erkennt die Teuerung als eine existenzielle Bedrohung für einen bestimmten Teil der Bevölkerung. Ihn selbst scheint das Problem aber nicht zu berühren. Etwa zur gleichen Zeit begannen Menschen andernorts Kartoffelschalen, Schnecken und Gras von den Weiden zu essen.
Diese kurze Gegenüberstellung macht deutlich, wie differenziert die Teuerungs- und Hungerkrise 1816/17 von den Zeitgenossen beurteilt wurde. Zweifellos gab es unterschiedliche Erfahrungen abhängig von diversen Faktoren. Mit anderen Worten: Es gibt einen Dissens zwischen wahrgenommener und realer Krise. Problematisch ist diese Abweichung vor allem im Hinblick auf den Umgang mit der Situation. Wichtige Akteure schätzten die Lage falsch ein und reagierten oft viel zu spät. Primär scheint die Krisenkommunikation auf bürokratischer Ebene stattgefunden zu haben.
Wie aber haben andere soziale Gruppen die Situation 1816/17 bewertet?
Inhaltsverzeichnis
- EINLEITUNG
- HISTORISCHE HUNGERKRISEN ALS FORSCHUNGSPROBLEM
- WILHELM HEINRICH SEEL ÜBER DIE TEUERUNG (1816)
- QUELLENKRITISCHE ANMERKUNGEN
- TEUERUNG ALS ÜBERBEWERTETES PHÄNOMEN
- TEUERUNG ALS POSITIVES PHÄNOMEN
- URSACHEN UND LÖSUNGSANSÄTZE
- JOHANN WILHELM FISCHER ÜBER DIE „MANGEL-CRISIS\" (1825)
- QUELLENKRITISCHE ANMERKUNGEN
- HOFFNUNG UND VERZWEIFLUNG – VON DER REALITÄT DER KRISE
- URSACHEN UND LÖSUNGSANSÄTZE
- FAZIT
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Hungerkrise 1816/17 und untersucht, wie dieses Ereignis von zwei zeitgenössischen Autoren, Wilhelm Heinrich Seel und Johann Wilhelm Fischer, wahrgenommen und analysiert wurde. Ziel ist es, die jeweiligen Perspektiven auf die Krise zu analysieren und zu ergründen, inwiefern das Bewusstsein für krisenhafte Verhältnisse vorhanden war, welche Ursachen beide Autoren benennen und welche Lösungsvorschläge sie anbieten.
- Wahrnehmung und Bewertung der Hungerkrise 1816/17
- Analyse der Ursachen und Folgen der Krise
- Untersuchung der Lösungsvorschläge der beiden Autoren
- Quellenkritische Betrachtung der Schriften von Seel und Fischer
- Einbezug des historischen Kontextes und der politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Zeit
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Ausgangssituation der Hungerkrise 1816/17 dar und führt in das Thema ein. Kapitel 2 untersucht die Herausforderungen bei der Erforschung von historischen Hungerkrisen, insbesondere die Problematik der retrospektiven Beurteilung der Krisenintensität und die eindimensionale Quellenlage. Kapitel 3 beleuchtet die Schrift von Wilhelm Heinrich Seel „Das Erfreuliche der gegenwärtigen Theurung“ und analysiert seine Sicht auf die Teuerung. Das vierte Kapitel beschäftigt sich mit der Schrift von Johann Wilhelm Fischer und analysiert seine Sicht auf die „Mangel-Crisis“.
Schlüsselwörter
Hungerkrise, Teuerung, 1816/17, Wilhelm Heinrich Seel, Johann Wilhelm Fischer, Quellenkritik, Krisenwahrnehmung, Krisenbewusstsein, Ursachenanalyse, Lösungsvorschläge, historische Forschung, statistische Daten, Quellenlage, Lebenswandel, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, Deutscher Bund, Süd-Westdeutschland, Missernte, Versorgungskrise.
- Quote paper
- Diana Walter (Author), 2015, Krisenwahrnehmungen. Zwei zeitgenössische Perspektiven auf die Hungerkrise 1816/17, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293225