Die politische Aussage Erich Kästners anhand von "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?"


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.) Einleitung

2.) Erich Kästner und seine Zeit bis
2.1) Weimarer Republik - das Streben nach gesellschaftlicher Veränderung
2.2) Die Neue Sachlichkeit - der Drang nach Veränderung
2.3) Kästners Gebrauchslyrik - Walter Benjamins Kritik

3.) „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“
3.1) „Kennst du es?“ (V.1-2)
3.2) Beschreibung der militärischen Beobachtungen (V.3-16)
3.3) Schilderung des Potentials zum Glücklichsein (V.17-22)
3.4) Kritik an der Nicht-Ausschöpfung des Potentials (V.22-26)
3.5) „Du wirst es kennenlernen.“ (V.27-28)

4.) Fazit

5.) Literaturverzeichnis
5.1) Primärliteratur
5.2) Sekundärliteratur
5.3) Internet-Publikation

6.) Anhang

1.) Einleitung

„Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn? / Du kennst es nicht? Du wirst es kennenlernen!“ (V. 1, 2, 25, 26)1

So fängt das gleichnamige Gedicht („Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“) an.2 Es ist das Land der Dichter und Denker. Das Land von Lessing, Goethe, Heine und Schiller. Gemeint ist Deutschland und die damit verbunden Kritik am wachsenden Militarismus.3 Indem Kästner das Schlüsselwort Zitronen aus Goethes Mignon-Lied mit dem ähnlich klingenden auch dreisilbigen Wort Kanonen im Titel ersetzt, verändert diese Verfremdung den Sinn des ursprünglichen Titels, unter dessen ein paradiesisches und prunkvolles Land beschrieben wird, ganz im Gegensatz zu Kästners Gedicht über den militärischen Alltag.4 Doch was will das Gedicht genau aussagen? Mit welchen Mitteln versucht es sein Ziel zu erreichen? Welche Stilmittel unterstützen die Wirkung? Wird im Gedicht der Zustand in Deutschland beschrieben? Gehört es zu der Kategorie der Neuen Sachlichkeit ? Der Fokus dieser Arbeit liegt auf der Frage: Auf welche politische Aussage zielt das Gedicht von Erich Kästner und mit welchen Mitteln versucht es dieses zu erreichen? Besonders hilfreiche Werke sind von Helmuth Kiesel (s.u.), Andreas Drouve (s.u.) und Walter Benjamins Aufsätze (s.u.).

Im ersten Teil dieser Arbeit geht es um Erich Kästner und seine Zeit bis zum Veröffentlichungszeitpunkt des Gedichts 1928. Angefangen mit einer kurzen Biografie Kästners geht es weiter mit einer kompakten Erläuterung der Bedeutung der Weimarer Republik für die Literatur zur Ermöglichung einer Eingliederung des Gedichts in den historischen Kontext, gefolgt von einer Begriffserklärung der Neuen Sachlichkeit, damit das Gedicht auf die Aspekte dieser untersucht werden kann. Daraufhin wird die Definition Kästners der Gebrauchslyrik geschildert um die Kritik Walter Benjamins nachvollziehen zu können.

Teil zwei ist der essentielle Teil dieser Arbeit, in diesem wird das Gedicht analysiert. Eingeteilt in zusammenhängende Sinnabschnitte, werden Abschnitt für Abschnitt inhaltliche Aussagen mit den dazugehörigen Stilmitteln verknüpft interpretiert und auf den historischen Kontext und die Wirkung untersucht.

Zum Schluss folgt das Fazit mit einer resümierenden Zusammenfassung der erarbeiteten Ergebnisse im Hinblick auf die oben erwähnten noch offen stehenden Fragen.

2.) Erich Kästner und seine Zeit bis 1928

Erich Kästner, geboren am 23. Februar 1899 in Dresden und gestorben am 29. Juni 1974 in München, war ein Schriftsteller, Drehbuchautor und Verfasser von Texten für das Kabarett. 1917 wurde Kästner mit Beginn des ersten Weltkrieges zum Kriegsdienst eingezogen. Im Herbst 1919 begann er mit seinem Studium der Fächer Geschichte, Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaft. 1925 promovierte er zum Dr. phil. und 1928 veröffentlichte Kästner sein erstes Gedichtband „Herz auf Taille“.5

Er war gegen den Krieg, den Militarismus und für mehr Gerechtigkeit, außerdem hatte er eine linksliberale Einstellung und war Befürworter der Weimarer Demokratie.6 Seine Vorbilder in der Art des Denkens und Schreibens waren Swift, Voltaire, Büchner, Heine und vor allem Lessing.7

2.1) Weimarer Republik - das Streben nach gesellschaftlicher Veränderung

Das Ende des ersten Weltkriegs und die Novemberrevolution wurden von den Schriftstellern als Signal für einen Aufbruch verstanden. Viele Autoren verarbeiteten so ihre Jugenderlebnisse der Kriegsjahre. Während der Expressionismus der Kriegs- und Vorkriegszeit fortwirkte, gewann die Neue Sachlichkeit, also die realitätsbezogene Darstellung an Bedeutung. Auffällig war die große Vielfalt der Themen und Genres, die die Vielfalt der politischen Meinungen und ihren Vertretern widerspiegelte. Die literarischen Zeitschriften vertraten jeweils die Meinung kleinerer Gruppen oder politischer Parteien.8 Das kulturelle Leben der Weimarer Republik war von politischer und sozialer Spannung geprägt. Die Autoren der Neuen Sachlichkeit griffen mit einem unvoreingenommen-realistischen Blick die zeitgenössischen gesellschaftlichen Zustände, unter dem Aspekt des Verhältnis von Individuum und Masse sowie dem Aspekt der Alltagskultur, auf.9

2.2) Die Neue Sachlichkeit- der Drang nach Veränderung

Die Neue Sachlichkeit war der dominierende Stil der Weimarer Republik.10 Wegen der Lebensunsicherheit der Inflationszeit und dem gesteigerten Bedürfnis nach Vergnügen und leichter Unterhaltung, forderte Alfred Döblin, ein deutsch-jüdischer Arzt und Schriftsteller, einen neuen Schreibstil, der „mit diesem zu ihm drängenden Volk zu fühlen lernt, an ihm lebendig wird und ihre Art aufweckt.“11 Laut Döblin wäre die Zeit gekommen, in der die Schriftsteller einfacher, verständlicher und lebensvoller werden müssen.12 Ihm ging es nicht darum, aktiv in die Welt einzugreifen, sondern er wollte mehr an das Selbstbewusstsein des liberalen deutschen Bürgertums appellieren.13 Walter Benjamin, deutscher Philosoph und Literaturkritiker, ging sogar weiter und sagte, dass neben dem Gefühl sich als Teil der Gesellschaft zu erkennen, die politisch verändernde Kraft in der Gebrauchslyrik nicht fehlen dürfe. Der Leser müsse die Mängel am politischen System erkennen und dieser neue Stil solle eine gewisse Bereitschaft zur Revolution hervorrufen.14 Grundsätzlich beschreibt der Begriff der Gebrauchslyrik die Beziehung zwischen Schreiber und Publikum, Form und Inhalt und zwischen Tendenz und Qualität.15

2.3) Kästners Gebrauchslyrik - Walter Benjamins Kritik

„Ich bin der Dichter, der euch anfleht und beschwört. Ihr seid das Volk, das nie auf seine Dichter hört.“16

Dieses Zitat verdeutlicht Erich Kästners negative Einschätzung seines Publikums und dessen fehlende Bereitschaft Literatur ernst zu nehmen. Kästner verstand sich selbst als Aufklärer. Er plädierte in seinen Gedichten stets für Vernunft und Humanität, denn Aufklärung war für ihn eine jederzeit aktuelle und notwendige Aufgabe.17 Doch für Walter Benjamin war Kästner bloß ein Produzent lyrischer Massenware, weit entfernt von realgesellschaftlicher Problematik und schriftstellerischer Verantwortungsübernahme.18 Er fand Kästners Werke oberflächlich und ohne politischen Aktivismus. Da sie „Gegenstände der Zerstreuung, des Amüsements“19 bieten und „belustigend auf ein großes und in seinem Geschmack unsicheres Publikum“20 wirken, waren es für Benjamin reine Konsumartikel, statt Produktionsmittel zum politischen Kampf.21 Ähnlich sahen auch Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky den Sinn der Gebrauchsliteratur in unmittelbaren Zusammenhang mit einer politischen Funktion.22 Während Kästner den Fokus bei der Definition der Gebrauchslyrik auf die Leichtverdaulichkeit des Gedichts setzte.23

„Zum Glück gibt es ein oder zwei Dutzend Lyriker […], die bemüht sind, das Gedicht am Leben zu erhalten. Ihre Verse kann das Publikum hören, ohne einzuschlafen; denn sie sind seelisch verwendbar. Sie wurden im Umgang mit den Freuden und Schmerzen der Gegenwart notiert; und für jeden, der mit der Gegenwart geschäftlich zu tun hat, sind sie bestimmt. Man hat für diese Art von Gedichten die Bezeichnung ,Gebrauchslyrik' erfunden […]. Verse, die von Zeitgenossen nicht in irgendeiner Weise zu gebrauchen sind, sind Reimspielereien, nichts weiter.“24

Von politischen oder gesellschaftsverändernden Absichten ist bei Kästner im oben aufgeführten Zitat nicht die Rede. Seine Gebrauchslyrik war eine beschreibende und überzogene Illustration der damalig gegenwärtigen Zustände und Empfindungen.25

3.) „Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?“

Das politische Gedicht wurde 1928 von Erich Kästner geschrieben und in Herz auf Taille veröffentlicht.26 Es ist in sieben Strophen á vier Versen unterteilt, die einen streng eingehaltenen Kreuzreimstil aufweisen, der steif und gerade wirkt und somit den militärischen Charakter des Gedichts unterstützt und die blinde Gehorsamkeit

[...]


1 Sommer, Klaus-Dieter: Poesiealbum 66. Erich Kästner. Berlin: Neues Leben 1973, S. 3. Im folgenden zitiert als ,Sommer 1973' mit entsprechender Seitenangabe.

2 Vgl. Ebd.

3 Vgl. Drouve, Andreas: Erich Kästner. Moralist mit doppeltem Boden. Marburg: Tectum Verlag 1993 (= Marburger wissenschaftliche Beiträge, 3), S. 83f. Im folgenden zitiert als ,Drouve 1993' mit entsprechender Seitenangabe.

4 Vgl. Goethe, Johann Wolfgang von: Wilhelm Meisters Lehrjahre. Internet-Publikation, Wissen im Netz, Drittes Buch, Kapitel 1: http://www.wissen-im-netz.info/literatur/goethe/willehr/3-01.htm. Eingesehen am 12.02.2014.

5 Vgl. ohne Autor: Erich Kästner. Schriftsteller. Internet-Publikation, Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland (hdg): http://www.hdg.de/lemo/html/biografien/KaestnerErich/. Eingesehen am 12.02.2014.

6 Vgl. Kordon, Klaus: Die Zeit ist Kaputt. Die Lebensgeschichte des Erich Kästner. Basel: Gulliver von Beltz und Gelberg 1994, S. 69. Im folgenden zitiert als ,Kordon 1994' mit entsprechender Seitenangabe.

7 Vgl. Kiesel, Helmut: Erich Kästner. München: C.H. Beck; Edition Text und Kritik 1981 (= Autorenbücher, 26), S. 7. Im folgenden zitiert als ,Kiesel 1981' mit entsprechender Seitenangabe.

8 Vgl. Laqueur, Walter: Weimar. Die Kultur der Republik. Frankfurt: Ullstein 1976, S. 151ff. Im folgenden zitiert als ,Laqueur 1976' mit entsprechender Seitenangabe.

9 Vgl. Kaes, Anton: Weimarer Republik. Manifeste und Dokumente zur deutschen Literatur 1918-1933. In: Literaturlexikon. Autoren und werke deutscher Sprache, hg. von Walther Killy. Berlin 1998 (= Digitale Bibliothek, 9), S. 26830. Im folgenden zitiert als ,Kaes 1998' mit entsprechender Seitenangabe.

10 Vgl. Klotz, Volker: Forcierte Prosa. Stilbeobachtungen an Bildern und Romanen der neuen Sachlichkeit (1971). In: Erich Kästner. Werk und Wirkung, hg. von Rudolf Wolff. Bonn: Brouvier Verlag Herbert Grundmann 1983 (= Sammlung Profile, 1), S. 71. Im folgenden zitiert als ,Klotz 1983' mit entsprechender Seitenangabe.

11 Kaes 1998, S. 26835.

12 Vgl. Ebd.

13 Vgl. Drouve 1993, S. 130.

14 Vgl. Benjamin, Walter: Gebrauchslyrik? Aber nicht so!. In: Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Bd. 3, hg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt: Suhrkamp 1972, S. 183ff. Im folgenden zitiert als ,Benjamin: Gebrauchslyrik' mit entsprechender Seitenangabe.

15 Vgl. Riha, Karl: Literatur und Gebrauchsliteratur. In: Gebrauchsliteratur. Methodische Überlegungen und Beispielanalysen, hg. von Ludwig Fischer. Stuttgart: J.B. Metzler 1976, S. 87. Im folgenden zitiert als ,Riha 1976' mit entsprechender Seitenangabe.

16 Kiesel 1981, S. 21.

17 Vgl. Ebd. S. 9ff.

18 Vgl. Benjamin, Walter: Linke Melancholie. In: Walter Benjamin. Gesammelte Schriften. Bd. 3, hg. von Hella Tiedemann-Bartels. Frankfurt: Suhrkamp 1972, S. 279 ff. Im folgenden zitiert als ,Benjamin: Linke Melancholie' mit entsprechender Seitenangabe.

19 Ebd., S. 281.

20 Ebd., S. 282.

21 Vgl. Ebd., S. 281.

22 Vgl. Riha 1976, S. 86f.

23 Vgl. Drouve 1993, S. 109.

24 Vgl. Kiesel 1973, S. 72.

25 Vgl. Drouve 1993, S. 110f.

26 Ebd., S. 84.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die politische Aussage Erich Kästners anhand von "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?"
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Einführungsseminar NDL
Note
2,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V293265
ISBN (eBook)
9783656907176
ISBN (Buch)
9783656907183
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erich Kästner, Kennst du das Land, Gedicht, Analyse, Gedichtanalyse, politisch
Arbeit zitieren
Hilal Akin (Autor:in), 2013, Die politische Aussage Erich Kästners anhand von "Kennst du das Land, wo die Kanonen blühn?", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293265

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