Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Ritterbegriff
3 Das „Ritterliche Tugendsystem“ von Gustav Ehrismann
4 Grundlagen zum Parzival als Artusroman
5 Parzivals Jugend und seine ritterliche Erziehung
6 Abgleich des „Ritterlichen Tugendsystems“ mit der Erziehung Parzivals
7 Resümee
8 Literaturverzeichnis
9 Quellenverzeichnis
1. Einleitung
Im Folgenden soll das mittelalterliche Werk „Parzival“ von Wolfram von Eschenbach näher betrachtet werden. Es handelt sich hierbei um eine fiktive Erzählung über den jungen Helden Parzival, der sich in zahlreichen Prüfungen bewähren muss und anschließend Gralskönig wird. Das Werk stammt aus dem frühen 13. Jahrhundert und zählt zu den Artusromanen, welche auf Chrétien des Troyes zurückgehen. Es lässt sich somit in die matiére Bretagne einordnen.[1]
Besonderes Augenmerk liegt bei dieser Arbeit auf dem „Ritterlichen Tugendsystem“, welches erstmals von Gustav Ehrismann analysiert und festgehalten wurde. Bei seiner Analyse bezieht er sich vor allem auf Erkenntnisse aus der Antike und bedient sich der Darstellung von Rittern in literarischen Texten aus dem Mittelalter.[2] In erster Linie soll ein Verglich zwischen der Analyse von Ehrismann und der Darstellung Eschenbachs, in Bezug auf die ritterlichen Tugenden des Parzivals, erarbeitet werden. Es wird der Frage nachgegangen, inwiefern sich das „Ritterliche Tugendsystem“ mit der im Parzival geschilderte Erziehung und Ausbildung zum Ritter vereinbaren lässt? Um ein eindeutiges Ergebnis zu erlangen, steht vor allem seine Kindheit und seine Jugend unter Beobachtung, da sich in diesem Lebensabschnitt der Werdegang eines Ritters am deutlichsten nachvollziehen lässt
Hierzu werden zunächst einmal der Ritterbegriff und seine Entstehung geklärt und erläutert. Anschließend folgt dann eine Betrachtung des „Ritterlichen Tugendsystems“ nach Ehrismann und es sollen die wichtigsten Aspekte eines tugendhaften Ritters herausgearbeitet werden. Auf diesem Hintergrund wird zunächst eine kurze Übersicht über das hier behandelte Werk von Wolfram von Eschenbach gegeben. Des Weiteren wird dann auf den „Parzival“ Eschenbachs eingegangen und sein Werdegang vom Kind zum Ritter geschildert. Abschließend erfolgt ein Vergleich, welcher deutlich machen soll, inwiefern die Analyse von Ehrismann sich mit den Tugenden im Parzival deckt oder ob es gravierende Unterschiede gibt, wodurch eine Allgemeingültigkeit von Ehrismanns Arbeit nichtig wird.
2. Der Ritterbegriff
„Die Ritter sind bekanntlich ein Kriegerstand zu Pferd, bestehend aus dem alten Adel bis zum Kaiser hinauf und aus Ministerialen, unfreien Dienstleuten. Als Ritter sind sie untereinander trotzdem gleich und bilden den Ritterstand.“[3]
Mit dieser Definition soll ein kleiner Einblick in das Verständnis der Ritter gegeben werden. Das sich hinter ihnen jedoch viel mehr als nur der kriegerische Aspekt verbirgt, wird meistens außer Acht gelassen. Eine Vielzahl von Elementen bestimmt das komplexe Gebilde eines Ritters. Welche genau alle dazu gehören und wie sich der Ritterbegriff weiter definieren lässt, soll im Folgenden betrachtet werden.
In der geschichtlichen Forschung herrscht weitestgehend Einigkeit über die Herkunft der Ritter. Sie treten als militärische Krieger in Erscheinung, deren Merkmal das Pferd darstellt. Der Ursprung des Wortes „Ritter“ lässt sich im mittelhochdeutschen „Reiter, Riter“ finden, was nichts anderes bedeutet als berittener Kämpfer.[4] Diese Kennzeichnung lässt sich das erste Mal ab dem Ende des 11. Jahrhunderts finden. Zuvor gab es noch keine klare Abtrennung zwischen berittenen und unberittenen Soldaten; sie alle wurden als „Ritter“ definiert. Jedoch ist auch am Ende des 11. Jahrhunderts die Definition eines Ritters noch nicht vollkommen ausgereift. Sie dient eher zu einer Abgrenzung gegenüber Bauern und Geistlichen, denn auch Könige und andere Adelige werden zu dieser Zeit als Ritter bezeichnet und stehen in der Hierarchie gewiss weitaus höher als der normale berittene Soldat. [5]
Als Gemeinsamkeit lassen sich jedoch das Gefühl einer Verbundenheit und eine gewisse Abhängigkeit sehen. Alle Ritter befinden sich in einer bestimmten Verpflichtung zueinander, denn sie sind Höhergestellten zu Treue und Dienst verpflichtet und ebenso haben sie wiederum ihnen Unterstellte, welche in ihrem Dienst stehen. Das Konstrukt des Rittertums beruht auf dem Lehenswesen und findet darin auch seine Beständigkeit. Durch die gegenseitige Verpflichtung lässt sich eine ritterliche Dienstbindung feststellen, welche als „Kern des Rittertums“ zu sehen ist.[6]
Ab dem Anfang des 13. Jahrhunderts lässt sich eine der wichtigsten Veränderungen im Rittertum feststellen. Der Begriff Ritter ist nicht nur mehr eine Abhebung gegenüber Bauern und Geistlichen; sie dient von nun an als Privileg und zur Abgrenzung eines Standes. Es kann nicht mehr jeder Ritter werden, Voraussetzung ist adlige Abstammung, welche die erforderliche Ritterbürtigkeit einschließt. Nur durch sie kann die Ritterwürde erlangt werden und man wird in den elitären Kreis der Ritterschaft aufgenommen, welcher sich zu diesem Zeitpunkt als eigener Stand gegenüber der übrigen Gesellschaft sortiert hatte. Mit dieser Entwicklung geht eine weitere Neuerung einher, denn Ritter sehen sie sich selbst nicht mehr nur als militärische Reiter, sondern durch ihre neue gesellschaftliche Position und den verstärkten Zusammenhalt in der Gruppe, bilden sich kulturelle und sittliche Werte, welche von da an unabdinglich für einen Ritter sind. Dieser Wandel lässt sich darauf zurückführen, dass der Adel nun das Rittertum bestimmt und dieses Privileg auf sich überträgt, wodurch auch dessen bereits vorhanden Ideale und Wertvorstellungen für den neuen Ritterstand gelten.[7]
Ebenso verantwortlich für die Entstehung dieser Tugenden, wodurch sich Ritter von nun an, neben ihren militärischen Leistungen, identifizieren, sind zum einen die Kreuzzüge und zum anderen das Lehnswesen. Denn durch dieses Konstrukt sind die Ritter zu Treue, Ergebenheit und Verlässlichkeit verpflichtet und eben diese Eigenschaften sind unter anderem ausschlaggebend für die Definition eines Ritters.[8] Die Kreuzzüge haben einen entscheidenden Einfluss auf die Popularität und das Ansehen der Ritter, denn durch sie erfolgt eine Idealisierung und die Gemeinschaft der Ritter rückt näher zusammen, um gemeinsam für ein Ziel einzustehen. Diese Konstellation von untergebenem Krieger und engem Zusammenhalt einer privilegierten Gruppe prägte vor allem die Literatur des Mittelalters. Durch diese Überlieferungen entstand das Bild eines höfischen Ritters, welches noch bis heute Bestand hat.[9]
Es gehört jedoch bei weitem mehr dazu, als nur treu und ein guter Krieger zu sein, um als Ritter angesehen zu werden. Alle Eigenschaften und Voraussetzungen, die von einem angehenden Ritter erbracht werden müssen, lassen sich mit einem ritterlichen Tugendsystem zusammenfassen. Dieses „Ritterliche Tugendsystem“ stellt alle ethischen Vorstellungen zusammen und untersucht eben diese Moralvorstellungen auf ihre Herkunft, um ein genaues Bild darüber abgeben zu können, inwiefern ihre Darstellung in der mittelalterlichen Literatur übereinstimmt oder ob es sich eventuelle Abweichungen finden lassen. Dieses System, welches erstmals von Gustav Ehrismann 1919 zusammengestellt wurde, soll im nun Folgenden untersucht und dargestellt werden.[10]
3. Das „Ritterliche Tugendsystem“ von Gustav Ehrismann
Gustav Ehrismann bezieht sich in seiner Arbeit vor allem auf die Erkenntnisse der griechischen Philosophie, welche sich unter anderem auf Platon und Aristoteles stützt. Auf diese beiden geht auch Ehrismann bei seinem „Ritterlichen Tugendsystem“ ein und übernimmt ihre Meinungen zum Wesen der Tugenden.[11]
In der allgemeinen Sittenlehre ist die Glückseligkeit das höchste Gut, welches einem Menschen widerfahren kann. Diese Meinung vertritt auch Platon; für ihn bedeutet dieses Glück ebenfalls eine Vollkommenheit der Seele. Er gelangte zu einer Dreiteilung der Seelenkräfte, welche in Verbindung mit einem vierten Aspekt eben diese Glückseligkeit verschaffen können. Diese Kräfte sind: Vernunft, Mut und Begierde. Sie unterliegen wiederum drei Charaktertypen, deren Verbindung unabdinglich für die menschliche Seele ist. So ist es die Aufgabe der Vernunft die Weisheit zu pflegen, die Willenskraft obliegt der Tapferkeit und die Begierde der Selbstbeherrschung. Werden diese drei Kräfte mit der Gerechtigkeit in Verbindung gebracht, so erlangt man das richtige Verhältnis, welches dem Menschen die Glückseligkeit verschaffen kann.[12]
Diese Sittenlehre von Platon wurde durch Aristoteles Ansichten weiter ausgearbeitet und bringt eine entscheidende Ergänzung mit sich. Für ihn kann das Wesen der Tugend nur durch die Einhaltung des richtigen Maßes komplementiert werden. Außerdem ist für ihn die Tugend ein Verhalten der Seele, wobei er die Tugend wiederum in zwei Teile spaltet. Zum einen die des Denkens, welche sich der Vernunft bedient und zum anderen die der Beherrschung von Affekten. Dieser Teil bedient sich eher der sittlichen und ethischen Tugenden. In Folge dieser Zweiteilung und dem Hinzuziehen des richtigen Maßes ergibt sich für Aristoteles ein abgestuftes Werteverhältnis der Tugenden.
[...]
[1] Vgl. Michael Dallapiazza: Wolfram von Eschenbach: Parzival. In: Klassiker Lektüren. Bd. 12. Berlin, 2009. S.21.
[2] Vgl. Gustav Ehrismann: Die Grundlagen des ritterlichen Tugendsystems. In: Günter Eifler (Hg.). Ritterliches Tugendsystem. Wege der Forschung. Bd. 56. Darmstadt, 1970. S.1.
[3] Vgl. Hans Naumann: Deutsche Kultur im Zeitalter des Rittertums. Potsdam, 1938. S.11.
[4] Vgl. Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Taschenwörterbuch. 38. Aufl. Stuttgart, 1992. S.170.
[5] Vgl. Dieter Vogt: Ritterbild und Ritterlehre in der lehrhaften Kleindichtung des Stricker und im sog. Seifried Helbing. In: Europäische Hochschulschriften: Reihe 1, Deutsche Sprache und Literatur. Bd. 845. Frankfurt am Main, 1985. S.14-15.
[6] Vgl. Joachim Bumke: Studien zum Ritterbegriff im 12. und 13. Jahrhundert. Heidelberg, 1964. S.68.
[7] Vgl. Dieter Vogt. Frankfurt am Main, 1985. S.16-17.
[8] Ebd. Dieter Vogt. S.17.
[9] Ebd. Dieter Vogt. S.18.
[10] Ebd. Dieter Vogt. S.21.
[11] Ebd. Dieter Vogt. S.21.
[12] Vgl. Gustav Ehrismann. Darmstadt, 1970. S.1.
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- Anonym, 2014, Das Ritterliche Tugendsystem in Wolframs von Eschenbach „Parzival“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293344
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