Revolution ,,von unten". Welche Prozesse ermöglichten die Samtene Revolution in Tschechien 1989/90 ?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

22 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die politische Lage in Ost- und Mitteleuropa 1989 -
Die Ereignisse in Polen, Ungarn und der DDR

3 1 Überlegungen zur Entwicklung der Revolution der CSSR
Die Samtene Revolutionin der CSSR

4 Schlußfolgerungen zu den Ereignissen von 1989

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Zeit um 1989 ist retrospektiv geprägt durch eine Reihe staatlicher Transformationen in Ost- und Mitteleuropa, die man als Revoltutionen bezeichnet. Revoltutionen deswegen, weil ein politischer aber auch ein sozialer Wandel in den Gesellschaften vonstatten ging, der das komplette staatliche System dieser Nationen verändert hat.

Daraus resultiert die Frage, warum sich gerade zu diesem Zeitpunkt und vor allem in dieser raschen Geschwindigkeit dieser rapide Wandel vollzogen hat. Wie in einer großen Kettenreaktion folgten die Staaten Polen, Ungarn, DDR, die CSSR und Rümänien einander in eine deue Richtung. Gemein hatten alle diese Staaten, dass sie ein sozialistisch-kommunistisches Regime hatten, und das dementsprechend auch ihr Leben dem Regeln dieses Regimes unterlag. Aber kann man hier wirklich von einer Kettenreaktion sprechen, also dass alle diese Revolutionen fest miteinander verbunden waren und auch nicht entstanden wären ohne die Transformationen um sie herum? Oder war es einfach nur eine Frage der Zeit, dass sich das Volk gegen ihr jeweiliges Regime aufbäumt und moralischen und politische Forderungen stellt? Wären dieser rapide Wandel in der Gesellschaft auch möglich gewesen ohne das Wissen um die Veränderungen in den Nachbarstaaten, die vielleicht Mut machten sich selber zu erheben? Oder war das vorherrschende kommunistische Regime einfach nach so langer Zeit eh kurz vorm Auseinanderbrechen?

Mit dieser Frage möchte ich mich in dieser Hausarbeit eingehender beschäftigen. Ich habe mir dafür die ehemalige CSSR ausgesucht, ehemals Tschechoslowakei, heute Tschechien und Slowenien. Auch dieser Staat schaffte es sich 1989 neu zu ordnen, wenn auch mit einigen Hindernissen und Rückschlägen. Aber nichts desto trotz wurde der Sozialismus abgeschafft und durch ein neues politisches System ersetzt. Und auch diese Veränderungen schienen nicht unbehelligt gewesen zu sein von dem was um sie herum geschah.

Ich möchte die Prozesse aufzeigen, die schrittweise, aber dennoch Schlag auf Schlag, dafür sorgten, dass in der CSSR dieser soziale Wandel vonstatten ging. Mit welchen friedlichen oder gewaltsamen Mitteln verschafte sich das Volk gehör und wie reagierte die Regierung darauf? Ich werden versuchen für diese Vorgänge Erklärungen zu finden. Darüber hinaus möchte ich versuchen, die Frage zu klären, ob diese Prozesse durch die Welle an Statlichen Transformationen oder Revolutionen um sie herum resultieren oder ob sie nur das Fass zum Überlaufen brachten und das Volk ohnehin auf dem Weg war, ihr politisches Regime zu stürzen.

Dazu möchte ich zu Beginn meiner Arbeit einen kurzen Überblick liefern, was um die CSSR herum so passierte in dieser Zeit z.B, in Polen, Ungarn und in der DDR und inwieweit diese Ereignisse eventuell in Verbindung stehen mit dem, was sich später in der CSSR ereignete.

Dann werde ich den Ablauf der Revolution in der CSSR erläutern, besonders im Hinblick auf die Initiative vom Volk. Welche Ausgangsbedingungen herrschten damals dort und was waren eventuelle Gründe für den plötzlichen Wandel? Ich werde darstellen, auf welche Art und Weise die Transformation vor sich ging und welche Ereignisse dazu führten, dass die Regierung schließlich einlenkte. Darüber hinaus werde ich noch erläutern, wie die politische, wirtschaftliche und soziale Entwicklung weiterging.

Im drittem Teil meiner Arbeit werde ich dann versuchen, Erklärungen für die verschiedenen Ereignisse und Entwicklungen zu finden. Wie kam es, dass sich die Bürger ausgerechnet zu dem Zeitpunkt zu Oppositionsgruppen formierten? Wieso fanden ihre Forderungen aufeinmal Gehör? Woher kam die Motivation der Menschen ihre Forderungen zu stellen und beharrlich darauf zu bestehen? Ich möchte die Frage beantworten können, ob sie ihre Motivation fanden, weil sie sahen was in den anderen sozialistischen Staaten möglich war oder weil sie ohnehin aus diesem System ausbrechen wollten und dies auch getan hätten, wenn um sie herum nicht gerade die Welle an Revolutionen und Umbrüchen stattgefunden hätte. War das System ohnehin zum Scheitern verurteilt, oder wurde es nur vom Sog der Transformationen um sie herum mitgerissen? Diese Fragen werde ich versuchen zu klären und anhand dessen meine Schlußfolgerunmgen ziehen. Anschließend möchte ich versuchen anhand Ralf Dahrendorfs Theorie zum sozialen Konflikt weitere Erklärungen zu finden oder meine Überlegungen damit zu stützen.

Im letzten Teil möchte ich dann meine Ergebnisse nochmal zusammenfassen zu einem Endresümee. Konnte ich alle meine Fragen beantworten oder sind noch Fragen offen geblieben. Ich hoffe dann beantworten zu können, inwieweit die Samtene Revolution der CSSR ein Verdienst des Volkes war, und wieviel Einfluß das Geschehen in Mittel und Osteuropa auf den Wandel und die Entwicklung dieses Landes gehabt hat.

2 Die politische Lage in Ost- und Mitteleuropa 1989 -

Die Ereignisse in Polen, Ungarn und der DDR

Das was 1989 mit vielen Staaten in Ost- und Mitteleuropa passierte, war so plötzlich und dennoch nicht unerwartet. Doch mit einer so rasanten Entwicklung hatte dann wohl doch niemand gerechnet.

Als Timothy Garton Ash am siebenten Tag der Revolution in der CSSR den späteren Präsidenten Vaclav Havel in einem Hinterzimmer einer Kneipe traf, formulierte er einen Satz, der lange in den Köpfen vieler Tschechen verweilte: ,,In Polen dauerte es zehn Jahre, in Ungarn zehn Monate, in der DDR zehn Wochen; vielleicht wird es in der Tschechoslowakei nur zehn Tage dauern"1

In Polen begann der Umbruch ganz langsam und schon relativ früh im Vergleich zu den anderen Staaten. Dort bildete sich 1980 die Solidarnosc unter Ermutigung des polnischen Papstes Johannes Paul. Die Entwicklung in den achtziger Jahren in Polen war geprägt durch Unzufriedenheit der Menschen was die materiellen Verhältnisse betraf, die zunehmendene Deligimitierung des Systems unter dem ,,Kriegsrecht" und der Entstehung einer oppositionellen Front, die zugleich Kontakte zur Partei und Regierung pflegte. Zwar fanden seit 1986 Reformen statt, die aber zu keiner großen Veränderung führten. Erst nach einigen Streiks im Sommer 1988 beschloss man sich an einen runden Tisch zu setzten, um zwischen Regierung und oppositionellen und sozialen Gruppen zu verhandeln. Diese Verhandlungen beschlossen, unter aufsicht der Kirche, halbfreie Wahlen für Juni 1989, die von den Kommunisten verloren wurden und somit neue Parteien ermöglichten. So entstand eine nicht kommunistische Regierung, die erste seit Ende der zweiten Weltkriegs.2

Auch in Ungarn wurden die Veränderungen in Polen beobachtet, aber auch die Entwicklung der Sowjetunion unter Gorbatschow war ein entscheidener Faktor. Denn die entscheidenen Bewegungen Richtung Veränderung kamen im ungarischen Fall von der Regierung direkt. Das Zentralkomittee der kommunistischen Partei verlangte ein Mehrparteinsystem und freie Wahlen. Es kam zu Dreiparteienverhandlungen zwischen Kommunisten, Oppositionellen und anderen Gesallschaftlichen Organisationen, woraus sich ein Referendum und freie Wahlen ergaben, die die Kommunisten verloren. Das ,, Ungarische Demokratische Forum" wurde gegründet und bildete eine neue nicht kommunistische Regierung, die schnell mit neuen Reformen begann.3

In der DD begann die Welle der Veränderung damit, dass die Menschen mehr Reisefreiheit forderten und immer mehr Bürger der DDR auswandern wollten und schließlich die Massenflucht vieler DDR-Bürger. Dies kam zusammen mit den Massen an Menschen, die seit September 1989 auf den Straßen demonstrierten und immer mehr wurden. Dadurch wurde die Bewegung angetrieben, die schließlich das Honecker-Regime stürzte und ihren Höhepunkt im Mauerfall am 9.November fand. Diese Öffnunung der Grenze resultierte in dem weiter steigenden Bedürfnis der Ostdeutschen Bevölkerung, die gleichen Rechte und Freiheiten zu besitzen wie ihre Nachbarn in westdeutschland. Die freien Wahlen im März 1990 machten den Wunsch der Menschen nach einer Wiedervereinigung deutlich, sodass die DDR der Bundesrepublik beitrat.4

Der Fall der DDR kann als der Idealtypische Fall der Revolution von unten angesehen werden, indem die Menschen der Gewalt ihres Regimes mit massendemos und Gesängen antworten und es somit schlußendlich friedlich in die Knie zwangen.

3 1 Überlegungen zur Entwicklung der Revolution der CSSR

Die rasche und plötzliche Entwicklung in der CSSR führt mich zu verschiedenen Schlußfolgerungen, wie sich diese Vorgänge erklären liesen.

Meine erste Überlegung wäre, dass die Menschen in der CSSR durch die Vörgänge in den Nachbarstaaten wie der DDR, Polen und Ungarn so beeindruckt und motiviert waren und sie dadurch eventuell auch den Glauben an die Veränderung wiedergefunden haben, sodass auch sie dem Wunsch nach Veränderung nicht mehr unterdrücken wollten. Da sie gesehen und gehört hatten, was alles und auch wie schnell es möglich war, fassten sich die Menschen den Mut zu demonstrieren, ihren Forderungen Luft zu machen und sich nicht von der Regierung weiter klein halten zulassen.

Die zweite Überlegung wäre, dass das Fass quasi eh schon zum Überlaufen voll gewesen war und es einfach an der Zeit war für Veränderung nach so langer Zeit. Demnach hatten die Ereignisse in den anderen Staaten um sie herum weniger Einfluß auf das, was in der CSSR passierte als der eigentliche derzeitige Zustand im Land selber. Die Menschen waren einfach schon lange frustriert und unzufrieden mit dem System, sodass es nur eine Frage der Zeit war, bis sich das Regime zu verabschieden hätte.

Die dritte logische Schlußfolgerung aus dem Vorangegangenen wäre die, das sich beide Faktoren gegenseitig beeinflußt haben. Die Zeit war halt generell reif gewesen für die Veränderung und die Menschen der sozialistischen Regierung schon lange überdrüssig. Die Geschehenisse in den anderen sozialistischen Staaten waren für sie nur noch das letzte Signal, dass ihnen bewies, dass die Zeit der sozialistischen Diktaturen in Ost- und Mitteleuropa zuende gekommen war und sie alle gemeinsam den Wandel entgegen arbeiten müssen.

Eine vierte Überlegung meinerseits wäre, dass das Regime früher oder später eh gescheitert wäre aufgrund ihre desolaten Reformpolitik und der immer weniger werdenden Akzeptanz bei seinen Bürgern, sodass nur ein kleiner Stoß gefehlt hat, um es zu stürzen. Dies geht dann aber auch wieder mit meiner zweiten Überlegung einher, dass die Menschen den Zustand in ihrem Land schon lange nicht mehr dulden wollten und es nur eine Frage der Zeit war, bis sie sich gegen das System aufgelehnt hätten.

Die Samtene Revolutionin der CSSR

Obwohl bis kurz vor der Revolution kaum oppositionelle Gruppen oder Kämpfer gegen das Regime im Blickwinkel der Öffentlichkleit waren, gab es doch schon einzelne erste Tendenzen und Bewegungen, die zwar eigentlich außerhalb des Geschehen der eigentlichen Revolution stehen, aber dennoch bemerkenswerte Beispiele liefern für einige wenige, die es wagen den Mund zu öffnen gegen ihr Regime des Vergessens. Und diese Situation ist ein Resultat eines Jahrzehnte andauenden Regime, das viel Frust bei seinen Bürgern angestaut hat.

Das Husak-Regime forderte immer seine Bürger auf zu vergessen: Sie sollten die sowjetische Invasion von '68 vergessen, ebenso wie ihre demokratischen Traditionen. Sie sollten sich am besten gar nicht mehr um die Politik ihres Landes scheren und als Ausgleich dafür Wohlstand und ein bequemes, komfortables Leben geniesen dürfen. Aber auch dieser gewisse Lebensstandart sank im Laufe der Jahre gemeinsam mit der stetigen Verschlechterung der ökologischen Situation des Landes, und dennoch wurde gänzliche Konformität verlangt, was heißen soll das jeder zwar wählen geht, aber auch nur das was ihm vorgeschrieben wird, jeder hält nach außen hin zum Sozialismus, was innen in ihnen hervorgeht muss ja niemand so genau wissen. 5

Und so formierte das Regime die Bürger zu passiven Beobachtern und entfernte all jenige, die es sich trauten ihre kritische Meinung zu äußern und gleich die mit, die dafür prädistiniert waren, in Zukunft ebenfalls dem Regime gefährlich zu werden: Schriftsteller, Intellektuelle, Philosophen, Journalisten und noch viele weitere wurden in die Verdammung geschickt. Sie durften nichts mehr publizieren und wurden quasi im Käfig gehalten und unter Beobachtung gestellt.6 So bildeten sie quasi gezwungenerweise die Seite der Opposition, auch wenn ihnen gewissermaßen in vielerlei hinsicht die Hände gebunden waren.7

Die Partei und ihre Mitglieder hingegen waren eigentlich nur eine Vereinigung von Männern die sich gegenseitig förderten und immer wieder junge Menschen verpflichteten der Partei beizutreten um Karriere zu machen innerhalb der Partei. Und so erstarrte die Poltik in der CSSR nach und nach. Mit jeder noch so lieblosen Reform befürchtete das Politbüro unerwartete und ungünstige Konsequenzen, und da vom Volk niemand mehr sich mit der Partei identifiziert aber anderweitig die Menschen über Jahre mundtot gemacht wurden, bewegte sich politisch in der CSSR gar nichts. Dies ist schon ein Indiz für die desolaten politischen Zustände, die das System warscheinlich über Jahrzehnte immer weiter geschwächt hat und die Bürger von den politischen Vorgängen in ihrem Land entfremdet hat.

Doch es gibt einige wenige Ausnahmen und die wichtigste und erwähnenswerteste ist die Charta 77 mit Vaclav Havel und Jiri Hajek als Sprechern8.

In ihrer ersten Deklaration von 1.Januar 1977 erklärt sie sich zu ,,einer freien, informellen Gemeinschaft von Menschen unterschiedlicher Gesinnung, unterschiedlichen Glaubens und unterschiedlicher Berufe" die gemeinsam für die Anerkennung der Menschen und Bürgerrechte kämpft.9 10 In ihr kann man die ersten zaghaften Versuche der Ausgeschlossenen in der CSSR sehen, die versuchen ihre einzelne Stimme zu einer größeren, lautern zu bündeln.

[...]


1 Vgl. Timothy Garton Ash ,,Ein Jahrhundert wählt sich ab" S.401

2 Vgl. Jürgen Kocka ,,1989-Eine transnationale Revolution und ihre Folgen" S.19

3 Vgl. Jürgen Kocka ,,1989-Eine transnationale Revolution und ihre Folgen" S. 20

4 Vgl. Jürgen Kocka ,,1989-Eine transnationale Revolution und ihre Folgen" S.21

5 Vgl. Timothy Garton Ash ,,Ein Jahrhundert schafft sich ab" S.61

6 Vgl. Timothy Garton Ash ,,Ein Jahrhundert schafft sich ab" S.62

7 Vgl. Gerhard Hirscher ,,Kommunistische und Postkommunistische Parteien in Osteuropa" S.10

8 Vgl. Die Umsturzbewegungen 1989 in Mittel- und Osteuropa" S.42

9 Vgl. Timothy Garton Ash ,,Ein Jahrhundert schafft sich ab" S.63

10 Vgl. Jörg K. Hoensch ,,Geschichte der Tschechoslowakei" S. 193

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Revolution ,,von unten". Welche Prozesse ermöglichten die Samtene Revolution in Tschechien 1989/90 ?
Hochschule
Georg-August-Universität Göttingen  (Sozialwissenschaftliche Fakultät)
Veranstaltung
Politische Soziologie Hauptseminar
Note
2,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V293705
ISBN (eBook)
9783656913108
ISBN (Buch)
9783656913115
Dateigröße
747 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Revolution, Volk, Samtene Revolution, Tschechien, Tschechoslowakei, Prag, Havel, Volksrevolution, Friedliche Revolution, Europa, Vaclav Havel, Demonstration, Fall des Kommunismus, Regimekritiker, 1989, 1990
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Nadine Hartmann (Autor:in), 2012, Revolution ,,von unten". Welche Prozesse ermöglichten die Samtene Revolution in Tschechien 1989/90 ?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293705

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