Schöne Literatur ist oft zu Unrecht mit dem Vorurteil behaftet, nur zum Amüsement zu dienen. Geradezu exemplarisch bezeugt diese Arbeit über Musik und Medien in Theodor Fontanes L’Adultera und Effi Briest sowie Thomas Manns Zauberberg dagegen den Nutzen der Belletristik: Alle drei Werke verfügen über einen immensen Speicher an Welt- und Handlungswissen, indem sie die zeitgenössische Mediengesellschaft nicht nur portraitieren, sondern auch auf Funktionen sowie Vor- und Nachteile kritisch eingehen. Schließlich ist es eine Aufgabe der Literatur, „mit äußerster Aufmerksamkeit die Massenmedien […] zu beobachten, die ihr schärfster Konkurrent auf dem Markt der Sinnangebote sind.“
Die Auswahl der drei Werke basiert darauf, dass sie in einen mediengeschichtlich entscheidenden Umbruch fallen: L’Adultera wurde 1882 als Buchausgabe veröffentlicht. Effi Briest erschien zuerst von 1894 bis 1895 als Fortsetzungsroman und Thomas Manns Zauberberg wurde 1924 publiziert. Marshall McLuhans vierstufiger Epocheneinteilung zufolge fallen die drei Romane in das elektronische Zeitalter, wobei Guglielmo Marconis Erfindung der elektrischen Telegrafie 1894 die entscheidende Zäsur darstellt. Die vorangegangen Epochen, die jeweils einschneidende Veränderungen für die Menschen der westlichen Geschichte und deren Kultur mit sich bringen, sind die orale Stammeskultur, die literale Manuskript-Kultur sowie die Gutenberg-Galaxie mit der Erfindung des Buchdrucks von 1450.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Musik und Medien in Effi Briest
- Fotografie und physiognomische Betrachtungen
- Unterhaltende und dokumentierende Funktion
- Fotografische Widerspiegelung der Realität
- Bildmediale Kommunikation und Manipulation
- Flitterwochen als Bilder- und Bildungsreise
- Bilder zur Kommunikation des Unaussprechlichen
- Bifunktionalität des Chinesenbildes
- Unwahrscheinlichkeitsverstärkung des Spukes
- Überwachender Absenzüberbrücker
- Musik und Gemälde als Imageträger
- Von Kunstwerten, Kunstwerken und elitärem Wertesystem
- Bildmedien und die Diskrepanz von Sein und Schein
- Musik und Musikalität als Persönlichkeitsindikatoren
- Risiken und Chancen medialer und musikalischer Zerstreuung
- Entspannung der Sinne und Stimulierung von Sinnlichkeit
- Musikalische Inspiration von Interaktionen
- Dekadente Kraft der Musik
- Bildmediale Wahrnehmungsüberforderung und Exkommunikation
- Öffentliche Printmedien
- Zeitungslesen als Männerdomäne
- Macht des mediatisierten Klatsches
- Lyrik und die schöne Literatur
- Männlich bestimmter Medienkonsum
- Poesie als verführerisches Kommunikationsmedium
- Private schriftliche Kommunikationsmedien
- Briefe im Kontext privater Kollektivkommunikation
- Briefmediale Funktionen, Vor- und Nachteile
- Effis Kategorisierung des Briefmediums als Botschaft
- Telegrafie und Briefe
- Telegrafische Gehorsamspflicht
- Effis Medienkompetenz und mediale Intrige
- Handlungsmacht der Briefe
- Fotografie und physiognomische Betrachtungen
- Musik und Medien in L'Adultera
- Bildmedien zur Interaktionskoordination
- Didaktische und kommunikative Funktion der L'Adultera
- Fremd- und selbstbestimmter Medienumgang
- Scheitern der latent-didaktischen Funktion der Mohrenwäsche
- Sinnliche Absenzüberbrücker
- Illustrationen von Weiblichkeit
- Visueller Kunstgenuss als Ersatzbefriedigung
- Bildmediales Image und kontextualer Wertetransfer
- Prestigeobjekte zur bildmedialen Adelung
- Melanies natürliches Selbst- und Gegenbild
- Intellektuelle Körperextension und Bildungskritik
- Medial vermittelte Persönlichkeitsimaginationen
- Von Sinnstiftung und Sinnlichkeit des musikalischen Sinnenreizes
- Vorwurf der pseudo-religiösen Sinnstiftung
- Sinnlichkeit und Sinnenraub der Wagnermusik
- Volks- und Kunstlieder als Interaktionskoordinatoren
- Relativierung der Wagnerschen Verführung
- Melanie im komparativen Bann von Musik und Medien
- Flucht im Zeichen Wagners
- Musik und Literatur als Aktionskoordinatoren
- Bildmedien zur Interaktionskoordination
- Musik und Medien im Zauberberg
- Lob und Tadel des Grammofons
- Anwesenheitsverstärkender Absenzüberbrücker
- Pathologische Immersion und Simulation von Wirklichkeit
- Kritik am Grammofon
- Musikemphase und Skepsis
- Strukturierender Sinn der Satztechnik
- Musik als Sinne vernebelndes Opiat
- Musikalischer Eskapismus
- Bildmediale Visionen und Visualisierungen von Realität
- Sinnliche Stimulation durch visuelle Simulation
- Von medialer Transparenz und Transzendenz
- Medial-technischer Spiritismus als Ende der Vorstellung
- Traditionelle und neumediale Zerstreuungen
- Visualisierungen des toten Lebens
- Surreale Abbilder der Realität
- Sinnes-, Sinnen- und Kommunikationstod im Bioskop-Theater
- Sinn- und Sinnlichkeitsstiftung der Bücher
- Heilsversprechen und Leselust
- Bibliophobie und sinnloser Missbrauch des Buches
- Traditionelle versus neumediale Kommunikations- und Informationsmedien
- Interaktionen koordinierende Telemedien
- Postalische Interaktion und befreiende Exkommunikation
- Gebrauch und Missbrauch von Zeitungen
- Castorps Erlösung von der Exkommunikation
- Lob und Tadel des Grammofons
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Masterarbeit analysiert die Funktionen und die Kritik von Musik und Medien in drei bedeutenden Werken der deutschen Literatur: Theodor Fontanes L'Adultera und Effi Briest sowie Thomas Manns Zauberberg. Die Arbeit untersucht, wie die Medien und die Musik in diesen Romanen als Mittel der Kommunikation, der Manipulation und der Sinnstiftung fungieren und welche kritischen Aspekte damit verbunden sind.
- Die Rolle von Musik und Medien als Kommunikationsmittel
- Die manipulative Kraft von Musik und Medien
- Die Bedeutung von Musik und Medien für die Sinnstiftung
- Die Kritik an den negativen Auswirkungen von Musik und Medien
- Die Entwicklung von Medien und Musik im Kontext des mediengeschichtlichen Umbruchs
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt in die Thematik der Arbeit ein und erläutert die Auswahl der drei Romane sowie die Relevanz der Medienanalyse für die Literaturwissenschaft. Die Kapitel 2, 3 und 4 analysieren die Funktionen und die Kritik von Musik und Medien in den drei Romanen. Kapitel 2 befasst sich mit Effi Briest und untersucht die Rolle von Fotografie, Briefen, Telegrafie, Zeitungen und Musik in der Romanhandlung. Kapitel 3 analysiert L'Adultera und beleuchtet die Bedeutung von Bildmedien, Musik und Literatur für die Figuren und die Handlung. Kapitel 4 untersucht den Zauberberg und analysiert die Funktionen von Grammofon, Musik, Literatur und Film in der Romanwelt. Die Schlussbetrachtung fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Bedeutung der Medienanalyse für das Verständnis der drei Romane.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Musik, Medien, Literatur, Kommunikation, Manipulation, Sinnstiftung, Kritik, Effi Briest, L'Adultera, Zauberberg, Fotografie, Briefe, Telegrafie, Zeitungen, Grammofon, Film, Wagner, Bildung, Gesellschaft, Kultur, Moderne.
- Arbeit zitieren
- B.A. Saskia Guckenburg (Autor:in), 2014, Funktionen und Kritik von Musik und Medien in Thomas Manns "Zauberberg", Theodor Fontanes "L’Adultera" und "Effi Briest", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/293761