Durch die verschiedenen Einwanderungswellen ist die Bevölkerung und Kultur Madagaskars von asiatischen und afrikanischen Elementen geprägt, wobei es schwierig ist die einzelnen Einflussfaktoren zu trennen. Obwohl heute etwa ein Drittel der Bevölkerung Christen sind, spielt auf ganz Madagaskar die Ahnenverehrung immer noch eine wichtige Rolle. Diese Tradition spiegelt sich vor allem im Bezug zum Tod und bei Beerdigungen wieder. Der Tod wird allgemein als natürliche Folge schwerer Krankheit oder hohen Alters gesehen. Nur ein sehr plötzlicher Tod ist unnatürlich und es wird angenommen, dass er von einem bösen Feind, Zauberer oder Geist durch höhere Kräfte verursacht wurde. Vorstellungen von einem jüngsten Gericht, Fegefeuer oder Hölle existieren in der madagassischen Tradition nicht, die Toten halten sich stattdessen meist in der Nähe ihrer früheren Wohnungen auf (Schomerus-Gernböck 1992: 219). Sie können ihren lebenden Verwandten im Traum erscheinen um Gutes oder Böses zu bringen und gelten so als Mittler zwischen Gott und den Menschen. Bei Verletzungen bestimmter Tabus können sie die Betroffenen mit Krankheiten oder Missernten bestrafen. Um sie zu besänftigen und um für ihren Segen zu bitten ist es daher üblich, Zeremonien abzuhalten, bei denen den Ahnen Opfer, meist Tiere und Alkohol, dargebracht werden (Schomerus-Gernböck 1975: 805).
Allgemein ist der Tod auf Madagaskar nicht mit Trauer verbunden, da er nicht als Ende gesehen wird, sondern lediglich als Wechsel von der Gemeinschaft der Lebenden in die Gemeinschaft der Ahnen (Roth 1994: 99). Da aber gerade diese kulturelle Transition, vom einfachen Menschen zu einem hochangesehenen und verehrten Ahnen, bei den Madagassen extrem wichtig ist, ist auch die Beerdigungszeremonie, sowie Särge, Gedenkgegenstände und das Grab selbst von höchstem spirituellen Wert. Die verschiedenen Begräbnistraditionen Madagaskars sind extrem komplex und sehr unterschiedlich von Region zu Region. Um einen Überblick über die Komplexität dieser Zeremonien und Vorstellungen zu vermitteln, möchte ich in meiner Arbeit die Totenkulte in zwei verschiedenen Gruppen beschreiben. Zunächst werde ich auf die Merina im Hochland eingehen, um dann, zur Veranschaulichung der Vielfalt, beispielhaft die Traditionen der Sakalava an der Westküste anzureißen. Natürlich gibt es auch innerhalb der jeweiligen Gruppen regionale Unterschiede, die ich allerdings nicht genauer darlegen werde.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Totenkult bei den Merina
- Die Gräber der Merina
- Das königliche Grab
- Beispiel für den Ablauf einer Famadihana
- Das vorläufige Begräbnis
- Totenkult bei den Sakalava
- Gräber bei den Sakalava
- Das königliche „Grabdorf“
- Begräbnistradition
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert den Totenkult auf Madagaskar, insbesondere bei den Merina und Sakalava. Die Hauptaugenmerke liegen auf der Beschreibung der Gräber, der Begräbnisriten und der Bedeutung der Ahnenverehrung in beiden Kulturen.
- Einfluss asiatischer und afrikanischer Kulturelemente auf den Totenkult Madagaskars
- Bedeutung der Ahnenverehrung und ihre Rolle im Leben der Madagassen
- Analyse der verschiedenen Begräbnisriten der Merina und Sakalava
- Soziale und spirituelle Bedeutung der Gräber und ihre Rolle in der Gemeinschaft
- Vergleich der königlichen und nicht-königlichen Grabstätten
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung
Die Einleitung stellt Madagaskar und seine ethnische Vielfalt vor, wobei der Fokus auf die Bedeutung der Ahnenverehrung und ihre Ausprägung in den Begräbnisritualen liegt.
Totenkult bei den Merina
Dieser Abschnitt erläutert die Merina-Gesellschaft und ihre Grabstätten, die als solide Familiengräber dienen. Er geht auf die Bedeutung der Beisetzung im Familiengrab, die Rolle der sozialen Schicht und die Ausgrenzung von Personen mit ungewünschten Eigenschaften ein. Weiterhin wird das königliche Grab der Merina-Könige beschrieben, das sich von den gewöhnlichen Gräbern unterscheidet und als Ruhestätte für die Seele des Herrschers dient.
Totenkult bei den Sakalava
Dieser Abschnitt stellt die Gräber der Sakalava und ihr königliches „Grabdorf“ vor. Er beleuchtet die Begräbnisriten und Traditionen dieser Ethnie, die sich von denen der Merina unterscheiden.
Schlüsselwörter
Madagaskar, Totenkult, Ahnenverehrung, Merina, Sakalava, Gräber, Begräbnisriten, Famadihana, königliche Grabstätten, soziale Schicht, Ausgrenzung, traditionelle Kultur.
- Arbeit zitieren
- Lotte von Lignau (Autor:in), 2004, Totenkult auf Madagaskar, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29399