Außenkulturpolitische Herausforderungen und Chancen

Handlungsfelder und Zielhorizonte einer europäischen Außenkulturpolitik


Hausarbeit (Hauptseminar), 2015

35 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Rahmenbedingungen einer EUAKP
1. Kultur und Außenpolitik
2. Außenkulturpolitische Aktivitäten der Mitgliedsstaaten
3. Die Gemeinschaft der Europäischen Kulturinstitute EUNIC
4. Rechtliche Grundlage eines außenkulturpolitischen Tätigwerdens der EU und aktuelle Entwicklungen
5. Zwischenfazit

III. Dokumentenanalyse
1. Methodisches Vorgehen
1.1 Verfahren der strukturierenden Inhaltsanalyse
1.2 Dokumentenauswahl
2. Analyse
2.1 Rahmenbedingungen
2.2 Erwartungen an eine EUAKP: Aufgaben und Ziele
2.3 Die Rolle von EUNIC im Rahmen einer EUAKP

IV. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

I. Einleitung

European Union has reached a stage of its history where its cultural dimension can no longer be ignored.

José Manuel Barroso

Mit Inkrafttreten des Lissabon Vertrages (2009) und dem damit verbundenen Aufbau des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) sowie der neu geschaffenen Position des/ der Hohen Vertreters/ der Hohen Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik, intensivieren sich die Außenbeziehungen der Europäischen Union zunehmend und somit schreitet auch die europäische Integration weiter voran. Vor dem Hintergrund dieses fortschreitenden Integrationsprozesses stellt sich verstärkt die Frage, ob die sich vertiefenden Außenbeziehungen nicht auch „eine integrierte kulturelle Komponente“ erfordern, die über die separaten außenkulturpolitischen Bemühungen der EU-Mitgliedsstaaten hinausweist. (Dittrich 2007: 79) Gerade vor dem Hintergrund der Euro-Krise, dem vermehrten Aufkommen der euroskeptischen Parteien sowie im Zuge der zunehmenden Fremdenfeindlichkeit (bspw. durch den neu gegründeten Verein PEGIDA) ist es notwendig, die kulturpolitische Komponente der EU in den Fokus der Betrachtung zu rücken.

Bereits in den achtziger Jahren weisen viele internationale Verträge der EU auch kulturelle Maßnahmen, auf.1 So spielen bei der allseits als prioritär gesehenen EU-Nachbarschaftspolitik (ENP) Kultur und Künste keine unwichtige Rolle. (Vgl. Dittrich 2007: 81) Seit 1992 (Vertrag von Maastricht) und verstärkt durch die sogenannte Kulturagenda aus dem Jahr 2007 besteht auch eine rechtliche Grundlage für kulturelle Aktivitäten außerhalb der EU. Von einem schlüssigen Gesamtkonzept, einer Strategie, kann jedoch (noch) keine Rede sein. (Vgl. ebd.)

Die Debatte über einen aktiveren, konzeptuellen Ausbau kultureller Außenbeziehungen, die nun auch vom Rat der EU durch seine entsprechende Schlussfolgerung aus dem Jahr 20082 aufgenommen und vorangetrieben wurde, ist jedoch nicht neu. Bereits Ende der neunziger Jahre stellten Akteure und Experten des kulturpolitischen Handlungsfeldes Überlegungen zu einer gemeinsamen europäischen Außenkulturpolitik an, welche die nationalen außenkulturpolitischen Aktivitäten ergänzen sollte.3 Vorgeschlagen wurde beispielsweise ein gemeinsames Europäisches Kulturinstitut.4 Andere Beiträge zielen auf eine Förderung transnationaler Vernetzungen ab und sprechen sich gegen neue Institutionen aus. (Vgl. Dittrich van Weringh/Schürmann 2004: 20)

Kernfragen, die zunehmend aktuellere Konferenzen und Studien5 beschäftigen, sind beispielsweise folgende (Bátora/Mokre 2011: 161, 181):

Whether and how [can] the attractiveness of EU-Europe as a cultural entity […] complement the attractiveness of individual member states as cultural entities, and vice versa.

Should the cultural heritage be the most prominent flagship of European culture or rather contemporary art?

Worin bestünde ein „europäischer Mehrwert“ bei kulturellen Projekten außerhalb der EU? Kann eine gemeinsame Außenkulturpolitik zum viel diskutierten europäischen Identitätsgefühl beitragen? Und wie könnte diese kulturelle Komponente von den Akteuren auf allen Ebenen besser gestaltet werden? (Vgl. ebd.: 174f, Dittrich 2007: 81)

Die vorliegende Arbeit untersucht vor dem Hintergrund der Herausforderungen und Chancen des 21. Jahrhunderts, welche Aufgabenfelder und Erwartungen an eine Auswärtige Kulturpolitik, im Speziellen an eine europäische, herangetragen werden. Für die Untersuchung wird eine Dokumentenanalyse folgender Texte durchgeführt: Des Protokoll des 57. Loccumer Kulturpolitischen Kolloquium Außenkulturpolitik, Aktuelle Herausforderungen in einer Welt im Umbruch (2012), des dritten Kapitels der Studie Engaging the World: Towards Global Cultural Citizenship (2014), die im Zuge der preparatory action Culture in EU External Relations stattfand (in Auftrag gegeben von der Europäischen Kommission) sowie es jüngsten EUNIC-Jahresberichtes Europa von außen: Erwartungen an die europäische Außenkulturpolitik (2013/2014).

Die Arbeit geht davon aus, dass das 2006 gegründete Netzwerk europäischer Kulturinstitute EUNIC (European Union National Institutes for Culture), das sich in kürzester Zeit umfassend ausbreitete, einen Neustart in den auswärtigen Kulturbeziehungen bildet. Ausgehend von dieser Annahme und auf Grundlage der Ergebnisse aus den Betrachtungen der oben genannten Dokumente möchte ich somit der Frage nachgehen, welche Rolle EUNIC derzeit zugeschrieben wird bzw. welche Position das Netzwerk im Rahmen einer Europäischen Außenkulturpolitik (EUAKP) künftig übernehmen wird. Um aus der Dokumentenanalyse fundierte Schlüsse ziehen zu können, wird im folgenden Kapitel zunächst auf grundlegende, prägende Aspekte des Politikfeldes, im speziellen auf der europäischer Ebene, eingegangen.

II. Rahmenbedingungen einer EUAKP

Im Folgenden soll herausgekehrt werden, welche Aspekte die Diskussion um eine kulturelle Komponente in den EU-Außenbeziehungen so komplex werden lassen und welche Grundlagen und Ansätze zum außenkulturpolitischen Aktivwerden der EU bereits bestehen. Diese Darstellung bietet die Basis für die in Kapitel III ausgeführte Analyse, die auf diese Weise einer fundierteren Bewertung unterzogen werden kann.

1. Kultur und Außenpolitik

Kulturpolitisches Engagement im Ausland bzw. in Drittländern stellt eine außergewöhnliche Form des öffentlichen Agierens dar. Dies lässt sich vornehmlich auf den besonderen Politikgegenstand Kultur zurückführen.6

Festzustellen ist, dass dem Kulturbegriff ein diskursiver Charakter innewohnt, er aufgrund seiner inhaltlichen Offenheit unterschiedliche Akzentsetzungen durch die am kulturpolitischen Willensbildungsprozess Beteiligten erfährt und sich somit in steter Veränderung befinden kann (vgl. Heinrichs/Klein 1996: 155). Diese Prozesshaftigkeit gilt auch für Kulturen an sich. Da angesichts der gegenwärtigen Möglichkeiten eines ständigen Begegnens verschiedener Kulturen (beispielsweise durch zunehmende Migrationsströme) das Verständnis von Kultur als statisches, in sich geschlossenes Ganzes obsolet erscheint, kann Kultur nicht als homogen verstanden werden, sondern vielmehr sollte davon ausgegangen werden, dass der Gestus der Kultur „einer der Vermischung [ist]: es gibt Wettbewerb und Vergleich, es wird umgewandelt und uminterpretiert, zerlegt und neu zusammengesetzt […].“ (Nancy 1997: 6f. zit. n. Wagner 2001: 23).

Die besondere Dimension des Begriffs spiegelt sich auch im bedeutsamen Konzept des erweiterten Kulturbegriffs wieder, eingeführt durch die Erklärung des Europarats von Arc et Senans 1972 und international festgelegt durch die UNESCO-Erklärung der Weltkonferenz über Kulturpolitik in Mexico City 1982.

Hier wird konstatiert, dass

[…] die Kultur in ihrem weitesten Sinne als die Gesamtheit der einzigartigen geistigen, materiellen, intellektuellen und emotionalen Aspekte angesehen werden kann, die eine Gesellschaft oder eine soziale Gruppe kennzeichnen. Dies schließt nicht nur Kunst und Literatur ein, sondern auch Lebensformen, die Grundrechte des Menschen, Wertsysteme, Traditionen und Glaubensrichtungen […]. (DUK 1983: 121)

Hier wird der Kulturbegriff nicht auf Kunst und Geisteskultur im engeren Sinne beschränkt, sondern bezieht die Lebenswelten, in denen wir uns bewegen, die wir uns durch unser Zusammenleben geschaffen haben und ständig neu schaffen, mit ein. Die Dynamik des Begriffs wird somit auch hier deutlich.

Da sich der Begriff durch seine relative definitorische Weite dementsprechend in dynamischer Veränderung befinden kann, wirkt sich dies auch auf das Politikfeld aus: Je nach Auslegung und Vorstellung kann sich das Verhältnis von Kultur und Politik7 und somit auch das Verständnis auswärtiger Kulturpolitik wandeln (vgl. Schwencke/Bühler/Wagner 2009: 11).

Werden nun die beiden Politikfelder näher betrachtet, aus welchen sich die Außenkulturpolitik (AKP) zusammensetzt – Kultur- und Außenpolitik –, so wird ein spannungsgeladenes Gefüge sichtbar: Die Pflege der Außenbeziehungen wird vornehmlich bestimmt von klar definierten sicherheits- und außenhandelspolitischen Zielen. Kulturpolitik besteht allgemein aus der Kulturpflege und -förderung; möglichst mit dem Anspruch der Wahrung kultureller Autonomie und Eigengesetzlichkeit. Der Handlungsbereich der AKP oszilliert also zwischen der erwähnten inhaltlichen und definitorischen Offenheit der Kulturpolitik und konkreten sicherheits- und wirtschaftspolitischen Motiven der Außenpolitik.

Diese inhärente Ambivalenz ist hinsichtlich der Diskussion um die Etablierung einer konzeptuellen EUAKP und deren inhaltliche Ausrichtung mitzudenken. Die AKP gerät folglich unmittelbar mit außenpolitischen Motiven und Zielhorizonten – wie Sicherheit oder wirtschaftliches Wohlergehen sowie sich wandelnden tagespolitisch relevanten Themen – in Verbindung.

2. Außenkulturpolitische Aktivitäten der Mitgliedsstaaten

Möchte man die möglichen Chancen und Grenzen der Etablierung einer EUAKP näher betrachten, so muss auch ein Blick auf die bereits teilweise seit mehr als einem Jahrhundert bestehenden außenkulturpolitischen Bemühungen der EU-Mitgliedsstaaten geworfen werden.

Offensichtlich sind diesbezüglich die unterschiedlichen Organisationsformen der Durchführungsorganisationen nationaler Außenkulturpolitiken, der Kulturinstitute. Es kristallisieren sich drei Muster heraus: Die auswärtigen Institute einiger Länder agieren „als direkte Antenne der Außenministerien“ (bspw. das polnische Institut, das institut français oder das Tschechische Zentrum), der Kulturministerien (z.B. das bulgarische Kulturinstitut oder das Collegium Hungaricum), der Unterrichtsministerien (Finnland-Institut), oder sie sind in eine Kooperation zwischen dem Außenministerium und dem Kulturministerium (Rumänisches Institut) eingebunden. Andere Staaten lassen ihre Durchführungsorganisationen selbständig auftreten, mit autonomer Verwaltung und Programmarbeit, obgleich die staatliche finanzielle Unterstützung natürlich eine gewisse indirekte Steuerung der Inhalte zulässt (bspw. das Goethe Institut [GI], die Griechische Kulturstiftung oder das Instituto Cervantes). Darüber hinaus besteht auch die Form der direkten Integration des Kulturinstitutes in die Botschaft eines Landes (z.B. das Österreichisches Kulturforum oder das Italienische Kulturinstitut). 8 (Schneider 2008: 74)

In der Tat sind die Kulturinstitute nicht nur unterschiedlich organisiert – als Vereine, als Abteilungen der Botschaften oder als so genannte Mittlerorganisationen – sie sind auch – ausgehend vom länderspezifischen Kulturverständnis, von haushaltspolitischer Gewichtung und nationalem Agendasetting – in ihrer Programmarbeit verschieden und insbesondere in der Sprachpolitik „eher separatistisch“. (Schneider 2006: 31) Zudem lassen sich Unterschiede bezüglich der geographischen Strukturen der Außenbeziehungen zwischen den nationalen außenkulturpolitischen Bemühungen feststellen. Diese „fußen auf disparaten historischen Voraussetzungen und resultieren oft auf exklusiven Verhältnissen“.9 (Peise 2008: 47)

Gemeinsam ist den Außenkulturpolitiken der EU-Mitgliedsstaaten jedoch, dass allen nationalen Bemühungen um kulturelle Außenbeziehungen auch „some sort of national-branding“ und „self-interest“ innewohnt. „Otherwise they would just not happen.“ (Helly 2013: 5) Wie verschiedene Analyse zeigen, gibt es zum Teil sogar ausgesprochene Konkurrenzsituationen zwischen den Mittlerorganisationen der größeren EU-Mitgliedsstaaten:10

A competition driven logic has been increasingly taking root in the work of national cultural institutes as most of them strive to outperform their peers in a respective foreign capital in attracting the local cultural audience. (Bátora/Mokre 2008, zit. n. Fisher 2013: 139)

Deutlich sichtbar wurde jedoch das zunehmende Bedürfnis der auswärtigen Partner, nicht lediglich bilateralen Kulturaustausch zu betreiben, sondern auch einen kulturellen Dialog zu europäischen Fragen zu führen, um „das Regelwerk Brüssels und Europas als Ganzes zu begreifen“. (Dittrich van Weringh/Schürmann 2004: 12)

Dieser europäische kulturelle Auftrag wurde von den Mitarbeitern der nationalen Kulturinstitute bereits Ende der neunziger Jahre erkannt und in die kulturpolitische Praxis umgesetzt.11 Es gibt zunehmend „eine Praxis in der nationalen auswärtigen Kulturarbeit, innerhalb derer die Europäische Union selbst, was sie tut und wie sie sich verhält, zum thematischen Gegenstand wird“. (ebd.: 15) Darüber hinaus entwickelten sich verstärkt bi- oder multilaterale Projekte der nationalen Kulturinstitute in Drittländern.12

Diese sich vertiefende Zusammenarbeit der Mittlerorganisationen aus verschiedenen EU-Mitgliedsstaaten mündete 2006 in die Gründung von EUNIC, dem Netzwerk jener europäischer nationaler Kulturinstitute, die mit einer gewissen Autonomie von ihren jeweiligen Regierungen arbeiten und deren Tätigkeit sich über nationale Grenzen hinaus erstreckt. Auch wenn es transnationale Kooperationen schon vorher gab, bietet EUNIC ihnen nun „einen breiteren Raum“, eine „Plattform für die Selbstdarstellung“. (Wingert-Beckmann 2008: 85)

Neben diesem Zusammenschluss auf der Ebene der nationalen Durchführungsorganisationen entwickelte sich nach und nach „eine reiche und höchst differenzierte Landschaft staatlicher, halbstaatlicher, regionaler, kommunaler und privater kultureller Akteure mit eigenen, auch grenzüberschreitenden Aufgaben und Praxisfeldern“. Zwischen diesen Akteuren gibt es „Interaktionen und Kooperationen vielfältigster Art, die sich sowohl innereuropäisch manifestieren, wie Verbindungen in weltweiten Kontakten unterhalten“.13 (Dittrich van Weringh/Schürmann 2004: 22) Da der Fokus der vorliegenden Arbeit – wie bereits eingangs erläutert – auf der Rolle des Netzwerkes EUNIC für das außenkulturpolitische Handeln der EU liegt, kann die Akteursvielfalt, die sich auf allen politischen Ebenen wiederfindet, hier nur als bedeutsam hervorgehoben, jedoch nicht ausführlich behandelt werden. Im Folgenden sollen die organisatorische Struktur sowie die inhaltliche Dimension von EUNIC näher beleuchtet werden, um eine fundierte Analyse der ausgewählten Dokumente zu gewährleisten.

3. Die Gemeinschaft der Europäischen Kulturinstitute EUNIC

It [the basic idea] hinged on two findings […]. The first finding: in today’s world the bipolar tends to be engulfed by the multipolar. The second finding: today’s societies no longer allow themselves to be reduced to the nation state endowing them with international expression.14

Horia-Roman Patapievici

Mit oben stehendem Zitat des ehemaligen Leiters des Rumänischen Kulturinstitutes Horia-Roman Patapievici lässt sich der Grundgedanke des EUNIC-Netzwerkes sehr gut beschreiben: Aus der multilateralen Zusammenarbeit zwischen nationalen Kulturinstituten soll die Arbeit jedes einzelnen Mitgliedes um neue Reichweiten und Qualitäten bereichert werden:

Die Zeiten der bilateralen Schaufenster-Veranstaltungen sind vorbei. Wichtige Themen der Zukunft lassen sich nur noch in interdisziplinärer und multiperspektivischer Form bearbeiten. (Patapievici 2011: 175)

In den Jahren 2004/ 2005 gab es erste Überlegungen zu einem europäischen Zusammenschluss durch einige Leiter nationaler Kulturorganisationen und einige führende Kulturakteure. Im Jahr 2006 wurde EUNIC auf Eigeninitiative der Kulturinstitute gegründet, aufbauend auf dem bereits erwähnten Netzwerk CICEB, und ist seither stetig gewachsen. ( Vgl. Fisher 2013: 147)

Mitglieder sind öffentlich finanzierte Organisationen, die sich – mit relativer Autonomie gegenüber ihren jeweiligen Regierungen – mit internationalen Kulturbeziehungen und kultureller Zusammenarbeit beschäftigen. EUNIC bezieht sich auf den geographischen Raum der EU: „The ‚EU’ in the EUNIC acronym is a geographical, not a political, expression.” (Patapievici 2012: 62) Das Netzwerk hat sich bezüglich der Mitgliedschaftsregelung für eine „flexible solution“ entschieden, um mit den – im vorangegangenen Kapitel angesprochenen – vielfältigen Institutionen, die eine EUNIC-Mitgliedschaft anstreben, umgehen sowie ein feinverteiltes Netzwerk von Clustern über jedem Kontinent bewahren zu können:

Through this solution EUNIC maintains the apparently contradictory position that it operates at “arms length” from government while also actively advocating the benefits of including embassies in EUNIC clusters and projects. (Fisher 2013: 142)

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, mehrere Organisationen aus einem Land aufnehmen. Zudem wird unterschieden zwischen voller und assoziierter Mitgliedschaft. Die Bandbreite an Mitgliedern – von Botschaften über Ministerien hin zu Mittlerorganisationen – lässt EUNIC zu einem multidimensionalen Netzwerk werden, das vielfältige Kooperationsformen zwischen jenen zulässt.15

Inzwischen haben sich 32 Organisationen aus 27 EU-Mitgliedsstaaten dem Netzwerk angeschlossen. Mit ihren über 2.000 Außenstellen ist das Netzwerk in mehr als 150 Ländern und Tausenden lokalen Partnern aller Weltregionen aktiv. Die Mitgliedsorganisationen (mind. drei) schließen sich in sogenannten Clustern, die Netzwerke von EUNIC-Mitgliedern in Städten, Regionen oder Ländern, zusammen. Die derzeit 89 EUNIC-Cluster bilden den wichtigsten Teil von EUNIC. Sie sind am aktivsten in der Entwicklung von Veranstaltungen und anderer Aktionen weltweit. (ifa/EUNIC/Robert Bosch Stiftung 2014: 192f.) Im Jahr 2010 wurde zudem eine neue, innovative Art der Zusammenarbeit eingeführt, Hosting EUNIC: „It allows EUNIC members who do not benefit from an institutional presence in an area of interest to be hosted with concrete projects by one of the institutes already present there.” (Patapievici 2012: 64) Darüber hinaus gibt es Projekte, die unter dem Dach von EUNIC firmieren und in Kooperation mit weiteren Partnern umgesetzt werden, wie beispielsweise mit außereuropäischen Kulturinstituten, internationalen Stiftungen, dem ECF und dem Europarat. Die Europäische Kommission (KOM) unterstützt die Arbeit von EUNIC; sowohl ideell als auch finanziell mit Zuschüssen zu Projekten.16 EUNIC ist zudem beratend tätig (bspw. im Hinblick auf die Gestaltung neuer Richtlinien) und steht im engen Austausch mit dem EAD und der KOM. Seit Herbst 2011 hat EUNIC außerdem ein Büro in Brüssel sowie eine Strategiegruppe zur Beratung der Institutsleiter.

Bezüglich der inhaltlichen Zielsetzung werden zwei Dimensionen sichtbar: „[...] one dimension takes place within the EU and the other takes place outside the EU.“ (Fisher 2013: 138) Innerhalb Europas will EUNIC „europäische Identität gestalten und die Integration des Kontinents verbessern.“ Außerhalb Europas soll die Kulturarbeit zu einem „besseren Verständnis zwischen Zivilisationen führen und den Dialog in einer zunehmend globalisierten Welt fördern“. (ifa/EUNIC/Robert Bosch Stiftung 2014: 192). Die Schwerpunkte der Arbeit liegen derzeit in der Unterstützung des kreativen Sektors der MENA-Region, der Stärkung des Europa-China-Dialogs, in der Förderung von Mehrsprachigkeit, in der Betonung der Kultur als integraler Bestandteil von Entwicklungs- und Konfliktlösungsarbeit sowie in Initiativen und Aktionen, die politische Akteure von der Wichtigkeit der Kultur in auswärtigen Beziehungen überzeugen sollen. (Vgl. EUNIC 2014)

[...]


1 So können die Lomé-Abkommen mit den sogenannten AKP-Ländern bspw. als ein wichtiger Schritt in Richtung außenkulturpolitisches Handeln der EU bewertet werden. Hier wird erstmals eine kulturelle Dimension der Beziehungen mit eingeschlossen. (Vgl. Schwencke/Rydzy 2009: 342)

2 Council Conclusions on the promotion of cultural diversity and intercultural dialogue in the external relations of the Union and its Member States 2008. Abrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/ueDocs/cms_Data/docs/pressData/en/educ/104189.pdf.

3 Als bedeutsam hervorgehoben werden müssen die kultur- und bildungspolitischen Initiativen des Europäischen Parlaments (EP) seit Mitte der achtziger Jahre, die vom Rat fast stetig abgelehnt, von der Kommission aber oft als neue Anregungen aufgenommen wurden. Hervorzugeben ist hier bspw. der Fanti-Bericht (1983), der bereits auch bezüglich seiner kulturpolitischen Forderungen für „eine gezielte Politik der internationalen Zusammenarbeit“ plädierte. (Vgl. Schwencke/Rydzy 2009: 342) Zum Fanti-Bericht siehe Schwencke 2010: 175ff. Erwähnenswert ist zudem die „Entschließung zur kulturellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union“ (Ruffolo-Bericht 2001).

4 Angedacht wurde ein gemeinsames Kulturinstitut u.a. von Hans Magnus Enzensberger (1996), Joachim Sartorius (1997) und von Robert Peise (2003). Siehe dazu auch: Schneider (2008): 73. Auch auf dem 41. Kulturpolitischen Kolloquium 1997 in Loccum zum Thema Neue Perspektiven europäischer Kulturpolitik diskutierte man verschiedene Umsetzungsmöglichkeiten einer EUAKP.

5 Zu erwähnen sind hier bspw. die Tagung Diversity makes the Difference – EU Foreign Policy and Culture in Den Haag 2007, die Konferenz europa.macht.kultur – kultur.macht.europa 2007 oder das 57. Loccumer Kulturpolitische Kolloquium Außenkulturpolitik. Aktuelle Herausforderungen in einer Welt im Umbruch 2012.

6 Es würde zu weit führen eine theoriegestützte Bestimmung von Kultur aufzuführen, da hierbei ein philosophisches Grundproblem angeschnitten werden müsste, was sich in Kürze nicht adäquat behandeln lässt. Somit wird auf den erweiterten Kulturbegriff verwiesen.

7 Fuchs schreibt bezüglich des Verhältnisses von Politik und Kultur: Politik gilt „als das Steuernde und Regelhafte“, Kultur hingegen „immer auch als das Zweckfreie, Kreative.“ (Fuchs 1998: 7)

8 Siehe zu den unterschiedlichen Modellen der EU-Mitgliedsstaaten: Lutzmann/Schneider 2009 und Merkel/Schneider 2009.

9 Oft wird eine besondere Beziehung zu ehemaligen Kolonien gepflegt. So unterhält Portugal vorwiegend zu den sogenannten PALOP-Staaten ein besonderes Verhältnis; Großbritannien pflegt seine Beziehungen mit dem zum Commonwealth zugehörigen Staaten. (Vgl. Peise 2008: 47)

10 Siehe bspw. Bátora/Mokre. Trotz der zunehmenden transnationalen Zusammenarbeit der Institute muss jedoch auf Folgendes hingewiesen werden: „[…] many of the institutes, […], have their roots in competitive cultural promotion between European countries and in many cases this competitive stance has, to varying degrees, continued.” Fisher 2013: 139.

11 „European collaboration has occurred on a case-by-case basis with increasing frequency since the 1990s, and increased with the creating in 1997 of the Consortium of the National Cultural Institutes of the European Countries in Belgium (CICEB).” Fisher 2013: 139.

12 Neben dem 1999 als gemeinnütziger Verein nach belgischem Recht gegründeten Zusammenschluss von CICEB im Jahr 2005 ist das deutsch-französische Institut in Ramallah zu erwähnen. Zudem zogen 2005 das GI und der British Council in Kiew in ein gemeinsames Haus. Vgl. Schneider, W. 2008: 23.

13 Zum zivilgesellschaftlichen Engagement im Bereich der europäischen Kulturpolitik siehe Jakobi (2007). Die zahlreichen Verbände und Nichtregierungsorganisationen sind auch für das außenkulturpolitische Tätigkeitsfeld der EU bedeutsam. So ist diesbezüglich die European Cultural Foundation oder auch Culture Action Europe (ehem. EFAH) hervorzuheben.

14 Patapievici 2012: 61.

15 Eine Konsequenz dieser Flexibilität ist jedoch, dass Organisationen, die über mehr Ressourcen verfügen als andere, öfter in bestimmten Clustern vertreten sind. So haben bspw. der British Council, das GI oder das Instituto Italiano di Cultura mehr Repräsentanzen als das House of Cyprus oder Nifin. Andererseits bietet kleineren Akteuren überhaupt erst die Möglichkeit, sich global einzubringen.

16 Zuletzt erhielt das Netzwerk eine finanzielle Förderung durch das Programm Kreatives Europa. Vgl. EUNIC Global 2014.

Ende der Leseprobe aus 35 Seiten

Details

Titel
Außenkulturpolitische Herausforderungen und Chancen
Untertitel
Handlungsfelder und Zielhorizonte einer europäischen Außenkulturpolitik
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Otto-Suhr-Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
35
Katalognummer
V294767
ISBN (eBook)
9783656925323
ISBN (Buch)
9783656925330
Dateigröße
673 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Außwärtige Kulturpolitik, AKBP, EUAKP, EUNIC, Kultur und Außenpolitik;, Kulturpolitik;
Arbeit zitieren
Anne-Sophie Schmidt (Autor:in), 2015, Außenkulturpolitische Herausforderungen und Chancen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294767

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