Die deutsche Asylpolitik in den 90ern


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2001

22 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

A) Der Wandel der Asylpolitik bis zu den 90er Jahren

B) Die deutsche Asylpolitik in den 90ern
1. Vor dem Asylkompromiss
2. Der Asylkompromiss
3. War der Asylkompromiss notwendig?
a) Trägt Deutschland die Hauptlast des Flüchtlingsproblems?
b) Sind die meisten Asylbewerber zu Unrecht hier?
c) Gibt Deutschland zu viel Geld für Asylbewerber aus?
4. Asylpolitik unter Rot-Grün

C) Die aktuelle Asylpolitik
1. Der Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz
2. Der Missbrauch des Asylbewerbers

Literaturverzeichnis

Internetverzeichnis

A) Der Wandel der Asylpolitik bis zu den 90er Jahren

Das 20. Jahrhundert gilt als das „Jahrhundert der Flüchtlinge“[1]. Betrachtet man die Geschichte der Flüchtlingsbewegungen und die Zahl von heute etwa 21 Millionen Flüchtlingen weltweit, so ist dieser Begriff durchaus berechtigt.[2]

Unter dem Eindruck der Schrecken des Nationalsozialismus, wurde in der Bundesrepublik dem Schutz von Flüchtlingen ein besonderer Stellenwert eingeräumt. „Politisch Verfolgte genießen Asyl“ lautet demnach der Artikel 16 des Grundgesetzes. Wurden in den ersten Jahrzehnten der Bundesrepublik auch dementsprechend großzügig Asylbewerber anerkannt, so änderte sich dies, mit dem Ansteigen der Asylbewerberzahlen. Bereits 1978 erkannte das für Klagen von Asylbewerbern zuständige Verwaltungsgericht Ansbach nur 111 Personen an, lehnte jedoch 2.882 ab.[3] Die Politik reagierte mit den Beschleunigungsgesetzen von 1978 und 1980, die für Asylbewerber die Möglichkeiten einschränkten, Widerspruch beziehungsweise Klage gegen ihre Ablehnung zu erheben.

Da durch diese Maßnahmen die Zahl der Flüchtlinge nicht abnahm, wurde 1980 für mehrere Staaten die Visumpflicht eingeführt, wodurch Die Bürger dieser Länder oft gar nicht erst in die Bundesrepublik gelangen können. Unter anderem mussten in der Folgezeit auch Türken, Äthiopier und Afghanen Visa beantragen, bevor sie ins Flugzeug stiegen. Da Menschen aus diesen Ländern zu den Antragstellern mit den höchsten Anerkennungsquoten gehörten, kann als sicher gelten, dass dadurch viele Asylberechtigte nicht in die Bundesrepublik gelangten.

Eine noch gravierendere Maßnahme war der Beschluss der Bundesregierung, Asylbewerbern keine Arbeitserlaubnis zu erteilen. Das sollte angeblich „jene abschrecken, die unter Mißbrauch des Asylrechts die Asylverfahren verstopfen, den Kommunen auf der Tasche liegen und anderen die Arbeitsplätze wegnehmen.“[4] Die Folge war, dass statt einer Minderheit, jetzt allen Asylbewerbern Sozialhilfe gezahlt werden musste. Gleichzeitig waren sie kaum noch in der Lage, Anwaltskosten für oft notwendige Klagen gegen abgelehnte Anträge zu bezahlen.

Das Asylverfahrensgesetz von 1982 brachte dann die rigorose Beschränkung der Residenzpflicht für Asylbewerber auf den Bezirk der zuständigen Ausländerbehörde. Den Aufenthaltsort zu verlassen, ist nur erlaubt „wenn zwingende Gründe es erfordern“[5]. Weiterhin beschloss der Gesetzgeber, dass die Sozialhilfe für Asylbewerber „soweit dies möglich ist, als Sachleistung gewährt werden“[6] soll. Diese sollte um 20 bis 30 Prozent unterhalb des Regelsatzes liegen.[7] Den einzelnen Ländern und Kommunen wurde zudem freigestellt, Asylbewerber in Sammellagern unterzubringen und sie zu gemeinnützigen Arbeiten zu verpflichten.

Insgesamt hat sich die bundesdeutsche Asylpolitik bereits seit Ende der 70er Jahre darauf konzentriert, die Zahl der Asylbewerber möglichst niedrig zu halten. Bemerkenswert ist hierbei zum einen, dass schon die Sozial-Liberale Koalition anfing, Asylbewerber nicht mehr als hilfsbedürftige Opfer von Verfolgung zu betrachten, sondern als Empfänger von Sozialleistungen, die ihnen nicht zustehen. Zum anderen haben Politiker ihre Kritik an „Scheinasylanten“ zunehmend auf Menschen ausgedehnt, die offensichtlich politisch verfolgt sind. Die Befürchtung des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Strauß, man könnte „bald die Kanaken im Land haben“[8], ist dabei nur die Spitze des Eisbergs.

B) Die deutsche Asylpolitik in den 90ern

1. Vor dem Asylkompromiss

Die ersten Änderungen des Asylrechts ergaben sich in den 90er Jahren, durch das am 01. 01. 1991 in Kraft getretene neue Ausländerrecht. Betrachtet man die für Asylbewerber relevanten Regelungen, so ist hier als erstes die Einführung des Familienasyls zu nennen. Diese schon lang erhobene Forderung des UNHCR[9] bedeutet, dass Ehegatten und minderjährige Kinder von Asylberechtigten unter bestimmten Bedingungen die gleiche Rechtsstellung erhalten. Außerdem wurde der Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention wieder als rechtliche Anspruchsgrundlage für die Anerkennung als Asylberechtigter in das Asylverfahren eingeführt.[10] Da dieser Flüchtlingsbegriff in einigen Punkten weiter gefasst ist, können seitdem auch Flüchtlinge eine Aufenthaltsbefugnis bekommen, die nach dem Grundgesetz nicht als politisch verfolgt gelten. Ziel dieser Maßnahme war die Harmonisierung des Asylverfahrensgesetzes auf EG-Ebene. Seitdem werden Menschen, die im Ausland als Flüchtlinge anerkannt sind, auch in Deutschland anerkannten Asylbewerbern gleichgestellt.

Eine generelle Neuregelung erfuhr das Ausländergesetz durch die Regelung der Aufnahme von Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen. Demnach ordnet die jeweilige Länderbehörde im Einvernehmen mit Bund und Ländern an, dass diesen Ausländern zur vorübergehenden Aufnahme eine Aufenthaltsgemehmigung erteilt, und diese gegebenenfalls verlängert wird. Die Regelung macht eine Aufnahme aber davon abhängig ob Bund und Länder sich darüber einig sind. Da Krieg aber ungeachtet der Einigungsfähigkeit deutscher Innenpolitiker herrscht, steht zu bezweifeln, ob diese Regelung Kriegsopfern tatsächlich ausreichenden Schutz bietet. Zudem haben aufgenommene Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlinge, ebenso wie Asylbewerber, keinerlei Anspruch auf die Wahl ihres Wohnortes und müssen das Land nach Aufhebung der Duldungsanordnung innerhalb von vier Wochen verlassen. Dabei besteht kein Recht auf Widerspruch oder Klage.[11]

Dass mit der Änderung des Ausländerrechts keine weiteren Abschreckungsmaßnahmen für Asylbewerber beschlossen wurden, liegt nicht etwa an einer veränderten Einstellung der Regierung zur Asylpolitik. Vielmehr erreichte die Darstellung von Asylbewerbern als Problem Deutschlands 1991 und 92 ihren vorläufigen Höhepunkt. Begriffe wie „Scheinasylanten“, „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Asylmissbrauch“ gehörten zum Repertoire jeder CDU/CSU-Wahlkampfrede. Allerdings verzichtete die Regierung gezielt auf weitere Einschränkungen des Asylrechts, da sie der Ansicht war, Änderungen beispielsweise des Asylverfahrensgesetzes würden nicht zu einem Rückgang der Asylbewerberzahlen führen.[12] Um so vehementer wurde deswegen die Änderung des Grundgesetzes Artikel 16 gefordert.

Das öffentliche Brandmarken von Asylbewerbern durch Politiker führte aber nicht nur zur „normalen“ Ablehnung von Asylbewerbern in der deutschen Bevölkerung. Offensichtlich fühlten sich auch Rechtsradikale in ihrem Ausländerhass bestärkt. Nicht zufällig häuften sich gerade während der Kampagne Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund. Trauriger Höhepunkt des Ausländerhasses waren die brennenden Flüchtlingsheime von Solingen, Mölln und Rostock, wobei auch mehrere Menschen ermordet wurden. Insgesamt zählt die Polizeistatistik für 1993 6.721 fremdenfeindliche Straftaten. Das sind etwa 2,8 Mal so viele wie zwei Jahre zuvor.[13] Zudem erreichten die rechtsradikalen Republikaner bei Landtagswahlen in Schleswig-Holstein 7,5 und in Baden-Württemberg 12,3 Prozent Stimmenanteil.

2. Der Asylkompromiss

Bis zum 30 Juni 1993 galt der Grundgesetzartikel 16, nach dem politisch Verfolgte Asylrecht genossen. Seit der Ratifizierung des Asylkompromisses am 26. Mai 1993 im Deutschen Bundestag durch die Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP, sowie der oppositionellen SPD ist der Artikel in Artikel 16a modifiziert worden, der damit in seiner Asylgewährung erheblich eingeschränkt wurde. Dies war möglich, weil das Asylrecht das einzige Recht der deutschen Rechtsprechung ist, auf das sich nur Ausländer berufen können.[14] Weiterhin gilt das Asylrecht erst, wenn es einem Ausländer durch einen Verwaltungsakt zuerkannt wurde.[15] Mit einer Regelung, wonach potenzielle Asylbewerber, die von bestimmten Ländern nach Deutschland gelangen wollen, gar nicht erst einreisen dürfen, werden seitdem tausende Menschen an der Wahrnehmung eines Grundrechts in Deutschland gehindert. Das ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik bisher einmaliger Vorgang.

Aus den Zusätzen der Absätze 1 bis 5 des Artikels 16a ergibt sich, dass der Fluchtweg nicht über einen EU-Mitgliedsstaat oder einen sicheren Drittstaat führen darf. Die Festlegung der sicheren Drittstaaten regelt ein Bundesgesetz. Zur Zeit gelten alle EU-Staaten, sowie Norwegen, Polen, die Schweiz und Tschechien als sichere Drittstaaten. Kommt jemand aus diesen Staaten nach Deutschland, so wird er zum Asylverfahren gar nicht erst zugelassen und sofort ausgewiesen. Als sichere Herkunftsländer, das heißt Staaten, in denen keine politische Verfolgung zu verzeichnen sind, gelten Bulgarien, Ghana, Polen, Rumänien, Senegal, Slowakei, Tschechien und Ungarn. Bei einer Einreise aus diesen Ländern wird gesetzlich davon ausgegangen, dass der Asylbewerber dort nicht verfolgt wird. Nur wenn er das Gegenteil beweisen kann, wird ein Asylverfahren eröffnet.[16]

Der damalige Bundesinnenminister Rudolf Seiters bekräftigte in seiner Rede vom 26. Mai 1993, die Regelung der sicheren Drittstaaten gewährleiste dem Ausländer, dass ihm in diesen Staaten weder politische Verfolgung drohe, noch die Gefahr der Abschiebung in einen Verfolgerstaat entgegen den Vorschriften der Genfer Flüchtlingskonvention oder die Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung. Daher existiere letztlich auch keine Gefahr der Abschiebung entgegen den Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention.[17]

[...]


[1] Vgl. Opitz, P. J.: Das Weltflüchtlingsproblem. Ursachen und Folgen. München 1988. S. 16.

[2] Vgl. http://www.unhcr.ch

[3] Vgl. Münch, U.: Asylpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 1992. S. 73.

[4] Regierungssprecher Grünewald auf einer Pressekonferenz, nach Meier-Braun, K. H.: Das Asylantenproblem. Ein Grundrecht in der Bewährungsprobe, Frankfurt am Main 1981. S. 81 f.

[5] § 25 Absatz 1 Asylverfahrensgesetz.

[6] § 120 Absatz 2 Satz 4 Bundessozialhilfegesetz.

[7] Die Regelsätze lagen 1988 im Durchschnitt bei 408 Mark monatlich. Vgl.: Galperin, P.: Der (Eck-) Regelsatz der Sozialhilfe – Rückblick und Ausblick, in: Nachrichtendienst des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge 1988. S. 296 f.

[8] Strauß nach Süddeutsche Zeitung vom 06. 02. 1985.

[9] Vgl. Koisser, W.: Wiedereinführung der Flüchtlingskonvention ins Asylverfahren zwingend geboten, in: Flüchtlinge 1/1989. S. 38.

[10] Vgl. Koisser, W./ Nicolaus, P.: Die Zuerkennung des Konventionsflüchtlingsstatus nach dem neuen Ausländergesetz – Eine Analyse aus der Sicht der UNHCR, in: Zeitschrift für Ausländerrecht 1991. S. 9 ff.

[11] Vgl. Knopp, A.: Die deutsche Asylpolitik, Münster 1994. S. 74 f.

[12] Vgl. Münch. S. 112 f.

[13] Vgl. http://www.bundesauslaenderbeauftragte.de/daten

[14] Vgl. Kimminich, O.: Das Asyl aus verfassungsrechtlicher Sicht. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B 26/1987. S. 6.

[15] Vgl. Kimminich, O.: Asylgewährung als Rechtsproblem. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. B9/1992. S. 7.

[16] Vgl. Knopp. S. 68.

[17] Vgl. Seiters, Rudolf: Rede des Bundesinnenministers anläßlich der Asyldebatte im Deutschen Bundestag am 26. Mai 1993. 2. und 3. Beratung des Gesetzesentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes, Artikel 16a und 18, und des Gesetzesentwurfs zur Änderung asylverfahrens-, ausländer- und staatsangehörigkeitsrechtlicher Vorschriften. Bonn 1993. S. 3 f.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Die deutsche Asylpolitik in den 90ern
Université
Humboldt-University of Berlin  (Institut für Sozialwissenschaften)
Cours
Proseminar
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
22
N° de catalogue
V2948
ISBN (ebook)
9783638117708
ISBN (Livre)
9783638637961
Taille d'un fichier
562 KB
Langue
allemand
Mots clés
Asylpolitik, Proseminar
Citation du texte
Hans Krause (Auteur), 2001, Die deutsche Asylpolitik in den 90ern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/2948

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