Leseprobe
INHALTSVERZEICHNIS
1. Einleitung
2. Das Kunstwerk im Übergang vom Kultwert zum Ausstellungswert unter Einfluss seiner Reproduzierbarkeit
2.1. Geschichte der Reproduzierbarkeit
2.2 Aura, Kultwert und Ausstellungswert
2.2.1 Aura des Kunstwerks
2.2.2. Wandel der Rezeption – Kultwert und Ausstellungswert
3. Auswirkungen technische Reproduzierbarkeit im Medium Film
3.1 Verfall der Aura im Film
3.2 Apparatfreier Aspekt der Wirklichkeit
3.3 Massenrezeption
3.4. Chockwirkung
4. Ästhetisierung der Politik
5. Resümee
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Walter Benjamin schreibt zu Beginn seines 1936 erschienenen Aufsatzes, „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, dass die Reproduktion des Kunstwerkes an sich keine Neuerung ist, sondern bereits seit Anbeginn bestand.[1] Dennoch haben der technische Fortschritt, sowie die damit einhergehenden technischen Möglichkeiten der Reproduktion, in der Sphäre der Kunst bahnbrechende Bedeutung. Das Kunstwerk selbst ist durch seine nun immanente „Reproduzierbarkeit“ einem Wandel unterzogen. Dabei sieht Benjamin nicht nur den technischen Fortschritt für die Veränderung des Kunstwerks verantwortlich, sondern auch die veränderte Rezeptionsweise durch das Publikum, das nun ein Massenpublikum ist.
Die vorliegende Arbeit gibt zunächst einen Überblick über Benjamins grundlegenden Thesen zum Kunstwerk im Übergang vom auratischen ritualgebundenen Artefakt des Kults zum allein von seinem Ausstellungswert her bestimmten Kunstobjekt. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie und durch welche Bedingungen sich das Kunstwerk durch die technische Reproduzierbarkeit verändert und wie dies auch seine Funktion in einer technisierten und veränderten Gesellschaft bestimmt. Folgend werden Benjamins Analysen des Films von der Produktion bis zur kollektiven Massenrezeption dargestellt und betrachtet, wie das Medium Film die Kunst verändert. Resümierend sollen die Nachwirkungen des Kunstwerkaufsatzes eingeordnet werden.
Grundlage dieser Arbeit ist die sogenannte Fünfte Fassung in Band 16 der Kritischen Gesamtausgabe erschienen im Suhrkamp Verlag. Diese ist identisch, mit der in vorherigen Veröffentlichungen noch Dritte Fassung bezeichneten, die bis heute als die kanonische Fassung gilt.[2]
2. Das Kunstwerk im Übergang vom Kultwert zum Ausstellungswert unter Einfluss seiner Reproduzierbarkeit
Benjamin bezieht sich bereits im Vorwort auf Karl Marx und dessen Kritik der bestehenden kapitalistischen Ökonomie und beansprucht für seine eigenen Thesen ebenfalls politischen Kampfwert.[3] Wie auch Marx geht Benjamin in seinen Ausführungen von den kapitalistischen Produktionsbedingungen aus. Während Marx anhand dieser prognostizierte, wie die weitere Entwicklung des Kapitalismus aussehen könnte, stellt Benjamin die „Entwicklungstendenzen der Kunst unter den gegenwärtigen Produktionsbedingungen“[4] prognostisch dar. Er lehnt Begriffe wie „Schöpfertum“, „Genialität“, „Ewigkeitswert“ oder „Geheimnis“ als überkommen und dem Faschismus dienlich ab, um diesen, neu in die Kunsttheorie eingeführte Begriffe, gegenüberzustellen, die für faschistische Zwecke unbrauchbar sind. Diese, noch näher zu erläuternde Begriffe, stellt er in den Dienst einer revolutionären Kunstpolitik.[5]
2.1. Geschichte der Reproduzierbarkeit
Den Fluchtpunkt seiner Betrachtung grenzt Walter Benjamin in seinem Kunstwerkaufsatz genau ein, indem er bekennt: „Das Kunstwerk ist grundsätzlich immer reproduzierbar gewesen. Was Menschen gemacht hatten, das konnte immer von Menschen nachgemacht werden.“[6] Erst die sich im Laufe der Geschichte in großen Abständen entwickelnde technische Reproduzierbarkeit verändert das Kunstwerk und somit auch seine Funktion. Bereits die Griechen waren durch die Verfahren Guss und Prägung in der Lage bestimmte Kunstwerke, wie Münzen oder Bronzen, massenweise herzustellen. Durch die Entwicklung von Holzschnitt, Kupferstich und Radierung wurde es möglich Grafiken und durch die Erfindung des Druckes Schrift technisch zu reproduzieren. Die Lithographie läutete eine grundsätzlich neue Stufe der technischen Reproduktion ein, indem sie die Reproduzierbarkeit von Grafiken auf eine Stufe mit dem Druck hob.[7]
Der Fotografie schließlich kommt besondere Bedeutung in der Entwicklung der Reproduktionsmittel zu, da durch diese erstmals die künstlerische Leistung von der Hand auf das Auge transferiert wurde. Da das Auge schneller erfasst als die Hand, wird das Verfahren der bildlichen Reproduktion auf das Tempo des Sprechens beschleunigt. Mit der Entwicklung der Reproduzierbarkeit der Akustik durch die Tonaufnahme zum Ende des 18. Jhd. sieht Benjamin bestätigt, dass der Tonfilm bereits in der Fotografie verborgen war.[8]
Die im Tonfilm konvergierenden neuen Techniken der Reproduzierbarkeit eröffnen dem Kunstwerk eine größere Reichweite als zuvor. Damit dieser Entwicklung die „Gesamtheit der überkommenen Kunstwerke“ zum „Objekt“ der technischen Reproduktion werden, wurde diese selbst eine künstlerische Verfahrungsweise.[9]
[...]
[1] vgl. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Werke und Nachlaß. Kritische Gesamtausgabe. Bd. 16. Berlin 2013, S. 97
[2] vgl. Lindner Burkhardt: „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“, in: Benjamin-Handbuch: Leben, Werk, Wirkung., hg. v. Lindner, Burkhardt, Thomas Küpper, Timo Skrandies, Stuttgart 2006, S. 230
[3] vgl. Lindner, Benjamin-Handbuch, S. 231
[4] Benjamin, Kunstwerkaufsatz, S. 208
[5] vgl. Benjamin, Kunstwerkaufsatz, S. 208
[6] Benjamin, Kunstwerkaufsatz, S. 209
[7] vgl. Benjamin, Kunstwerkaufsatz, S. 209
[8] vgl. Benjamin, Kunstwerkaufsatz, S. 210
[9] vgl. Lindner, Benjamin-Handbuch, S. 233-234