Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Auswirkungen auf die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland


Hausarbeit, 2014

7 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung

2 Arbeitnehmerfreizügigkeit und Unfallversicherung
2.1 Lohnentwicklung als potentielles Problem der Unfallversicherung
2.2 Entsendung und Unfallversicherung

3 Fazit

1 Einführung

Die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland ist ein Zweig des deutschen Sozialversicherungssystems, die Gesundheitsschäden ausgleicht, welche Versicherte bei versicherter Tätigkeit erleiden.[1]

Zu den versicherten Tätigkeiten zählt nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die Beschäftigung.

Beschäftigung ist aber inzwischen keine rein nationale Angelegenheit mehr.

Im Rahmen der Arbeitnehmerfreizügigkeit können Staatsangehörige der EU-Mitgliedstaaten sowie Islands, Liechtensteins, Norwegens und der Schweiz ohne weitere Voraussetzungen eine Beschäftigung in Deutschland aufnehmen.[2]

Die folgende Arbeit soll sich mit den Auswirkungen dieser Arbeitnehmerfreizügigkeit auf das System der gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland beschäftigen.

2 Arbeitnehmerfreizügigkeit und Unfallversicherung

2.1 Lohnentwicklung als potentielles Problem der Unfallversicherung

Eine gesellschaftlich weit verbreitete Diskussion im Zusammenhang mit Freizügigkeit in der Europäischen Union (EU) und den Systemen der sozialen Sicherung in Deutschland dreht sich um die Befürchtung, es könne zu einer „Einwanderung in die Sozialsysteme“ kommen.

Für das Thema dieser Arbeit ist die Frage, inwieweit diese Einschätzung zutrifft allerdings irrelevant.

Versicherungsfälle in der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Der Versicherungsfall setzt also einen eingetretenen Gesundheitsschaden und unvorhergesehene Ereignisse voraus.

Demnach ist es eher unwahrscheinlich, dass das Vorhandensein einer gesetzlichen Unfallversicherung in Deutschland eine Hauptmotivation für eine Arbeitsaufnahme in Deutschland darstellt, wenngleich gewiss davon ausgegangen werden kann, dass eine adäquate Absicherung gegen Arbeitsunfall und Berufskrankheit für die Attraktivität des Standortes Deutschland, auch in Bezug auf den Zuzug qualifizierter Arbeitskräfte nicht gänzlich unbedeutend ist.

Nach § 3 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) gelten die Vorschriften über die Versicherungspflicht soweit sie eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit voraussetzen, für alle Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt oder selbständig tätig sind. Die Staatsbürgerschaft des Beschäftigten spielt hierfür keine Rolle.

Demnach sind die Unfallversicherungsträger von der Arbeitnehmerfreizügigkeit eher mittelbar, als unmittelbar betroffen.

Eine mittelbare Betroffenheit kann aber beispielsweise durch Auswirkungen der Freizügigkeit auf das Lohnniveau in Deutschland bestehen. Die Unfallversicherungsträger berechnen ihre Beiträge gemäß § 167 Abs. 1 SGB VII aus den Arbeitsentgelten, den Gefahrklassen und dem Beitragsfuß.

Der Beitragsfuß wiederum wird nach § 167 Abs. 2 SGB VII durch Division des Umlagesolls durch die Beitragseinheiten berechnet. Die Formel lautet demnach:

Umlagesoll / (Arbeitsentgelte × Gefahrklassen) = Beitragsfuß

Das Umlagesoll ist nach § 153 Abs. 1 SGB VII der Finanzbedarf des Unfallversicherungsträgers

Bei dem stattfindenden Anstieg der Gesundheitskosten[3] hätte ein Sinken des Lohnniveaus negative Folgen für die Finanzierung der gesetzlichen Unfallversicherung.

Ein Rückgang des Lohnniveaus ohne einen entsprechenden Rückgang des Finanzbedarfes der Unfallversicherungsträger würde zu einer höheren Beitragsbelastung auf den verbliebenen Entgelten und damit auch zu einer Erhöhung der Lohnnebenkosten führen.

Dies könnte sich negativ auf die politische Akzeptanz des Systems der gesetzlichen Unfallversicherung auswirken.

Ob die Arbeitnehmerfreizügigkeit allerdings tatsächlich langfristige Auswirkungen auf das Lohnniveau in Deutschland hat, ist umstritten.

Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück stellte anhand von empirischen Erhebungen aus Ländern in denen die Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus der EU8 unmittelbar nach dem Beitritt eingeführt wurde fest, dass die Befürchtungen steigender Arbeitslosigkeit und sinkender Löhne durch unkontrollierbare Zuwanderung Geringqualifizierter in diesen Ländern sich nicht bewahrheitet hätten.[4]

Der Deutsche Gewerkschaftsbund hingegen befürchtet, dass ausländische Firmen, die ihre Mitarbeiter zu den Bedingungen ihrer Herkunftsländer in Deutschland beschäftigen, bestimmte Leistungen viel preiswerter anbieten könnten und somit Druck auf das deutsche Lohnniveau ausübten.[5] Dies spricht aber im Besonderen das Problem der Entsendung an, welches im nächsten Abschnitt behandelt wird.

Welche Auswirkungen die Arbeitnehmerfreizügigkeit auf das Lohnniveau in Deutschland tatsächlich langfristig haben wird, dürfte insgesamt schwer zu prognostizieren sein, da das Lohnniveau eben nicht nur durch die Freizügigkeit, sondern auch zahlreiche andere politische und (welt-)wirtschaftliche Faktoren bedingt wird.

2.2 Entsendung und Unfallversicherung

Entsendung betrifft Arbeitnehmer, die ihre Tätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat ausüben, aber weiterhin bei ihrem Arbeitgeber im Herkunftsland beschäftigt sind.[6]

Um angemessene Mindestarbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer durchzusetzen und damit auch dem in Abschnitt 2.1 angesprochenen Lohndumping entgegenzuwirken, wurde das Gesetz über zwingende Arbeitsbedingungen für grenzüberschreitend entsandte und für regelmäßig im Inland beschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen (AentG) erlassen.

Entsendung wird normalerweise von dem Begriff der Arbeitnehmerfreizügigkeit abgegrenzt[7], stellt aber ein eng verwandtes Thema dar und soll aufgrund der Auswirkungen auf die gesetzliche Unfallversicherung hier dennoch thematisiert werden.

Für die gesetzliche Unfallversicherung ist es nämlich bedeutsam, inwieweit Arbeitnehmer, nach Deutschland oder aus Deutschland entsandt sind, dem deutschen Unfallversicherungsrecht unterliegen.

Regelungen hierzu treffen die §§ 4 und 5 SGB IV. Nach § 4 Abs. 1 SGB IV (Ausstrahlung) gilt das deutsche Unfallversicherungsrecht auch für Personen die im Rahmen eines in Deutschland bestehenden Beschäftigungsverhältnisses in ein anderes Land entsandt werden, wenn die Entsendung infolge der Eigenart der Beschäftigung oder vertraglich im Voraus zeitlich begrenzt ist.

Umgekehrt unterliegen Personen, die im Rahmen einer Entsendung zeitlich begrenzt in Deutschland tätig sind, nach § 5 Abs. 1 SGB IV (Einstrahlung) nicht der gesetzlichen Unfallversicherung. Die zeitliche Begrenzung kann sich in vielen Einzelfällen allerdings als schwer prüfbar und kontrollierbar erweisen.

Klarheit wurde hier geschaffen durch die Entsendebescheinigung A1 (früher E101), mittels der ein Arbeitnehmer oder Selbständiger nachweisen kann, dass er dem Sozialversicherungssystem eines bestimmten EU- oder EFTA-Mitgliedstaates oder der Sozialversicherung in der Schweiz unterliegt.[8]

Für die Prüfung, ob eine Beschäftigung oder selbstständige Erwerbstätigkeit deutschem Sozialversicherungsrecht unterliegt, führt die Datenstelle der Rentenversicherung eine Datei nach § 150 Abs. 3 SGB VI. Für die Datenübermittlung vereinbaren die Deutsche Rentenversicherung Bund und die Spitzenverbände der gesetzlichen Unfallversicherung gemeinsame Grundsätze.

Auch ist es bei Unfällen im Rahmen von Ein- oder Ausstrahlung oftmals notwendig, dass Versicherungsträger im Land, in dem sich der Unfall ereignete im Rahmen von Soforthilfe Kosten übernehmen.[9] Hier stellt sich natürlich auch die Frage grenzüberschreitender Kostenerstattungen.

Um solche grenzüberschreitenden Fragen klären zu können, übernimmt nach § 139a SGB VII die Die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung e. V. die Aufgaben der der Deutschen Verbindungsstelle Unfallversicherung - Ausland (Verbindungsstelle) wahr.

Mit der Organisation der Zusammenarbeit in konkreten Einzelfällen wurden von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung einzelne Berufsgenossenschaften betraut, bei denen Verbindungsstellen für die jeweiligen Länder eingerichtet wurden, beispielsweise die Verbindungsstelle für Frankreich, die Schweiz, Spanien und Portugal bei der Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe.[10]

3 Fazit

Sinkende Lohnniveaus aufgrund von Arbeitnehmerfreizügigkeit könnten stark negative Auswirkungen auf das System der gesetzlichen Unfallversicherung haben. Ob diese Negativprognose sich allerdings realisieren wird, ist keineswegs klar vorherzusehen.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit im weiteren Sinne (einschließlich Entsendung) stellt die gesetzliche Unfallversicherung allerdings vor Herausforderungen, die diese nur in Zusammenarbeit mit nationalen Trägern wie der Deutschen Rentenversicherung und Trägern aus anderen Staaten meistern kann, wozu eigene Stellen eingerichtet wurden.

[...]


[1] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Überblick über die Unfallversicherung, online im Internet: http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Gesetzliche-Unfallversicherung/Ueberblick-gesetzliche-unfallversicherung.html [23.05.2014]

[2] Vgl. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer aus EU-Mitgliedstaaten und Drittstaaten, online im Internet: http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsmarkt/Auslaenderbeschaeftigung/auslaenderbeschaeftigung.html [24.05.2014]

[3] Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Gesundheitsausgaben 2012 übersteigen 300 Milliarden Euro, online im Internet: https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Gesundheitsausgaben/Aktuell.html;jsessionid=9F79D7FCDD42604DA28C121FCAD8434D.cae2 [23.05.2014]

[4] IMIS (Hrsg.): Die EU-Osterweiterung und die Arbeitnehmerfreizügigkeit: Sind längere Zugangsbeschränkungen sinnvoll für Deutschland?, online im Internet: http://focus-migration.hwwi.de/Die-EU-Osterweiterun.1201.0.html [26.05.2014]

[5] Deutscher Gewerkschaftsbund (Hrsg.): Die Arbeitnehmerfreizügigkeit hat keine Auswirkungen., online im Internet: http://www.mindestlohn.de/hintergrund/fehlargumente/arbeitnehmerfreizuegigkeit-keine-auswirkungen/ [26.05.2014]

[6] Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hrsg.): Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU, online im Internet: http://www.bmas.de/DE/Themen/Arbeitsrecht/Meldungen/hintergrund-arbeitnehmerfreizuegigkeit.html [26.05.2014]

[7] Ebd.

[8] IHK Hanau (Hrsg.): A1/ früher E101 und Bezug, online im Internet: http://hanau.ihk.de/fileadmin/pdf/Abt5/Akuelles/A1InformationenundBezugsaemtlicheLaender.pdf [26.05.2014]

[9] Berufsgenossenschaft Nahrungsmittel und Gastgewerbe (Hrsg.): EU-Verbindungsstellen der gesetzlichen Unfallversicherung für Frankreich, die Schweiz, Spanien und Portugal, online im Internet: http://www.bgn.de/515/2548?wclkm=6636

[10] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Auswirkungen auf die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland
Hochschule
Universität Kassel  (UNIKIMS- Die Management-School der Uni Kassel)
Veranstaltung
Nationale und internationale Aspekte der öffentlichen Verwaltung - Globalisierung und Verwaltungspolitik
Note
1,0
Autor
Jahr
2014
Seiten
7
Katalognummer
V295843
ISBN (eBook)
9783656938637
ISBN (Buch)
9783656938644
Dateigröße
585 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Arbeitnehmerfreizügigkeit, Entsendung, gesetzliche Unfallversicherung, Verwaltungswissenschaft, SGB VII, SGB IV, Sozialversicherung, Lohnentwicklung in Deutschland, Entsendebescheinigung, Berufsgenossenschaft, EU, Europäische Union, Verwaltung
Arbeit zitieren
Florian Klaede (Autor:in), 2014, Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU. Auswirkungen auf die gesetzliche Unfallversicherung in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/295843

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