Seit Beginn der neunziger Jahre sinken die Mitgliederzahlen der deutschen Gewerkschaften kontinuierlich. Oft wird über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Können die Gewerkschaften dem erheblichen Mitgliederverlust entgegenwirken oder steht dies nicht in ihrer Macht? Wie kann die Existenz der Gewerkschaften gesichert werden? Auch Mancur Olson beschäftigt sich in seiner 1965 veröffentlichten Studie ‚Die Logik des kollektiven Handelns’ eingehend mit den Gewerkschaften. Er stellt fest, dass sehr große Gruppen nur dann existieren und im Gruppeninteresse handeln können, wenn sie über selektive Anreize verfügen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, „Welche Bedeutung haben selektive Anreize für die deutschen Gewerkschaften?“. Bevor diese Frage näher behandelt werden kann, muss der Begriff ‚selektiver Anreiz’ jedoch definiert werden. Mancur Olson definiert den s elektiven Anreiz als einen Anreiz, „der selektiv für Individuen gilt, je nach dem ob sie zur Bereitstellung des kollektiven Gutes beitragen oder nicht“ (Olson1985a: 25). Diese Definition soll für die vorliegende Arbeit gelten. Es soll untersucht werden, in welchem Maße die deutschen Gewerkschaften über welche Art von selektiven Anreizen verfügen. Um dies zu erörtern, soll zuerst Olsons Studie näher erläutert werden. Nach einem kurzen Überblick über die grundlegenden, in der Logik des kollektiven Handelns entwickelten Ideen sollen Olsons Differenzierungen bezüglich der Gruppengröße und der selektiven Anreize dargestellt werden. Danach sollen die selektiven Anreize der deutschen Gewerkschaften näher betrachtet werden. Hierbei soll gemäß Olsons Differenzierung zwischen den negativen, den positiven und den sozialen selektiven Anreizen unterschieden werden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile. In einem ersten Teil sollen die für die Fragestellung relevanten Aspekte der Logik des kollektiven Handelns dargestellt werden. Im zweiten Teil soll ein kurzer Überblick über die deutschen Gewerkschaften und deren Situation gegeben werden. Im dritten Teil sollen die selektiven Anreize der deutschen G ewerkschaften untersucht werden. Im letzten Teil der Arbeit soll versucht werden, die E rgebnisse in einem kurzen Resümee zusammenzufassen.
Inhalt
1. Einleitung
2. ‚Die Logik des kollektiven Handelns’
2.1 Gruppengröße
2.2 selektive Anreize
3. Die deutschen Gewerkschaften
4. Die selektiven Anreize der deutschen Gewerkschaften
4.1 negative selektive Anreize
4.2 positive selektive Anreize
4.3 soziale selektive Anreize
5. Resümee
1. Einleitung
Seit Beginn der neunziger Jahre sinken die Mitgliederzahlen der deutschen Gewerkschaften kontinuierlich. Oft wird über Ursachen und Lösungsmöglichkeiten diskutiert. Können die Gewerkschaften dem erheblichen Mitgliederverlust entgegenwirken oder steht dies nicht in ihrer Macht? Wie kann die Existenz der Gewerkschaften gesichert werden?
Auch Mancur Olson beschäftigt sich in seiner 1965 veröffentlichten Studie ‚Die Logik des kollektiven Handelns’ eingehend mit den Gewerkschaften. Er stellt fest, dass sehr große Gruppen nur dann existieren und im Gruppeninteresse handeln können, wenn sie über selektive Anreize verfügen.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, „Welche Bedeutung haben selektive Anreize für die deutschen Gewerkschaften?“. Bevor diese Frage näher behandelt werden kann, muss der Begriff ‚selektiver Anreiz’ jedoch definiert werden. Mancur Olson definiert den selektiven Anreiz als einen Anreiz, „der selektiv für Individuen gilt, je nach dem ob sie zur Bereitstellung des kollektiven Gutes beitragen oder nicht“ (Olson1985a: 25). Diese Definition soll für die vorliegende Arbeit gelten. Es soll untersucht werden, in welchem Maße die deutschen Gewerkschaften über welche Art von selektiven Anreizen verfügen. Um dies zu erörtern, soll zuerst Olsons Studie näher erläutert werden. Nach einem kurzen Überblick über die grundlegenden, in der Logik des kollektiven Handelns entwickelten Ideen sollen Olsons Differenzierungen bezüglich der Gruppengröße und der selektiven Anreize dargestellt werden. Danach sollen die selektiven Anreize der deutschen Gewerkschaften näher betrachtet werden. Hierbei soll gemäß Olsons Differenzierung zwischen den negativen, den positiven und den sozialen selektiven Anreizen unterschieden werden.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile. In einem ersten Teil sollen die für die Fragestellung relevanten Aspekte der Logik des kollektiven Handelns dargestellt werden. Im zweiten Teil soll ein kurzer Überblick über die deutschen Gewerkschaften und deren Situation gegeben werden. Im dritten Teil sollen die selektiven Anreize der deutschen Gewerkschaften untersucht werden. Im letzten Teil der Arbeit soll versucht werden, die Ergebnisse in einem kurzen Resümee zusammenzufassen.
2. ‚Die Logik des kollektiven Handelns’
Lange Zeit galt die These „Wenn jeder in einer Gruppe von Individuen oder Unternehmen ein bestimmtes gemeinsames Interesse teilt, dann wird die Gruppe dazu neigen, dieses Interesse zu fördern.“ (Olson 1985a: 20) als erwiesen. Viele Politikwissenschaftler gingen beispielsweise davon aus, dass „Bürger mit einem gemeinsamen politischen Interesse sich organisieren und eine Lobby bilden werden, um diesem Interesse zu dienen. Jedes Individuum in der Bevölkerung würde Mitglied in einer Gruppe oder in mehreren Gruppen sein, und der Vektor des Drucks dieser konkurrierenden Gruppen würde das Ergebnis des politischen Prozesses erklären“ (Olson 1985a: 20). Bezüglich der Arbeiter besagt die These dass sich diese, wenn sie sich „Monopolen gegenübersehen, die ihren Interessen schaden“ zu Gewerkschaften zusammenschließen und somit „eine Gegenmacht bilden, mit der sie sich Marktmacht und staatliche Schutzmaßnahmen verschaffen“ (Olson 1985a: 20).
Mancur Olson widerlegt in seiner 1965 veröffentlichten Studie ‚Die Logik des kollektiven Handelns’ diese These und macht auf ein „Paradox im Verhalten von Gruppen“ (Olson 1985a: 20) aufmerksam.
Zu Beginn seiner Argumentation stellt Olson die Frage nach dem Sinn von Organisationen. Er erläutert dann, dass es sich um „Zweckgründungen“ (Braun 1999: 105) handelt, deren Ziel es ist, die Interessen ihrer Mitglieder durchzusetzen. Da es dem einzelnen Individuum nicht möglich ist kollektive Güter oder öffentliche Güter[1] zu produzieren, bedarf es der Organisation, die diese für ihre Mitglieder bereitstellt. Kollektive Güter sind durch das Prinzip der Nichtausschließbarkeit gekennzeichnet. Olson definiert sie als Güter, die „jedem in einer Gruppe oder Kategorie zur Verfügung stehen, wenn sie überhaupt bereitgestellt werden“ (Olson 198a5: 30). Gelingt es Beispielsweise einer Gewerkschaft eine Lohnerhöhung zu erzielen, so gilt diese „für alle Beschäftigten der entsprechenden Kategorie“ (Olson 1985a: 23). Aus der Tatsache, dass Organisationen kollektive Güter bereitstellen, ergibt sich für diese das ‚Trittbrettfahrer-Dilemma’ (free-rider-problem). Olson erläutert dieses Dilemma an folgendem Beispiel:
Eine große Gruppe von Arbeitern ist der Meinung, dass sie auf Grund ihrer Fähigkeiten und Leistungen eine Lohnerhöhung verdient. Investiert der einzelne Arbeiter nun eine bestimmte Menge an Zeit und Geld um das Gruppenziel zu erreichen, so kann er bestenfalls minimal zum Erfolg beitragen. Sein Anteil am Gewinn, der auch durch seine Investition erzielt wurde, wird sehr klein sein. „ Die bloße Tatsache, daß das Ziel oder Interesse der Gruppe gemeinsam ist oder von ihr geteilt wird, bedeutet, daß der Gewinn aus jedem Opfer, das der einzelne im Dienste des gemeinsamen Zwecks macht, mit jedem in der Gruppe geteilt wird.“ (Olson 1985a: 21). Alle Arbeiter erhalten den gleichen Anteil am Gewinn unabhängig davon, ob sie zuvor in dessen Erlangung investiert haben oder nicht. Handelt der einzelne Arbeiter gemäß des Akteurmodells des ‚Homo Oeconomicus’, der zwischen Kosten und Nutzen abwägt und dessen Ziel es ist, seinen Nettonutzen zu maximieren, so wird er keinen Beitrag zum Gewinn der Gruppe leisten. Das ‚Drittbrettfahrer- Dilemma’ besteht also darin, dass das einzelne Mitglied einer Organisation dazu neigt, vom Kollektivgut zu profitieren ohne zur Bereitstellung diese Gutes beigetragen zu haben.
Olson stellt fest, „daß (in Abwesenheit von besonderen Vorkehrungen oder Umständen [...]) große Gruppen nicht in ihrem Gruppeninteresse handeln werden, zumindest nicht dann, wenn sie aus rationalen Individuen bestehen“ (Olson 1985a: 21). Dies bezeichnet er als „Paradox im verhalten von Gruppen“ (Olson 1985a: 20).
Ob es zu einem kollektiven Handeln kommt ist einerseits abhängig von der Gruppengröße, andererseits von der Verfügbarkeit selektiver Anreize.
2.1 Gruppengröße
Olson unterscheidet bezüglich der Gruppengröße zwischen der privilegierten Gruppe (privileget group), der mittleren Gruppe (intermediate group) und der latenten Gruppe (latent group).
Die privilegierte Gruppe ist eine kleine Gruppe, die aus nur wenigen Mitgliedern besteht. Sie besitzt das Privileg, kollektive Güter bereitstellen zu können, „ohne dabei zu Zwang oder irgendwelchen positiven Anreizen, abgesehen vom Kollektivgut selbst“, greifen zu müssen (Olson 1985b: 32). Ein Beispiel für eine solche Gruppe ist ein Zusammenschluss von drei großen Unternehmen, deren Ziel es ist, eine für sie günstigere Gesetzgebung zu bewirken (vgl. Olson 1985a: 36). Die Größe der Gruppe fördert Beziehungen zwischen den einzelnen Mitgliedern, häufig kommt es zur Interaktion. Trittbrettfahrer sind selten, weil ihr Verhalten sofort bemerkt und sanktioniert werden kann (vgl. Braun 1999: 106). Das „Kosten-Nutzen-Verhältnis des kollektiven Handelns“ (Olson 1985a: 36) ist zumeist günstig, da der Gewinn, der aus der Investition des Einzelnen resultiert, mit nur wenigen anderen geteilt werden muss. Der Einzelne erhält einen solch großen Anteil am Gewinn, dass er auch dazu bereit ist, die gesamten Kosten alleine zu tragen (vgl. Olson 1985a: 36). Doch nur wenn der Anteil jedes Gruppenmitgliedes an Kosten und Nutzen identisch ist, kann in einer kleinen Gruppe ein gruppen-optimales Ergebnis erzielt werden (vgl. Olson: 1985a: 37). Hat ein einzelnes Mitglied ein größeres Interesse am Kollektivgut und ist deshalb eher bereit, in dessen Bereitstellung zu investieren, so kann es zur „Ausbeutung der Großen durch die Kleinen“ (Olson 1985a: 41) kommen. Kleine Gruppen sind mit höherer Wahrscheinlichkeit homogen als größere. Die Homogenität erleichtert das kollektive Handeln, da sie unter anderem „dabei hilft, Übereinstimmung zu erlangen“ (Olson 1985a: 31). In privilegierten Gruppen sind die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen groß. Dies kann für ihn einen Anreiz darstellen, sich einer solchen Gruppe anzuschließen (vgl. Olson 1985a: 29). Weiterhin besteht in einer Gruppe mit nur wenigen Mitgliedern die Möglichkeit zu Verhandlungen (vgl. Olson 1985a: 37). Die Organisationskosten sind gering (vgl. Olson 1985a: 41). All dies zeigt, dass privilegierte Gruppen eher zu kollektivem Handeln fähig sind. Dies versetzt sie in die Lage, „wesentlich größere Gruppen, selbst wenn sich diese organisieren können, auszubeuten“ (Olson 1985b: IX f).
[...]
[1] Die beiden Begriffe ‚kollektive Güter’ und ‚öffentliche Güter’ werden synonym verwendet.
- Arbeit zitieren
- Luisa Herrmann (Autor:in), 2003, Welche Bedeutung haben selektive Anreize für die deutschen Gewerkschaften?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29586
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