Über die Wissenschaftlichkeit der Jenenser Spekulationsphilosophie


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

23 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsangabe

Einleitung
a) Fragestellung
b) Begründung
c) Vorgehensweise

1. Begriffsklärung und Standortbestimmung
1.1 Was ist Wissenschaft?
1.2 Was ist wissenschaftliche Philosophie?
1.3 Was ist Erkenntnis?

2. Das „Kritische Journal der Philosophie“
2.1 Das philosophische Dilemma um die Objektivität der Philosophie
2.2 Skizze der Jenaer Philosophie
2.3 Wohin führt die Jenaer Philosophie?

3. Über die Wissenschaftlichkeit der Jenaer Philosophie
3.1 Methode und Gegenstand der Jenaer Philosophie
3.2 Systematik der Spekulativen Philosophie
3.2.1 Das Prinzip des Absoluten
3.2.2 Das Erkennende Subjekt
3.2.3 Zur Entwicklung als Geschichte
3.3 Beantwortung der Frage dieser Arbeit

Schlusswort
a) Was wollte Hegel?
b) Systematik der Hausarbeit
c) Was zu tun bleibt

Literaturverzeichnis

Einleitung

a) Fragestellung

Die zentrale Frage dieser Hausarbeit lautet: Ist die Jenaer Philosophie der Philosophen Schelling und Hegel, wie sie exemplarisch im „Kritischen Journal der Philosophie“ zu lesen ist, ein wissenschaftlicher Versuch von Philosophie? Um diese Frage entscheiden zu können, ist eine Klärung folgender Fragen notwendig:

- Welcher Art ist das Verhältnis der Philosophie zur Wissenschaft überhaupt?

(Welche Arten rationaler Entwürfe gibt es?)

- Ist eine wissenschaftliche Philosophie ein Widerspruch in sich?

(Referiert der Begriff Wissenschaftlichkeit auf den Begriff Philosophie?)

- Wie lauten Kriterien für die Wissenschaftlichkeit einer Philosophie?

(Wie lauten die gegenseitigen Zuordnungsmöglichkeiten für die Begriffe?)

- Wie verhält sich die wissenschaftliche Philosophie zu anderen Philosophien?

(entsteht ein sicheres, in sich geschlossenes System der Philosophie?)

b) Begründung

Wie motiviert sich die Frage nach der Wissenschaftlichkeit von Philosophie allgemein? Stellen wir uns folgende Situation vor: Ein Mathematiker wird nach seinem persönlichen Verständnis der Mathematik gefragt. Diese Frage klingt einigermaßen merkwürdig. Natürlich könnte uns der Mathematiker sagen, womit sich die Mathematik beschäftigt und welche Methoden für sie einschlägig sind. Aber seine Antwort hätte wenig mit seiner Person zu tun, und wir würden erwarten, dass verschiedene Mathematiker in ihren Antworten weitgehend konvergieren. Mit der Philosophie verhält es sich völlig anders. Was Philosophie ist, darüber herrscht kein Einvernehmen unter den Philosophen. Ihre Antworten auf die Frage nach ihrem Philosophieverständnis verraten deshalb auch etwas über sie selbst. Diese Besonderheit der Philosophie hängt eng damit zusammen, dass das philosophische Denken sich nicht wie die Einzelwissenschaften im Rahmen einer normalerweise un-hinterfragten thematischen Ausrichtung und Methode bewegt, sondern stets auch ihre eigenen Methoden und Gegenstandsbereiche zum Thema hat. Die Philosophie geht nicht direkt auf die Sachprobleme zu, sondern sie ist selbstreflexiv.

Das macht die Frage nach dem philosophischen Selbstverständnis interessant, sorgt aber auch dafür, dass ihre Beantwortung schwierig ist, denn eine von allen akzeptierte und positiv formulierte[1] Definition für die Philosophie zu geben, scheint eine schon in der Natur der Philosophie angelegte, unüberwindbare Hürde zu sein. Alle Versuche dazu sind strittig und vertreten schon „im voraus einen besonderen philosophischen Standpunkt“, und der einzige Ausweg, „herauszufinden, was Philosophie ist, ist zu philosophieren.“[2]

Die systematischen Idealisten, Hegel unter ihnen als der krönende Abschluss des deutschen Idealismus[3], unternahmen einen Neuanfang in der Philosophie. Notgedrungen mussten Sie sich bei diesem Unterfangen der Gesetze der Logik bedienen, genau wie die anderen Wissenschaften bzw. anderen Philosophen vor ihnen auch – sonst währe ihr Werk der Menschheit nicht im Sinne einer Intersubjektivität zugänglich.

Doch inwiefern ist diese Philosophie eine wissenschaftliche, wenn sie denn diesen Namen zu recht tragen sollte? Es ist umstritten, inwiefern der wissenschaftsphilosophische Ansatz zum Erfolg (im Sinne des gewünschten Anspruches an die Philosophie) führen würde, liegen doch bis heute ganze philosophische Schulen auch darüber im Streit, ob die abendländische[4] Philosophie in dieser Weise betrieben werden kann.[5]

c) Vorgehensweise

Die Beantwortung der zentralen Frage der Hausarbeit erfolgt auf systematische Weise. Da der Inhalt der Begriffe den Ausgangspunkt der Betrachtung und Gleichzeitig die Richtung und das Ergebnis der Untersuchung bestimmt, ist es zunächst nötig, die Begriffe der Wissenschaft, Philosophie und Erkenntnis, als das sowohl der Philosophie als auch der Wissenschaft wesensimmanente Kriterium, sorgfältig einzuführen. Dies wird unter Zuhilfenahme der einschlägigen Erläuterungen Eisler’s vorgenommen. Im Anschluss daran werden die nunmehr definierten Begriffe auf die Jenaer kritische Philosophie, also auf das „Kritische Journal der Philosophie“, bezogen, um zu überprüfen, inwieweit dieser Entwurf von Philosophie Hegels, auch an diesen „fremden“ Maßstäben gemessen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit hat.

1. Begriffsklärung und Standortbestimmung

1.1 Was ist Wissenschaft?

Wissenschaft, so Eisler[6], ist die systematische Einheit einer Summe prinzipiell zusammengehöriger, ein Gebiet ausmachender Erkenntnisse. Formal betrachtet kommen diese Erkenntnisse durch Methode und Systematik zustande.

Unter Systematik versteht Eisler die einheitliche, nach einem Prinzip durchgeführte Anordnung einer Mannigfaltigkeit von Erkenntnissen zu einem Wissensganzen, zu einem in sich gegliederten, innerlich- logisch verbundenen Lehrgebäude, welches als möglichst getreues Korrelat zum realen System der Dinge, d. h zu dem Ganzen von Beziehungen der Dinge untereinander, dasteht. Die auf ein System hin arbeitende Methode ist systematisch, Methodenlehre. Ein philosophisches System ist die Vereinigung allgemeiner Erkenntnisse zur Einheit einer Weltanschauung.[7]

Unter Methode versteht er das logische, planmäßige, systematische Verfahren wissenschaftlicher Forschung, also eine Untersuchungsweise und Art der Wahrheitsfindung. Alle sinnvollen Aussagen haben die Gestalt von Urteilen oder Sätzen. Die bloße Aneinanderreihung von Wörtern ergibt noch keinen Sinn. Auch ist die Summe von einzelnen Wörtern nicht das Gleiche wie die Verbindung von Wörtern in Urteilen oder Sätzen. Deshalb fängt eine sinnvolle Kommunikation erst mit den Urteilen und Sätzen an. Auch die Wahrheit hat die Gestalt des Urteils oder Satzes.

Urteile, wenn sie für andere einsehbar sein sollen, müssen begründet werden. Die Begründung eines Urteils aus einem oder mehreren anderen Urteilen ist der Schluss.

Ein Begriff symbolisiert eine Vorstellung. Damit diese Vorstellung ausgedrückt werden kann, müssen ihre Merkmale (andere Vorstellungen) angegeben werden. Um ein neues Urteil aus anderen Urteilen ableiten zu können und dadurch eine systematische Argumentation zu ermöglichen, müssen Urteile miteinander logisch verknüpft werden. Ein Schluss überhaupt ist die Ableitung eines Urteils aus einem oder mehreren anderen Urteilen.Insofern ein Schluss einen Begriff begründet, ist der Schluss die entwickelte Gestalt des Begriffs.

1.2 Was ist wissenschaftliche Philosophie?

Wissenschaftlich ist jene Philosophie, die als Methode das erkenntniskritische Verfahren hat und zum empirisch gegebenen Material nicht bloß den Tatbestand der naiven Erfahrung hinzugibt, sondern auch die allgemeinen Ergebnisse der Einzelwissenschaften berücksichtigt. Die Erkenntniskritik prüft den Wert der Erkenntnis und ihre Arten, ihren Gültigkeitsbereich, ihren Umfang und die Grenzen der Erkenntnis.[8] Ursprung und Wert der Erkenntnis muss sie gleichermaßen untersuchen, sie hat festzustellen, was der Erfahrung (der Wahrnehmung), was dem Denken angehört, wie die Grundbegriffe der Erkenntnis (naiv und wissenschaftlich) gebildet und wie sie verwertet werden, welche Berechtigung die Anwendung dieser Begriffe hat und in welchem Sinne diese verwendet werden können.

Vom logisch-systematischen Standpunkt aus gibt es nur einen Begriff der Philosophie, nämlich den der wissenschaftlichen. Der Begriff einer wissenschaftlichen Philosophie aber, deren Objekt nicht das Wissen im Sinne einer Erkenntnis ist, enthält einen inneren Widerspruch. Nur als allgemeine Wissenschaftslehre, als Theorie der Erkenntnis, ist die Philosophie selbst Wissenschaft. Wissenschaft zu sein, d.h. Wissen zu schaffen, vermag nur eine Philosophie, die selbst vom Wissen, von der Wissenschaft, handelt.

1.3 Was ist Erkenntnis?

Erkenntnistheorie ist zunächst jener Teil der Philosophie, der die Tatsachen des Erkennens als solche beschreibt, analysiert und genetisch untersucht, dann aber auch den Wert der Erkenntnis und ihre Arten, Gültigkeitsweise, Umfang, Grenzen der Erkenntnis prüft.[9] Eine Erkenntnis wird weiterhin als Bestimmung der Merkmale, also der Eigenschaften und Beziehungen, eines Seienden aufgefasst. Allgemein gilt folgendes: Eine Erkenntnis entsteht durch Denken, das zu einem Urteil führt, dessen Inhalt objektiv, d. h. allgemeingültig, ist.[10] Durch den Prozess des Erkennens wird das Erkannte als der Gegenstand der Erkenntnis subjektiv-logisch so bestimmt, wie es gemäß den Erfahrungen, Folgerungen und Postulaten des Denkens geschehen muss. Erkenntnis ist das Resultat des Zusammenspiels von Erfahrung und Denken, sie ist das Produkt denkender Verarbeitung eines Gegebenen, Vorgefundenen, deswegen ist sie sowohl subjektiv als auch logisch. Diese Doppelnatur bedeutet nicht ein absolutes Nichtwissen um das Sein, sondern nur die Abhängigkeit der Form der Erkenntnis vom Ich. Eine jede Erkenntnis findet also zwischen dem erkennenden Subjekt und dem erkannten Objekt statt. Keine Art der Erkenntnis beinhaltet demnach die subjektunabhängige Beschreibung von Objekten durch die formale Logik, entsprechendes gilt für die objektunabhängige Charakterisierung des Subjektes durch den Geist.

[...]


[1] Zu definieren währe, was sie ist, nicht, was sie nicht ist.

[2] Russel, S. 18

[3] Meyers, Band 5, S. 71

[4] vgl. Russel: „Im Gegensatz zur orientalischen geht die Philosophie des Abendlandes mit der wissenschaftliche Tradition Hand in Hand.“ (420)

[5] vgl. Russel: „Das Außerachtlassen dieser Abgrenzung (der Wissenschaft zur Philosophie, Anm. d. Verf.) war die Ursache, dass die systematischen Idealisten manchmal in die Irre gingen.“ (ebenda)

[6] vgl. Eisler-Begriffe Bd. 2, S. 799 ff

[7] vgl. Eisler-Begriffe Bd. 2, S. 476 ff.

[8] vgl. Eisler-Begriffe Bd. 1, S. 298 ff.

[9] vgl. Eisler-Begriffe Bd. 1, S. 298

[10] vgl. Eisler-Begriffe Bd. 1, S. 285

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Über die Wissenschaftlichkeit der Jenenser Spekulationsphilosophie
Hochschule
Universität Leipzig
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
23
Katalognummer
V29767
ISBN (eBook)
9783638312035
ISBN (Buch)
9783638650403
Dateigröße
525 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wissenschaftlichkeit, Jenenser, Spekulationsphilosophie
Arbeit zitieren
Martin Arndt (Autor:in), 2003, Über die Wissenschaftlichkeit der Jenenser Spekulationsphilosophie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29767

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