Am Anfang der Untersuchung, inwieweit die drei Größen Realität, Repräsentation und Rezeption im Phänomen Dokumentarfilm eine Rolle spielen und diskutierbar sind, muss eine Definition dessen geliefert werden, was wir unter Dokumentarfilmen überhaupt erst verstehen. Nun könnte man zwar sagen, sie sind eben jene Filme, die Nicht-Fiktional sind, dennoch kann aber ein Gegenstand noch nicht dadurch gänzlich bestimmt werden, dass man sagt, was er nicht sei. Das geht genauso schlecht, also wollte man bestimmen, was grün sei, indem man sagt: grün ist nicht rot. Was grün nun eigentlich ist, muss bei einer solchen Definition unsicher bleiben. Auch scheint der Begriff des Nicht-Fiktionalen uns zuzuflüstern: „representation is pre-eminently fictional [and] fiction is always already there and must with effort be negated“. (Ponech: 1) Wohl ist es auch so, dass „stets von der Marginalisierung des Dokumentarfilms gegenüber den dominanten, Sehgewohnheiten prägenden und Gattungserwartungen konstituierenden Genres des Spielfilms auszugehen“ ist. (Hattendorf: 13/14)
Dieser Weg der negativen Begriffsbestimmung ist also kein fruchtbarer, obwohl es schwer ist, von ihm abzuweichen. Dies ist vielleicht der Prozess der Emanzipation und der Abkopplung des Dokumentarfilmes als Genre von anderen Filmtypen und -kategorien. Der Dokumentarfilm als ein „’Nebenweg’ der Filmgeschichte“ (Hattendorf: 14) lässt sich auch aus sich selbst heraus definieren, so zeigt der Dokumentarfilm „bestimmte Ausschnitte der geschichtlichen oder gegenwärtigen Wirklichkeit“ (Brockhaus: Bd. 5, S. 586) und zeichnet sich durch einen hohen Wirklichkeitsbezug aus: „the non-fiktion film is, by definition, one that must achieve or purport to achieve an utterly realist mode of representation“ (Ponech: 6). Im Gegensatz zu Spielfilmen sind Dokumentarfilme durch die Präsentation von Fakten charakterisiert, von echten Orten, Menschen und Ereignissen also und nicht von ausgedachten, fiktionalen. (Ponech: 9) Das Medium Dokumentarfilm ist an sich etwas, was für etwas anderes, nämlich für unsere Realität, stehen soll. „For X to be a natural sign of Y, Y must really be the case“ (Ponech: 10), und in sofern ist ein Dokumentarfilm auch nur dann einer, wenn es diese abgebildete Wirklichkeit Y gibt.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Versuch einer Begriffsbestimmung
- 2. Ist abgebildete Realität noch Realität?
- 2.1 Realität im Dokumentarfilm – das Kontra
- 2.2 Realität im Dokumentarfilm – das Pro
- 3. Authentisierungsstrategien im cinema direct
- 4. Schlusswort
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit beschäftigt sich mit dem komplexen Wirkungsdreieck von Realität, Repräsentation und Rezeption im Dokumentarfilm. Sie untersucht, wie diese drei Elemente miteinander interagieren und welche Auswirkungen sie auf die Interpretation und das Verständnis des Films haben. Darüber hinaus wird die Frage der Authentizität und Objektivität im Dokumentarfilm beleuchtet und die Rolle des Individuums im Prozess des Anschauens des Films betrachtet.
- Definition des Dokumentarfilms und Abgrenzung zu anderen Filmgenres
- Die Rolle der Realität im Dokumentarfilm und die Frage nach der Authentizität von Bildern
- Authentisierungsstrategien im cinema direct
- Die Bedeutung der Subjektivität und die Rolle des Individuums bei der Interpretation des Films
- Die Frage nach der Objektivität und die Rolle des Dokumentarfilms als Informationsquelle
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel widmet sich der Definition des Dokumentarfilms. Es werden verschiedene Ansätze zur Begriffsbestimmung diskutiert und die Besonderheiten des Genres im Vergleich zu anderen Filmtypen herausgearbeitet. Das zweite Kapitel befasst sich mit der Frage, inwieweit abgebildete Realität noch als Realität gelten kann. Hier werden die verschiedenen Perspektiven auf die Authentizität und Objektivität von Dokumentarfilmen beleuchtet. Das dritte Kapitel analysiert Authentisierungsstrategien im cinema direct, einem wichtigen Strömung innerhalb des Dokumentarfilmgenres. Dieses Kapitel untersucht, wie dokumentarisches Filmmaterial durch verschiedene narrative und filmische Mittel authentifiziert wird.
Schlüsselwörter
Dokumentarfilm, Realität, Repräsentation, Rezeption, Authentizität, Objektivität, Subjektivität, cinema direct, Propagandafilm, Kinowahrheit, Montage, Lebensfakten, Filmfakten.
- Arbeit zitieren
- Martin Arndt (Autor:in), 2001, Der Dokumentarfilm im Wirkungsdreieck von Realität, Repräsentation und Rezeption, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29770