Kaum eine historische Stätte ist so eng mit dem Geschlecht der Liudolfinger/Ottonen verbunden wie Gandersheim. Während die Geschichte der Liudolfinger, insbesondere ab der Kaiserzeit Ottos I., bereits Gegenstand zahlreicher Untersuchungen war, wurde die Geschichte des Kanonissenstifts zumeist nur beiläufig behandelt. Die wenigen Werke, welche sich ausgiebiger mit der Geschichte Gandersheims befassen, richten ih-re Aufmerksamkeit meist auf die Blütezeit der Abtei.
Hrotswith von Gandersheim ließ in ihrer Primordia coneobii Gandeshemensis keinen Zweifel daran, dass die Liudolfinger ihren Aufstieg bis zur Kaiserwürde der Gunst Got-tes und dem Frauenkloster zu Gandersheim zu verdanken hätten. Es stellt sich die Fra-ge, inwiefern diese Aussage zutreffend ist. Spielte der Frauenkonvent tatsächlich eine entscheidende Rolle für den Aufstieg der Liudolfinger oder entsprang dieser Anspruch der Phantasie Hrotswiths? Was bewegte Liudolf 845/46 dazu die beschwerliche und ge-fährliche Reise nach Rom zu Papst Sergius II. auf sich zunehmen, um die Stiftung des Klosters absegnen zu lassen? War es aus damaliger Sicht sinnvoll ein Familienkloster zu unterhalten und dessen Leitung den eigenen Töchtern anzuvertrauen?
Ausgehend von der Annahme, dass sich die Gründung des Kanonissenstiftes von Gandersheim nachhaltig auf die Entwicklung der Liudolfinger ausgewirkt haben könnte, soll im Folgenden Licht in die frühe Geschichte des Klosters gebracht und Zusammenhänge zwischen der Gründungszeit des Klosters und dem Aufstieg der Liudolfinger dargestellt werden. Um dies zu ermöglichen, muss das Kloster in seiner Mannigfaltigkeit unter-sucht werden. Insbesondere die Voraussetzungen, welche zur Gründung des Klosters führten und das Wirken während der ersten Generationen der Liudolfinger sollen zu diesem Zwecke hinterfragt werden. Da die Quellenlage in einigen Bereichen einen sol-chen Einblick in die frühe Geschichte Gandersheims nicht erlaubt, ist es notwendig an-dere Klöster in jener Zeit, bzw. Entwicklungen aus der späteren Zeit Gandersheims, zu betrachten und Parallelen in der Frühzeit des Stiftes zu suchen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 1.1 Fragestellung und Historische Relevanz
- 1.2 Der aktuelle Forschungsstand unter Berücksichtigung der Quellenlage
- 1.2.1 Die Quellenlage
- 1.2.2 Der aktuelle Forschungsstand
- 2. Die Gründung des Kanonissenstiftes zu Gandersheim
- 2.1 Die politische Stellung der Liudolfinger am Vorabend der Gründung
- 2.2 Die Prophezeiung Johannes des Täufers und die Vorbereitungen zur Gründung des Stiftes
- 2.3 Die Wahl des Ortes
- 3. Die Aufgaben des Frauenklosters von Gandersheim
- 3.1 Sakrale Betätigungsfelder
- 3.1.1 Der liturgische Dienst für die Familie
- 3.1.2 Die Funktion als letzte Ruhestätte und Wahrer der liudolfingischen/ottonischen Hausüberlieferung
- 3.2 Das Kanonissenstift im Mittelpunkt des Familienlebens der Liudolfinger
- 3.3 Das Kanonissenstift als weltliches Herrschafts- und Repräsentationszentrum
- 3.4 Das Kanonissenstift als Wirtschaftsorganismus
- 4. Zusammenfassung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Einfluss des Kanonissenstiftes Gandersheim auf den Aufstieg der Liudolfinger. Sie beleuchtet die Gründungszeit des Klosters und die Zusammenhänge zwischen der Stiftungsgeschichte und der Entwicklung der Liudolfinger-Dynastie. Die Analyse basiert auf einer kritischen Auseinandersetzung mit den verfügbaren Quellen, die durch ihre spärliche und teilweise subjektive Natur besondere Herausforderungen bieten.
- Die Rolle des Kanonissenstiftes Gandersheim im Aufstieg der Liudolfinger
- Analyse der Quellenlage zur Gründungszeit des Klosters
- Die politische und religiöse Bedeutung Gandersheims im Kontext der Liudolfinger
- Die Funktionen des Klosters als sakrales, familiäres und wirtschaftliches Zentrum
- Bewertung der Prophezeiung Johannes des Täufers im Hinblick auf den Aufstieg der Liudolfinger
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Forschungsfrage nach dem Einfluss des Kanonissenstiftes Gandersheim auf den Aufstieg der Liudolfinger. Sie beleuchtet die bisherige Forschungslage, die durch die spärliche Quellenlage aus dem 9. und 10. Jahrhundert erschwert wird. Die Einleitung benennt wichtige Quellen wie die Primordia coneobii Gandeshemensis von Hrotswith und die Sachsengeschichte Widukinds, betont aber deren zeitliche Distanz zum Geschehen und potenzielle Subjektivität. Die Problematik der Bezeichnungen "Kanonissenstift" und "Frauenkloster" wird angesprochen. Die Einleitung skizziert den Ansatz der Arbeit, die Lücken in der Quellenlage durch den Vergleich mit anderen Klöstern und späteren Entwicklungen in Gandersheim zu schließen.
2. Die Gründung des Kanonissenstiftes zu Gandersheim: Dieses Kapitel befasst sich mit den Umständen der Gründung des Kanonissenstiftes. Es analysiert die politische Situation der Liudolfinger vor der Gründung und untersucht die Bedeutung der Prophezeiung des Johannes des Täufers für die Stiftungsentscheidung. Die Wahl des Ortes Gandersheim wird ebenfalls beleuchtet, um die strategischen und praktischen Erwägungen der Gründer zu verstehen. Der Abschnitt veranschaulicht die komplexe Verflechtung von politischen, religiösen und familiären Motiven bei der Gründung des Klosters. Es werden die Schwierigkeiten der Quelleninterpretation dargestellt.
3. Die Aufgaben des Frauenklosters von Gandersheim: Dieses Kapitel untersucht die vielseitigen Funktionen des Klosters. Es differenziert zwischen den sakralen Betätigungsfeldern, wie dem liturgischen Dienst für die Familie und der Rolle als Grablege und Hüterin der Familientradition. Die Bedeutung des Kanonissenstiftes als Zentrum des Familienlebens der Liudolfinger wird hervorgehoben. Die Analyse erstreckt sich auf die weltliche Bedeutung als Herrschafts- und Repräsentationszentrum und auf seine wirtschaftliche Funktion. Das Kapitel zeichnet ein umfassendes Bild von der multifunktionalen Rolle des Klosters im Leben der Liudolfinger und im gesellschaftlichen Kontext.
Schlüsselwörter
Liudolfinger, Ottonen, Kanonissenstift Gandersheim, Klostergründung, Quellenkritik, Hrotswith von Gandersheim, Widukind von Corvey, politische Geschichte, Familienkloster, religiöse Geschichte, frühmittelalterliches Sachsen, Hausüberlieferung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Kanonissenstift Gandersheim und den Liudolfingern
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht den Einfluss des Kanonissenstiftes Gandersheim auf den Aufstieg der Liudolfinger-Dynastie. Sie analysiert die Gründungszeit des Klosters und die Beziehungen zwischen der Stiftungsgeschichte und der Entwicklung der Dynastie. Ein Schwerpunkt liegt auf der kritischen Auseinandersetzung mit den oft spärlichen und subjektiven Quellen.
Welche Kapitel umfasst die Arbeit?
Die Arbeit gliedert sich in vier Kapitel: Eine Einleitung, ein Kapitel zur Gründung des Stiftes, ein Kapitel zu den Aufgaben des Klosters und eine Zusammenfassung. Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den Forschungsstand dar. Das zweite Kapitel beleuchtet die politischen und religiösen Umstände der Gründung, inklusive der Rolle der Prophezeiung des Johannes des Täufers. Das dritte Kapitel beschreibt die vielfältigen Funktionen des Klosters – sakral, familiär, politisch und wirtschaftlich. Die Zusammenfassung fasst die wichtigsten Ergebnisse zusammen.
Welche Quellen werden verwendet?
Die Arbeit basiert auf einer kritischen Analyse der verfügbaren Quellen, darunter die Primordia coneobii Gandeshemensis von Hrotswith und die Sachsengeschichte Widukinds. Die Arbeit betont die Herausforderungen, die sich aus der spärlichen und teilweise subjektiven Natur dieser Quellen ergeben und geht auf die Problematik der zeitlichen Distanz und potenziellen Voreingenommenheit ein.
Welche Themenschwerpunkte werden behandelt?
Die Arbeit beleuchtet die Rolle des Kanonissenstiftes Gandersheim im Aufstieg der Liudolfinger, analysiert die Quellenlage zur Gründungszeit des Klosters, untersucht die politische und religiöse Bedeutung Gandersheims, beschreibt die Funktionen des Klosters als sakrales, familiäres und wirtschaftliches Zentrum und bewertet die Prophezeiung Johannes des Täufers im Hinblick auf den Aufstieg der Liudolfinger.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Liudolfinger, Ottonen, Kanonissenstift Gandersheim, Klostergründung, Quellenkritik, Hrotswith von Gandersheim, Widukind von Corvey, politische Geschichte, Familienkloster, religiöse Geschichte, frühmittelalterliches Sachsen, Hausüberlieferung.
Welche Zielsetzung verfolgt die Arbeit?
Die Arbeit zielt darauf ab, den Einfluss des Kanonissenstiftes Gandersheim auf den Aufstieg der Liudolfinger zu untersuchen und die Zusammenhänge zwischen der Stiftungsgeschichte und der Entwicklung der Dynastie aufzuzeigen. Sie möchte die Lücken in der Quellenlage durch Vergleich mit anderen Klöstern und späteren Entwicklungen in Gandersheim schließen.
Welche Herausforderungen bietet die Quellenlage?
Die Quellenlage ist spärlich und teilweise subjektiv, was die Interpretation erschwert. Die Arbeit thematisiert die Problematik der zeitlichen Distanz der Quellen zum Geschehen und deren potenzielle Voreingenommenheit. Die Arbeit diskutiert auch die Schwierigkeiten bei der Interpretation der Bezeichnungen "Kanonissenstift" und "Frauenkloster".
Wie wird die Problematik der Quellenlage gelöst?
Die Arbeit versucht, die Lücken in der Quellenlage durch den Vergleich mit anderen Klöstern und späteren Entwicklungen in Gandersheim zu schließen und durch eine kritische Analyse der vorhandenen Quellen.
- Arbeit zitieren
- M. A. Aaron Faßbender (Autor:in), 2004, Die Bedeutung des Kanonissenstiftes von Gandersheim für den Aufstieg der Liudolfinger, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29794