Körperschwerpunktverlagerung im alpinen Skisport. Modellbezogenes Video-Feedback zur Verbesserung des Fahrkönnens


Masterarbeit, 2013

87 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Abbildungen

Verzeichnis der Tabellen

1 Einleitung

2 Alpiner Skisport - Technik und Lerntheorie
2.1 Anforderungsprofil für den alpinen Skisport
2.2 Skitechnische Merkmale für hochwertiges Kurvenfahren
2.3 Verlagerung des Körperschwerpunkts mit Hilfe der Fußgelenksflexion
2.3.1 Regulierende Körperposition
2.3.2 Druckregulierung auf dem Ski
2.4 Aktueller Forschungsstand
2.5 Lerntheorie für motorisches Lernen
2.5.1 Regelkreistheorie nach Adams (1971)
2.5.2 Schematheorie nach Schmidt (1975)
2.6 Aspekte des Feedbacks
2.6.1 Objektiv ergänzende Feedback-Information
2.6.2 Ergebnisorientierte Rückmeldung („knowledge of result“)
2.6.3 Verlaufsorientierte Rückmeldung („knowledge of performance“)
2.7 Wissenschaftliche Fragestellung

3 Methode
3.1 Laboraufzeichnung der Verlagerungsbewegungen
3.1.1 Datenerhebungsmethode I
3.1.2 Verfahren der Datenaufzeichnung und -auswertung I
3.1.3 Beschreibung der Versuchsperson
3.1.4 Untersuchungsdurchführung
3.2 Untersuchungsplan der Pilotstudie
3.3 Datenerhebungsmethode II
3.4 Beschreibung der Versuchspersonen
3.5 Verfahren der Datenverarbeitung und -auswertung II
3.6 Untersuchungsdurchführung

4 Ergebnisse
4.1 Entwicklung eines Bewegungsmodells
4.2 Ergebnisse des Video-Feedbacks

5 Diskussion
5.1 Ergebnisdiskussion
5.2 Methodendiskussion

6 Zusammenfassung

7 Literaturverzeichnis

8 Anhang

9 Erklärung

Verzeichnis der Abbildungen

Abbildung 1: Verlagerung des Körperschwerpunkts durch Beugung im Fußgelenk (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012, S. 45)

Abbildung 2: Neutrale Grundposition mit Belastung auf der Skimitte (Henner, 2013, S. 50)

Abbildung 3: Beispiele für unfunktionelle Körperpositionen im alpinen Skilauf (Tiroler Skilehrerverband, 2009, S. 18)

Abbildung 4: Gleichmäßige und zentrierte Druckverteilung auf dem Ski (Mesle, 2013)

Abbildung 5: Informationsarten (Hänsel, 2006, S. 62)

Abbildung 6: Konstruktion der „schiefen Ebene“ im Bewegungslabor

Abbildung 7: 7a) reflektierender Hautmarker 14mm. 7b) OptiTrack Infrarotlicht Kamera Flex.V

Abbildung 8: Darstellung der Kameraplatzierung sowie des zu filmenden Bereichs für die Videoanalysefahrt

Abbildung 9: Veränderungen der Gelenkwinkel bei 25% Gefälle. a) neutrale Ausgangsposition b) Verlagerung des Körperschwerpunkts durch Fußgelenksflexion c) Ausweichbewegung in Knie- und Hüftgelenk

Abbildung 10: Grafische Darstellung der Gelenkwinkelveränderung und der Körperschwerpunktverlagerung bei 25% Gefälle

Abbildung 11a: Bewegungsstandbilder der neutralen Grundposition und der funktionalen Bewegung zur Körperschwerpunktverlagerung bei 25% Gefälle

Abbildung 11b: Bewegungsstandbilder der neutralen Grundposition und der unfunktionalen Bewegung zur Körperschwerpunktverlagerung bei 25% Gefälle

Abbildung 12: Grafische Darstellung der Veränderung der Fußgelenkswinkel der Probanden im Vergleich zu der Zielbewegung

Abbildung 13: Grafische Darstellung der Veränderung des Hüftgelenkswinkels der Probanden im Vergleich zu der Zielbewegung

Abbildung 14: Grafische Darstellung der Veränderung der Kniegelenkswinkel der Probanden im Vergleich zu der Zielbewegung

Verzeichnis der Tabellen

Tabelle 1: Auswertungen der Körperschwerpunktverlagerungen aller gemessenen Neigungen an der schiefen Ebene

Tabelle 2: Fußgelenkswinkel der Probanden zu allen Messzeitpunkten im Vergleich zu der Zielbewegung

Tabelle 3: Hüftgelenkswinkel und Mittelwerte der Probanden zu allen Messzeitpunkten im Vergleich zu der Zielbewegung

Tabelle 4: Kniegelenkswinkel und Mittelwerte der Probanden zu allen Messzeitpunkten im Vergleich zu der Zielbewegung

Tabelle 5: Bewertungen der Versuchsgruppe und der Kontrollgruppe zu t1, t2 und t3.1 sowie t

Tabelle 6: Überblick über Mittelwert und Standardabweichung zu t1 und t2 für jeden Probanden (Vp A,B,C,D,E)

Tabelle 7: Ergebnisse des abhängigen t-Tests zum Unterschied von den Messungen vor und nach der Videoanalyse

Tabelle 8: Auswertung der Mittelwerte von Item 6 und 7

1 Einleitung

„In gleichem Maße, wie das bildlich Dargestellte aus der allgemeinen Informationsvermittlung nicht mehr wegzudenken ist, wird der Einsatz visueller Medien in bestimmten Lehr-Lern-Situationen immer mehr gefordert und auch notwendig. Wie kaum in einem anderen Lehr-Lern-Bereich kommt es beim Lernen von sportlichen Bewegungen darauf an, daß Lernende „sich ein Bild machen“, d.h. eine präzise Vorstellung von der auszuführenden Bewegung entwickeln. So erscheint es als nahezu zwangsläufig, daß Medien und ihre jeweils neusten technologischen Varianten als unverzichtbare Hilfen in Sportunterricht und sportlichem Training betrachtet werden“ (Daugs, Blischke, Olivier & Marschall, 1989, S. 7)

Im Bereich des alpinen Skisports ist die Videoanalyse über die letzten Jahre ebenfalls immer mehr in den Trainings- und Lehrbereich integriert worden. Während lange Zeit Videoaufzeichnungen zur Bewegungsanalyse ausschließlich im Bereich des Skirennlaufs eingesetzt wurden, finden sich heutzutage immer mehr Skischulen, die die Videoanalyse als moderne Lehrmethode in ihre Kursangebote einbeziehen. Inwiefern das Feedback, dass der Sportler durch die Videoaufnahme und die Analyse des Skilehrers erhält, jedoch den allgemeinen Lernfortschritt unterstützt und wie die Videoanalyse die Bewegungswahrnehmung beeinflusst, wurde für den alpinen Skisport bisher in keiner wissenschaftlichen Studie thematisiert.

Der alpine Skisport folgt im Hinblick auf die Methodik sowie auf die bewegungstechnischen Merkmale sehr strukturierten Vorgaben und Leitbildern für das Lehrwesen, welche durch die jeweiligen Skilehrer- und Skiverbände vorgegeben werden. Diese haben sich durch die ständigen Veränderungen des Skimaterials vor allem in den letzten Jahren in Bezug auf die Skitechnik sehr verändert. Die traditionelle Technik des Skifahrens ist einer modernen, offeneren Technik gewichen, in der vor allem die richtige Belastung der Ski materialbedingt verstärkt durch die Verlagerung des Körperschwerpunkts nach vorne realisiert wird. In den neuesten Skilehrplänen des Deutschen Skilehrerverbandes werden Merkmale einer guten Skitechnik propagiert, die ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass der Körperschwerpunkt zum Kurvenwechsel nach vorne verlagert wird und dass die Bewegungen aus den Beinen initiiert werden. Die Körperposition und die Gewichtsverlagerung spielen somit eine essentielle Rolle, wenn es um hochwertiges Skifahren geht.

In dieser Arbeit soll ein Bewegungsmodell entwickelt werden, das eine auf allen Pistenarten (blau, rot, schwarz) übertragbare Zielbewegung für den Kurvenwechsel darstellt. Diese Zielbewegung wird mit den individuellen Bewegungsausführungen von fortgeschrittenen Skisportlern verglichen. Die Visualisierungen des Bewegungsablaufs und die daraus hervorgehenden Ergebnisse werden innerhalb der Untersuchung an die Sportler weitergegeben und im Beisein derselben analysiert. Auf diese Weise soll festgestellt werden, ob sich die Videoanalyse zur Verbesserung des skitechnischen Merkmals der Körperschwerpunktverlagerung eignet und der Lerneffekt dadurch vergrößert werden kann.

Zur Literaturrecherche wurden die Universitätsbibliothek der Christian-Albrechts- Universität zu Kiel sowie die Archive des Deutschen Skilehrerverbandes und des Deutschen Skiverbandes herangezogen. Dadurch, dass nur wenige aktuelle Monographien zu dem Thema Schneesport zur Verfügung standen, wurden zusätzlich zu den Lehrplänen der Verbände hauptsächlich Schneesport-Zeitschriften und Schriftenreihen verwendet. Hierbei wurde auf die Publikationen der Arbeitsgemeinschaft für Schneesport an Hochschulen sowie auf Internetseiten der Verbände zurückgegriffen.

Dieser Teil der Arbeit dient dazu, grundlegende Begrifflichkeiten, auf deren Grundlage die Pilotstudie aufbaut, zu definieren. Zunächst werden die skitechnischen Merkmalen für hochwertiges Kurvenfahren vorgestellt und die Vernetzungen zwischen den einzelnen Merkmalen und deren Funktionen verdeutlicht. Darauf basierend wird die Bedeutsamkeit der Verlagerung des Körperschwerpunkts herausgestellt. Im weiteren Verlauf wird die Rolle der Veränderung der Gelenkwinkel in Hüfte, Knie und Fußgelenk beschrieben und deren Einfluss auf die Körperposition, welche für die Körperschwerpunktverlagerung beim Kurvenfahren ausschlaggebend ist, analysiert. Basierend auf den ausgearbeiteten Merkmalen kann ein Bewegungsleitbild erstellt werden, das in den folgenden Kapiteln als Beispiel für die angestrebte Zielposition dient.

Anschließend folgt ein Überblick über den aktuellen Forschungsstand im Hinblick auf verschiedene Lerntheorien für motorisches Lernen. Zentrale Schwerpunkte sind hierbei verschiedene Aspekte des Feedbacks - die objektiv ergänzende Feedback- Information, die ergebnisorientierte Rückmeldung und die verlaufsorientierte Rückmeldung - darzulegen. Abschließend werden aus den Darstellungen der theoretischen Grundlagen die Forschungsfrage sowie die zu testenden Hypothesen abgeleitet.

2.1 Anspruchsprofil für den alpinen Skisport

„Skifahren ist vielseitig, situativ, international und in der Form individuell“ (Reinboth, 2009, S. 3). Dennoch lassen sich bestimmte Grundsätze festlegen, die im Hinblick auf das hochwertige Kurvenfahren Berücksichtigung finden müssen.

Der alpine Skilauf zählt zu „den sogenannten offenen Sportarten, bei denen Bewegungsbedingungen ständig variieren“ (Bach & Gereke, 2009, S.104), wodurch eine ständige funktionale „Anpassung der Bewegungsaktionen“ (ebd.) erforderlich ist. Aus diesen verschiedenen Bewegungsaktionen setzt sich dann die Gesamtbewegung des hochwertigen Kurvenfahrens zusammen. Diese Aktionen werden Hauptbewegungen genannt und bilden die Grundlage der Gesamtbewegung (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012). Die richtige Bewegungsausführung und das passende Vernetzen der Hauptbewegungen ermöglichen eine sichere Richtungsänderung und damit das hochwertige Kurvenfahren. „In Anpassung an äußere Gegebenheiten und einwirkende Kräfte, was entsprechend hohe Anforderungen an die Bewegungswahrnehmung stellt, sind Arm-, Bein- sowie Ganzkörperbewegungen simultan und sukzessiv aufeinander abzustimmen“ (Bach et al., 2008, S. 70).

Die Hauptbewegungen können in Kantbewegungen, Bewegungen der Körperschwerpunktverlagerungen sowie Drehbewegungen aufgeteilt werden. Die Kantbewegungen umfassen generelle Bewegungen um die Skilängsachse, das sind beispielsweise das „Fußkippen, Kniekippen, Beine und Becken zur Kurvenmitte bewegen, Ganzkörperkippen“ (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012, S. 46). Im Kurvenwechsel erzeugen die Kantbewegungen das Umkanten der Ski, indem diese ab- oder aufgekantet werden. Hierdurch wird der Widerstand der Ski erhöht. Die Körperschwerpunktverlagerungen beinhalten Bewegungen, die entlang der Körperachsen stattfinden. Der Körperschwerpunkt kann demnach auf der Körperlängsachse, sowie der -querachse und der -tiefenachse verlagert werden. Durch die Verlagerung des Körperschwerpunkts werden Belastungswechsel realisiert. Außerdem findet eine Ausgleichsbewegung statt, die das Einnehmen der Kurvenlage ermöglicht und während der Kurvensteuerung stabilisierend wirkt. Eine weitere Hauptbewegung stellen die Drehbewegungen dar. Die Drehbewegungen werden durch Bewegungen um die Körperlängsachse ausgeführt. Dies sind unter anderem das Drehen der Beine oder des gesamten Körpers, das Gegendrehen oder Gegenhalten sowie das Vorausdrehen (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012). Durch die Drehbewegungen werden Veränderungen der Fahrtrichtung vollzogen.

Die Ausprägungen der Hauptbewegungen sind situativ variabel, denn sie richten sich nach Timing (Wann, wie lange...?), Umfang (Wie weit...?), Richtung (Wohin…?) und Dynamik (Wie schnell...?) der zu fahrenden Kurve. „Durch ständige Anpassung der Bewegungsspielräume Timing, Umfang, Richtung und Dynamik an die Situation wird eine optimale Bewegungsbereitschaft realisiert“ (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012, S. 46). Somit erfüllen alle Aktionen, die während des Kurvenfahrens ausgeführt werden, den Zweck, den Schneewiderstand durch das Belasten der Ski zu regulieren und Stabilität zu realisieren. Das angestrebte Ziel beziehungsweise das Ergebnis eines adäquaten Zusammenspiels der Hauptbewegungen, die an die Situation angepasst werden, ist die Regulation des Gleichgewichts und die Kontrolle des Tempos sowie der Richtung. „Durch Anpassung der Aktionen an die jeweilige Situation (z.B. Unterlage, Gefälle) lässt sich die Belastung verstärken oder vermindern, um in der jeweiligen Situation die Kurve optimal zu fahren“ (Deutscher Skiverband, 2013, S. 33).

2.2 Skitechnische Merkmale für hochwertiges Kurvenfahren

Die im vorherigen Kapitel beschriebenen Hauptbewegungen können in ihrer Ausführung zur besseren Darstellung als drei konkrete Merkmale für hochwertiges Kurvenfahren zusammengefasst werden. Diese Merkmale beinhalten zu unterschiedlichen Anteilen die bereits dargestellten Hauptbewegungen. Der aktuelle Skilehrplan des deutschen Skilehrerverbands (2012, S. 47) gibt als erstes Merkmal für optimales Kurvenfahren die Notwendigkeit der Druckregulation vor. Demnach wird die „gesamte Kurvenfahrt […] durch Bewegungsfluss und Bewegungsbereitschaft geprägt. Diese entstehen durch die Vermeidung von statischen Positionen auf dem Ski oder Endpositionen“. Dem Skifahrer1 muss es möglich sein, sich in alle Richtungen bewegen zu können, um sich den ständig variierenden Bedingungen anpassen zu können.

Das zweite Merkmal unterstreicht die Wichtigkeit des Druckaufbaus zu Beginn der Kurveneinfahrt. Der Körperschwerpunkt muss demnach im Kurvenwechsel nach vorne in die angestrebte Kurvenrichtung bewegt werden (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012, S. 47). Der frühe Druckaufbau trägt maßgeblich dazu bei, dass der Schneewiderstand erhöht werden kann. Dieser wird vor allem durch eine zentrale Position über dem Ski realisiert, die es dem Skifahrer ermöglicht, permanent in alle Richtungen regulieren zu können. „Zur optimalen Lösung der Bewegungssituation muss die entsprechende Körperposition eingenommen werden und durch Regulation im Gleichgewicht gehalten werden“ (Bach et al., 2008, S. 74).

Das letzte Merkmal betrifft die Kurvensteuerung, in welcher der Druck auf den Ski erhöht und genutzt werden muss. Hierbei soll laut Deutschem Verband für das Skilehrwesen (2012, S. 48) der Kantwinkel erhöht werden und zusätzlich die Kurvenlage angepasst werden. Dies kann vor allem durch die Kantbewegung in Verbindung mit der Vorverlagerung des Körperschwerpunkts realisiert werden, da durch diese Bewegungen ein effizienter Druckaufbau während der Kurvenfahrt erfolgt. Während die Kantbewegung hauptsächlich aus dem Sprunggelenk initiiert wird, bleibt der Oberkörper zur Stabilisierung des Gesamtsystems möglichst gerade beziehungsweise richtet sich talwärts aus. Je stärker der Druckaufbau ausfällt, desto mehr muss eine Oberkörperausgleichsbewegung während des Kurvenverlaufs stattfinden. „Grundsätzlich besteht immer eine Abhängigkeit zwischen den äußeren Gegebenheiten (Situation), der Richtungs- und Geschwindigkeitsbeeinflussung der Ski (Funktion) und der Art, wie sich der Skifahrer bewegen muss (Aktion), um das gewünschte Ziel zu erreichen“ (Deutscher Skiverband, 2013, S. 21).

2.3 Verlagerung des Körperschwerpunkts mit Hilfe der Fußgelenkflexion

Der hohe Stellenwert, den die Vorverlagerung des Körperschwerpunkts im Bereich des optimalen Kurvenfahrens einnimmt, wurde bereits in Kapitel 2.1 verdeutlicht, als diese im Zuge der Beschreibung der Hauptbewegungen dargestellt wurde. Vor allem für den Druckaufbau in der Kurvenfahrt ist die Körperschwerpunktverlagerung essentiell. Für den Kurvenwechsel gilt sowohl, dass sich der Körperschwerpunkt in dieser Phase der Kurvenfahrt am weitesten nach vorne bewegt, als auch, dass die Bewegung aus den Beinen initiiert wird. „Bei guten Skifahrern ist diese Bewegung kaum sichtbar“ (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2006, S. 18), da sie größtenteils über die Veränderung des Fußgelenkwinkels realisiert wird, so dass der Skifahrer durch einen relativ geringen Bewegungsumfang in der Lage ist, den Körperschwerpunkt nach vorne zu verlagern. Somit finden Bewegungen statt, die aufgrund von Überlagerungen nicht immer zu beobachten sind und sich daher häufig nur die Wirkung erkennen lässt (Deutscher Skiverband, 2013, S. 38).

Da das Fußgelenk dem Ski am nächsten ist, stellt es den kürzesten Hebel dar, der zur Körperschwerpunktveränderung eingesetzt werden kann. „Das Sprunggelenk bestimmt die Beugung der anderen Gelenke“ (Deutscher Skiverband, 2013, S. 37), da eine Veränderung des Fußgelenkswinkels eine Anpassung aller weiteren Gelenke zur Folge hat. Somit ist schon durch minimale Veränderungen des Fußgelenkwinkels eine schnelle Bewegungsregulation möglich, wie Abbildung 1 anschaulich darstellt. In der Grafik ist eine Veränderung des Fußgelenkwinkels von 5° abgebildet. In Folge dieser Bewegung ist erkennbar, dass der Körperschwerpunkt, der in der neutralen Grundposition in Körpermitte liegt, deutlich nach vorne wandert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 1. Verlagerung des Körperschwerpunkts durch Beugung im Fußgelenk (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2012, S. 45).

In der neutralen Grundposition liegt der Körperschwerpunkt mittig über dem Ski und der Druck wird auf die gesamte Fußsohle verteilt. Folglich wird der Ski ebenfalls in der Mitte belastet. Wird der Körperschwerpunkt durch die Fußgelenksflexion nach vorne verlagert, findet eine Druckzentrierung auf die Fußballen statt. „Ein ständiger Ausgleich zwischen äußeren Einflüssen und Reaktion des Skiläufers durch innere Kräfte wird [somit] letztlich über die Fußsohlen an die Ski übertragen“ (Wörndle, 2013). Dadurch, dass der Fuß als Kontaktstelle der Druckübertragung zwischen dem Skischuh und dem Ski fungiert, sorgt die Belastung der Fußballen dafür, dass eine Belastung des vorderen Teils des Skis stattfinden kann (Deutscher Verband für das Skilehrwesen, 2003). Diese Skibelastung ist notwendig, um eine Kurve optimal ausfahren zu können, da die Belastung für das Steuer- und Drehverhalten der Ski verantwortlich ist.

2.3.1 Regulierende K ö rperposition

Eine wichtige Grundvoraussetzung für die optimale Körperschwerpunktverlagerung im Kurvenwechsel ist eine angemessene neutrale Grundposition des Skifahrers. „Da sich beim Kurvenfahren die äußere Situation ständig verändert, müssen wir eine bewegungsbereite Position einnehmen, so dass wir jederzeit in alle Richtungen agieren können“ (Deutscher Skiverband, S. 37). Zusätzlich wird durch die Druckverteilung unter dem Fuß die Voraussetzung für ein optimales Dreh- und Steuerverhalten geschaffen (De Marées & Mester, 1987). Aus dieser Position lassen sich situationsangepasst alle betreffenden Hauptbewegungen optimal ausführen. „Alle Aktionen beim Skifahren gehen von einer regulierenden Körperposition aus“ (Deutscher Skiverband, 2013, S. 38). Eine wichtige Voraussetzung für diese Grundposition ist eine parallel offene Skiführung, die die Möglichkeit bietet, ausreichend Bewegungsspielraum zu haben, um mit dem Ski aufzukanten. Im Idealfall sollte die Skistellung schulterbreit sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 2. Neutrale Grundposition mit Belastung auf der Skimitte (Henner, 2013, S. 50).

Die neutrale Grundposition, dargestellt in Abbildung 2, ist außerdem gekennzeichnet durch leichte Anwinkelungen in Fuß-, Knie- und Hüftgelenk. Die Wirbelsäule ist weder im Hohlkreuz noch gekrümmt, so dass der Rücken gerade ist. Der Oberkörper wird „ohne Verwindung in den Körperachsen (Sprung-, Knie-, Becken-, Schulterachse) zu den Ski (Achsparallelität)“ positioniert (Deutscher Skiverband, 2013, S. 38). Die Arme befinden sich seitlich vor dem Körper, so dass sie zusammen mit dem Kopf zur Feinregulation dienen können.

In der Grundposition sind Fußspitze, Knie und Brust beziehungsweise das Kinn auf der gleichen Höhe. Der Körperschwerpunkt ist, wie bereits in Kapitel 2.3 angesprochen, neutral, das heißt mittig über dem Ski und die Belastung ist auf die gesamte Fußsohle verteilt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 3. Beispiele für unfunktionelle Körperpositionen im alpinen Skilauf (Tiroler Skilehrerverband, 2009, S. 18).

Dem Idealbild der neutralen Grundposition sind in Abbildung 3 drei Körperpositionen gegenübergestellt, die durch fehlende Teilbewegungen als unfunktionell für das Skifahren eingestuft werden können. Grafik A zeigt eine Position, in der der Skifahrer starke Rücklage über dem Ski hat. Diese Rücklage wird durch die fehlende Flexion im Fußgelenk hervorgerufen. Währenddessen ist eine starke Beugung im Kniegelenk vorhanden, so dass sich die Hüfte und der gesamte Oberkörper zu weit nach hinten bewegen. Durch einen sehr kleinen Hüftwinkel wird hierbei versucht die Rücklage aufzulösen. Allerdings befindet sich der Körperschwerpunkt bereits so weit hinter der Skimitte, dass der Oberkörper diese Position nicht mehr angemessen ausgleichen kann. Aus diesem Grund entsteht in diesem Fall die Rücklage, wodurch die Skischaufel nicht mehr ausreichend belastet wird.

In Grafik B wird ähnlich wie in Grafik A die Rücklage durch die fehlende Flexion im Fußgelenk verursacht. Allerdings kann durch das Vorbeugen des Oberkörpers diese Rücklage wieder ausgeglichen werden. Somit ist die Mittellage wieder hergestellt, da unter diesen Umständen der Körperschwerpunkt zentral über dem Ski liegt. Die Position ist dennoch als unfunktionell einzustufen, da sie durch die Tiefe der Position eher einer Endposition entspricht. Diese ist daher als unfunktionell anzusehen, weil der Bewegungsspielraum zu stark eingeschränkt ist und somit nicht situativ angepasst gefahren werden kann.

Ein weiteres Erscheinungsbild einer Endposition zeigt sich auch in Grafik C. Hierbei sind weder das Fußgelenk noch das Kniegelenk gebeugt, so dass ausschließlich durch die Beugung in der Hüfte eine leichte Vorlage entsteht. Da jedoch der gesamte Unterkörper zu steif und unflexibel ausgerichtet ist, kann auch hier nicht angemessen auf Situationen während des Fahrens reagiert werden.

Alle drei Darstellungen der unfunktionellen Positionen verdeutlichen, dass ausschließlich die neutrale Grundposition eine „natürliche, nach allen Richtungen des Raumes bewegungsbereite Körperhaltung ist, die beste Voraussetzung für schnelles Reagieren auf Störungen des Gleichgewichtes“ bietet (Tiroler Skilehrerverband, 2009, S. 19).

2.3.2 Druckverteilung auf dem Ski

“Die wichtigste Maßnahme, um eine Kurve zu fahren, ist die Belastung eines aufgekanteten Skis“ (Deutscher Skiverband, 2013, S. 31). Wie bereits in den vorangestellten Kapiteln dargelegt, ist die Belastung das Resultat aus dem Zusammenspiel der Hauptbewegungen Drehen, Kanten und Verlagern des Körperschwerpunktes.

Die Druckverteilung auf dem Ski spielt hierbei eine nicht zu unterschätzende Rolle, denn es entsteht ein Zusammenspiel zwischen Skifahrer, seinem Material und der Schneeunterlage. Die Belastung des Skis erfolgt durch die Verteilung des Körpergewichts sowie die Einwirkung physikalischer Kräfte auf den Ski. Über diese Funktionskette kann eine Kräfte- und Impulsübertragung stattfinden, die wiederum die Skibelastung kontrolliert (Deutscher Skiverband, 2013, S. 30).

In Kapitel 2.3 wurde bereits auf die Bedeutung der Fußgelenkflexion in Bezug auf die Körperschwerpunktregulation hingewiesen, welche im weiteren Verlauf wiederum Auswirkungen auf die Belastung der Ski hat. „Die Fußsohle hat also als Kontaktstelle der Druckübertragung eine sehr wichtige Funktion. Das motorische Zentrum im Bewegungshirn gleicht Daten des Sehhorizontes sowie Spannungsempfindungen von Muskelspindeln, Sehnenorganen und Druckaufnehmern der Füße gegeneinander ab und bringt den Körper über Haltungskorrekturen wieder in die optimale Fahrposition“ (Tiroler Skilehrerverband, 2009).

Die Position, die der Skifahrer über dem Ski einnimmt, führt zu unterschiedlichen Belastungen der insgesamt drei Druckzonen, aus denen sich der Ski zusammensetzt. Diese sind die Skischaufel, die Skimitte und das Skiende. Je nachdem, wie die Druckverteilung auf den Ski ausfällt, können die Eigenschaften des Skis verändert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 4. Gleichmäßige und zentrierte Druckverteilung auf dem Ski (Mesle, 2013).

Abbildung 4 stellt eine gleichmäßige Druckverteilung (türkis) und eine zentrierte Druckverteilung (rot) auf dem Ski (schwarz) dar.

Wenn sich der Druck gleichmäßig auf den Ski verteilt, liegt der Ski automatisch stabiler und ruhiger in der Fahrspur. Vor allem durch den Druck auf die Skischaufel wird dem Ski eine Fahrspur vorgegeben, die bei gleichmäßiger Skibelastung bis zu den Skienden eingehalten werden kann. Somit ist der Fahrverlauf ruhig und die Spurstabilität hoch.

Wenn jedoch der Druck auf die Skischaufel durch zu viel Vorlage zu hoch wird, schränkt das die Toleranz von Fahrfehlern ein. Der Ski kann hängen bleiben, wenn die Piste uneben ist und kann außerdem Kurven verschneiden. Im Gegensatz dazu kann auch zu wenig Druck auf die Skischaufel ausgeübt werden. Dies kann beispielsweise durch eine Position, die Rücklage hervorruft, geschehen. Hierbei verliert die Skischaufel an Führung und der Skifahrer kann die Kontrolle über die Fahrspur verlieren, wenn die Ski anfangen zu flattern. Daher muss ein Mittelweg gefunden werden, der die Skischaufel weder zu wenig noch zu viel belastet.

Abbildung 4 zeigt außerdem eine Beispielkurve für die zentrierte Druckverteilung auf dem Ski. Es ist deutlich sichtbar, dass in diesem Fall die Skienden entlastet werden, während die Skimitte deutlich stärker belastet wird. Der Ski gewinnt auf diese Weise die Eigenschaft, bei kurzen Schwüngen schneller und einfacher gedreht werden zu können. Die Griffigkeit ist durch die Druckzentrierung auf die Skimitte ebenfalls erhöht, da der Ski auf Richtungsänderungen, die über den Fuß über die Bindung auf den Ski übertragen werden, sofort reagiert. Somit gilt, dass je mehr Druck auf die Skimitte zentriert wird, desto drehfreudiger ist der Ski.

Abschließend bleibt zusammenfassend festzuhalten, dass Kantbewegungen, Körperschwerpunktverlagerung und Drehbewegungen als Hauptbewegungen abgestimmt auf die Bewegungsspielräume dazu führen, dass eine sichere Kurvenfahrt zustande kommen kann. Hinzu kommt, dass ein guter Skifahrer in jeder Situation optimal reagieren und regulieren kann. „Diese optimale Bewegungsbereitschaft ist jedoch nur dann gegeben, wenn sich das "System Skifahrer" mit der Summe aller Kräfte in einem Gleichgewichtszustand befindet - unabhängig von Kurvenphase, Kurvenlage und Situation“ (Henner, 2013, S. 44).

2.4 Aktueller Forschungsstand

Der Zusammenhang zwischen der Körperhaltung, der Verlagerung des Körperschwerpunkts und der Druckverteilung auf dem Ski wurde bereits Anfang 2012 in der Studie der Christian-Albrechts Universität zu Kiel mit dem Titel "Wie bekomme ich die Kurve? - Visualisierung der Körperschwerpunktsverlagerung im alpinen Skilauf" (Kratzenstein, Märzhäuser & Wegner, 2012) thematisiert. Hierbei wurden Bewegungsaufzeichnungen der Vor- und Rückverlagerung des Körperschwerpunkts einerseits durch die Fußgelenksflexion und andererseits mit Hilfe einer unfunktionellen Beugung der Knie- und Hüftgelenke und die jeweils daraus resultierenden Druckverteilungen ausgewertet. Als vorläufiges Ergebnis konnte ein direkter Zusammenhang zwischen der Fußgelenksarbeit und der Vorverlagerung des Körperschwerpunkts festgestellt werden.

Es bleibt bislang jedoch offen, auf welche Art und Weise die korrekte Fußgelenksflexion und die richtige Vorverlagerung des Körperschwerpunkts in der Praxis am sinnvollsten geschult werden kann. Hierzu ist ein allgemeiner Überblick über Lerntheorien für motorisches Lernen notwendig, aus denen sich im Verlauf ein möglicher Lehrweg für die Praxis ableiten lässt.

2.5 Lerntheorie für motorisches Lernen

Laut Definition von Hossner und Künzel (2003) ist motorisches Lernen „die erfahrungsabhängige und relativ überdauernde Veränderung der Kompetenz, in bestimmten Situationen durch ein bestimmtes Verhalten bestimmte Effekte zu erzielen“. Der Begriff „Kompetenz“ suggeriert, dass etwas beherrscht wird, es gibt jedoch keine Garantie dafür, dass dieses bereits gelernte Verhalten automatisch auch gezeigt wird. Auf der anderen Seite ist ein Verhalten, welches nur vorübergehend gezeigt wird und somit keine „relativ überdauernde Veränderung“ (Hossner & Künzel, 2003, S. 132) darstellt, nicht als gelerntes Verhalten einzustufen. Ist ein Effekt während einer Bewegung nur kurzfristig erkennbar, spricht man von einer „temporären Wirkung“ (ebd.). Es handelt sich hierbei um Ausführungseffekte, die nach einer bestimmten Zeitspanne nicht mehr abzurufen sind.

Im Gegensatz dazu stehen die tatsächlichen Lerneffekte, bei denen die Bewegungen auch nach einer längeren Zeit immer noch ausgeführt werden können. Die Effekte sind daher als „relativ andauernd“ (ebd.) zu charakterisieren (Juszczak, 2007). Motorisches Lernen basiert somit auf der Bewegungssteuerung, die sich im Laufe der Übungszeit erfahrungsbedingt verändert.

Des Weiteren stellt „Lernen“ einen aktiven Prozess sowohl für den Körper als auch für das Gehirn dar. Nach der Definition von Juszczak (2007) kann ein motorischer Lernprozesses wie folgt skizziert werden: „eine ankommende Information wird wahrgenommen und im sensomotorischen Gedächtnis dekodiert, d.h. sie wird mit bereits abgespeicherten Erfahrungen, Kenntnissen und Fertigkeiten verglichen“. Daraufhin erfolgt eine Wiedergabeleistung, bei welcher der Sportler durch die abgerufenen Informationen dazu veranlasst wird, etwas zu tun. Das Ergebnis wird mit dem angestrebten Ziel abgeglichen und gegebenenfalls, wenn Abweichungen festgestellt werden, korrigiert.

Durch die Bildung von neuronalen Netzen kann die sensorische Wahrnehmung mit motorischen Aktionen verknüpft werden. Hierdurch werden gezielte, regulierbare Bewegungen möglich gemacht. Die Verknüpfung zwischen Sensorik und Motorik stehen in einer Abhängigkeit zueinander, die besagt, dass, je besser die beiden Bereiche verknüpft sind, desto präziser und stabiler die Zielbewegung wird. „Nervenzellen sind untereinander mit Synapsen verbunden; deshalb wird davon ausgegangen, dass Lernen v.a. auf der synaptischen Ebene stattfindet“ (Juszczak, 2007, S. 119). Je höher die Nutzung der Verbindungen ausfällt, desto „verlässlicher ist die Impulsübertragung und umso automatischer die Bewegungsausführung“ (ebd.).

Im Folgenden werden ausgewählte Informationsverarbeitungsmodelle aus dem Bereich der Motorik vorgestellt, die, im Hinblick auf die während des Kurvenfahrens ablaufenden Steuerungs- und Regelungsprozesse der Bewegung, besonders relevant erscheinen.

2.5.1 Regelkreistheorie nach Adams (1971)

Die Regelkreistheorie von Adams (1971) zählt zu den kybernetisch orientierten Modellen und ist auch als Theorie des geschlossenen Regelkreises (Closed-Loop-System) bekannt. Grundlage dieser Theorie bildet die Annahme, dass Bewegungen durch sensorische Rückmeldungen kontrolliert und gesteuert werden (Birklbauer, 2006). Das sensorische Feedback wird genutzt, um motorische Bewegungen zu begleiten, aber auch zu initiieren. Diese sensorischen Impulse während der Bewegung werden auch als Re-Afferenz oder Feedback-Informationen bezeichnet (Mulder, 2007). Adams ist der Meinung, dass Feedback zur frühzeitigen Fehlerbehebung dient, da mögliche Fehler in der Bewegungsausführung aufgedeckt und behoben werden können. Mit Hilfe seiner Lerntheorie versucht Adams zu klären, inwiefern mittels closed-loop Mechanismen ein „Referenzsystem erlernt [wird], durch das der Lernende erkennt, ob eine Bewegung richtig ausgeführt wird“ (Birklbauer, 2006, S. 349)

Im Wesentlichen besteht die Grundidee der Regelkreistheorie daher aus zwei separaten Gedächtnisstadien. „Das erste, die Gedächtnisspur, wählt die Bewegung aus und initiiert sie. Das andere, die Wahrnehmungsspur, entwickelt sich während des Übens“ (Polatajko & Mandich, 2008, S. 26). Mit Hilfe der Wahrnehmungsspur („perceptual trace“) wird die ausgeführte Bewegung mit der Erinnerung, die von der Zielbewegung im Gedächtnis verankert ist, abgeglichen. Polatajko & Mandich (2008) bezeichnen die Wahrnehmungsspur als „internes Werkzeug“, das einen Mechanismus darstellt, der Fehler innerhalb der Bewegung aufdeckt und somit als Referenzsystem dient. Es handelt sich hierbei um eine Theorie, die einen „unmittelbaren Fehlerentdeckungsmechanismus“ (Juszczak, 2007, S. 119) beschreibt, mit Hilfe dessen „Abweichungen von der Zielbewegung unmittelbar korrigiert“ werden können. Nach Adams (1971) ist das motorische Lernen von dem Resultat und der Übung abhängig. Innerhalb dieser zwei Variablen stabilisiert und präzisiert sich sowohl die Wahrnehmungs- als auch die Gedächtnisspur, was einen Lerneffekt zur Folge hat. „Je weiter der Lernprozess voranschreitet, desto besser wird es dem Schüler […] gelingen, die Bewegung zu automatisieren, wodurch externe Hindernisse, Störquellen oder Behinderungen immer mehr an Bedeutung verlieren“ (Mulder, 2007, S. 66).

In Bezug auf den alpinen Skisport sollte nach der Regelkreistheorie bei fortgeschrittenen Skifahrern bereits eine Wahrnehmungsspur existieren, die als Referenzsystem für die richtige Bewegungsausführung dienen kann. Die bereits bekannten Bewegungsabläufe haben diese Wahrnehmungsspur definiert. „Mit weiterem Lernfortschritt entwickelt sich die Wahrnehmungsspur zu einem starken Referenzsystem der richtigen Bewegungsausführung. Der Lernende kann daher […] alleine im Vergleich von Feedback mit der Wahrnehmungsspur die Bewegungsaufgabe entsprechend lösen“ (Birklbauer, 2006, S. 350). In Folge dessen wird die Bewegung verstärkt automatisiert ausgeführt.

Einen wesentlichen Kritikpunkt an Adams Regelkreistheorie besteht jedoch in dem eingeschränkten Geltungsbereich, der sich für die Theorie ergibt. Die ablaufenden Prozesse sind für schnelle Bewegungen zu langsam, um Korrekturen während der Bewegungsausführung zu liefern. Dies könnte für das Kurvenfahren im alpinen Skisport ebenfalls zutreffend sein, da die feinmotorischen Komponenten der Gesamtbewegung während des Schwungs in schnellen Aneinanderreihungen erfolgen. Außerdem konnte nicht endgültig bewiesen werden, dass für die korrekte Ausführung einer Bewegung eine Fehlerkorrektur, wie sie von der Regelkreistheorie ausgeht, notwendig ist. So sind Fehler in Adams Theorie beispielsweise „dem Lernen hinderlich, da das Feedback von Fehlern eine große Abweichung zu dem der Zielbewegung aufweist und dadurch eine Abschwächung des Perceptual Trace bewirkt“ (Birklbauer, 2006, 351). Wenn ein fortgeschrittener Skifahrer über einen längeren Zeitraum eine fehlerhafte Bewegung während des Kurvenfahrens ausgeführt hat, müsste nach Adams daher die Wahrnehmungsspur sehr stark abgeschwächt sein. Dies würde in der Folge zu einen geringen Lernerfolg führen.

Schmidt (1975) bemerkte einen weiteren Kritikpunkt, „dass Menschen anscheinend neue Bewegungen, die sie noch nie gemacht haben, richtig ausführen können“ (Polatajko & Mandich, 2007, S. 26). Außerdem zweifelte er daran, dass das menschliche Gedächtnis in der Lage ist, jegliche Art von Bewegung einzeln zu speichern, da diese Fülle an Informationen die zur Verfügung stehende Kapazität deutlich übersteigen würde.

2.5.2 Schematheorie nach Schmidt (1975)

Ausgehend von seiner Kritik an Adams Regelkreistheorie entwickelte Schmidt Mitte der siebziger Jahre die Schematheorie, welche den programmorientierten Modellen zugeordnet werden kann. Im Gegensatz zu Adams Closed-Loop-Theorie, bei der „jede Bewegung getrennt erzeugt und die Reizantwort separat gespeichert wird, vermuten die Anhänger der Schematheorien, dass ein allgemeiner Plan für eine bestimmte Klasse von Bewegungen erzeugt wird“ (Birklbauer, 2006, S. 353). Das zentrale Element dieser Open-Loop-Theorie bilden generalisierte Motorikprogramme, die als Grobform bereits im Gedächtnis vorhanden sind (Juszczak, 2007) und zur Steuerung von Bewegungen verwendet werden. Mit dem Begriff „Schema“ beschreibt Schmidt „eine generische Regel, die es uns ermöglicht, einen bestimmten Prototyp zu produzieren und zu überprüfen, ob jeder einzelne Fall in die Kategorie des Prototyps gehört“ (Mulder, 2007, S. 67). Der Situation entsprechend muss das Programm, das abgerufen wird, dann angepasst werden (Juszczak, 2007). Diese motorischen Programme spielen eine wichtige Rolle in Situationen, in denen es wenige Möglichkeiten gibt, das motorische Verhalten durch Feedback zu steuern. Schmidt entwickelt in diesem Punkt die Regelkreistheorie weiter, indem er eine Komponente einbezieht, durch die Bewegungen auch dann stattfinden können, wenn aufgrund der Schnelligkeit keine Feedbackinformationen generiert werden können. „Motorische Programme erlauben die Herstellung motorischer Pläne aus früheren Erfahrungen, sodass eine neue Bewegung erfolgreich ausgeführt werden kann“ (Polatajko & Mandich, 2007, S. 26). Verglichen mit der Closed-Loop-Theorie werden „Bewegungen in Open-Loop-Systemen nicht durch Feedbackmechanismen beeinflusst (Birklbauer, 2006, S. 45), da diese ebenso wie die Referenzsysteme in der Schematheorie nicht vorhanden sind.

Schmidts Theorie basiert zum Einem auf dem Konzept der bereits beschriebenen generalisierten motorischen Programme, zum Anderen bezieht er ebenfalls die Gedächtnis- und Wahrnehmungsspur der Regelkreistheorie von Adams mit ein. Laut Schmidt gibt es einen „recall“-Prozess und einen „recognition“-Prozess. Der „recall“-Prozess ist für einen Aufruf verantwortlich, der im Gedächtnis die Aufgabe übernimmt, Impulse zu generieren, die wiederum die Initiierung einer Bewegung zur Folge haben. Hierbei erkennt man deutlich die Parallelen zu der Gedächtnisspur in Adams Regelkreistheorie, die die gleiche Aufgabe übernimmt. Die Aufgabe des Recallschemas ist die Ausführung schneller Bewegungen durch die Verwendung von motorischen Progammen, „die im Voraus strukturiert werden und die Bewegung bei minimalem Einfluss des peripheren Feedbacks produzieren“ (Birklbauer, 2006, S. 356).

Schmidt fügt außerdem den „recognition“-Prozess hinzu, der zur Bewertung und zur Fehlererkennung während der Bewegung dient. Dieser Erkennungsprozess entspricht der Wahrnehmungsspur, die Adams in seiner Theorie beschrieben hat. „Das Recognitionschema zeichnet sich als sensorisches System aus, das das durch die Bewegung erzeugte Feedback nach Bewegungsende evaluiert; dadurch wird der Lernende über Größe und Richtung der Fehler informiert (Birklbauer, 2006, S. 356).

Nach Schmidt (1976, S. 46) werden „schnelle Bewegungen (unter einer Dauer von 200 ms) vollständig unter der Kontrolle des Recallschemas ausgeführt“, während für langsame Bewegungen beide Schemata verwendet werden. Hierdurch kann Schmidt den Kritikpunkt, den er hinsichtlich schneller Bewegungen bei der Regelkreistheorie von Adams aufgezeigt hat, mit der Schematheorie beheben. Somit wird die Open-Loop-Theorie für den alpinen Skisport deutlich relevanter als zuvor die Regelkreistheorie, da sich die Abläufe von schnell ausgeführten Bewegungen während des Kurvenfahrens in ihrer Ausführung sowie der Korrektur durch das Modell der Schematheorie erfassen lassen.

Abschließend muss festgehalten werden, dass sowohl die Regelkreistheorie als auch die Schematheorie die Wichtigkeit von ergänzenden Feedback-Informationen herausstellen, die dazu beitragen Bewegungen zu regulieren und zu korrigieren. Diese dienen dazu den Lernprozess und das intrinsische sensorische Feedback zu ergänzen. Eine Notwendigkeit dafür besteht daher, weil beide Modelle letztendlich nur auf der „Annahme der indirekten Wahrnehmung [basieren], d. h., Bedeutungen entstehen aus dem Vergleich mit internen Repräsentationen und den daraus gezogenen Schlussfolgerungen“ (Birklbauer, 2006, S. 500). Ergänzende Rückmeldungen über die einzelnen Bewegungen, die über das interne Feedback hinausgehen, könnten den Lernprozess zusätzlich beeinflussen. Im Folgenden werden deshalb verschiedene Arten von ergänzendem Feedback vorgestellt und deren Wirkungsweise erläutert. Dies geschieht vor dem Hintergrund, dass das ergänzende Feedback für die Pilotstudie einen zentralen Bestandteil der Intervention darstellt.

2.6 Aspekte des Feedbacks

Der Begriff „Feedback“ wird als eine Art von Rückmeldung verstanden. „Jede Bewegung erzeugt während und unmittelbar nach der Ausführung eine Rückmeldung über das Bewegungsresultat“ (Juszczak, 2007, S. 122).

Das Konzept von „Feedback“ wurde in den vorangegangenen Kapiteln bisher ausschließlich in Bezug auf die Lerntheorien zum motorischen Lernen von Adams und Schmidt als sensorische Informationen verwendet. In diesem Fall entspricht es Rückinformationen, die während oder direkt nach einer Bewegung entstehen und über körpereigene Rezeptoren wahrgenommen werden. „Haben die Informationen ihren Ursprung in der Handlung selbst, werden sie als intrinsisch oder inhärent bezeichnet“ (Hänsel, 2006, S. 62).

In Abgrenzung zu dem intrinsischen Feedback steht die extrinsische Form des Feedbacks. In der gängigen Literatur wird hierfür der Begriff „augmented feedback“ verwendet (Marschall & Daugs, 2003).

Das extrinsische Feedback kommt dann zum Einsatz, wenn das intrinsische Feedback dem Lernprozess einer Bewegung in zu geringem Maße dienen kann. Dies ist vor allem der Fall, wenn Teile der Bewegung der direkten Wahrnehmung des Sportlers entzogen sind oder, wie bereits bei der Kritik an Adams Regelkreistheorie erwähnt, die Bewegungsausführung für sensorisches Feedback zu schnell vollzogen wird. „Während Instruktionen beim Lernenden zu einer Aktualisierung des sensomotorischen Sollwertes führen, bewirken Rückmeldungen eine sensomotorische Istwertaktualisierung“ (Daugs, Blischke, Olivier & Marschall, 1989, S. 217). Man geht davon aus, dass der Sportler bei dem Bewegungslernen grundsätzlich mit einem Informationsdefizit konfrontiert ist, das reduziert werden muss, damit man von einem Lernerfolg sprechen kann. Für den alpinen Skisport besteht hierbei die Möglichkeit den Skifahrer zu beobachten, um diesem daraufhin beispielsweise Haltungskorrekturen anbieten zu können, da der Lernende kein Bild von der eigenen Position vor Augen hat.

Wenn die Grenzen der Wahrnehmung für intrinsisches Feedback erreicht sind, bietet es sich daher an, dass der Sportler die Bewegungsausführung durch extrinsisches Feedback kontrolliert. Abbildung 5 stellt dar, wie die verschiedenen Informationsarten voneinander abgegrenzt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten.

Abbildung 5. Informationsarten (Hänsel, 2006, S. 62).

Der Grafik ist zu entnehmen, dass sich extrinsische Informationen „als Modellvorgabe an einer gewünschten Handlung (Sollwert) orientieren, als Feedback an der aktuellen Handlung (Istwert) oder als Instruktion direkt an der Diskrepanz zwischen aktueller und gewünschter Handlung und deren Überwindung (Ist-Sollwert-Vergleich)“ (Hänsel, 2006, S. 62). Im Folgenden werden die verschiedenen Varianten aus dem Bereich der extrinsischen Feedback-Informationen vorgestellt, um herauszustellen, welche Effekte das extrinsische Feedback für den Lernprozess in der späteren Pilotstudie liefern könnte.

2.6.1 Objektiv erg ä nzende Feedback-Information

Bereits in den frühen Sechzigern entwickelte Farfel (1962) „das methodische Prinzip der Schnellinformation“. Die Zielsetzung hierbei war, die Technik der jeweils trainierten Sportart durch zusätzliche Informationen vervollkommnen zu können. Diese Korrektur sollte auf der Basis von aufgabenspezifisch gewählten Schnellinformationssystemen, wie zum Beispiel dem „Goniometer im Turnen, Kontaktzeitmessung beim Gehen, Metronom für den Bewegungsrhythmus im Schwimmen, Schrittrhythmus für Anläufe in verschiedenen leichtathletischen Disziplinen“ (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 285), erfolgen.

In den siebziger Jahren wurde dieses Prinzip von Thorhauer (1971) weiterentwickelt und vor allem unter der Bezeichnung der „objektiv ergänzenden Information“ bekannt. Sein Konzept basierte auf der Annahme, dass der Bewegungsablauf durch eine Zielbewegung (Sollwert) vorgegeben wird, welcher mit dem Istwert, das heißt der Bewegungsausführung des Sportlers, abgeglichen wird. Die Abweichungen, die in diesem Ist-Sollwert-Vergleich auftreten, werden durch die objektiven Messwerkzeuge und deren Messergebnisse offen gelegt. Da die Messung simultan zur Bewegungsausführung ausgeführt wird, liegen unmittelbar nach Beendigung der Bewegung objektive Messdaten für die entsprechenden Bewegungsparameter vor, die zu einer Verbesserung der eigenen Bewegungskontrolle, -differenzierung sowie der -empfindung herangezogen werden können (Schnabel, Harre & Krug, 2008). Die Ergebnisse, die diese Schnellinformationssysteme liefern, müssen im Anschluss direkt in den Trainingsprozess integriert werden, so dass der Sportler sie aufnehmen und verarbeiten kann, um seine Leistungen verbessern zu können.

[...]


1 Zu Gunsten der einfacheren Lesbarkeit wird sowohl für die männliche wie die weibliche Form die männliche Form verwendet.

Ende der Leseprobe aus 87 Seiten

Details

Titel
Körperschwerpunktverlagerung im alpinen Skisport. Modellbezogenes Video-Feedback zur Verbesserung des Fahrkönnens
Hochschule
Christian-Albrechts-Universität Kiel  (Institut für Sportwissenschaften)
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
87
Katalognummer
V298206
ISBN (eBook)
9783656943990
ISBN (Buch)
9783656944003
Dateigröße
1730 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
körperschwerpunktverlagerung, skisport, modellbezogenes, video-feedback, verbesserung, fahrkönnens
Arbeit zitieren
M.Ed. Janine Klinge (Autor:in), 2013, Körperschwerpunktverlagerung im alpinen Skisport. Modellbezogenes Video-Feedback zur Verbesserung des Fahrkönnens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298206

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