Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung und Abriß des personenzentrierten Ansatzes
Personenzentrierte Persönlichkeitstheorie
Wirkung der Basisvariablen auf den Klienten
Einfühlendes Verstehen
Unbedingte Wertschätzung
Echtheit/ Kongruenz
Wirkung Therapeut-Klient Beziehung
Emotionales Lernen als Wirkfaktor
Wirkung und Erläuterung der Selbstexploration
Das 7- stufige Prozesskontinuum
Fully functioning Person
Theorie der Persönlichkeits und Verhaltensänderung
Zusammenfassung
Der personenzentrierte Ansatz in der sozialen Arbeit
Eigene Erfahrungen
Literaturverzeichnis:
Entwicklung und Abriß des personenzentrierten Ansatzes
Der amerikanische Psychologe Carl Ransom Rogers ( 1902 -1987 ) begann ab 1942 den personenzentrierten Ansatz zu entwickeln; der Terminus „ personenzentrierter Ansatz“ geht aus der Übersetzung des englischen Terminus „ personcentered approach“ hervor. Der „ personcentered approach“ kann am Besten mit „personenzentrierter Annäherung, Herangehensweise oder auch personenzentrierter Zugang“ in die deutsche Sprache übertragen werden um den Wert, den Rogers hiermit vermitteln wollte, greifbar zu machen. Dies soll verdeutlichen, dass es in allererster Linie die personenzentrierte Haltung und Einstellung ist, welche zu positiven Wirkungen und Verhaltensänderungen durch den Kontakt zwischen Klient und Berater führt. Nach Peter F. Schmid sind es letztlich die „Begegnungen von Person zu Person“ und nicht etwa die angewandten Methoden, die für die Entwicklung und Veränderung des Gegenübers verantwortlich gemacht werden ( Schmid 1995, S. 175). Für Rogers war es eine sehr wichtige Erkenntnis, dass die jeweilige Person tief im ihrem Inneren weiß, was wirklich wichtig für sie ist und was sie folglich im Gespräch für sich benötigt. Ein zentraler Punkt in Rogers Forschung, welchen er bei all seinen Konzepten, die er in seiner Forschungskarriere entwickelt hatte, immer wieder betonte, war die Beziehung zwischen dem Berater und dem Klienten. Für Rogers stellte diese Beziehung eine spezielle zwischenmenschliche Beziehung dar und keine hierarchische Therapeut – Klient Beziehung in welcher die Beziehung letztlich als Mittel zum Zweck verstanden wurde um Diagnosen stellen zu können.. Die therapeutische Beziehung der Beratung beruht auf den Basisvariablen der Echtheit, Kongruenz und der unbedingten Wertschätzung. Für Rogers stand die Persönlichkeitsentwicklung seiner Klienten im Fokus, er sah den Therapeuten als Gärtner, der dem kleinem zarten Pflanzenspross zum Wachstum verhalf.
Die spätere Benennung „non-direktiv“ geschah, um zu betonen, dass es keinesfalls darum geht, dem Klienten Ratschläge zu erteilen oder aber ihn zu ermahnen bzw. ihn in eine Rechtfertigungsposition zu treiben. Der Dreh- und Angelpunkt war für Rogers, dass der Fokus immer auf dem Individuum lag und niemals nur auf dem Problem des Individuums – er trennte das Individuum von seinen Problemen um zu persönlichem Wachstum zu verhelfen, so dass es in Zukunft in der Lage ist, etwaige weitere Probleme selbst ( aus sich heraus) lösen zu können. Durch den Rahmen des spezifischen Beziehungsangebotes kommt der Klient zu einem neuen und besseren Verständnisses seines Selbst und hieraus geht er gestärkt hervor und kann somit auch Einstellungs- und Verhaltensmodifikationen selbstgesteuert, unter Eigenregie vornehmen. Mit dem Terminus „ non-direktiv“ gab es jedoch oft Missverständnisse, viele implizierten damit „nicht aktiv“, somit passiv was nicht der Intention Rogers entsprach.
Deshalb nannte er den Ansatz dann „client centered“ , also zu Deutsch „klientenzentriert“ um erneut zu verdeutlichen, dass dieser Ansatz nur auf den Klienten und das in ihm vorhandene Potential bezogen ist – nach mehreren Jahren benannte er den Ansatz letztlich in „person centered“ - „personenzentriert“ um, um zu untermauern dass immer die Person im Mittelpunkt steht. ( Vgl. Weinberger /Lindner 2011, S.11 - 14 ).
Personenzentrierte Persönlichkeitstheorie
Um die Wirkweisen des personenzentrierten Ansatzes im Hauptteil zu erörtern möchte ich zuerst einen Abriß von Rogers personenzentrierter Persönlichkeitstheorie liefern um besseres Verständnis für die individuelle Wirkweise auf den Klienten zu erzeugen. Die Persönlichkeitstheorie basiert auf der Grundannahmen, dass der Mensch angeborene Kräfte inne hat, die zur Erhaltung und Entfaltung seiner individuellen Möglichkeiten dienen, dieses Entwicklungsprinzip wird von Rogers als „Selbstaktualisierungstendenz“ bezeichnet. Diese Selbstaktualisierungstendenz bewertet Erfahrungen danach, ob sie für den Organismus als gesamtes erhaltend oder fördernd sind oder eher hemmend. Positive und negative Erfahrungen werden somit als genuine Selbsterfahrungen ins Bewusstsein aufgenommen und beeinflussen dort das Selbstkonzept. Dieses Selbstkonzept ist das Bild eines Individuums mit all seinen Erfahrungen, dass es selbst von sich hat und wird durch die Interaktion mit der Umgebung geformt. Die meiste Formung geschieht durch die Interaktion mit den Bezugspersonen, weshalb auch die Beziehung an sich von Rogers als einer der zentralen Wirkfaktoren der Beratung angesehen wird. Des Weiteren gibt es nach Rogers ein angeborenes Bedürfniss nach positiver Beachtung bzw. Wertschätzung ( positive regard). Das Erleben und Erfahren eines Individuums wird mit der Entstehung des Selbst zweifach bewertet: Einmal durch den organismischen Bewertungsprozess und einmal durch die menschlichen Beziehungen. Bei der Entstehung des Selbst sucht ein Heranwachsender häufiger die Erfahrungen, in denen er positive Beachtung erlebt, alle Erfahrungen wiederum aber formen das Selbstbild, auch negative. Proportional zur Entwicklung des Selbst entwickelt sich auch die Aktualisierungstendenz und die Selbstaktualisierungstendenz als ein
Teil davon. Die Selbstaktualisierungstendenz dient der Erhaltung und Entfaltung des sich bildenden Selbstkonzeptes. Erfahrungen werden nun auch danach bewertet, ob sie für das sich entwickelnde Selbstkonzept förderlich sind. Wenn das Individuum Erfahrungen macht, die nicht mit dem Selbstkonzept vereinbar sind bzw. übereinstimmen, entsteht eine Diskrepanz zwischen der Aktualisierungstendenz und dem sich entwickelndem Selbstkonzept. Da im Selbstkonzept das Erleben aus der Perspektive der bedeutenden Bezugspersonen bewertet wird und das Individuum nach der positiven Wertschätzung strebt, werden negative organismische Erfahrungen verzerrt bzw. verfälscht wahrgenommen oder auch ganz geleugnet um die Spannung, die durch die Unvereinbarkeit entstehen, zu lösen und ggf. zu mindern. Dieser Vorgang wird mit dem Terminus „Inkongruenz“ bezeichnet. Der Erhaltung des Selbstkonzeptes wird immer Vorrang eingeräumt vor der Entfaltung des Organismus als Ganzem. Besteht bei einem Individuum ein hohes Maß an Inkongruenz, kann durch eine bestimmte Erfahrung ausgelöst diese unterschwellig wahrgenommen werden, sie wird dann als Angst erlebt. Je größer die Bedrohung des Selbstkonzeptes , desto heftiger und größer wird die Angst erlebt. Ebenso stellen Symptome wie Depressionen, Ängste und Zwänge Versuche dar, diese abgewehrten negativen Gefühle nicht bewusst werden zu lassen, gleichzeitig sind sie auch als Versuch zu betrachten, die Inkongruenz zu überwinden. Wenn Wünsche und Gefühle völlig ausgeblendet werden, ist zwar für das Individuum subjektiv kein Leidensdruck mehr spürbar, jedoch kann es im seinem Verhalten widersprüchlich und gestört wirken. Kongruenz bedeutet, dass die Aktualisierungstendenz und die Selbstaktualisierungstendenz zusammenfallen ( im Idealfall), der Mensch kann somit alles, was für ihn gut ist, in sein Selbstkonzept integrieren. Das heißt, er kann alle Erfahrungen, die positiven sowie die negativen vollständig und unverzerrt wahrnehmen und annehmen. Dies ist jedoch eine Utopie, da niemals eine einhundertprozentige Kongruenz erreicht werden kann in welcher die Inkongruenz vollständig aufgehoben ist, jedes Individuum hat zumindest einen „blinden Fleck“. (Vgl Weinberger / Lindner 2011, S. 11- 26).
Wirkung der Basisvariablen auf den Klienten
Einfühlendes Verstehen
Die Definition: „Einfühlendes Verstehen bedeutet den inneren Bezugsrahmen des anderen möglichst exakt wahrnehmen, mit all seinen emotionalen Komponenten und Bedeutungen, gerade so, als ob man die andere Person wäre, jedoch ohne jemals die Als-Ob Position aufzugeben“ ( Rogers 1959, S. 37) beschreibt, dass es sehr wichtig ist, dass sich der Berater in die Welt des Klienten einfühlt und den inneren Bezugsrahmen der Inhalte des Klienten zu erfassen versucht, so dass sich dieser verstanden fühlt. Das empathische Verstehen bezieht sich auch nicht nur auf diejenigen Gefühle, die gerade präsent beim Klienten sind sondern auch auf diejenigen, die der Klient zwar spürt und vielleicht auch vage andeuten kann, aber letztlich noch nicht verbalisieren kann. In der intensiven Kommunikation der Beratungsgespräche wird der Klient ständig durch den Berater angeregt, sich mit seinen Erleben und den verbundenen Empfindungen auseinander zu setzen und durch Differenzieren und Konkretisieren seiner Wünsche und Ziele schrittweise zu einer Klärung der Konflikte kommen und zu einem besseren Verständnis seines Selbst. (Vgl Weinberger 2004, S. 38 – 39). Nach Rogers ist diese aktive und sensible Art des Zuhörens eine der mächtigsten Kräfte der Veränderung ( Vgl Rogers 1981 , S. 68) . Auf den Klienten hat die Basisvariable „ Einfühlendes Verstehen“ folgende Wirkung:
Durch keinerlei Bewertungen und Bewertungen sowie Kritik seitens des Beraters wird er befähigt, angstfrei und ohne jegliche Abwehrmechanismen über seine Gefühle zu sprechen, sie abzuwägen und sich um eine differenzierte Klärung zu bemühen. Des Weiteren erlebt der Klient den Berater als sehr aktiv zugewandt, da der Berater großen Anteil an den Emotionen des Klienten nimmt sowie an seiner Person. Außerdem hat der Berater, der offen und entspannt mit seinen eigenen Gefühlen umgeht, eine Modellfunktion für den Klienten, der Klient kann so vom ihm den offenen Umgang mit Emotionen erlernen. Zudem bewirkt das einfühlende Verstehen, dass der Klient sich uneingeschränkt akzeptieren kann. (Vgl Weinberger 2004, S. 38 -54 ).
Unbedingte Wertschätzung
Definition: „Unbedingte Wertschätzung bedeutet, eine Person zu schätzen, ungeachtet der verschiedenen Bewertungen, die man selbst ihren verschiedenen Sichtweisen gegenüber hat“. ( Rogers 1959, S.35).
Dies bedeutet für den Klient, dass er sich vom Berater angenommen und akzeptiert fühlt, unabhängig davon was er äußert und wie er sich gibt. Da es ein Grundbedürfniss eines jeden Menschens ist, sich anerkannt und akzeptiert zu fühlen, ist es sehr wichtig für den Klienten, in dem geschützten Rahmen der Gespräche dies zu erfahren um sich öffnen zu können. Meist hat der Klient sehr viele negative Werturteile und Kritik erfahren von seiner Umwelt und deshalb die Meisten Gefühle nicht offen gezeigt bzw. verleugnet. Wenn er sich vom Berater akzeptiert und verstanden fühlt, kann er all seine Gefühle und Gedanken kennenlernen und sich mit ihnen auseinander setzen, somit ist der Klient in der Lage, immer mehr Erfahrungen in sein Selbstbild zu integrieren und damit mehr und mehr Übereinstimmung zwischen dem organismischen Bewertungen und Bewertungen des Selbstkonzeptes herzustellen und eine höhere Kongruenz zu erreichen. Dies führt dann letztlich zu einer größeren Selbstachtung und Akzeptierung der eigenen Person. ( Vgl Weinberger 2004, S 55 – 62).
Echtheit/ Kongruenz
Definition: „ Echtheit/ Kongruenz bedeutet, dass der Berater sich dessen, was er erlebt oder empfindet, deutlich gewahr wird, dass ihm diese Empfindungen verfügbar sind und er dieses Erleben in den Kontakt mit dem Klienten einbringt, wenn es angemessen ist“. ( Rogers 1959,S.31).
Kongruenz bedeutet somit, dass man mit sich selbst, also mit seinem eigenem Erleben übereinstimmt. Für Rogers ist Kongruenz die wichtigste aller Einstellungen, die den positiven Verlauf eines Veränderungsprozesses im Klienten steuern. Somit ist es immens wichtig, in der Begegnung mit dem Klienten keine Rolle zu spielen und als echte Person für ihn da zu sein, da der Klient so vom Berater lernen kann ( Rollenvorbild), ebenfalls echt und authentisch zu sein und all seine Gefühle zu akzeptieren und zu verbalisieren. Der Klient kann durch die Echtheit Vertrauen aufbauen in die Beziehung zum Berater und in sich selbst. Somit bewirkt dieses Vertrauen, dass der Klient sich offen zu sich und seinen Problemen äußern kann und auch in seinem Verhalten offener und echter sein kann, dass heißt er wird Schritt für Schritt mehr er selbst. Die Wertschätzung durch den Berater und die Akzeptanz wird nur vom Klienten angenommen, wenn er den Berater als kongruent erlebt. (Vgl Weinberger 2004, S. 62 – 66).
[...]