Probleme der Wortakzentuierung chinesischer Deutschlernender


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

28 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Silbenstruktur und Wortakzent im Deutschen
2.1 Die deutsche Silbenstruktur in der nichtlinearen Repräsentation und metrischen Phonologie
2.2 Der Wortakzent im Deutschen

3 Silbenstruktur und Wortakzent im Chinesischen

4 Probleme der Wortakzentuierung chinesischer Deutschlernender
4.1 Ergebnisse zur Untersuchung der Wortakzentuierung nach Hunold (2009)
4.2 Detaillierte Analyse der Untersuchungsergebnisse der Wortakzentuierung chinesischer Deutschlernender

5 Schlussfolgerung

6 Literaturverzeichnis

7 Anhang

1 Einleitung

In der Welt unterscheiden sich die Sprachen durch mehrere Merkmale. Ein Kriterium des Unterschieds ist die Wortbetonung oder der Wortakzent. Es gibt Akzent, Ton- oder Tonakzentsprachen (Hall 2011:277). Unter Akzentsprachen versteht man Sprachen, in denen jedes Wort eine Silbe enthält, die den Akzent trägt (Hall 2011:278). Dazu zählen z.B. Deutsch, Englisch oder Russisch. Die Tonsprachen sind diejenigen, bei denen die Tonhöhenverläufe distinktiv „zur Unterscheidung von Wörtern oder Morphemen eingesetzt werden“ (Wiese 2011:90), z. B. Chinesisch oder Thai. Die Tonhöhen-Akzentsprachen, wie Schwedisch oder Japanisch, verbinden die Eigenschaften von Akzent- und Tonsprachen (Hall 2011:277).

In der Kommunikation wird der Begriff wie „fremder Akzent“ verwendet, wenn es sich um die Aussprachvariante von Nichtmuttersprachlern handelt (Hirschfeld 2001:83). Die vorliegende Arbeit wird sich damit beschäftigen, ob Lernende, die eine Tonsprache (Chinesisch1 ) als Muttersprache aufweisen, Schwierigkeiten bei der Wortakzentuierung einer Akzentsprache (Deutsch) haben. Aber zuerst wird definiert, was die Akzentuierung und der Wortakzent bedeuten:

„Unter Akzentuierung versteht man die Hervorhebung von Silben oder Wörtern durch Steigerung der Lautheit (Verstärkung des Atemdrucks), Änderung der Tonhöhe und / oder durch Dehnung.“ (Buß 1990, zitiert nach Strom 1998:7). „Der Wortakzent, auch lexikalischer Akzent, gibt an, welche Silbe eines Wortes am stärksten hervorgehoben ist, wenn es isoliert geäußert wird. [Dabei unterscheidet man zwischen dem Haupt- und Nebenakzent.] Die Begriffe Hauptakzent (auch: Primärakzent) und Nebenakzent differenzieren dabei unterschiedliche Grade der Hervorhebung.“ (Strom 1998:7).

Die deutsche Sprache hat keinen freien Wortakzent, wie z. B. Russisch [pɪ.ˈsɑ.lɪ] – ʻwir, sie schrieben oder ihr schriebtʼ (1., 2. und 3. Person Plural Präteritum aktiv, unvollendeter Aspekt des Verbes schreiben); und [ˈpi.sa.li] – ʻwir, sie pinkelten oder ihr pinkeltetʼ (1., 2. und 3. Person Plural Präteritum aktiv, unvollendeter Aspekt des Verbes pinkeln), aber auch keinen festen Akzent, wie Slowakisch, in dem die Betonung immer auf der ersten Silbe liegt (Vargova 2008:27). Der deutsche Akzent kann sich ändern, wenn bestimmte morphologische Prozesse stattfinden. Welche Schwierigkeiten dies Lernenden bereitet, soll in der Arbeit am Beispiel von chinesischen Deutschlernenden diskutiert werden, die Deutsch als Fremdsprache erwerben oder erworben haben. Dafür werden die Regeln der Wortakzentuierung im Deutschen dargestellt, die auf Silbenstruktur und metrische Phonologie aufbauen (Kapitel 2). Um sich ein besseres Bild machen zu können, warum die chinesischen Deutschlernenden Problemen beim Wortakzenterlernen haben, wird im dritten Kapitel die chinesische Silbenstruktur und die Wortakzentuierung präsentiert.

Die Behauptung der Arbeit, dass chinesische Deutschlernende Schwierigkeiten beim Wortakzent haben, wird mithilfe einer Untersuchung von Cordula Hunold diskutiert, die 2009 durchgeführt wurde. Hierbei werden im ersten Teil die Ergebnisse zur Wortakzentuierung dargestellt, die die Autorin mithilfe von zehn Probanden herausarbeitete (Kapitel 4.1). Im zweiten Teil des Kapitels wird eine detaillierte Analyse durchgeführt, um die allgemeinen Schlussfolgerungen von Cordula Hunold zu bestätigen oder wiederlegen zu können. Am Schluss wird die Analyse zusammengefasst.

2 Silbenstruktur und Wortakzent im Deutschen

Um den Wortakzent im Deutschen definieren zu können, muss erst die Silbenstruktur der deutschen Sprache besprochen werden, weil Silben eine zentrale Rolle in der Vertonung der Sprache spielen (Wiese 2011:68). Dabei wird die Silbe in der nichtlinearen Repräsentation dargestellt. Danach wird die Betonung einer Silbe definiert. Mit Hilfe dieser Eigenschaften wird kurz auf die Fußbildung eingegangen. Die Markiertheit der deutschen Silbe und die Sonorität werden nicht besprochen, weil dies keine große Bedeutung für die Akzentuierung im Deutschen hat.

2.1 Die deutsche Silbenstruktur in der nichtlinearen Repräsentation und metrischen Phonologie

Silben sind die kleinsten Sprecheinheiten, „die sich als Gruppierungen abgrenzen lassen“ (Wiese 2011:68; Eisenberg 2013:97), d. h. ein Wort (ω) kann in einzelne Segmente zerlegt werden, die so genannten Silbenknoten (σ) (Hall 2011:244). Die Silbenknoten können wiederrum in Segmente zerlegt werden. Anhand des Wortes Gerücht (1) soll das Verhältnis zwischen dem Silbenknoten und den Segmenten gezeigt werden:

Die Silbe wiederum wird in den Onset (Ansatz) und Reim eingeteilt. Der Silbenreim besteht aus dem Nukleus (Kern) und der Koda (Endrand), z. B. im Wort Tisch ist [t] der Onset, [ɪ] – der Nukleus und [ʃ] – die Koda. Nukleus und Koda bilden zusammen einen Reim. Der Nukleus ist obligatorisch und bildet damit den Schwerpunkt einer Silbe (Wiese 2011:71,73), wobei der Silbengipfel meistens bei den Vokalen liegt.

In der nichtlinearen Phonologie gibt es drei Prinzipien, wie die Silbenstruktur aufgebaut ist (nach Hall 2011:271). Den Prozess nennt man Silbifizierung (mehr dazu bei Hall 2011). Bei der Silbifizierung muss man ambisilbische Konsonanten beachten, weil diese zum Onset der zweiten Silbe und zur Koda der ersten Silbe gehören. Ambisilbische Konsonanten werden in der Orthographie mit Doppelbuchstaben (Schreibgeminate) gekennzeichnet, z. B. das Wort kommen:

Mithilfe der Wortsilbifizierung wird auch der Wortakzent festgelegt. Wann eine Silbe betont wird und wann nicht, entscheidet die Silbenposition, z. B. die Silbe /mand/ bleibt im Wort niemand unbetont, aber im Word Mandschu wird sie betont. Die Betonung „bezieht sich auf inhärente Eigenschaften von Silben“ (Eisenberg 2013:125). Die akzentuierten Silben werden in der Literatur als s (strong) und nicht akzentuierte als w (weak) bezeichnet (Eisenberg 2013:125). Dabei bilden die betonten und unbetonten Silben eine Kette, die Fuß (φ) genannt wird:

Der Wortakzent im Wort klagen liegt auf der ersten Silbe und ist diese somit schwerer als die zweite Silbe. Im Deutschen bilden die meisten Wörter bei der Akzentuierung einen trochäischen (σsσw) oder daktylischen (σsσwσw) Fuß. Das bedeutet, dass in der deutschen Sprache die vorletzte Silbe (Pänultima) oder die drittletzte Silbe (Präpänultima) akzentuiert werden (Eisenberg 2013:130). Wenn Wörter mehr als einen Fuß haben, unterscheiden sich die Füße auch nach dem Gewicht, sodass z. B. bei komplexen Wörtern/Kompositionen ein Haupt- und ein Nebenakzent bestimmt werden können:

Das Wort Lebensschicksal im Beispiel 4 hat zwei trochäische Füße. Warum der erste Fuß stärker als der zweite ist, wird mithilfe der Richtung festgelegt (Hall 2011:287). Die deutsche Sprache hat die Tendenz „von links nach rechts“ (Hall 2011:287). Aus diesem Grund bekommt dieses Wort auf dem ersten Fuß den Hauptakzent und auf dem zweiten den Nebenakzent. Mithilfe metrischer Phonologie wird im nächsten Unterkapitel ein kurzer Überblick gegeben, wie Wörter im Deutschen akzentuiert werden.

2.2 Der Wortakzent im Deutschen

Im Gegensatz zu den Tonsprachen und Tonhöhen-Akzentsprachen haben die Akzentsprachen innerhalb eines Wortes genau eine betonte (akzentuierte) Silbe. Im Deutschen sind alle Vokale als Nukleus betonbar, außer dem Schwa [ə] (Eisenberg 2013:123ff. Duden 2006:48), der damit immer einen schwachen Fuß bildet. Nachfolgend werden die Wortakzentregeln dargestellt. Dabei werden Simplizia (morphologisch einfache Wörter), morphologisch komplexe Wörter, z. B. mit einer Suffigierung, und Komposita (zusammengesetzte Wörter) unterschieden.

Wortakzent der Simplizia

Die einsilbigen deutschen Wörter tragen einen Wortakzent auf dem Stammvokal (Noack 2010:68). Die Stammbetonung wird auch nach der Flexion beibehalten (Eisenberg 2013:135), z. B. nach der Deklination oder Pluralbildung: Berg [ˈbɛʀk], im Plural Berge [ˈbɛʀɡə]. Das bedeutet, dass der Trochäus als Betonungsmuster verwendet wird. Die zweisilbigen Simplizia haben den trochäischen Fuß schon als Grundmuster (Eisenberg 2013:135), z. B. Blume [ˈblu:mə], und behalten ihn auch nach der Flexion. Einen daktylischen Fuß weisen die schwachen Verben mit -er und -el als Reim im Singular auf, z. B. rudere - ruderest (Eisenberg 2013:136). Der Daktylus kommt auch in der Präteritumbildung vor, z.B. er regelte oder es regnete. Die Adjektive, die nach der Flexion auch viersilbig sind, bilden zwei trochäische Füße, obwohl die Präpänultima ein Schwa als Silbenkern hat. Eisenberg schreibt, dass ein Schwa nicht akzentuierbar ist, trotzdem kann es einen Nebenakzent tragen (Eisenberg 2013:136), z.B. im Wort seltenere (ˈσsσwˌσsσw). Allgemein gilt, dass die deutschen Simplizia ihren Wortakzent auf der Stammsilbe behalten und meistens einen Trochäus oder einen Daktylus als Fuß haben. Dies funktioniert nicht mehr, wenn die Stämme affigiert werden.

Wortakzent der affigierten Wörtern

Bei Wortbildungen teilen sich die Affixe in zwei Gruppen: 1. neutrale Affixe, die den Akzent bei dem Stammvokal lassen; 2. Affixe, die den Akzent der Stammsilbe verändern (Eisenberg 2013:137, Duden 2006:49). Zur ersten Gruppen gehören die nativen Substantivsuffixe wie -bar, -chen, -er, -haft, -heit, -ig, -in, -keit, -lein, -ler, -lich, -ling, -ner, -nis, -sam, -schaft, -tum, -ung. Dabei ist zu beachten, dass diese die fußbildende Suffixposition annehmen können, wenn das Substantiv im Plural gebildet wird (Eisenberg 2013:137). Das bedeutet, dass diese Suffixe einen Nebenakzent im Plural tragen, z. B. Möglichkeiten – [ˈmœɡ.lɪç.ˌkaɪ.tən]. Untrennbare Präfixe belassen bei Verben den Akzent auf dem Stammvokal. Dazu gehören be-, ent-, er-, ge-, ver-, emp- und zer- (Duden 2006:49, Kohler 1995:187), z. B. besprechen [bə.ˈʃpʀɛ.xən] oder versprechen [fɛɐ.ˈʃpʀɛ.xən]. Bei der Fußbildung wird die erste unbetonte Silbe als Auftaktsilbe bezeichnet (Noack 2010:69).

Zur zweiten Gruppe gehören die Affixe, die die Stammakzentuierung verändern. Dabei ist zwischen Verbal-, Nominal- und Adjektivpräfixen, und Nominal- und Adjektivsuffixen zu unterscheiden (Eisenberg 2013:138; Hunold 2009:79, Kohler 1995:187). Die folgenden Verbalpräfixe werden nach der Affigierung akzentuiert: auf-, aus-, ab-, hin-, weg-, her-, an-, unter-, vor-, zu- (Duden 2006:49), z. B. aussprechen [ˈaʊs.ʃpʀe.xən]. Den Akzent tragen auch die Präfixe un-, ur-, Erz-, und miss- in Substantiven und Adjektiven (Kohler 1995:188), z. B. Urtext [ˈʊɐ.tɛkst]. Bei dem Präfix un- ist zu bemerken, dass es bei den Adjektiven unbetont bleibt und die Stammsilbe den Akzent beibehält, wenn es kein entsprechendes Gegenstück ohne un- gibt (Hunold 2009:79), z. B. unbeschreiblich [ʊn.bə.ˈʃʀaɪp.lɪç]. Der Nominalsuffixe –ei wird auch immer betont (Hunold 2009:79, Kohler 1995:187), z.B. Bäckerei [bɛkə.ˈʀaɪ]. Das Adjektivsuffix -isch fixiert den Akzent auf die vorausgehende Silbe (Eisenberg 2013:138), z.B. neapolitanisch [nə.a.po.lɪ.ˈta:.nɪʃ].

Es gibt auch Verbalpräfixe wie über-, unter-, hinter-, durch-, um-, wi(e)der- und voll-, die neben der akzentuierten Form auch nicht akzentuiert vorkommen (Kohler 1995:187). Dabei verändert sich auch die Wortbedeutung: umfahren [ʊm.ˈfaː.ʀən] – ʻum etwas herumfahrenʼ vs. umfahren [ˈʊm.faː.ʀən] – ʻfahrend umwerfenʼ (Duden 2009:1094).

Wortakzent der Komposita

Die Komposita werden in einfache (zweiteilig) und komplexe (mehr als zweiteilige) Komposita unterteilt (Eisenberg 2013:140). Bei einfachen Komposita wird ein Fuß mit einem Haupt- und Nebenakzent gebildet, wenn beide Teile einsilbig sind (Eisenberg 2013:141), z.B. Schreibtisch [ˈʃʀaip.ˌtɪʃ]. Wenn die Kompositabestandteile zweisilbig sind, bekommt das Bestimmungswort einen Hauptakzent und das Grundwort einen Nebenakzent (Eisenberg 2013:141). Dabei entsteht ein trochäischer Fuß, z. B. Frauentasche [ˈfʀaʊ.ən.ˌta:ʃə]. Wenn der erste Bestandteil einsilbig ist und der zweite zweisilbig, kommt es zum Akzentzusammenstoß (Eisenberg 2013:141), z.B. Wandfarbe [ˈvant.ˌfaɐ.bə].

[...]


1 Das Chinesische hat sehr viele Süd- und Norddialekte, die sich in der Aussprache unterscheiden (Hunold 2005:16). Seit 1985 wurde das Nordchinesische (Guanhua) als Basis für den Standard gewählt (Hunold 2005:15). In der Literatur hat sich der Begriff Putonghua (Einführung einer Standardisierung) für die chinesische Standardsprache durchgesetzt (Hunold 2005:15; Hunold 2009:46). In dieser Arbeit wird das Chinesische und der Begriff Putonghua als Synonyme verwendet.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Probleme der Wortakzentuierung chinesischer Deutschlernender
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Deutsches Institut)
Veranstaltung
Phonologie des Deutschen
Note
2,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
28
Katalognummer
V298614
ISBN (eBook)
9783656949237
ISBN (Buch)
9783656949244
Dateigröße
708 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wortakzent, Akzentuierung, Chinesische Akzentstruktur, Deutsche Akzentstruktue
Arbeit zitieren
Viktoria Popsuy-Johannsen (Autor:in), 2013, Probleme der Wortakzentuierung chinesischer Deutschlernender, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298614

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