Mit der am 12. Mai 2000 vor Studentinnen und Studenten der Berliner Humboldt-Universität gehaltenen Rede „Vom Staatenbund zur Föderation“ hat Außenminister Joschka Fischer die Frage nach der Finalität der europäischen Integration neu belebt. In diesem Kontext geht es auch um die Notwenigkeit einer inneren Reform der Europäischen Union und einer europäischen Verfassung. Die verschiedenen politischen Forderungen nach Transparenz, Demokratie und Handlungsfähigkeit der Europäische Union werden im ersten Teil dieser Arbeit konkretisiert und begründet. Die aufgeführten Defizite sind vor allem darauf zurückzuführen, dass die europäischen Nationalstaaten sich in der Vergangenheit über kein geeignetes Konzept und Leitbild einer künftigen politischen Ordnung der EU einigen konnten. Föderative Vorstellungen stehen Konzepten eines Staatenbundes, eines Europa der Regionen oder eines Europa der differenzierten Integration gegenüber. Die verschiedenen Modelle werden in ihrer Grundform und aus Sicht ihrer Verfechter im Hauptteil dieser Arbeit vorgestellt. Innerhalb eines föderativen Systems sind jedoch noch zwei konkurrierende Ansätze zu berücksichtigen: die präsidentielle Variante und die parlamentarische Form einer Föderation. Aus diesem Grund werden beide Regierungssysteme dahingehend überprüft, was bei ihrer Umsetzung innerhalb der EU zu beachten ist. Neben der geführten Debatte um die künftige Gestalt Europas wurde auf dem EU-Gipfel in Laeken am 15. Dezember 2001 die Gründung eines Verfassungskonvent beschlossen, welcher nach Auffassung seines Präsidenten Valéry Giscard d’Estaing, „das Schicksal Europas in seinen Händen“1 hält.2 Das im Sommer 2003 vom Konvent vorgelegte Ergebnis, der Entwurf für eine politische Grundordnung der erweiterten EU, trägt die Bezeichnung „Verfassungsvertrag“, weil eine solche Grundordnung in Form eines internationalen Vertrages von den beteiligten Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss, um in Kraft treten zu können. Nach der Unterzeichnung des Verfassungsentwurfes der Staats- und Regierungschefs am 17. und 18. Juni 20043 wird im abschließenden Teil dieser Arbeit vor dem Hintergrund der erzielten Ergebnisse des Konvents untersucht, auf welches Modell die europäische Verfassung abzielt und welchen institutionellen Weg damit die Europäische Union einnehmen wird.
Inhaltsverzeichnis
- 1. EINLEITUNG
- 2. DIE NOTWENDIGKEIT EINER INNEREN REFORM DER EUROPÄISCHEN UNION
- 3. VERSCHIEDENE GRUNDMODELLE EINER EUROPÄISCHEN ENDFASSUNG
- 3.1. Konzepte einer Föderation
- 3.1.1. Die präsidentielle Föderation am Beispiel des Fischer-Modells
- 3.1.2. Die parlamentarische Föderation am Beispiel des Jospin-Modells
- 3.2. Europa der Regionen
- 3.3. Europäischer Staatenbund
- 3.4. Differenzierte Integration
- 4. PERSPEKTIVEN DER VORGESTELLTEN MODELLE NACH DEM VERFASSUNGSENTWURF
- 5. AUSBLICK
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Frage der institutionellen Reform der Europäischen Union und ihrer Einarbeitung in den Verfassungsentwurf. Ziel ist es, verschiedene Grundmodelle einer europäischen Endfassung zu analysieren und deren Perspektiven nach dem Verfassungsentwurf zu bewerten.
- Notwendigkeit einer inneren Reform der EU
- Analyse verschiedener Grundmodelle für die europäische politische Ordnung
- Bewertung der Perspektiven der Modelle nach dem Verfassungsentwurf
- Demokratiedefizit und Reformbedarf der EU
- Einführung einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit und Verankerung von Grundrechten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Notwendigkeit einer inneren Reform der Europäischen Union vor dem Hintergrund der EU-Osterweiterung dar. Die Arbeit beleuchtet die Defizite der EU, insbesondere in Bezug auf Demokratie, Transparenz und Handlungsfähigkeit. Kapitel 2 beleuchtet die Notwendigkeit einer inneren Reform der Europäischen Union. Hier werden die Defizite der EU in den Bereichen Demokratie, Transparenz und Handlungsfähigkeit beleuchtet. Kapitel 3 stellt verschiedene Grundmodelle einer europäischen Endfassung vor, darunter Konzepte einer Föderation (präsidentielle und parlamentarische Variante), ein Europa der Regionen, ein europäischer Staatenbund sowie die differenzierte Integration.
Schlüsselwörter
Europäische Union, Reform, Verfassung, Föderation, Staatenbund, Europa der Regionen, differenzierte Integration, Demokratiedefizit, Transparenz, Handlungsfähigkeit, Grundrechte, Rechtspersönlichkeit, politische Ordnung, EU-Osterweiterung.
- Arbeit zitieren
- Patrick Kiesch (Autor:in), 2004, Institutionelle Reformmodelle in der EU und ihre Einarbeitung in den Verfassungsentwurf, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29908