Die Möglichkeit, Informationen auch indirekt, über ein System kodifizierter Symbole zu verbreiten, befähigt uns Menschen - im Gegensatz zu allen anderen uns bekannten Lebewesen – nicht nur, unser Wissen einer Öffentlichkeit zugänglich zu machen, die bei weitem größer sein kann, als sie durch mündliche Kommunikation zu erreichen wäre. Die Fähigkeit, indivuelle oder kollektive Erfahrungen an seine Nachkommen weiterzugeben, ist eine der Grundlagen der kulturellen Entwicklung des Menschen. Ohne überliefertem Wissen, auf dem unsere gesamte Zivilisation errichtet ist, und das als Basis für unsere heutigen Erkenntnisse dient, müsste es von jeder folgenden Generation, über den mühsamen Weg von Versuch und Irrtum, erst wieder neu erarbeitet werden. Daraus ergibt sich die herausragende Stellung, die der Literatur innerhalb des Kanons der menschlichen kulturellen Leistungen zukommt.
Diese Erkenntnis ist nicht neu, sondern war im Laufe der menschlichen Kulturgeschichte bestimmt oftmals eine ganz besondere Motivation für den Schreibenden, Literatur zu schaffen. Mit ihrer Hilfe ist ein Mensch in der Lage, einen Teil seiner Gedankenwelt über seinen Tod hinaus zu erhalten. Nicht nur die Summe seiner Erfahrungen, sondern auch seine daraus gewonnenen Schlussfolgerungen und Ansichten kann er durch sie an kommende Generationen weitergeben und hoffen, mit ihnen das Denken seiner Nachfahren zu beeinflussen. Geht man davon aus, daß menschliches Handeln das Ergebniss der Summe menschlicher Bewußtseinprozesse ist, so ist ein Individuum, zumindest mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit, in der Lage, über Literatur auf zukünftige individuelle oder gesellschaftliche Entscheidungen und Entwicklungen Einfluß zu nehmen.
Beispiele für diese im ersten Moment etwas gewagt scheinende Behauptung gibt es zuhauf: Wie würde wohl unsere Geschichte aussehen, hätte es die Bibel, den Koran, die Thesen Martin Luthers nicht gegeben? Auch ohne unser Grundgesetz, das von den Erfahrungen der Kriegsgeneration geprägt ist, wäre unsere Lebenswirklichkeit heute in Deutschland sicher anders. Aber auch problematische religiöse, ideologische und kulturelle Differenzen sind nicht zuletzt auf die überlieferten Ansichten unserer Vorfahren und deren Interpretation begründet.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einführung
- 2. Geschichte und Merkmale des Utopischen Romans
- 2.1 Methodik und Sekundärliteratur
- 2.2 Schöpfung und Bedeutungswandel des Begriffs,,utopisch"
- 2.3 Vom Utopiebegriff zur Utopischen Literatur
- 2.3.1 Das Normative Verständnis von den Merkmalen Utopischer Literatur
- 2.3.2 Das erweiterte Verständnis
- 2.4 Die Geschichte der Utopischen Literatur
- 2.4.1 „Utopische Literatur\" der Antike
- 2.4.2 Die ersten Utopien der Moderne
- 2.4.3 Mond-, Planeten- und Zeitutopien
- 2.4.4 Sozialkritische Utopien des 19. Jahrhunderts
- 2.4.5 Vom ersten Fortschrittspessimismus zur negativen Utopie
- 2.5 Zum Begriff der negativen Utopie
- 2.6 Zusammenfassung und Ergebnisse
- 3. Herbert George Wells: The Time Machine
- 3.1 Leben und Werk
- 3.2 Kritik und zeitgenössischer Kontext
- 3.3 Struktur
- 3.4 Erzählsituation
- 3.4.1 Rahmenhandlung
- 3.4.2 Binnenhandlung
- 3.5 Zeit
- 3.6 Charakterisierung
- 3.7 Setting
- 3.7.1 Rahmenhandlung
- 3.7.2 Binnenhandlung
- 3.8 Gesellschaftsstruktur des Jahres 801702
- 3.8.1 Eloy
- 3.8.2 Morlocks
- 3.9 Historische Ursachen der Entwicklung
- 3.10 Repression?
- 4. Aldous Huxley: Brave New World
- 4.1 Leben und Werk
- 4.2 Kritik und zeitgenössischer Kontext
- 4.3 Struktur
- 4.4 Erzählsituation
- 4.5 Zeit
- 4.6 Charaktere
- 4.7 Geschichte und Selbstrechtfertigung des Systems
- 4.8 Die Gesellschaftsstruktur der Brave New World
- 4.9 Formen der gesellschaftlichen Repression
- 4.9.1 Biochemische Manipulation der Embryos
- 4.9.2 Psychologische Manipulation der Kleinkinder
- 4.9.3 Familie und Sexualität
- 4.9.4 Religion
- 4.9.5 Freizeitgestaltung und Medienkonsum
- 4.9.6 Drogenvergabe
- 5. George Orwell: Nineteen Eighty-four
- 5.1 Leben und Werk
- 5.2 Kritik und zeitgenössischer Kontext
- 5.3 Strukturanalyse
- 5.4 Erzählsituation und Charakterisierung
- 5.5 Ort und Zeit der Handlung
- 5.6 Geschichte des Systems
- 5.7 Die Gesellschaftsstruktur Ozeaniens
- 5.7.1 Big Brother
- 5.7.2 Die Innere Partei
- 5.7.3 Die Äußere Partei
- 5.7.4 Die Proles
- 5.8 Formen der gesellschaftlichen Repression
- 5.8.1 Institutionen im System Ozeaniens
- 5.8.2 Vorschriften und Verbote
- 5.8.3 Familienpolitik
- 5.8.4 Einschränkung der Bewegungsfreiheit
- 5.8.5 Strafen
- 5.8.6 Überwachung
- 5.8.7 Manipulation
- 6.Margaret Atwood: The Handmaid's Tale
- 6.1 Leben und Werk
- 6.2 Kritik und zeitgenössischer Kontext
- 6.3 Struktur, Ort und Zeit
- 6.4 Erzählsituation und Vermittlung
- 6.5 Die Protagonistin
- 6.6 Geschichte und Selbstrechtfertigung des Systems
- 6.7 Gesellschaftsstruktur Gileads
- 6.8 Formen der Repression
- 6.8.1 Verbote und Strafen
- 6.8.2 Kontrolle
- 6.8.3 Manipulation
- 6.8.3.1 Umerziehung im Red Center
- 6.8.3.2 Aggressionslenkung in den Salvagings
- 7. Ergebnisse und Schluss
- 7.1 Kontrastive Analyse
- 7.2 Formen der Repression
- 7.3 Bewertung aus heutiger Sicht
- 7.4 Diskussion der Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Magisterarbeit untersucht die Darstellung von Formen gesellschaftlicher Repression in negativen Utopien. Die Arbeit analysiert verschiedene Romane des Genres und identifiziert die Mechanismen und Strategien der Unterdrückung, die in diesen dystopischen Welten zum Einsatz kommen.
- Entwicklung und Definition des Utopiebegriffs und dessen Transformation in die Utopische Literatur
- Analyse von verschiedenen negativen Utopien, wie "The Time Machine", "Brave New World", "Nineteen Eighty-Four" und "The Handmaid's Tale"
- Darstellung der in den Romanen präsentierten Formen der gesellschaftlichen Repression, von biochemischer und psychologischer Manipulation bis hin zu Überwachung und Kontrolle
- Bewertung der in den Romanen beschriebenen dystopischen Gesellschaften aus heutiger Sicht
- Kontrastive Analyse und vergleichende Darstellung der verschiedenen Formen der Repression in den untersuchten Texten
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einführung in den Begriff der Utopie und die Entstehung der Utopischen Literatur. Sie analysiert die Entwicklung des Genres von den antiken Vorbildern bis hin zu den modernen, negativen Utopien. In der anschließenden Kapitelanalyse werden die Romane "The Time Machine", "Brave New World", "Nineteen Eighty-Four" und "The Handmaid's Tale" in ihrem jeweiligen historischen Kontext und hinsichtlich ihrer spezifischen Formen der Repression beleuchtet. Die Arbeit endet mit einem Fazit, das die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der untersuchten Romane herausarbeitet und eine Bewertung der dystopischen Gesellschaften aus heutiger Sicht vornimmt.
Schlüsselwörter
Negative Utopie, dystopische Literatur, gesellschaftliche Repression, Manipulation, Überwachung, Kontrolle, Zukunftsvisionen, soziale Kritik, Herbert George Wells, Aldous Huxley, George Orwell, Margaret Atwood.
- Quote paper
- Andreas Hennings (Author), 2004, Die Auseinandersetzung mit Formen gesellschaftlicher Repression in negativen Utopien von Wells bis Atwood, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/29910