Mittelalterliche Erinnerungskultur in der Bildenden Kunst. Formen und Funktion einer Mystifizierung von Friedrich I. Barbarossa in deutschen Freskenzyklen um 1800


Hausarbeit, 2014

23 Seiten, Note: 1,25


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Zielsetzung

2. Biografischer Hintergrund und Einordnung der historischen Persönlichkeit
2.1 Kurzbiografie
2.2 Die historische Persönlichkeit Friedrich Barbarossa

3. Mystifizierung und Erinnerungskultur
3.1 Mythos und Tod Barbarossas
3.2 Barbarossa in der deutschen Erinnerungskultur des 19. Jh.
3.2.1 Der Cappenberger Zyklus
3.2.2 Die Heltorfer Fresken
3.2.3 Der Barbarossa-Saal der Münchner Residenz
3.2.4 Vergleich Heltorfer Fresken und Münchner Residenz

4. Resümee

Quellen- und Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

„Finden wir nicht in dem Mittelalter Gegenstände, die wert wären, auf ewige Zeiten übertragen zu werden (…)?“ (Franz Pforr, 1809)1

1. Einleitung

Kunst fungiert als Mittler und Geschmacksverstärker von Botschaften. Die Größe ihrer Macht speist sich aus der Fähigkeit eine wortlose Quelle zu sein, die uns aber bei kenntnisreicher Analyse die Vorstellungs- und Urteilskraft der Individuen aus ihrer Entstehungszeit verbildlicht. So können und müssen historische Kunstwerke fehlende primäre Quellen in den zeitgenössischen Überlieferungen ersetzen und sind der Forschungsarbeit für ein besseres Verständnis und Deutung der Historikerschriften freilich ein wertvolles und ergänzendes Hilfsmittel. Einzig über den Interpretationszusammenhang von historiographischen, urkundlichen, literarischen Quellen und bildliche Testimonien, kann das Vergangene in annähernd handfestem Umfang und voller Authentizität rekonstruiert und erfasst werden.2 Geschichte vermittelt die bildende Kunst ihrem Betrachter selten als lux veritatis, als unverfälscht Wiedergegebenes aus vergangener Zeit. Gemäß der unausgesprochenen Frage „Welche Vergangenheit braucht deine Zukunft?“, schafft sie mit Geschichtsbildern eine Vergangenheit, die nicht den Abbildungen des Historischen, sondern denen der Zukunftserwartungen entspricht. Der Anspruch an das Gewesene kann dabei von ästhetischem, religiösem oder politischem Interesse sein. Er kann der Legitimation oder zur Identitätsstiftung dienen. Auch die Herrscherpersönlichkeit Kaiser Friederich I. Barbarossa erfüllte jene Funktion als visualisierter Träger der Historie. Als Symbolfigur in Politik, Geschichte, Literatur und Kunst, steht er als Bild für die nationalen Sehnsüchte der Deutschen. Im 19. Jahrhundert stellte er als einer ihrer Heroen eine leitende Orientierungsgröße in deren Zeitgeschehen dar. Sein Mythos strukturierte die Vergangenheit und hat noch Jahrhunderte danach Einfluss auf die Gegenwart. Innerhalb der Erinnerungskultur ist Barbarossa bis heute in Malerei, Bildhauerei, Denkmälern, Denkmalprojekten, Festen und lebenden Bildern ein Denkmal gesetzt. Das Gedächtnis an den Kaiser hält sich in dieser Hinsicht lebendig.

1.1 Zielsetzung

Fragestellung und Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, vor dem mythologischen Hintergrund des Friedrich Barbarossa sein Nachleben in der Erinnerungskultur des Genres der bildenden Kunst zu betrachten. Anhand dreier großer Projekte für Mittelalterzyklen um 1800 und im Speziellen an den Darstellungen seines Todes, soll herausgearbeitet werden, wie und weshalb er Thema der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts war. Um die Verbindung zwischen der historischen und sagenhaften Gestalt verständlich zu machen und um aufzuzeigen, inwieweit sich die Darstellung mit der tatsächlichen Persönlichkeit Friedrich Barbarossas deckt, wird zu Beginn ein kurzer Abriss über Leben und Person des Stauferkaisers stehen.

2. Biografischer Hintergrund und Einordnung der historischen Persönlichkeit

Um den Mythos des Staufers in seiner Konnotation einordnen zu können ist es hilfreich, zunächst den biographischen Hintergrund Barbarossas zu betrachten. An dieser Stelle erhebt die Arbeit nicht den Anspruch, eine lückenlose Vita wiederzugeben, sondern konzentriert sich lediglich auf Eckdaten vom Anfang und Ende seiner Wirkungszeit.

2.1 Kurzbiografie

Barbarossa wird zwischen 1122 und 1124 als Friedrich III., Sohn des Staufers Friedrich II., Herzog von Schwaben und seiner Frau Judith aus dem Geschlecht der Welfen geboren.3 Seine genauen Geburtsdaten liegen nicht vor und auch die Kindheit und Jugend des jungen Friedrich sind vergleichsweise spärlich dokumentiert. Belegt ist allerdings, dass er als Herzog von Schwaben 1147 zum ersten Kreuzzug aufbricht.4 Am 04. März 1152 folgte er in Aachen seinem Onkel Konrad III. nach dessen plötzlichen Tod auf den Thron und während seinen ersten von insgesamt sechs Italienzügen wird er am 18. Juni 1155 zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches in Rom durch Hadrian IV. gekrönt.5 Den Zenit seiner Herrschaft überschritten, unternahm Friedrich 1190 schließlich den dritten und letzten Kreuzzug in Richtung Jerusalem, um die Stadt und das Heilige Grab zurück zu erobern.6 Nach einer erfolgreichen Schlacht bei Ikonium ertrank er unter bis heute ungeklärten Umständen am 10. Juni 1190 im Fluss Saleph in Kleinasien.7 Sein Sohn Friedrich von Schwaben der seinen Vater begleitete, führte die sterblichen Überreste mit, um sie vermutlich in Jerusalem beizusetzen. Doch sie sollten die Heilige Stadt nie erreichen. Denn mit der Auflösung des Heeres verlieren sich im weiteren Verlauf des Kreuzzuges die Spuren der kaiserlichen Gebeine.8

2.2 Die historische Persönlichkeit Friedrich Barbarossa

Eine final gültige Bewertung der historischen Persönlichkeit Friedrich Barbarossa, kann aufgrund mangelnder Selbstzeugnisse und unzulänglich tradierter Quellenlage weder angestrebt noch umgesetzt werden.9 Nach Knut Görich muss Barbarossa bei der Beurteilung von Quellen darum als „Chiffre“ all seiner vermeintlichen „[…] politischen Äußerungen, Maßnahmen und Zielsetzungen […]“ verstanden werden.10 Wie eingangs erwähnt, ist die Sicht auf den Staufer zu unterschiedlichen Zeiten mit häufigen Perspektivenwechseln verbunden, da von Barbarossa nahezu keine eindeutige Selbstaussage als Zeitzeugnis vorliegen. Grund dafür ist die Illiteralität des Stauferkaisers. Als illiteratus war er Analphabet, der weder lesen noch schreiben konnte und der im gelehrten Latein nicht beredet war.11 Weiter polarisierten die Politik und Person Barbarossas bereits zu Lebzeiten sein Milieu.12 Bekam er von Otto von Freising Heldenmut, Herrscherqualitäten und das Streben nach Verwirklichung der Göttlichen Ordnung attestiert, so erinnerte man sich in den von der Erneuerungspolitik betroffenen Regionen an ihn als einen maßlos machtgierigen Tyrannen und Kriegstreiber.13 Barbarossa verfolgte die Ideale des christlichen Rittertums, was allein am Beispiel seiner drei Kreuzzüge deutlich wird. Auch muss sein stark christlich geprägtes Ethos bei Betrachtung seiner Entscheidungen als ein relevanter Faktor gewertet werden.14 Barbarossas Darstellungen in Bild und Schrift dürfen, wie alle mittelalterlichen Herrscherbilder so niemals als Wiedergabe der zeitgenössischen Mentalitäten verstanden werden. Sie sind stark stilisiert, inszeniert und spiegeln das Umfeld der Rezipienten wieder. Es wurden Ziele und Motive Barbarossas konstruiert, die zu seinen Lebzeiten keine Bedeutung hatten und in ihren Auswirkungen und Vernetzungen für den weiteren geschichtlichen Verlauf nicht vorhersehbar waren.15 Abschließend kann hier festgehalten werden, dass die Erwartungshorizonte an Barbarossa und seine Wirkungsweisen zu allen Zeiten unterschiedlich sind.

3. Mystifizierung und Erinnerungskultur

3.1 Mythos und Tod Barbarossas

Auf einer Hinführung zum Thema aufbauend, sollen an dieser Stelle die Kernpunkte der Barbarossasage in ihren Grundzügen charakterisiert werden. Sein Tod und Mythos stehen in engem Zusammenhang und bilden die Basis für sein Nachleben in den behandelten Bildwerken der vorliegenden Arbeit. Als einen Mythos definiert Stefan L. Hoffmann “[…] die Erinnerung an ein Ereignis der Vergangenheit, das durch diese Erinnerung sprachlich, aber auch bildlich und rituell erschlossen und national gedeutet wird. […] Zum Mythos erhoben, bedarf dieses Ereignis in seiner symbolischen Bedeutung für die Nation keiner rationalen Erklärung […]“.16

Sein Zweck ist es, einen Gemeinsinn erzeugen und einmal zum Mythos erklärt, entwickelt sich selbiger zu einem vom historischen Kontext losgelösten Selbstläufer. Bereist im 1519 erschienenen “Volksbuch von Friedrich Barbarossa”, findet die sagenhafte Geschichte vom lediglich verlorenen und einst wiederkehrenden Kaiser Rotbart erstmals Erwähnung. Auch das Kyffhäuserschloss als Lokalität des Entrückten, ist bereits im 15. Jahrhundert durch Johannes Rothe fester Bestandteil des Mythos.17 Das bedeutendste Werk auf dem Gebiet der Sage ist jedoch Friedrich Rückerts Gedicht von 1817, das die alte Kyffhäuser Legende prägte, wie kein zweites.18 Die groben Details der Barbarossasage19 sind dem Volksmund noch heute ein Begriff und nach Görich ist Friedrich Barbarossa ohnehin eine Entdeckung und Erfindung des 19 Jahrhunderts.20 Worin liegt sie begründet, diese Faszination für den mittelalterlichen Kaiser aus dem Geschlecht der Staufer? In ihrem Ursprung wurzelt die Mythenbildung um ihn zunächst vage in der Regentschaft seines Nachfolgers und Enkels Friedrich II. Dieser war, anders als sein Großvater bereits zu Lebzeiten ein Symbol für einen aufgeklärten, gebildeten und gerechten Herrscher.21 Friedrich II. hat die geistigen Grundlagen seiner Zeit stark beeinflusst – Barbarossa hingegen die politischen Strukturen Europas.22 Auch verkörperte Barbarossa im Gegenzug zum reichsfernen Herrscher Friedrich II. pures Machtstreben im Zentrum des Reiches und entsprach dem allgemeinen Bild einer mittelalterlichen Machtperson seines Ranges. Sein ganzes Tun und Lenken diente den späteren Vorstellungen nach stets dem Hinarbeiten auf einen kommenden Nationalstaat.23 Unter den Staufern wurde so vor allem Barbarossa zur Projektionsfläche für das zeitgeistliche Verlangen nach nationaler Einheit.

Ein maßgeblicher Faktor auf dem Weg zur Legendenbildung war der überraschende und außergewöhnliche Tod Barbarossas und mehr noch das Fehlen der Gebeine ein idealer Nährboden. Sein Leichnam wurde an drei unterschiedlichen Orten beigesetzt: Die Eingeweide in Trasus, das Fleisch in Antiochia und die Gebeine sollten mit hoher Wahrscheinlichkeit in Jerusalem ihre letzte Ruhe finden. Doch kamen sie dort nach einer Zwischenlagerung in Tyrus nie an. In Quellen findet sich auch über den exakten Hergang des Scheidens von Barbarossa keine einheitliche Überlieferung. Unter den zeitgenössischen Berichten kursieren allein zum Todeszeitpunkt divergierende Angaben von bis zu acht Tagen – doch ist sich der überwiegende Teil durchaus über den 10. Juni 1190 einig.24 Diese Verschiebung in den Berichten steht aller Wahrscheinlichkeit nach mit dem Wegfall der heilsnotwendigen Sterbesakramente bei einem plötzlichen Scheiden und der Illusion von göttlichem Beistand in Zusammenhang.25 Ertrinken war für die Zeitgenossen weder ein rühmlicher noch würdiger Tod und den Heiden oder Sündern vorbehalten. Dieses nicht ganz aufgedeckte Schicksal und der Verbleib seines Leichnams fernab vom Reichsgebiet, machten den Tod des Kaiser Friedrich I. vergleichsweiße ungreifbar. Direkt um 1190 war dieses Ereignis zwar ein einschneidendes, denn mit dessen Tod fand der Kreuzzug noch vor seinem eigentlichen Beginn ein jähes Ende – doch blieben die internen politischen und wirtschaftlichen Abläufe im Reich selber davon weitgehend unberührt.26 Für seine Zeitgenossen also zweifellos tod, schlug die Faszination des verschwundenen Kaisers aber bereits im 13. Jahrhundert in der Phantasie des Volkes Wellen und ebnete den Weg für das Nachleben des Kaisers Rotbart.27 Eine mythische Überhöhung erlebt Barbarossa folglich erst im späten Mittelalter und die umfassende Renaissance schließlich im 19. Jahrhundert. Als Schlussfolgerung will hier angefügt werden, dass das Bild dieser historischen Persönlichkeit verzerrt und umgestaltet wurde. Sein Mythos ist eigentlich ein Konstrukt mit Material aus zwei Herrscherleben. Die historische Gestalt Friedrich Barbarossa und die Sage bilden damit zwei unterschiedliche Rezeptionsstränge.28

Mit der Kyffhäusersage haftete Friedrich I. Anfang des 19. Jahrhunderts bereits das Image eines sagenumwobenen Kaisers an.29 Seiner Erhebung zur unantastbaren mythologischen Gestalt steht jedoch in engem Verhältnis zur politischen Zeitgeist und Horizont der Gesellschaft.30 Im 19. Jahrhundert suchte die junge deutsche Nation nach möglichen Vorbildern aus der Vergangenheit, um ihre eigene Gegenwart zu gestalten. Die Zukunft des zersplitterten Landes ruhte in der Hoffnung auf einen einheitlichen Nationalstaat.31 Die Staufer und insbesondere Barbarossa standen in der Volksfantasie für diesen Einheitsgedanken und wurde als dessen bewusster Wegbereiter gefeiert. Die Vergangenheit wurde darum in Bezug zu den Problemen der Gegenwart gestellt und eine Herrschergestalt zum gemeinschaftlichen Nationalmythos stilisiert. Ein weiterer Grund, warum gerade Friedrich Barbarossa posthum zum Friedensfürst und Hoffnungsträger auserkoren wurde war der, dass er seine Herrschaftsposition meisterlich visualisierte. Er inszenierte sie öffentlich sichtbar und trug einen kaiserlichen Habitus zur Schau.32 Durch solche repräsentativen Akte vermittelte er zweifelsohne gezielt ein charismatisches Herrscherbild. In Barbarossa war damit eine geeignete Identifikationsfigur mit mythologischen Qualitäten gefunden, die zum Symbol für den Wunsch nach Nationaler Einheit erhoben werden konnte. So wurde das Mittelalter verklärt, als Epoche idealisiert und Barbarossa im “[…] Zeichen der Macht […]” monumentalisiert.33

3.2 Barbarossa in der deutschen Erinnerungskultur des 19. Jh.

Vor diesem mythologischen Hintergrund sollen jetzt sein Nachleben in der Bildenden Kunst, anhand der Darstellung seines Todes in drei großen Projekten um 1800 betrachtet werden. Das Interesse am Thema Barbarossas in der Malerei setzte erst ab etwa 1830 ein – weder die historischen, die sagenhafte Figur des Staufen Kaisers war davor in der Bildenden Kunst präsent.34 Die in dieser Zeit entstandenen Werke waren hauptsächlich als Auftragsarbeiten von Preußen und Bayern, oder vermögenden Privatleuten in Gestalt einer Raumausstattung wie Wandmalereien umgesetzt.35 Ebenfalls war Friedrich I. Barbarossa vor 1800 als allgemeines Thema nicht existent, sondern wurde lediglich auf einer Ebene des regionalen Gedächtnisses verarbeitet.36 Einige der frühesten Darstellungen des Staufers in der Bildenden Kunst stehen in der Tradition der Nazarener und sind im Medium der Monumentalmalerei überliefert. An mittelalterlichen Darstellungen im Bildnerischen, lässt sich der gesteigerte Einfluss eines Wandels im Geschichtsbewusstsein nachvollziehen.37 Hintergrund bilden die gesellschaftspolitischen Umbrüche unter der Ära und Herrschaft Napoleons und dem aufkommenden deutschen Nationalbewusstsein. Die Bildende Kunst als solche stand Anfang des 19. Jahrhunderts vor dem Problem, dass die traditionellen Auftraggeber Kirche und Adel und damit auch die traditionellen Themenbereiche verschwanden. Sie sah sich gezwungenermaßen mit der Suche nach einer neuen Definition und Funktion konfrontiert.38 Infolge änderte sich die Themenwahl: Bisher dominierten als Motiv mythologische Heroen in der Kunst. Unter den Nazarenern war jetzt eine Zuwendung zu geschichtlichen Helden und im Speziellen ein außerordentliches Interesse an der Vergangenheit der deutschen Nation zu verzeichnen.39 Das Bestreben der Künstlerbewegung lag in einer Erneuerung der Kunst im Geiste des Christentums und der Wiederherstellung einer Einheit von Religion, Nation und des zeitgenössischen Geschehens nach dem Vorbild alter italienischer Meister.40 Entscheidend aber ist die auffällige Hinwendung zur mittelalterlichen Geschichte der vaterländischen Historie. Trotz ihrem unbestritten nur bedingten Anspruch auf Authentizität, stehen historische Darstellungen in der Bildenden Kunst in starker Abhängigkeit von der Geschichtsschreibung. Bis 1800 war das Erinnerungsbild an Barbarossa hinsichtlich seiner Bedeutung und Wirkung innerhalb der Geschichte recht uneinheitlich und wenig beständig in seinen Aussagen.41 Tatsache ist weiter, dass sich auch in der Bildenden Kunst bis dato für die Rezeption Barbarossas keine einheitliche Ikonographie herausbildete.42 Ihre Bildmotive sind damit Taten eines auserwählten Mittelalterherrschers, denen wieder Bedeutung eingehaucht wurde. Alle im Folgenden aufgeführten Fresken sind deshalb keine Bildquellen von säkularen Ereignissen. Ein selbstformuliertes Ziel der Historienkünstler des 19. Jahrhunderts war es, die Vergangenheit getreu den realen Begebenheiten ins Bild zu setzen. Tatsächlich aber haben sie stattdessen ihre Gegenwart gemalt.43 So sind in die Bilderzählungen häufig politische Ziele und moralische Botschaften an die Nation eingebunden. Die Werke "(…) kleiden Hoffnung der eigenen Zeit in das Kostüm der Vergangenheit".44 Die dargestellten Episoden aus Barbarossas Wirkungszeit sind folglich als ein Zeugnis von zeitgenössischer Vorstellung der Vergangenheit zu lesen. „Ikonologie“ bedeutet, ein künstlerisches Werk im Zusammenhang mit dessen kulturellen, sozialen und historischen Hintergrund zu betrachten. Auch in Rückbindungen auf Barbarossa begegnet der Betrachter häufig dem Phänomen, dass sich dem der Staufer für bestimmte Intentionen habhaft gemacht wurde. Anhand der Darstellung seines Todes in drei großen Projekten Anfang des 19. Jahrhunderts für einen Mittelalterzyklus, soll die Verwendung Barbarossas als politischen und nationalerzieherischen Zwecken untergeordnete Figur aufgezeigt werden. Grundlage und Voraussetzung für die Verbildlichung, war mitunter beide Male Friedrich von Raumers populäre “Geschichte der Hohenstaufen”.45

3.2.1 Der Cappenberger Zyklus

Einer der großen mittelalterlichen Zyklen war der 1823 vom preußischen Privatmann Freiherr von Stein in Auftrag gegebene Cappenberger-Zyklus.46 Motive waren hier Szenen aus der deutschen Geschichte des Mittelalters, in denen Friedrich Barbarossa zunächst nicht als Thema vorgesehen war.47 Erst nach Schwierigkeiten bei der Themenwahl und dem Weggang des ursprünglich engagierten Künstlers, wurde der nazarenische Künstler Julius Schnorr von Carolsfeld mit der komplett neu gefassten Idee der Verarbeitung des Todes vom Staufer Barbarossa beauftragt. Das Scheiden des Kaisers sei nach Aussage Freiherr von Steins “[…] ein großer Wendepunkt in der deutschen Geschichte”48. Zu seiner Vollendung fand jedoch auch dieses Vorhaben nicht und schlussendlich entstand bis 1832 nur der “Tod Friedrich Barbarossas 1190”49 von Julius Schnorr von Carolsfeld.50 Der Auftrag und die Erwartungen des Freiherr von Stein an die Kunst, war die Kommunikation des erwähnten nationalpädagogischen Geistes. Die Person Barbarossa steht im Kontext dieses Zyklus für die Hoffnung auf eine Rückkehr der mittelalterlichen Reichsherrlichkeit und den Einheitsgedanken dieser Zeit.51

[...]


1 FASTERT, Sabine: Die Entdeckung des Mittelalters. Geschichtsrezeption in der nazarenischen Malerei des 19. Jahrhundert. München und Berlin 2000 (Kunstwissenschaftliche Studien, Bd. 86), S. 41.

2 Vgl. LAUDAGE, Johannes: Die Bühne der Macht. Barbarossa und seine Herrschaftsinszenierung. In: Inszenierung und Ritual im Mittelalter und Renaissance. (Hg.) Andera Hülsen-Esch. Düsseldorf 2005. S. 7-134, hier: S.126.

3 Vgl. LAUDAGE, Johannes: Friedrich Barbarossa. Eine Biografie. Regensburg 2009, S.24f.

4 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.27.

5 Vgl. ebd.

6 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.29.

7 Vgl. ebd., S. 27.

8 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S. 27.

9 Vgl. GÖRICH, Knut: Friedrich Barbarossa. Eine Biographie. München 2011, S. 22.

10 Vgl. ebd., S.21.

11 Vgl. APPELT, Heinrich: Die Kaiseridee Friedrich Barbarossas, in: Wolf, Gunther, Friedrich Barbarossa (Wege der Forschung 390), Darmstadt 1975, S. 208-244, hier: S.212.

12 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.107.

13 Vgl. ebd. S.109.

14 Vgl. LAUDAGE: Die Bühne der Macht, S.113.

15 Vgl. GÖRICH: Barbarossa. Eine Biographie, S.655.

16 KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.13f.

17 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.110.

18 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.756.

19 Vgl. ebd.: Weit unten im Kyffhäuser sitzt Kaiser Rotbart in einen tiefen Schlaf versunken an einem steinernen Tisch, um und durch den sein mächtiger Bart gewachsen ist. In hundertjährigen Perioden erwacht er, um einem Knaben auszuschicken, der schaut ob noch Raben den Berg umkreisen. Kreisen sie noch immer, so Barbarossa auf ein Neues für hundert Jahre seine Augen. Der Kaiser ist der irdischen Welt lediglich “entrückt” und kehrt einst wieder als Friedenfürst der deutschen Nation, und mit ihm sein Reich, gegründet auf Gerechtigkeit und Frieden.

20 Vgl. GÖRICH: Barbarossa. Eine Biographie, S.11.

21 Vgl. ebd., S.19.

22 Vgl. WOLF, Gunther: Friedrich Barbarossa (Wege der Forschung 390). Darmstadt 1975, S.9.

23 Vgl. ebd., S.7.

24 Vgl. BARGMANN, Leila: Der Tod Friedrichs I. im Spiegel der Quellenüberlieferung. In: Concilium medii aevi vol. 13. 2010, S. 226.

25 Vgl. ebd., S. 227.

26 Vgl. OPLL: Barbarossa, S. 299.

27 Vgl. GÖRICH: Barbarossa. Eine Biographie, S.600.

28 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.313.

29 Vgl. ebd., S.15.

30 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.107.

31 Vgl. GÖRICH: Barbarossa. Eine Biographie, S.13.

32 Vgl. ebd,, S.24.

33 Ebd., S.16.

34 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.107.

35 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.362.

36 Vgl. BOOCKMANN: Barbarossa in der Malerei und bildenden Kunst, S. 352.

37 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.13.

38 Vgl. ebd., S.32.

39 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.9.

40 Vgl. ebd., S.40.

41 Vgl. ebd., S.111.

42 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.756.

43 Vgl. BOOCKMANN: Barbarossa in der Malerei und bildenden Kunst, S. 351.

44 Ebd., S. 350.

45 Vgl. ebd., S. 352.

46 Vgl. ebd., S.353.

47 Vgl. FASTERT: Die Entdeckung des Mittelalters, S.132f.

48 Ebd., S.133.

49 Abb. 1

50 Vgl. BOOCKMANN: Barbarossa in der Malerei und bildenden Kunst, S. 353.

51 Vgl. KAUL: Barbarossa im Kyffhäuser, S.756.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Mittelalterliche Erinnerungskultur in der Bildenden Kunst. Formen und Funktion einer Mystifizierung von Friedrich I. Barbarossa in deutschen Freskenzyklen um 1800
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Historisches Institut, Mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Friedrich I. Barbarossa und die Epoche der frühen Staufer
Note
1,25
Autor
Jahr
2014
Seiten
23
Katalognummer
V299157
ISBN (eBook)
9783656955757
ISBN (Buch)
9783656955764
Dateigröße
2715 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Barbarossa, Staufer, Mittelalter, Kaiser Friederich I. Barbarossa, Erinnerungskultur, Mythos, Historienmalerei, Cappenberger Zyklus, Heltorfer Fresken, Julius Schnorr von Carolsfeld, Fresko, Münchner Residenz, Barbarossa-Saal, Tod, Sabine Fastert, Bildende Kunst, Heltorfer Zyklus
Arbeit zitieren
Mona Schlapp (Autor:in), 2014, Mittelalterliche Erinnerungskultur in der Bildenden Kunst. Formen und Funktion einer Mystifizierung von Friedrich I. Barbarossa in deutschen Freskenzyklen um 1800, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299157

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