Individualität und Möglichkeiten ihrer Berücksichtigung im Englischunterricht


Examensarbeit, 2008

76 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Individualität im Englischunterricht

1 Terminologisches Arbeitsdefinitionen und Hintergrund
1.1 Individualität
1.2 Individuelle Unterschiede

2 Persönlichkeitsmerkmale
2.1 Intro- und Extraversion
2.2 Risikobereitschaft
2.3 Ambiguitätstoleranz
2.4 Zusammenfassung

3 Sprachlerneignung.
3.1 Sprachlerneignung und Unterrichtsmethodik
3.2 Sprachlerneignung und Muttersprache
3.3 Zusammenfassung

4 Lernstile und Kognitive Stile
4.1 Lernstiltheorien und ihre Relevanz für den Fremdsprachenunterricht
4.2 Zusammenfassung

5 Lernstrategien
5.1 Unterschiede im Lernstrategiengebrauch
5.2 Zusammenfassung .

6 Affektive Faktoren
6.1 Motivation
6.1.1 Die Sozialpsychologische Phase der Motivationsforschung
6.1.2 Die kognitive Phase der Motivationsforschung
6.1.3 Die Prozessorientierte Phase der Motivationsforschung
6.2 fremdsprachenspezifische Ängstlichkeit
6.2.1 Variablen der fremdsprachenspezifischen Ängstlichkeit
6.3 Zusammenfassung

7 Fazit

Möglichkeiten der Berücksichtigung der Individualität

8 Möglichkeiten der Berücksichtigung der Individualität im Englischunterricht
8.1 Berücksichtigung der Individualität durch Binnendifferenzierung
8.2 Binnendifferenzierung durch Lernerautonomie

9 Binnendifferenzierende Unterrichtskonzepte
9.1 Lernen an Stationen
9.2 Wochenplanarbeit

10 Fazit

11 Summary

12 Anhang
12.1 Abb.1: Motivation im Fremdsprachenunterricht
(Prozessorientiertes Modell)

13 Bibliographie

Einleitung

Seit einigen Jahren ist in der Didaktik vermehrt von einer Unterrichtsdifferenzierung und folglich einer individuellen Förderung der Lernenden die Rede. Die Unterrichtsdifferenzierung begreift die Individualität eines Lernenden als Basis und soll dazu führen, dass die Verschiedenheiten der Lernenden berücksichtigt und gefördert werden, so dass allen Schülern und Schülerinnen dieselben Chancen und Möglichkeiten gewährleisten werden können

Dies ist auch im Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung, da das Fremdsprachenlernen zweifelsohne einen komplexen Prozess darstellt. Lernende gehen, trotz der Selektion der weiterführenden Schulen, generell mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen an den Unterricht heran. Ihr Lernprozess wird von einer Vielzahl von Faktoren beeinflusst, welche Auswirkungen auf ihr Verhalten, sowie auch ihre Beteiligung und ihre Leistungen im Unterricht haben. Die daraus resultierende Heterogenität, welche die Unterschiedlichkeiten der einzelnen Lernenden beschreibt, birgt für Fremdsprachenlehrende daher besondere Schwierigkeiten. Die Unterschiede in der Lerngruppe müssen bei der Planung des Fremdsprachenunterrichts bedacht und miteinbezogen werden, um für jeden Fremdsprachenlernenden dieselben Lernmöglichkeiten zu schaffen.

Allerdings wirft dies die Frage auf, welche Faktoren die Individualität eines Fremdsprachenlernende überhaupt auszeichnen. Was macht ihn zu einem individuellen Lernenden im Englischunterricht? Die Klärung dieser Fragen führt zweifellos zu einer weiteren Frage und zwar, wie sich die Unterschiedlichkeiten der Individuen in der Lerngruppe berücksichtigen lassen. Die Arbeit soll zur Klärung dieser Fragen beitragen, indem sie einen Überblick über die endogenen Faktoren geben wird, welche den Lernenden beeinflussen, um auf die Bedeutung der Wahrnehmung und Anerkennung dieser individuenspezifischen Unterschiede hinzuweisen. Dieses Wissen ist notwendig um didaktische Überlegungen zur Berücksichtigung dieser Unterschiedlichkeiten anstellen zu können.

Somit gliedert sich die Arbeit in zwei Teile. Im ersten Teil der Arbeit soll zu Beginn eine Klärung der Grundbegriffe, Individualität und individuelle Unterschiede stattfinden, um jegliche Unklarheiten, die mit diesen Begrifflichkeiten verbunden sein könnten, auszuschließen. In den darauffolgenden Kapiteln werden eine Reihe individueller Faktoren analysiert. Hierfür wird eine Auswahl jener Faktoren getroffen, die eine besondere Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht besitzen. Die einzelnen Faktoren sollen bezüglich ihrer Forschungsgeschichte und des aktuellen Kenntnisstandes hin betrachtet werden um eine Aussage über ihren tatsächlichen Einfluss auf das Fremdsprachenlernen im schulischen Kontext treffen zu können. Dabei werden zunächst die Persönlichkeitsmerkmale und kognitiven Faktoren behandelt um nachfolgend auf die affektiven Faktoren eingehen zu können, welche ebenso einen starken Einfluss auf den individuellen Lernprozess des Fremdsprachenlernenden ausüben.

Im zweiten Teil der Arbeit wird auf Möglichkeiten eingegangen, die individuenspezifischen Unterschiede einzelner Lernender im Englischunterricht zu berücksichtigen um für jeden Lernenden dieselben Lernchancen zu ermöglichen. Hierfür werden Unterrichtsmethoden angesprochen, die vor allem die Lernerautonomie der Lernenden fördern sollen und somit Differenzierungsmöglichkeiten darstellen, um selbst in einer heterogenen Lerngruppe, wie sie in einer regulären Schulklasse anzutreffen ist, jedem Lernenden gerecht werden zu können.

1 Terminologisches Arbeitsdefinitionen und Hintergrund

1.1 Individualität

In der Didaktik ist man bemüht, die Lehr- und Lernmethoden den individuellen Gegebenheiten eines Lernenden anzupassen und somit die Individualität des Einzelnen zu berücksichtigen und zu stärken. Um die Bedeutung dieser Berücksichtigung individueller Unterschiede zu verstehen, ist es notwendig die Begriffe Individualität und Individuum genauer zu beleuchten.

In der Alltagssprache bezeichnet der Begriff Individuum lediglich eine einzelne Person oder ein einzelnes Exemplar. Zweifelsohne ist es schwierig den Begriff wissenschaftlich konkret zu definieren, da die Theorien sich teilweise sehr voneinander unterscheiden, so dass deutliche Unterschiede bezüglich der Definition des Begriffs existieren, vergleicht man beispielweise Ansätze der Psychologie, Soziologie und Philosophie. Spricht man in den Erziehungswissenschaften oder der Didaktik von Individualität, meint der Begriff „die Einmaligkeit und die Einzigartigkeit“ (Schröder 2001:163) eines Menschen und die Entwicklung dieser Einzigartigkeit.

Besonders interessant bezüglich des Themas dieser Arbeit, ist auch ein Ansatz Wilhelm von Humboldts, der den Begriff Individualität bereits mit dem Begriff der Bildung in Verbindung bringt. Nach Humboldt bezeichnet Individualität die Eigenarten eines einzelnen Menschen (Liebau 2001:39). Außerdem verdeutlicht er bereits, dass eine Bildungsinstitution der Individualität eines Jeden Raum geben muss, und Schule somit dazu beitragen muss, die Individualität und die Eigenarten des einzelnen Lernenden zu berücksichtigen, so wie es heute durch die Binnendifferenzierung erreicht werden soll. Somit hat derjenige, der andere bildet „[...] die Eigentümlichkeiten ihrer Individualität aufzusuchen und denselben mit strenger Anhänglichkeit getreu zu bleiben“ (in Liebau 2001:39).

Allerdings ist, so Humboldt, die Bildung der eigenen Individualität nur durch ein Wechselspiel mit anderen Individuen, bzw. mit der Welt möglich (Liebau 2001:39), d.h. auch ein Einzelner ist Teil einer Gesellschaft, die seine Individualität beeinflusst. So bilden mehrere Individuen ein Ganzes. Die Heterogenität des Ganzen, wie sie auch in jeder Schulklasse zu beobachten ist, dient somit einerseits der Bildung des Einzelnen, aber andererseits auch der Gesellschaft und dem Zusammenleben der Allgemeinheit.

Zusammenfassend verdeutlicht Humboldt somit die Bedeutung, welche die Bildung der eigenen Individualität darstellt, als auch die Wichtigkeit der Anerkennung anderer Individuen und ihrer Eigenarten. Doch was genau die Eigentümlichkeiten eines Lernenden ausmachen, wird erst deutlich, wenn man den Begriff der individuellen Unterschiede näher beleuchtet.

1.2 Individuelle Unterschiede

Auf dieser Grundlage bezeichnet der Begriff individuelle Unterschiede die Eigentümlichkeiten, welche eine Person erst zu einem Individuum machen. Allerdings werden hier Einschränkungen vorgenommen, da nicht alle Faktoren, die eine Person von einer Anderen unterscheiden, als individuelle Unterschiede betrachtet werden. Wissenschaftliche Definitionen des Begriffs erkennen daher nur Faktoren an, die eine gewisse Stabilität voraussetzen (Dörnyei 2005:4), so werden charakteristische Merkmale die dem Individuum inne wohnen als individuelle Unterschiede bezeichnet, nicht aber besondere Vorlieben einer Person im Vergleich zu einer Anderen (Dörnyei 2005:4). Individuelle Unterschiede sind also charakteristische Merkmale, die jeder Einzelne besitzt, deren Ausmaß aber von Individuum zu Individuum unterscheidet.

Allerdings fällt auf, dass in der Forschung, keine Einigung über die exakte Bezeichnung dieser charakteristischen Merkmale herrscht, die beim Erlernen einer Fremdsprache eine Rolle spielen (Riemer 1997:2). So werden die Unterschiedlichkeiten eines Lernenden in der Forschung nicht ausschließlich als individuelle Unterschiede bezeichnet, sondern ebenso als interne oder lernerendogene Faktoren (Riemer 1997:6). In der englischsprachigen Forschung ist auch häufig von personal factors die Rede (Ellis 1985).

Die individuellen Faktoren sind äußerst vielfältig, ebenso wie die Unterscheidungen einzelner Faktoren (Ellis 1994:471), welches eine Aufzählung dieser erschwert. Einige Faktoren scheinen allerdings bei der Erforschung der individuellen Unterschiedlichkeiten unerlässlich, d.h. das sie den Mittelpunkt zahlreicher Studien bilden, wobei andere Faktoren lediglich einen optionalen Bereich in der Forschung darstellen (Dörnyei 2005:7).

Zu den beständigen Faktoren gehören somit beispielsweise die Motivation und Einstellung eines Lernenden, als auch die Sprachlerneignung, d.h. die generelle Begabung eines Lernenden eine Fremdsprache zu erlernen. Diesen beiden Faktoren wurde bereits in den 1960er Jahren eine wichtige Rolle im Fremdsprachenerwerb zugesprochen. In den darauffolgenden Jahren wurden allerdings noch weitere Faktoren in die Forschung mitaufgenommen. So folgte in den 1970er Jahren eine verstärkte Analyse der Lernstrategien und Lernstile, um eine Aussage über ihren Einfluss auf die Wahrnehmung und Verarbeitung der Fremdsprache und ihre damit verbundene Auswirkung auf den individuellen Lernprozess des Lernenden treffen zu können (Dörnyei 2005:6).

Auch eine Reihe anderer Faktoren wurden hinsichtlich ihres Einflusses auf den Fremdsprachenlernenden untersucht, so wie die Intelligenz und die Persönlichkeit (vgl. exemplarisch Naiman et al. 1978 ; Robinson 2002). Trotz ihrer Unstabilität und Situationsabhängigkeit (Riemer 1997:7) und somit entgegen der generellen Definition von individuellen Unterschieden gehören auch affektive Faktoren zu dieser Kategorie der internen Faktoren, da sie einen starken Einfluss auf die Kognition eines Lernenden und folglich auch auf seine/ihre Aufnahmefähigkeit der Fremdsprache ausüben. Daher können sie in der Fremdsprachenerwerbsforschung keinesfalls ignoriert werden. Als affektive Faktoren bezeichnet man beispielweise den bereits erwähnten Faktor der Motivation, sowie die Einstellung und die Ängstlichkeit eines Lernenden gegenüber der Fremdsprache.

Andere interne Faktoren, die ebenso in der Forschung des Fremdsprachenerwerbs nicht außer Acht gelassen wurden, sind beispielsweise biologischer Art, wie das Alter (vgl. z.B. Long 2006) und das Geschlecht (Vgl. z.B. Oxford 1993) eines Lernenden.[1]

Es zeigt sich also, dass das Feld der individuellen Unterschiede sehr umfangreich ist, so dass es auch in dieser Arbeit notwendig ist eine Beschränkung auf bestimmte Faktoren vorzunehmen. Da gewisse Faktoren für den Fremdsprachenerwerb im schulischen Bereich vermutlich eine wichtigere Rolle spielen als Andere, sind diese auch für diese Arbeit von besonderem Interesse. Hierzu zählen zweifelsohne die Persönlichkeitsmerkmale eines Lernenden, da sie das Verhalten eines Lernenden im Fremdsprachenunterricht stark beeinflussen können. Auch die Sprachlerneignung ist von großer Bedeutung. Sie kann Aufschluss darüber geben, inwieweit es einem Lernenden überhaupt möglich ist eine Fremdsprache zu erlernen. Ebenso von besonderem Interesse für das schulische Englischlernen sind die Lernstile und Lernstrategien eines Lernenden, daher werden diese ebenso Teil dieser Arbeit bilden. Außerdem darf die emotionale Seite des Fremdsprachenlernens nicht außer Acht gelassen werden, so dass gewisse affektive Faktoren, wie Motivation und Ängstlichkeit gegenüber der zu erlernenden Sprache den Abschluss des ersten Teils der Arbeit bilden. In den Kapiteln zu den einzelnen Faktoren soll darauf eingegangen werden, inwieweit die Faktoren den Lernenden einer Fremdsprache und seinen Sprachlernprozess prägen und ihn somit zu einem individuellen Fremdsprachenlernenden machen. Außerdem soll ergründet werden, in welchem Maße die einzelnen Faktoren den Sprachlernprozess eines Lernenden tatsächlich beeinflussen und sich somit eventuell hinderlich, oder aber auch besonders förderlich auf den individuellen Lernprozess auswirken können.

2. Persönlichkeitsmerkmale

Die Persönlichkeit eines Lernenden wird zweifelsohne als ein wichtiger Faktor für das Erlernen einer Fremdsprache angesehen, da Merkmale der Persönlichkeit wahrscheinlich die Individualität eines Menschen am stärksten ausmachen und somit auch das Verhalten eines Lernenden, das heißt auch das Verhalten des Lernenden im Fremdsprachenunterricht, stark beeinflussen.

Wie bereits erwähnt, handelt es sich bei den Persönlichkeitsmerkmalen um stabile Faktoren, welche „sich auf die einzigartigen, psychologischen Merkmale eines Individuums“ beziehen (Zimbardo/Gerrig 1999:520). Hierunter fallen beispielsweise das Selbstwertgefühl, die Extra- und Introversion und das Einfühlungsvermögen eines Lernenden. Teilweise wird auch der Faktor Ängstlichkeit in die Kategorie der Persönlichkeitsmerkmale miteinbeziehen. Allerdings lässt die aktuelle Forschungslage, nach MacIntyre (1995), darauf schließen, dass es sich bei der Ängstlichkeit, welche beim gesteuerten Fremdsprachenlernen auftritt, um eine besondere Form dieser handelt, und zwar der Ängstlichkeit vor der Sprache, d.h. also eine fremdsprachenspezifische Angst. Folglich kann sie nicht als Faktor der Persönlichkeit eingestuft werden, wird aber dennoch an anderer Stelle dieser Arbeit erneut aufgegriffen (s.Kapitel 6.2).

Um die verschiedenen Verhaltensweisen der Lernenden im Englischunterricht besser nachvollziehen zu können, ist es also wichtig für Lehrende ein Verständnis für die Lernerpersönlichkeiten zu entwickeln. Eine Methode die Persönlichkeit eines Lernenden zu testen, ist ein Persönlichkeitstest. Es gibt zweifelsohne eine Reihe dieser Tests bzw. Indikatoren, allerdings ist der meist Verbreitetste und somit am häufigsten Verwendete (Dörnyei 2005:19), der Myers–Briggs Typenindikator (MBTI). Der MBTI ist ein Persönlichkeitsstrukturentest, welcher es ermöglicht den Persönlichkeitstypus der Lernenden zu ermitteln. Somit ist dieser Test auch für den Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung, da er die Unterschiede im Verhalten einzelner Lernenden aufzeigen kann und Lehrende folglich in der Lage sind, die Präferenzen und Neigungen der Lernenden zu berücksichtigen. Basierend auf Carl Jungs Persönlichkeitsmodelle wurde der Test von Isabel Myers und Katharine Briggs 1976 weiterentwickelt und um eine vierte Persönlichkeitsstruktur erweitert (Dörnyei 2005:19), um verschiedene Persönlichkeitstypen erklären zu können und somit die individuellen Präferenzen in der Aufgabenbewältigung zu erkennen.

Im Folgenden soll eine knappe Darstellung der vier Dimensionen erfolgen, um ihre Bedeutung für den Fremdsprachenunterricht aufzuzeigen:

Extraversion (E) – Introversion (I): diese Dimension beschreibt, ob eine Person eher die Aufmerksamkeit von der Außenwelt oder von innen her benötigt. Dies hat also nicht mit den gängigen Benutzungen der Worte zu tun, d.h. eine introvertierte Person ist nicht zwangsläufig ruhig und schüchtern. Vielmehr bezeichnet diese Zweiteilung die Energiequelle eines Individuums. Introversion bezeichnet Individuen, die ihre Energie aus ihrem Inneren schöpfen, wobei ein Extrovertierter seine Energie durch die Interaktion mit der Außenwelt erhält (Leaver et al. 2005 :114). Die Dimension gibt Lehrenden einen Hinweis darauf, ob ein Lernender es vorzieht allein für sich zu lernen oder aber in einer Gruppe.

Sensing (S) – Intuition (N) (Sinneswahrnehmung – Intuition): Diese bezeichnen, wie eine Person die Welt wahrnimmt. Wobei der S-Typ die Welt mit allen 5 Sinnen wahrnehmen möchte. Dies befähigt ihn dazu Probleme und organisatorische Aufgaben schnell zu lösen. Andererseits besteht allerdings auch die Gefahr, dass er zu schnell handelt, ohne über Konsequenzen nachzudenken. Der N-Typ hingegen verschafft sich einen Gesamtüberblick und ist somit in der Lage, nicht nur das reale Hier und Jetzt zu erkennen, sondern ebenso, wie die Dinge sein könnten. Somit erkennt er die Konsequenzen seines Handelns. (Leaver et al. 2005 :114)

Thinking (T) – Feeling (F) (Denken – Fühlen): Diese Ebene beschreibt, wie ein Mensch Entscheidungen trifft. Thinking bezeichnet somit den rationalen Typen, der Entscheidung zweckmäßig trifft und seine Gefühle unter Kontrolle hält. Dies kann dazu führen, dass dem T-Typ die Sensibilität gegenüber anderen Menschen fehlt. Der Feeling-Typ ist hingegen derjenige, welcher Entscheidung danach trifft, was ihm und vor allem Menschen um ihn herum gefällt. Er hat somit eine gute Beziehung zu Anderen, ist aber durch sein Harmoniebedürfnis oft wenig rational und dadurch abhängig von seinem Gegenüber. (Leaver et al. 2005 :115)

Judging (J) – Perceiving (P) (Urteilen – Wahrnehmen): Die letzte Dimension des MBTI beschreibt, wie eine Person mit der Außenwelt interagiert. Der J-Typ bevorzugt ein geplantes und vorhersehbares Leben, wohingegen der P-Typ sich Entscheidungen offen hält, um dadurch mehr Flexibilität zu behalten. Der Judging-Typ ist folglich auch in der Lage, seine Zeit richtig einzuteilen und Dinge zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erledigen. Der P-Typ hat hingegen Schwierigkeiten mit der richtigen Zeiteinteilung und somit werden Dinge oft in letzter Minute erledigt. (Leaver et al. 2005 :116)

So lässt sich mittels eines Fragebogens einer der 16 mögliche Persönlichkeitstypen ermitteln. Allerdings ist zu sagen, dass dies nicht bedeutet, dass man durch die Zweiteilung jeder Dimension zwangsläufig von der jeweils anderen Seite abgegrenzt ist. Die einzelnen Dimensionen scheinen vielmehr die Vorlieben eines Individuums zu unterstreichen. Dennoch schließt dies nicht aus, dass man auch vom Gegenpol beeinflusst wird, obwohl der MBTI diese Überschneidungen nicht berücksichtigen kann.

Trotzdem ist der MBTI, wie bereits erwähnt, für die Fremdsprachenforschung von großer Bedeutung. Eine Studie von Moody (1988), welche die Verteilung der unterschiedlichen MBTI-Persönlichkeitstypen in fremdsprachlichen Studiengängen untersuchte, macht dies besonders deutlich. So zeigten seine Forschungsergebnisse, dass eine unverhältnismäßig hohe Anzahl des INTP- Typs (Introversion- Intuition- Denken- Wahrnehmen) und des INTJ -Typs (Introversion- Intuition- Denken- Urteilen) die fremdsprachlichen Studiengänge besuchten. Im Vergleich zu anderen Studiengängen, waren diese beiden Typ in den fremdsprachlichen Studiengängen mehr als doppelt so häufig vertreten (Moody 1988:392). Dies lässt darauf schließen, dass eine Beziehung zwischen dem Persönlichkeitstyp eines Lernenden und dem Erlernen einer Fremdsprache besteht.

Speziell das Konzept der Intro- und Extraversion, rückte in den Mittelpunkt der Fremdsprachenforschung, da es ebenso einen Teilbereich anderer Persönlichkeitstests darstellt, so z.B. des Fünf-Faktoren-Modells (vgl. z.B. DeRaad 2000) oder aber auch des Eysenck Personality Inventory. Die Definition des Konzepts der Intro- und Extraversion befindet sich mit dem MBTI in relativer Übereinstimmung, so dass eine genauere Beschreibung dieser nicht notwendig sein sollte.

2.1 Intro- und Extraversion

Betrachtet man den allgemeinen Zusammenhang von Lernen und Intro- oder Extraversion, so wurden introvertierte Lernende in der Forschungsgeschichte generell als die erfolgreicheren Lerner betrachtet, da ihre Konzentrationsfähigkeit im Vergleich zu extravertierten Lernenden, generell besser ist (Skehan 1989:101)

Allerdings wird diese Vermutung in der Fremdsprachenforschung nicht geteilt, denn hier werden die extravertierten Lernenden als die Erfolgreicheren angesehen. Brown (2005) bezeichnet die Extraversion sogar als einen ausschlaggebenden Faktor für das Fremdsprachenlernen und betont, dass eben diese für die Entwicklung der Sprachfähigkeit besonders bedeutsam ist. Durch ihre kontaktfreudigere Art sind extravertierte Lernende generell bereit sich mehreren Gruppen anzuschließen und sich somit auch an Konversationen in der Fremdsprache zu beteiligen (Skehan 1989:101). Dies ist daher auch im Klassenzimmer von großer Bedeutung, da sich Extravertierte folglich auch in mündlichen Unterrichtsphasen häufiger beteiligen. Auch wirkt sich diese Kontaktfreudigkeit außerhalb des Klassenzimmers positiv aus, denn kommunikationsfreudige Lernende wenden ihre Sprachkenntnisse ebenso in anderen Bereichen häufiger an, so dass der Gebrauch der Fremdsprache nicht auf den Unterricht begrenzt bleibt.

Allerdings besteht hier das Problem, dass ein extravertierter Lernender, wie in der Kategorisierung erwähnt, nicht zwangsläufig kontaktfreudig, und ein Introvertierter im Gegenzug nicht notgedrungen schüchtern und ruhig ist (Brown 1987:109), da sich diese Indikatoren lediglich auf die Energiequelle des Lernenden beziehen und außerdem die jeweils extremsten Neigungen darstellen. Ebenso ist zu bedenken, dass nicht lediglich der mündliche Gebrauch der Sprache zum Erfolg führt, denn auch die schriftliche Anwendung und das Hörverstehen führen zu einer besseren Sprachkompetenz.

Trotzdem bestätigen auch Dewaele und Furnham (1999:532), dass extravertierte Lernende generell in der Lage sind die Fremdsprache fließender zu sprechen, als Introvertierte. Ihre Forschungsergebnisse zeigten außerdem, dass Extrovertierte generell mehr reden und sich öfter wiederholen, weniger Pausen beim Reden machen und haben somit weniger Verzögerungen in ihrem Sprachfluss aufweisen. Dies lässt sich dadurch erklären, dass extravertierte Lernende ihr Gehirn anders benutzen als Introvertierte. Extravertierte verwenden hauptsächlich ihr Kurzzeitgedächtnis, während Introvertierte eher ihr Langzeitgedächtnis und Teile des Gehirns benutzen, welche für das Planen und Lösen von Problemen zuständig sind, d.h. introvertierte Lernende haben keine ausreichende Speicherkapazität des Kurzzeitgedächtnisses, welches somit zu einer verminderten verbalen Ausdrucksfähigkeit führt (Dörnyei 2005:27). Allerdings könnte dieses Defizit ebenso mit der bereits erwähnten fremdsprachenspezifischer Ängstlichkeit und dem Stresslevel des Lernenden zusammenhängen, welche bei introvertierten Lernenden, im Vergleich zu Extravertierten, als generell höher eingeschätzt wird (Dewaele/Furnham 1999:515).

Scherer (1979) fand zusätzlich heraus, dass extrovertierte Lernende generell lauter reden, als Introvertierte. Außerdem weist er daraufhin, dass es zwischen den Persönlichkeitstypen kulturelle Unterschiede gibt. So bestätigt er zwar zum Teil Dewaeles und Furnhams Forschungsergebnisse, dass der extrovertierte Persönlichkeitstyp weniger Pausen macht, bezieht dies allerdings nur auf den amerikanischen extrovertierten Lernende, da aus seiner Studie hervorgeht, dass dies auf deutsche Sprachenlernende nicht zutrifft. So scheint eine Verallgemeinerung der Ergebnisse nicht möglich zu sein.

Außerdem scheinen auch die Unterschiede in der Aussprache der intro- und extravertierten Lernenden von besonderer Bedeutung zu sein. So weist Busch (1982:122), bezugnehmend auf ihre Studie zum Erfolg japanischer Englischlernender, daraufhin, dass extrovertierte Lernende, im Vergleich zu Introvertierten, im Bereich Aussprache zurückliegen. Dies zeigt erneut, dass extrovertierte Lernende, trotz ihrer häufigeren Beteiligung bei mündlichen Phasen, nicht zwangsläufig erfolgreichere Fremdsprachenlernende sind, denn wie bereits erwähnt, sind auch andere Faktoren für den Spracherwerb von großer Bedeutung (Schreiben, Hör- und Leseverstehen), so dass ein introvertierter Lernender generell ein besseres Verständnis für die Struktur einer Sprache entwickeln und somit auch in schriftlichen Sprachtests generell besser abschneiden kann (Busch 1982; Skehan 1989). Auch haben extravertierte Lernende, im Vergleich zum introvertierten Persönlichkeitstyp, einen geringeren Wortschatz und schnitten auch in der Grammatik schlechter ab (Busch 1982:122).

Es wird deutlich, dass sowohl Intro- als auch Extraversion einen großen Einfluss auf Lernende einer Fremdsprache haben, und beide Faktoren positive, als auch negative Eigenschaften aufweisen. Obwohl Extraversion also intuitiv als vorteilhaftere Eigenschaft angesehen wird, so begünstigt diese nicht zwangsläufig das Sprachenlernen. Trotzdem scheint sie einen besseren Ausgangspunkt für den Lernenden darzustellen.

Für den Fremdsprachenunterricht bedeutet dies, das ein extrovertierter Lernender wahrscheinlich Rollenspiele und Gruppenarbeiten, welche viel Interaktionsspielraum zulassen vorzuziehen. Wobei ein introvertierter Lernender es vorzieht, allein und für sich zu arbeiten, bevor er sich in einer Gruppenarbeitsphase einbringen kann. Umgekehrt könnte somit allerdings auch eine Stillarbeitsphase dem extrovertierten Lernenden ein Problem bereiten, da er in kommunikativen Gruppenarbeitsphasen besser zurecht kommt.

Das Persönlichkeitsmerkmal der Intro- bzw. Extraversion weist also sehr stark auf die Lernpräferenzen bzw. bevorzugten Arbeitsformen eines Lernenden hin und zeigt wie ein Lernender mit seiner/ihrer bevorzugten Vorgehensweise effektiver lernen kann. Somit ist es notwendig, dass diese Präferenzen im Fremdsprachunterricht berücksichtigt werden, um den Lernenden dieselben Chancen zu ermöglichen.

2.2 Risikobereitschaft

Auch das Persönlichkeitsmerkmal der Risikobereitschaft, welches eng mit der Intro-bzw. Extraversion eines Lernenden verbunden ist, ist für den Fremdsprachenunterricht von besonderer Bedeutung und steht in engem Kontakt mit der vierten Dimension (Judging – Perceiving) des MBTI. Brown (2005:149) betrachtet die Risikobereitschaft als notwendigen Faktor des Fremdspracherwerbs: „learners have to be able to gamble a bit, to be willing to try out hunches about the language and take the risk of being wrong.” Im Hinblick auf den Fremdsprachenunterricht bedeutet Risikobereitschaft also, dass Lernende, trotz ihres begrenzten Wissens, bereit sind die Fremdsprache anzuwenden und somit ebenso riskieren Fehler zu machen (Edmondson/House 2000:209). Somit sind risikofreudige Lernende bereitwilliger sich an mündlichen Unterrichtsphasen zu beteiligen, da sie das Risiko eingehen vom Lehrenden womöglich korrigiert zu werden.

Der Faktor der Risikobereitschaft wird dem Perceiving bzw. wahrnehmenden Persönlichkeitstyp zugeordnet. Lernende planen wenig im Voraus und entscheiden, während des Handelns. Sie sind dadurch flexibler, im Vergleich zu Judging bzw. urteilenden Lernenden und sind durch ihr flexibles, ungeplantes Handeln auch bereitwilliger Risiken zu begegnen. Eine Studie von Ehrman und Oxford (1990) bestätigt dieses auch für intuitive Lernende, welche bei der Studie angaben sich vermehrt auf das Erraten unbekannter Redewendungen zu verlassen und somit zum Experimentieren in der Fremdsprache bereit waren.

Daher zeigen auch Elys (1986) Forschungsergebnisse eine Korrelation von Risikobereitschaft und der Beteiligung am Unterricht auf. Allerdings konnte keine signifikante Beziehung zwischen Risikobereitschaft und dem Erfolg die Sprache zu erlernen nachgewiesen werden. Lediglich zwischen risikofreudigen Lernenden und ihrer mündlichen Sprachfähigkeit konnte ein Zusammenhang festgestellt werden. Dieser besagt jedoch letztlich nicht, dass die Risikobereitschaft der Lernenden den Fremdspracherwerb fördert.

Trotzdem ordnet auch Beebe (in Riemer 1997:60) die Variable der Risikobereitschaft, in Hinblick auf die mündliche Kompetenz der Lernenden, als generell positiv ein. Denn risikobereite Lernende nutzen die Möglichkeit zielsprachliche Redeweisen zu verwenden, die über ihrem bisherigen Wissen liegen und könnten somit durch diese Experimentierfreudigkeit mit der Fremdsprache in der Lage sein, ihre Kompetenz in der Fremdsprache auszubauen. Da sich diese Ergebnisse allerdings nur auf die mündliche Kompetenz eines Lernenden beziehen, ist es nicht möglich allgemeine Aussagen für den Fremdsprachenunterricht zu treffen.

2.3 Ambiguitätstoleranz

Eine hohe Korrelation wurde jedoch zwischen der Risikobereitschaft und der Ambiguitätstoleranz nachgewiesen (Naiman et. al. 1978), welche wiederum eine Relevanz für den Fremdspracherwerb besitzt. Die Ambiguitätstoleranz bezieht sich auf die Toleranz eines Lernenden gegenüber Ungenauigkeiten und Widersprüchlichkeiten. Zweifelsohne stoßen Lernende beim Erlernen einer Fremdsprache auf solche Widersprüchlichkeiten, so beispielsweise beim Erlernen von grammatikalischen Regeln oder auch bei der Übertragung fremdsprachlicher Strukturen auf das Deutsche. Lernende, die eine hohe Toleranz aufweisen, werden oft als die erfolgreicheren Fremdsprachenlerner angesehen. So fasst auch Stern die vorteilhaften Voraussetzungen für ambiguitätstolerante Lernende zusammen:

The learner who is capable of accepting with tolerance and patience the frustrations of ambiguity that second language learning inevitably involves is emotionally in a better position to cope with them in a problem-solving frame of mind than a student who feels frustrated or angry in ambiguous situations.(Stern 1983:382).

Die Korrelation zwischen der Toleranz gegenüber fremdsprachlichen Widersprüchlichkeiten und der Risikobereitschaft der Lernenden, zeigt also, dass Lernende die mit solch Widersprüchen und Ungenauigkeiten umgehen können auch gleichzeitig generell risikobereiter sind, als Lernende die diese Widersprüche nur schwer akzeptieren können. Dies hängt damit zusammen, dass ein risikofreudiger Lernender, wie bereits erwähnt, auch bereit ist zu raten, wenn er/sie sich der Antwort nicht sicher ist. Somit ist er/sie in der Lage, Ungenauigkeiten, wie beispielsweise unbekannte Wörter in einem Text, womöglich zu umgehen, da er/sie bereit ist den Text trotz dieser Wörter verstehen zu wollen.

Allerdings zeigen die Forschungsergebnisse ebenso, dass der Grad der tolerierten Ambiguität eines Lernenden ausschlaggebend für den erfolgreichen Fremdspracherwerb ist. Ein besonders hoher Grad könnte somit ebenso dazu führen, dass Lernende gewisse Probleme beim Erlernen der Fremdsprache entwickeln, da sie sprachliche Unklarheiten eher hinnehmen und daher kein Interesse dafür entwickeln die korrekten Formen herauszufinden. Es ist daher wahrscheinlicher, dass diese Lernenden Schwierigkeiten bezüglich der korrekten Aussprache und der Grammatik entwickeln. Eine zu niedrige Ambiguitätstoleranz bzw. eine Ambiguitätsintoleranz kann, auf der anderen Seite, dazu führen, dass Lernende in ihrer Fremdsprachenkompetenz gehindert werden, da sprachliche Widersprüche und Ungenauigkeiten im Fremdsprachenunterricht zu Frustrationen führen können (Ehrman 1996). So scheint lediglich ein Mittelmaß an tolerierter Ambiguität für den Fremdsprachenlernenden vorteilhaft zu sein.

Allerdings weist Riemer (1997:63) daraufhin, dass für die Messung diesen Grades kein fremdsprachenspezifisches Instrumentarium existiert. Daher ist die Bestimmung des Mittelmaßes bisher nicht möglich. Folglich ist es schwierig ein Urteil darüber zu fällen, ab wann eine Toleranz der Widersprüchlichkeiten beim Fremdspracherwerb vorteilhaft ist und ab wann er sogar das Erlernen der Fremdsprache behindert.

In Hinblick auf die MBTI- Persönlichkeitstypen haben Ehrmann und Oxford (1990) eine Studie durchgeführt, welche eine Reihe interessanter Unterschiede der einzelnen Typen und ihres Leistungsverhaltens im Fremdsprachenunterricht aufzeigen. Die Forschungsergebnisse bestärken die Korrelation zwischen der Lernerpersönlichkeit und dem Fremdspracherwerb. Die Ergebnisse zeigen, dass der sinneswahrnehmende Typ generell eine niedrige Toleranz gegenüber Ambiguität besitzt und es somit vermeidet auf das Raten, beispielsweise unbekannter Wörter, zurückzugreifen. Der intuitive Typ, wie bereits im Abschnitt über die Risikobereitschaft der Lernenden erwähnt, verlässt sich stark auf das Mutmaßen unbekannter Redewendungen, lässt sich somit auf die Fremdsprache ein und beweist daher eine hohe Ambiguitätstoleranz. Dies wird auch bei den wahrnehmenden Lernenden beobachtet; sie sind in der Lage, durch Mutmaßen und Improvisieren ihre Unkenntnis auszugleichen. Der urteilende Persönlichkeitstyp hingegen beweist Schwierigkeiten diese Unkenntnis durch Raten oder ähnliches zu kompensieren, somit tun diese Lernenden sich schwer widersprüchliche Regeln oder Vokabeln zu verinnerlichen, welches folglich zu Schwierigkeiten beim Fremdspracherwerb führen kann. Diese Lernenden benötigen deutliche Anweisungen und klare Grammatikregeln, um effektiv lernen zu können. Ähnlich geht es Lernenden des Thinking -Persönlichkeitstypus. Für einen effektiven Fremdspracherwerb benötigen sie allgemeine Regeln, so dass eine Abweichung dieser, durch beispielweise Ausnahmen der Regel etc., zu Schwierigkeiten führen kann. Der Gegenpol dieses Typus, also der Feeling -Persönlichkeitstyp, ist Widersprüchen gegenüber aufgeschlossener und kann mit diesen umgehen. Folglich haben Lernende dieses Typs beispielweise nicht so große Schwierigkeiten grammatikalische Ausnahmen zu verinnerlichen und zu akzeptieren, wenn diese nicht der Regel folgen. Zusammenfassend wären also nach Ehrman und Oxford (1990) intuitive, wahrnehmende und fühlende Persönlichkeitstypen die effektiveren Lernenden im Fremdsprachenunterricht.

Allerdings sind diese Ergebnisse nicht zu verallgemeinern, denn obwohl sie darauf schließen lassen, dass die Ambiguitätstoleranz eines Lernenden für den Fremdspracherwerb relevant ist, so zeigt sich trotzdem, dass sich diese Erkenntnisse lediglich auf gewisse Präferenzen eines Lernenden beziehen, welche dazu führen, dass diese Lernenden optimale Voraussetzungen für erfolgreiches Fremdsprachenlernen erfüllen. Ebenso wurden die anderen individuenspezifischen Faktoren bei der Untersuchung außer Acht gelassen, so wie beispielweise die Sprachlerneignung, welche ebenso einen starken Einfluss auf die Lernenden hat. Somit ist es unwahrscheinlich den tatsächlichen Erfolg eines Lernenden allein an Hand seines Persönlichkeitstypus festlegen zu können. Außerdem existiert kein fremdsprachenspezifisches Instrumentarium, welches den Grad der Toleranz des einzelnen Lernenden misst. Folglich sind generelle Aussagen über ambiguitätstolerante und ambiguitätsintolerante Lernende lediglich Erwartungen (Riemer 1997:63), d.h. ob die optimalen Vorraussetzungen einiger Lernender im Fremdsprachenunterricht tatsächlich erfüllt werden, beruht lediglich auf Vermutungen.

Trotzdem wird die Relevanz der Ambiguitätstoleranz für den Englischunterricht deutlich, da sie eine Aussage über vermutliche Stärken und Neigungen der Lernenden trifft. Somit ist es nicht lediglich für den Lernenden von Vorteil, seinen Persönlichkeitstyp zu kennen und dadurch in der Lage zu sein, seine Stärken und auch Schwächen einschätzen zu können. Auch kann dieses Wissen für Lehrende bei der Gestaltung ihres Unterrichts vorteilhaft sein und generell zur Lehrer-Schüler Verständigung beitragen.

2.4 Zusammenfassung

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass zweifelsohne eine Beziehung zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen und dem Fremdspracherwerb existiert, da sie den Lernprozess eines jeden Lernenden beeinflussen. Auch wenn die Forschungsergebnisse bei keinem der hier beschriebenen Faktoren präzise belegen können, inwieweit ein Persönlichkeitsmerkmal tatsächlich den Erfolg oder Misserfolg eines Lernenden im Fremdsprachenunterricht bestimmt, so verdeutlichen sie dennoch die unterschiedlichen Verhaltensweisen, die ein Lernender im Englischunterricht, aufweisen und wie er/sie auf seine/ihre Lernerumgebung reagieren könnte.

So zeigen die Forschungsergebnisse zur Intro-/Extraversion, zur Risikobereitschaft, als auch zur Ambiguitätstoleranz, dass jeder Lernender gewisse Präferenzen und Neigungen, bezüglich ihres/seines Verhaltens im Fremdsprachenunterricht, aufweist. Diese, durch die Persönlichkeit beeinflussten Präferenzen, bestimmen die Vorgehensweisen und eventuell auch die Effektivität eines Lernenden in einzelnen Bereichen des Englischunterrichts. Somit sind die Persönlichkeitsmerkmale zweifellos eng mit der Individualität eines Lernenden verbunden und müssen folglich im Englischunterricht Berücksichtigung finden.

Damit überschneidet sich der Bereich der Persönlichkeitsmerkmale mit einem weiteren Bereich der individuellen Unterschiede; und zwar dem der Lernstile, welche, im Gegensatz zu den Persönlichkeitsmerkmalen, einen noch präziseren Überblick über die Lernpräferenzen eines Lernenden geben. Diese werden in Kapitel 4 näher betrachtet.

3 Sprachlerneignung

Es ist zweifelsohne ein Faktum, dass sich Lernende in ihrer Fähigkeit sich eine Fremdsprache anzueignen unterscheiden und somit ist auch die Sprachlerneignung ein wichtiger Faktor, welcher die Individualität eines Lernenden im Fremdsprachenunterricht ausmacht. Alltagssprachlich bezeichnet die Sprachlerneignung die Sprachbegabung eines Individuums. Näher betrachtet, beschreibt sie allerdings das Potential eines Lernenden sich neues Wissen und neue Fähigkeiten anzueignen (Dörnyei 2005:32). Dies bedeutet, dass die Sprachlerneignung eine Fähigkeit ist, welche nicht auf bestimmte Lernende beschränkt ist, wie es der Begriff der Sprachbegabung andeuten würde. Vielmehr weist der Begriff der Sprachlerneignung auf das Maß dieser Fähigkeit hin (Edmondson/House 1993:193)

Die Sprachlerneignung weist zum Teil ähnliche Eigenschaften auf, wie die oben betrachteten Persönlichkeitsmerkmale eines Individuums, indem sie, wie die Persönlichkeit eines Lernenden, unveränderbar und somit auch im Englischunterricht nicht beeinflussbar ist.

Die Eignung eines Lernenden ist für Lehrende außerdem von besonderer Bedeutung, da sie, laut Sternberg, der Faktor ist, welcher die schulischen Leistungen eines Lernenden am meisten beeinflusst (in Dörnyei 2005:31). Dies ist zweifellos auch im Englischunterricht der Fall, da das Talent der einzelnen Lernenden, eine Fremdsprache zu erlernen selbstverständlich variiert. Daher ist ihre Berücksichtigung von Seiten des Lehrenden eine wichtige Voraussetzung um die Individualität der einzelnen Schüler/innen zu fördern und dadurch auch gleiche Chancen für jeden Lernenden zu schaffen.

Da die Sprachlerneignung einen der wichtigsten Faktoren für den Sprachlernprozess darstellt, wurde auch eine beträchtliche Anzahl von Forschungen zu diesem Faktor betrieben, welche zum Teil weit zurückreichen. Eine der wichtigsten Studien wurde bereits in den 1950er Jahren von Carroll und Sapon betrieben (Carroll/Sapon 1959). Zusammen entwickelten sie den Modern Language Aptitude Test (kurz MLAT), welcher eine Prognose über den zu erwartenden Erfolg des Lernenden, eine Fremdsprache zu erlernen, geben sollte. Speziell wurde er dafür entwickelt, um Lernende in den jeweils, der Sprachlerneignung entsprechenden, Intensivsprachkurs einzuteilen. Eine Reihe anderer solcher Eignungstests folgten, beispielsweise der Defense Language Aptitude Battery Test oder aber Pimsleurs Language Aptitude Battery, welche vor allem für die Messung der Sprachlerneignung von Schülern der High-School verwendet werden sollte (Skehan 2002:73). Dennoch gilt der MLAT als der Bedeutsamste, welcher dadurch auch in der Fremdsprachenforschung am häufigsten verwendet wurde.

Die Sprachlerneignung, welche durch den MLAT gestestet werden kann, besteht nicht lediglich aus einer allgemeinen Begabung, sondern aus vier sogenannten Komponenten (vgl. Dörnyei/Skehan 2003:528). Diese lassen sich, wie folgt, einteilen:

1. phonetic coding ability (Phonologische Encodierungsfähigkeit): beschreibt die Fähigkeit unbekannte Laute zu identifizieren, so dass sie für mehr als einige Sekunden gespeichert und dadurch auch wiedererkannt werden können.
2. grammatical sensitivity (Grammatisches Einfühlungsvermögen): ist die Fähigkeit syntaktische Funktionen von Wörtern in Sätzen zu identifizieren
3. inductive language learning ability (induktive Sprachlernfähigkeit): beschreibt die Fähigkeit aus vorliegendem Material in der Zielsprache Verallgemeinerungen formulieren zu können und somit in der Lage zu sein, diese auf andere Kontexte zu übertragen.
4. rote learning ability oder associate memory (Gedächtnisleistung): ist die Fähigkeit neue Wortstrukturen schnell zu erkennen und zu speichern und in der Lage zu sein, eine Verknüpfung zwischen ihnen und den muttersprachlichen Wörtern herzustellen (Dörnyei/Skehan 2003:529).

Wie die Tabelle zeigt, stammen die einzelnen Komponenten der Sprachlerneignung aus verschiedenen Kategorien; so beziehen sich zwei Komponenten auf die Verarbeitung sprachlichen Materials, sie betonen somit die analytische Herangehensweise an das Fremdsprachenlernen. Eine weitere Komponente beschäftigt sich mit der auditiven Seite des Sprachlernprozesses und die letzte Komponente bezieht sich auf die Beziehung zwischen dem Sprachlernprozess und der Gedächtnisleistung. Durch diese Einteilung, in vier unabhängige Faktoren, besteht die Möglichkeit, diese getrennt voneinander zu testen.

[...]


[1] Obwohl die biologischen Faktoren, wie das Alter und das Geschlecht des Lernenden, in dieser Arbeit nicht im Einzelnen untersucht werden, so sind sie dennoch zweifelsohne äußerst wichtige Einflussfaktoren, bezüglich des Erlernens einer Fremdsprache (dies wird in Kapitel 5.1 angeschnitten). Allerdings sind diese Faktoren überaus schwierig zu untersuchen. Sie können keinesfalls isoliert betrachtet werden, da sie einen Einfluss auf alle individuellen Faktoren ausüben. Somit würde die Betrachtung dieser Faktoren einen Großteil der Arbeit einnehmen und daher habe ich von ihrer Einbeziehung abgesehen.

Ende der Leseprobe aus 76 Seiten

Details

Titel
Individualität und Möglichkeiten ihrer Berücksichtigung im Englischunterricht
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
76
Katalognummer
V299197
ISBN (eBook)
9783656954057
ISBN (Buch)
9783656954064
Dateigröße
839 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
individualität, möglichkeiten, berücksichtigung, englischunterricht
Arbeit zitieren
Anja Benthin (Autor:in), 2008, Individualität und Möglichkeiten ihrer Berücksichtigung im Englischunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299197

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