Möglichkeiten und Grenzen eines handlungsorientierten Unterrichts mit dem Ziel der Förderung von ganzheitlichem Lernen


Hausarbeit, 2015

14 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Definition und Abgrenzung kontextspezifischer Begrifflichkeiten

3. Zur Problematik der Eintönigkeit alltäglicher Unterrichtsmethoden

4. Chancen eines handlungsorientierten Unterrichts

5. Ganzheitlichkeit als Kern handlungsorientierten Lernens

6. Wissen instruieren und konstruieren - Grenzen ganzheitlichen Lernens

7. Fazit

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mit der Wiederentdeckung reformorientierten Unterrichts sowie Unterrichtskonzepten, die Offenheit, Selbsttätigkeit oder Ganzheitlichkeit in den Mittelpunkt stellen, gewinnt die Kernidee Johann-Heinrich Pestalozzis Pädagogik wieder zunehmend an Bedeutung. „Herz, Kopf und Hand sollen […] gleichermaßen gefördert werden, denn sie bilden für Pestalozzi die drei Hauptwurzeln der Vollkommenheit des Menschen, wie sie nach seinem Verständ- nis göttlich angelegt ist.“1 Schulischer Unterricht, der diese Kernelemente in den Mit- telpunkt stellt und somit nicht nur reine Kopfarbeit, sondern auch alle anderen men- schlichen Sinne mit einbezieht, basiert in psychologischer Hinsicht auf Auffassungen, dass Ganzheitlichkeit, also „ein Erlebnisganzes nicht aus der Summe der einzelnen Empfind- ungs-, Gefühls- und Willenselemente besteh[t]“2, sondern mehr als das sein muss. Mit Einzug in die Pädagogik plädierte bspw. Berthold Otto für „einen vom Kinde aus, von seiner Neugierde und seinem Interesse geleiteten Unterricht“3, der in dieser Form von ihm als natürlicher Unterricht aufgefasst wird.

Das Konzept der Ganzheitlichkeit im schulischen Unterricht soll in der vorliegenden Ar- beit genauer untersucht werden. Hierfür wird zunächst dargestellt, wie alltäglicher Unter- richt an vielen deutschen Schulen durch eintönige Verwendung von Unterrichtsmethoden Möglichkeiten der Selbsttätigkeit und multisensorischer Wahrnehmung von Lerninhalten verhindert. Unterricht, der methodisch zu einseitig geplant und durchgeführt wird, lässt wenig Raum für Handlungsorientierung; Potentiale eines handlungsorientierten Unterrichts sollen im anschließenden Teil der Arbeit thematisiert werden, um herauszuarbeiten, wie das Problem der „methodischen Monostruktur alltäglichen Unterrichts“4 mit Hilfe von ganzheitlich orientierten Lehr- und Lernprozessen durchbrochen werden kann.

Mit der Thematisierung von Handlungsorientierung wird daher vertiefend auf den Aspekt der Ganzheitlichkeit eingegangen und dargestellt, inwieweit diese Form des Lernens als Kern handlungsorientierten Unterrichts angesehen werden kann.

Abschließend sollen Grenzen ganzheitlichen Lernens aufgezeigt werden, indem zunächst allgemein auf mögliche problematische Aspekte reformorientierten Unterrichts eingegangen wird. Davon ausgehend soll diskutiert werden, an welchen Stellen des Lehrens und Lernens Schülerzentrierung und damit die selbstständige Konstruktion von Wissen an ihre Grenzen stößt und ob Formen der direkten Instruktion tatsächlich keinen Platz im reformorientierten Unterricht haben und daher prinzipiell nachrangig sein müssen.

2. Definition und Abgrenzung kontextspezifischer Begrifflichkeiten

Zum besseren Verständnis soll zunächst kurz auf einige Begrifflichkeiten eingegangen werden, die im weiteren Verlauf dieser Arbeit wiederholt aufgegriffen werden und für die es zunächst einer Definition und Abgrenzung bedarf.

Im reformorientierten Unterricht wird versucht, lehrerzentrierte Phasen möglichst gering zu halten. Vielmehr soll eine Lernumgebung für die Schülerinnen und Schüler5 arrangiert werden, die eine Öffnung des Unterrichts ermöglicht. Der Begriff „Offenheit“ ist jedoch vielseitig interpretierbar und daher problematisch, da nicht deutlich wird, was genau mit „Offenheit“ gemeint ist: „Die Verwendung von Offenheit in ganz unterschiedlichen pädagogischen Bezügen und ihre Übertragung auf nahezu alle im Zusammenhang mit Unterricht und Schule zu vollziehenden Tätigkeiten lassen diesen Begriff insbesondere für die Schulpraxis häufig recht konturenlos erscheinen.“6

Im Allgemeinen bezeichnet Offenheit in diesem Zusammenhang jedoch Formen eines handlungsorientierten Unterrichts, der die SuS in den Mittelpunkt stellt und ihnen durch induktive Vorgehensweisen bei der Wissensvermittlung selbstständiges und selbsttätiges Lernen ermöglicht. Als methodisch-didaktisches Konzept ist handlungsorientierter Unterricht schülerzentriert und grenzt sich von lehrerzentriertem Unterricht ab, in dem oft deduktiv Wissen vermittelt bzw. instruiert wird.

Eng verbunden, jedoch nicht mit Handlungsorientierung gleichzusetzen, ist der Aspekt der Ganzheitlichkeit. Wie einführend kurz angedeutet, umfasst dieser Ansatz der klassischen Reformpädagogik ein Lernen mit Kopf, Herz und Hand. „Von Wichtigkeit für die heutige Zeit bleibt […] die Idee der Ganzheit, die […] von der humanistischen Psychologie als In- tegrationsleistung einer Person bezeichnet wird, nämlich die Integration aller Dimensionen (kognitiv, affektiv, motivational und wertend) in die personale Struktur.“7

Um diese Dimensionen fördern zu können, ist ganzheitliches Lernen ebenso mit dem Anspruch verbunden, entsprechende Lerngelegenheiten zu schaffen, die den SuS Lernen durch Erfahrungen ermöglichen: „Dem Lernen aus Erfahrung wird besondere Bedeutung beigemessen, da das selbst Erfahrende von den Heranwachsenden unmittelbar empfunden wird und sich daher nachhaltiger einprägt.“8

Bevor vertiefend auf Potentiale handlungsorientierten Unterrichts und der Idee des ganzheitlichen Lernens eingegangen wird, soll im folgenden Teil mit Hilfe Hilbert Meyers Bestandsaufnahme bezüglich alltäglicher Unterrichtsmethoden9 eine Problematik thematisiert werden, die durch eine Hinwendung zu schülerzentrierten Unterrichtsformen nachhaltig verbessert werden könnte.

3. Zur Problematik der Eintönigkeit alltäglicher Unterrichtsmethoden

Dem reformorientierten, offenen Unterricht steht an vielen deutschen Schulen nach wie vor ein stark lehrerzentrierter Unterricht gegenüber, in dem Lehrerinnen und Lehrer immer wieder die gleichen Methoden und Sozialformen zur Stoffvermittlung wählen. Dieses ein- tönige Vorgehen ermöglicht SuS wenig Mitbestimmung und aktive Beteiligung am Unter- richtsgeschehen; die Lehrperson ist die zentrale Steuerungsinstanz im Unterricht. „Dadurch kommt es zu einer Arbeits- und Unterrichtsstruktur, die weitgehend allein vom Lehrer/von der Lehrerin als Entscheidungsträger/in geprägt ist und für die Schülerinnen und Schüler allein die Rolle des/der Reagierenden und Ausführenden vorsieht.“10 Befragt man SuS zu dieser Problematik, zeigt sich ein klares Bild: Die meisten wünschen sich „einen starken Lehrer, aber nicht, weil sie sich gern dirigieren ließen, sondern umgekehrt, weil sie nur von einem solchen Lehrer erhoffen können, daß er für eine produktive, Handlungsspielräume eröffnende Unterrichtssituation sorgt.“11 Stattdessen erfahren SuS ein monotones Method- enrepertoire von Lehrerinnen und Lehrern. Direkte Instruktion und gelenkte Unterrichtsge- spräche sind vielerorts vorherrschend und produzieren einen „Regelkreis der Langeweile“12, der aus zu langen lehrerzentrierten Unterrichtsphasen resultiert und die SuS lediglich verbal fordert. Sie müssen auf Fragen ihrer LehrerInnen antworten und sollen dabei die meiste Zeit ruhig auf ihren Stühlen sitzen.

Die Langeweile wird des Weiteren dadurch hervorgerufen, dass SuS nur selten an Planung, Durchführung und Auswertung von Unterricht beteiligt sind. So bleibt dieser nur wenig schüleraktivierend und „der Körper wird immer mehr zur Prothese der Schülerköpfe“13. Basierend auf der empirischen Erhebung „Methodenrepertoire von Lehrern“ (Klaus Hage u.a. 1985) fasst Meyer (1989) zusammen, dass die Methodenstruktur alltäglichen Unter- richts „lehrerzentriert, eintönig und verkopft“14 ist. Stattdessen braucht alltäglicher Unter- richt abwechslungsreichere Sozialformen, auf die Lerninhalte abgestimmte Unter- richtsmethoden und vor allem Gesprächsformen, die nicht von der Lehrperson in eine bes- timmte Richtung gelenkt werden, sondern die klare Markierungspunkte beinhalten, „an denen die Schüler einen Kompetenzgewinn im Diskutieren, Argumentieren, Problemlösen usw. festmachen können.“15

Es geht dabei nicht nur um die Methodenkompetenz der Lehrerinnen und Lehrer, sondern ebenso um die der SuS. So war schon „für die Klassiker der Pädagogik wie Pestalozzi, Herbart oder Humboldt und erst recht für die Reformpädagogen […] selbstverständlich, daß der Schüler Methode haben müsse […].“16 Von dieser generellen Auffassung der anzustrebenden Kompetenzen von SuS lassen sich Grundprinzipien schülerzentrierten Un- terrichts ableiten, die im nachfolgenden Teil genauer untersucht werden. Dazu zählen „Selbstbestimmtes und mitbestimmendes Lernen, Individualisierung, Ganzheitlichkeit sowie Handlungsorientierung.“17

[...]


1 Pfeiffer, Silke (2013): Reformpädagogische Konzepte. S. 45.

2 Kern, Arthur (1965): Die Idee der Ganzheit. In: Friedel, Doris (1994): Persönlichkeitsentwicklung und ganzheitlicher Unterricht. S. 17.

3 Friedel, Doris (1994): Persönlichkeitsentwicklung und ganzheitlicher Unterricht. S. 17.

4 vgl. Meyer, Hilbert (1989): Unterrichtsmethoden aus Schülersicht oder das Bermuda-Dreieck der Didaktik. S. 113.

5 nachfolgend als „SuS“ bezeichnet

6 Jürgens, Eiko (2009): Die neue Reformpädagogik und die Bewegung Offener Unterricht. S. 16.

7 Friedel, Doris (1994): Persönlichkeitsentwicklung und ganzheitlicher Unterricht. S. 23.

8 Pfeiffer, Silke (2013): Reformpädagogische Konzepte. S. 46.

9 vgl. Meyer Hilbert (1989): Unterrichtsmethoden aus Schülersicht oder das Bermuda-Dreieck der Didaktik. S. 108.

10 Jürgens, Eiko (2009): Die neue Reformpädagogik und die Bewegung Offener Unterricht. S. 13.

11 Ebd.

12 Meyer, Hilbert (1989): Unterrichtsmethoden aus Schülersicht oder das Bermuda-Dreieck der Didaktik. S. 112.

13 Ebd. S. 113.

14 Ebd. S. 114.

15 Ebd. S. 114.

16 Ebd. S. 112.

17 vgl. Resinger, Paul Josef (2008): Schüler in den Mittelpunkt. S. 37.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Möglichkeiten und Grenzen eines handlungsorientierten Unterrichts mit dem Ziel der Förderung von ganzheitlichem Lernen
Hochschule
Universität Kassel  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Reformorientierter Unterricht - Konzepte, Empirie und Kritik
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V299237
ISBN (eBook)
9783656955931
ISBN (Buch)
9783656955948
Dateigröße
487 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
möglichkeiten, grenzen, unterrichts, ziel, förderung, lernen
Arbeit zitieren
Kevin Salzmann (Autor:in), 2015, Möglichkeiten und Grenzen eines handlungsorientierten Unterrichts mit dem Ziel der Förderung von ganzheitlichem Lernen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299237

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Möglichkeiten und Grenzen eines handlungsorientierten Unterrichts mit dem Ziel der Förderung von ganzheitlichem Lernen



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden