Die Umsetzung und Entwicklung australischer Sprachenpolitik


Hausarbeit, 2014

28 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINFÜHRUNG

2. SPRACHENDEMOGRAPHIE AUSTRALIENS

3. SPRACH(EN)POLITISCHE ENTWICKLUNG
3.1. ADULT MIGRANT ENGLISH PROGRAM
3.2. WHITE AUSTRALIA POLICY VS. UNIVERSAL MIGRATION POLICY
3.3. NATIONAL POLICY ON LANGUAGES - 1984 BIS HEUTE
3.4. THE AUSTRALIAN NATIONAL DICTIONARY
3.5. NATIONAL LANGUAGES AND LITERACY INSTITUTE OF AUSTRALIA
3.6. COMMUNITY LANGUAGES VS. ASIAN LANGUAGES
3.7. AUSTRALIAN STANDARD CLASSIFICATION OF LANGUAGES
3.8. ERREICHTE ZIELE UND KRITIK
3.8.1. BILINGUAL SCHOOLS PROGRAMM
3.8.2. FÖRDERUNG VON COMMUNITY LANGUAGES
3.8.3. FÖRDERUNG INDIGENER SPRACHEN

4. POLITIKEXTERNE FÖRDERUNGSINITIATIVEN

5. AUSBLICK UND DISKUSSION

6. BIBLIOGRAPHIE

7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

8. ANHANG

1. EINFÜHRUNG

Australien ist ein Land mit einer einzigartigen, komplexen Sprachenvielfalt. Austra- lien, der flächenmäßig sechstgrößten Staat der Erde, ist mit etwa 23 Mio. Men- schen verhältnismäßig dünn besiedelt. Mehr als zwei Drittel davon (69%) leben in Großstädten2, die auch als Anzugspunkte für Menschen aus aller Welt dienen und multikulturell durchflochten sind. Aber auch im schwach besiedelten Hinterland, sorgt eine Vielzahl indigener Kulturen für einen sprachlichen Reichtum. Doch wie wird mit diesem Reichtum an Sprachen umgegangen? Welche Politik kann einer derartigen Komplexität an Sprachenlandschaft gerecht werden? Mit Hinblick auf vergangene Zeiten wird klar, dass dieser Umgang eine große Herausforderung dar- stellt, die lange Zeit unterschätzt wurde.

Few people seem to know or care that most of Australia’s 250 languages have already vanished and few are likely to survive over the long term. (Nettle and Romaine 2000)

In der folgenden Arbeit wird zunächst die Entwicklung der australischen Sprachenlandschaft grob erörtert. Als nächstes wird die Sprachenpolitik Australiens von ihren Wurzeln bis heute zusammengefasst und kritisch beleuchtet. Im Folgenden werden alternative, politikunabhängige Sprachförderungsinitiativen vorgestellt. Abschließend wird ein Ausblick gegeben.

2. SPRACHENDEMOGRAPHIE AUSTRALIENS

Australien ist aufgrund historischer und geographischer Gegebenheiten eine der komplexesten Sprachenlandschaften der Welt, welche laut der National Policy on Languages von 1987 grob in drei Gruppen eingeteilt werden kann. (vgl. LoBianco 2009:1-2)

(i) the indigenous category, highly differentiated with several English varieties, pigeons, creoles and its original languages;
(ii) the settler group with the transplanted southern forms of British Eng- lish, the interaction of these with other languages, mostly Irish lea- ding to the emergence of a relatively homogeneous English across the country and (iii) the immigration group of the second half of the 20th century, intro- ducing more than 350 languages according to the 2006 Census, in- to the homes of Australians, each subject to modification reflecting the new landscape, new communicative ecologies and new statu- ses.

Die indigene Bevölkerung Australiens setzt sich aus den Aborigines des Festlands und den Torres-Strait-Insulanern zusammen, die auf den Inseln der Torres-Straße zwischen Queensland und Papua-Neuguinea leben. Laut einer NTV Reportage „Australien will indigene Sprachen retten: Hunderte Dialekte verschwunden“ von 2010 wurden am Ende des 18. Jahrhunderts, als die ersten Siedler aus Großbritan- nien eintrafen, noch 250 unterschiedliche indigene Sprachen und zwischen 500 und 600 Dialekte in Australien gezählt. Seit Beginn der Kolonialisierung kam es zu ei- nem rasanten Rückgang indigener Sprachen, obgleich die Gesamtanzahl aller im Land gesprochenen Sprachen zugenommen hat aufgrund des starken Zuwande- rungsstroms. Fesls spricht in diesem Zusammenhang von der „rapidity and finality of the deaths of 145 languages in 186 year“. (Fesls 1987:13 zit. durch LoBianco 1990: 7) Die folgende Karte stellt eine der ersten Karten dar, die eine geographi- sche Verteilung der Aborigine und Torres Strait Islander Sprachen zeigen. (vgl. An- hang I einer aktuellen interaktiven Karte der indigenen Sprachenlandschaft Austra- liens)

Dieser Sprachenverlust wurde durch eine Vielzahl an Faktoren beeinflusst wie z.B. dem Massensterben von Aborigines und Torres Strait Islandern bedingt durch Er- mordung, importierte Krankheiten, der Zwangsumsiedelung in Reservate, der for- cierten Zusammenführung von Menschen ohne gemeinsame Sprache und dem Verbot der Verwendung indigener Sprachen. Selbst bis in die 1970er nahm man indigenen Familien die Kinder weg und gab sie in die Obhut europäisch stämmiger Bürger oder in Heime, um ihnen Bildung zu garantieren (vgl. Behrends 2012); man könnte gar sagen, es handelte sich um eine Zwangsassimilation.

Aufgrund der geographischen Abgelegenheit und der rauen Vegetation konnte in- sbesondere im Nordwesten des Landes eine Vielzahl indigener Völker der grausa- men und konsequenten Politik der Kolonialherren entkommen und ihr ursprüngli- ches Leben, einschließlich des Gebrauches ihrer Stammessprachen, weitgehend fortführen. Heute gibt es immer mehr sogenannte „Outstations“, Landstriche, die ursprünglich Heimat indigener Bevölkerungsgruppen waren und wieder besiedelt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.1: Die Gliederung der australischen Sprachen : geographische, bibliographi- sche, linguistische Grundzüge der Erforschung der australischen Sprachen. (Quelle Schmidt, Wilhelm 1919).

So gibt es laut der Arte Découvert Reportage Zurück zu den Wurzeln allein in der Region Arnhem Land im Northern Territory, im Norden des Landes allein über 100 Aborigine Clans, innerhalb welcher häufig mehr als eine Sprache gesprochen wird. (vgl. Abbildungen 2 und 3). Im Südosten hingegen, wo sich die ersten Siedler nie- dergelassen hatten, dominiert heute vorwiegend die englische Sprache sowie zahl- reiche Minderheitensprachen, deren Gebrauch migrationsbedingt in den letzten Jahrzehnten rasant angestiegen ist.

1990 zählten laut LoBianco (1990: 5f) etwa ein Prozent3 der Australier zu den Abo- rigines, welche die am stärksten benachteiligte Gruppe des Landes darstellt. Ihre Lebenserwartung liegt unter anderem aufgrund des weit verbreiteten Alkoholismus Bevölkerung, die Kindersterblichkeit sogar doppelt so hoch.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.2: Die Linguistic Map of Australia.

(Quelle: http://www.200stran.ru/maps_group8_item364.html

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb.3: Estimates of Aboriginal and Torres Strait Islander Australians.

(nach http://www.abs.gov.au/ausstats/abs@.nsf/mf/3238.0.55.001).

Insbesondere im Northern Territory, wo 30% der 200.000 Einwohner indigener Ab- stammung sind, wird ersichtlich, das die Ethnie und damit verbundene Sprache in Korrelation mit sozialen Missständen steht. Laut Grimes (2009) sind 80% der Häft- linge im Northern Territory Aborigines. Die World Bank begründet dieses Phänomen mit einem unzureichend bilingualen Unterricht im Northern Territory.4

Fifty percent of the world’s out-of-school children live in communities where the language of schooling is rarely, if ever, used at home. This underscores the biggest challenge to achieving Education for All (EFA): a legacy of non-productive practices that lead to low levels of learning and high levels of dropout and repetition. - The World Bank (2005:1)

So zeigen aktuelle Analysen der National Aboriginal and Torres Strait Islander So- cial Befragung (NATSISS) des Australischen Amts für Statistik folgende Korrelatio- nen:

Aboriginal and Torres Strait Islanders who speak Indigenous languages have markedly better physical and mental health, are more likely to be employed and are less likely to abuse alcohol or be charged by the police Aboriginal and Torres Strait Islander 13 to 17 year olds in urban and regional areas are more likely to attend school if they speak an Indigenous language Aboriginal and Torres Strait Islander youth in remote areas who speak an Indigenous language are less likely to engage in high risk alcohol consumption and illicit substance use, and to have been a victim of physical or threatened violence. (ILS 2014)

Im Folgenden wird auf verschiedene politische Maßnahmen sowie nicht-staatliche Initiativen zur allgemeinen Sprachenförderung eingegangen. Dabei zeichnet sich eine Entwicklung ab beginnend mit einer reinen Englisch-Sprachförderung, über eine Sprachenpolitik mit dem Fokus auf selektierte, wirtschaftlich relevante Spra- chen bis hin zur aktuellen Sprachenpolitik, die die Förderung kulturell bereichernder Sprachen miteinschließt.

3. SPRACH(EN)POLITISCHE ENTWICKLUNG

3.1. Adult Migrant English Program

Das Adult Migrant English Program (AMEP) gilt als Australiens größter und erfolg- reichster sprachpolitischer Eingriff. Das Programm wurde unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg (1948) initiiert um Europäern die Einwanderung nach Australien zu erleichtern und bietet bis heute jedem seiner Schüler 510 Stunden kostenfreien Englischunterricht. Mittlerweile nützt es etwa 30.000 neuen Einwanderern pro Jahr und umfasst nicht nur sprachliche Lektionen sondern auch interkulturelle Trainings- einheiten. (vgl. Piller et. al. 2011: 594). AMEP wird in 250 Einrichtungen des Landes angeboten. 1969 wurde es zudem durch den Child Migrant Education Act syste- matisch erweitert. (vgl. LIL 2014: 9)

Die Effizienz hinsichtlich der Stundenzahl bleibt dabei sehr umstritten. There can be no doubt that the AMEP is an excellent language-teaching programme and similar national programmes, which are starting to deve- lop in other countries, are an important step to the social inclusion of migrants. At the same time it needs to be recognized that, even under excellent language-learning conditions, not all adults will learn a new language to the high standard of proficiency needed to negociate some […] complex contexts. (Collier, 1989; Lake, 2004, zitiert durch Piller et al. 2011: 594)

Es kann geschlussfolgert werden, dass die Relevanz eines guten Englischunterrichts zur Integration der Migranten bereits früh erkannt wurde und sprachpolitisch gefördert wurde. Allerdings sollte bald erkannt werden, dass nicht allein der Englischunterricht für eine erfolgreiche Eingliederung verantwortlich ist.

3.2. White Australia Policy vs. Universal Migration Policy

Laut der Sprachenförderungsorganisation Lilama, zeichnete sich bereits in den frühen 1970ern eine neue Ideologie zum Schutz von Sprachen ab.

For the first time in Australian history languages other than English became the object of positive and direct attention. This shift was cau- sed largely by the active engagement of second generation ‘new’ Aus- tralians in policy making. More secure in their knowledge of Eng- lish, using the instruments of compulsory voting and secure citi- zenship, a new discourse of treating the community languages of the na- tion as a resource and seeking intergenerational multilingualism took hold. (LIL 2014: 7)

Die Entwicklung hin zum Schutz anderer Sprachen ging einher mit der Öffnung des Arbeitsmarktes für Einwanderer aus asiatischen Ländern. Die sogenannte „White Australia Policy“, die bis dato geführt wurde, durch die vorwiegend Nord- und Osteuropäer angezogen wurden, fand damit ein Ende und wurde von der „Universal Migration Policy“ abgelöst. Gleichzeitig wurde der indigenen Bevölkerung erstmals in den 1970ern das Wahlrecht eingeräumt. (vgl. AUG 2013)

Um Australien als Zuwanderungsland attraktiver zu gestalten begann die Regierung Mitte der 70er zunehmend lokale und Welt-Nachrichten mehrsprachig5 anzubieten, beginnend in Sydney, Melbourne und schließlich landesweit. So wurde von der Re- gierung 1978 der Special Broadcasting Service (SBS) ins Leben gerufen, ein Ra- dio- und Fernsehservice zur Bereitstellung von Nachrichten, Sport und Sterteilt sich in eine TV und eine Radio Sparte, die teils im Fernsehen, Radio oder opielfilmen in vielen verschiedenen Sprachen, der weltweit Anerkennung fand. (vgl. ebd.) Der SBS unnline auf der Website des SBS Informationen und Unterhaltungsprogramme bereitstellt. Auf der Website wird eine Auswahl an 75 verschieden Sprachen gelis- tet, in denen Nachrichten zusammengetragen werden sollen. Bei genauerer Be- trachtung wird leider ersichtlich, dass Aborigine und Torres Strait Islands Sprachen unter der Kategorie „aboriginal“ zusammengefasst werden. Auf dem entsprechen- den Channel Living Black News werden lediglich Nachrichten zum Thema Miss- stände und Hilfsinitiativen für Aborigines und Torres Strait Islander veröffentlich, jedoch nicht in deren Sprachen. In fast allen anderen Sprachen (wie z.B. Paschtu- nisch oder Thai) hingegen sind News in der jeweiligen Sprache sowohl in Schrift- form als auch in Form von Radioaufnahmen zu finden. Unter dem Punkt ‚Translati- on Services‘ wird ersichtlich, dass Übersetzer für lediglich 68 Sprachen verfügbar sind, was gewiss erklärt, weshalb viele Sender/Websites nur englische Nachrichten enthalten. Thematisch gibt es zudem deutliche Unterschiede auf den jeweiligen Seiten. So werden auf Seiten in Sprachen, die vorwiegend in Flüchtlingsländern gesprochen werden, eher soziale Aspekte thematisiert, wohingegen auf den Seiten in Wirtschaftssprachen eher ökonomische Themen im Fokus stehen.

1973 führte die australische Regierung ein 24h-Telefon-Dolmetsch-Dienst ein, der insbesondere Immigranten ermöglichen soll kostenfrei Dolmetsch-Unterstützung bei Arztbesuchen oder Behördengängen zu bekommen. (vgl. ebd.). Inwieweit dieser Service damals den Anforderungen der Mehrsprachigkeit gerecht wurde bleibt of- fen. Wobei davon auszugehen ist, dass der Dolmetsch-Dienst auf eine Hand voll europäischer Sprachen beschränkt blieb. Heute werden mehr als 160 Sprachen und Dialekte durch 2400 professionelle Dolmetscher abgedeckt. Indigene Sprachen werden durch diesen Dolmetsch-Dienst nicht abgedeckt, vermutlich, da viele Abori- gine Sprachen über eine sehr geringe Anzahl an Sprecher verfügen und es ein ho- her Kostenaufwand ist für diese Bevölkerungsgruppen Dolmetscher zu qualifizieren. Sicher ist es auch offensichtlich, dass der Staat diese Mittel nutzt um neue Zuwan- derer anzuziehen und die indigene Bevölkerung darum nicht im Vordergrund des Projekts steht. Als Ausgleich gibt es Bemühungen der einzelnen Bundesterritorien vergleichbare Dienstleistungen für die indigene Bevölkerung anzubieten.6 So ver- fügt das Northern Territory (NT) über etwa 400 Dolmetscher, welche mit mehr als 100 Sprachen und Dialekten die Mehrheit aller indigener Sprachen des Bundes- staats abzudecken sollen. Leider ist diese Dienstleistung gemäß der NT- Regierungswebsite nicht kostenfrei, sondern kostet mindestens 140AU$.

[...]


2 Baxter et al. (2011): Families in regional, rural and remote Australia.

3 2 % laut N-tv.de (Hrsg.)(2010): Australien will indigene Sprachen retten: Hunderte Dialekte ver- schwunden. und einer hohen Arbeitslosigkeit im Schnitt 11,5 Jahre geringer als die der übrigen

4 Mehr zu den Einflüssen des bilingualen Unterrichts auf Bildung und Arbeitsmarkt siehe in: The World Bank. Human Development Network (2005): Language of learning, language of instruction: implica- tions for achieving education for all.

5 Albanisch, Amharisch, Bosnisch, Kantonesisch, Kroatisch, Dinka, Englisch, Französisch, Griechisch, Hebräisch & Jiddisch, Ungarisch, Japanisch, Khmer, Koreanisch, Mazedonisch, Mandarin, Polnisch, Samoanisch, Serbisch, Tigrinja, Vietnamesisch.

6 http://www.ashm.org.au/images/State_interpreter_services.pdf

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Die Umsetzung und Entwicklung australischer Sprachenpolitik
Hochschule
Universität Mannheim  (Romanistik)
Veranstaltung
Linguistic Diversity
Note
2
Autor
Jahr
2014
Seiten
28
Katalognummer
V299531
ISBN (eBook)
9783656963363
ISBN (Buch)
9783656963370
Dateigröße
2850 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Australien, Sprachenpolitik, Mehrsprachigkeit, Sprachenvielfalt
Arbeit zitieren
Katrin Klug (Autor:in), 2014, Die Umsetzung und Entwicklung australischer Sprachenpolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299531

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