2004 feierte Triest die fünfzigjährige Zugehörigkeit zu Italien. Zu diesem Anlass sprach Giuseppe Parlato, Professor für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Triest, über die Besonderheiten und Eigenarten der Stadt Triest, die das Ergebnis einer vielschichtigen und komplexen Geschichte sind: die ständige Präsenz der Nationalitäten- und Identitätsfrage, die Gegensätze innerhalb der Stadt und ihre Rolle als Vermittlerin zwischen den Kulturen. Claudio Magris und Angelo Ara charakterisieren die Stadt mit den prägnanten Worten: „Triest - Verkörperung eines Andersseins.“ Aber worin liegt der Ursprung dieses Andersseins?
Welche historischen Fakten und europaweiten Bewegungen spielen dabei eine Rolle? Welche gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Komponenten tragen zu dem spannungsreichen Gefüge Triests bei? Welche Auswirkungen hat das Anderssein auf das kulturelle Selbstverständnis der Stadt?
In drei Schritten analysiert die vorliegende Arbeit dieses Anderssein: In einem ersten Schritt lege ich knapp die Geschichte Triests, sowie die theoretischen Definitionen, Begriffskomponenten und Entstehungskontexte von Nation und Identität, dar. Dabei arbeite ich in erster Linie die Aspekte der Begrifflichkeiten heraus, die für das nationale Bewusstsein des multinationalen Triests von Bedeutung sind.
In einem zweiten Schritt beleuchte ich die Situation Triests um 1900, gehe auf die verschiedenen kulturellen Strömungen ein und konzentriere mich dabei auf die nationale Selbstwahrnehmung des italienischen Bevölkerungsanteils. Es stellt sich die Frage, warum genau das italienische Moment die Stadt beherrscht und wie sich diese Dominanz in der kulturellen Bewegung der Italianità beziehungsweise in der politischen Strömung des Irredentismus wiederspiegelt.
Im dritten Schritt überprüfe ich die kollektiven Wahrnehmungsmuster der italienischen Triestiner von ihrer Stadt an der subjektiven Selbst- beziehungsweise Fremdwahrnehmung der Schriftsteller Italo Svevo und James Joyce.
In einer abschließenden Bewertung gehe ich der Frage nach, inwieweit die multinationale Strömung der Triestinità die lange Zeit dominierende Bewegung der Italianità nach dem Anschluss an Italien ablöst und worin dieser Mentalitätswandel begründet liegt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung und Fragestellung
- Historischer Abriss
- Die Bedeutung von nationaler Identität für den Kulturraum Triest
- Allgemeine Definitionen und Eigenschaften des Nationenbegriffs
- Nationalität als Grundlage für Identität
- Die Bedeutung von Sprache als nationales Identifikationsmoment
- Die national geprägte Wahrnehmung (Der nationale Blick)
- Die kulturelle und nationale Konstellation in Triest um 1900
- Die Dominanz der Italianità im multinationalen Triest
- Die Italianità als kulturelle und alltägliche Bewegung
- Die Italianità als politische Bewegung und ihre radikale Ausformung im Irredentismus
- Die Diskrepanz zwischen dem vorgestellten Italien und der Realität nach 1918
- Die Chancen des Multikulturalismus und ihre Umsetzung – Entstehung einer literarischen Metropole
- Die literarische Umsetzung der nationalen Vielfalt
- Eine theoretische Einführung in die Literatur als kulturhistorische Quelle
- Die Selbstwahrnehmung eines Triestiners: Italo Svevo und seine Sicht auf Triest
- Ein Biographischer Abriss und Überblick über das Werk Italo Svevos
- Die Selbstwahrnehmung Italo Svevos am Beispiel von Zeno Cosini
- Kritik an der italienischen Sprache in Svevos Romanen
- Die Fremdwahrnehmung eines Iren: James Joyce und seine Sicht auf Triest
- Ein Biographischer Abriss
- Der Einfluss des Triest-Aufenthalts auf das literarische Werk von James Joyce
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Selbst- und Fremdwahrnehmung des multinationalen Kulturraums Triest um 1900 aus kulturhistorischer Perspektive. Sie beleuchtet die historische Entwicklung der Stadt, die Bedeutung nationaler Identität in diesem Kontext, sowie die kulturellen und politischen Strömungen, die Triest prägten.
- Die Bedeutung von nationaler Identität in einem multinationalen Umfeld
- Die Dominanz der Italianità in Triest und ihre Auswirkungen auf die Stadt
- Die literarische Darstellung der nationalen Vielfalt in Triest
- Die Selbst- und Fremdwahrnehmung des multinationalen Kulturraums in der Literatur
- Die Auswirkungen der multikulturellen Strömungen auf das kulturelle Selbstverständnis der Stadt
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Fragestellung der Arbeit vor und skizziert die wichtigsten Aspekte der Untersuchung. Das zweite Kapitel gibt einen kurzen historischen Abriss der Entwicklung Triests. Kapitel drei behandelt die Bedeutung von nationaler Identität für den Kulturraum Triest und beleuchtet verschiedene Aspekte des Nationenbegriffs. Kapitel vier analysiert die kulturelle und nationale Konstellation in Triest um 1900, insbesondere die Dominanz der Italianità. Kapitel fünf widmet sich der literarischen Umsetzung der nationalen Vielfalt in Triest, am Beispiel von Italo Svevo und James Joyce.
Schlüsselwörter
Nationalität, Identität, Kulturraum, Triest, Italianità, Multikulturalismus, Literatur, Italo Svevo, James Joyce, Selbstwahrnehmung, Fremdwahrnehmung, Historischer Abriss, Nationales Bewusstsein.
- Quote paper
- Rabea Haß (Author), 2005, Triest um 1900. Selbst- und Fremdwahrnehmung eines multinationalen Kulturraums, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299677