Pädagogische Interventionen in der offenen Jugendarbeit. Alltagskommunikative Praktiken


Hausarbeit, 2015

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1) Einleitung

2) Die Offene Jugendarbeit als pädagogisches Handlungsfeld
a) Rechtliche Grundlagen, Adressaten und Aufgaben im Überblick
b) Herausforderungen und Besonderheiten im Hinblick auf pädagogische Interventionen und Interaktionen zwischen Fachkräften und Besuchern

3) Jugendliche Akteure in der sozialpädagogischen Arena der Offenen Jugendarbeit
a) Formen der Alltagskommunikation
b) Die Pädagogen aus der Sicht der Jugendlichen

4) Pädagogische Interventionen im Rahmen der Offenen Jugendarbeit
a) Grundregeln und die pädagogische Bedeutung von Modulationen
b) Fehlerpotentiale

5) Fazit

6) Literaturverzeichnis

1) Einleitung

„Was `n das für n Spruch, Mensch, bist du Scheiße“ (Müller et al., 2008, S. 69). Ein Satz wie dieser würde von einem unwissenden Zuhörer[1] wohl eher einem Jugendlichen zugeordnet werden, als einem Pädagogen. Doch handelt es sich hier um eine pädagogische Intervention im Rahmen der Offenen Jugendarbeit. Insbesondere für Berufsanfänger stellt sich die Frage, wie Interventionen in einem von Alltagskommunikation geprägten Setting umgesetzt werden und wie die Pädagogen mit den Jugendlichen interagieren. Herrscht hier absolute Beliebigkeit, oder lassen sich Muster und Regeln erkennen? Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf den offenen Bereich in Jugendhäusern o.ä. Einrichtungen, in dem Jugendliche Freunde treffen, Spiel- und Sportangebote sowie Beratungsangebote wahrnehmen können. Strukturierte Kurse, Arbeitsgemeinschaften, etc. stehen hier nicht im Fokus. Zunächst wird das Handlungsfeld der Offenen Jugendarbeit vorgestellt und ein kurzer Überblick gegeben bezüglich der rechtlichen Grundlagen, Aufgaben und Adressaten. Desweiteren werden die Herausforderungen, denen sich Pädagogen in diesem Feld stellen müssen, identifiziert. Anschließend folgt eine Auseinandersetzung mit den Besuchern dieser Einrichtungen und ihren alltäglichen Kommunikationsformen sowie schließlich eine Analyse der Mittel und Regeln, die pädagogischen Interventionen in diesem Feld zugrundeliegen, aber auch der Fehlerpotentiale, die sich aus den Besonderheiten dieses Bereiches ergeben.

2) Die Offene Jugendarbeit als pädagogisches Handlungsfeld

a) Rechtliche Grundlagen, Adressaten und Aufgaben im Überblick

Die Jugendarbeit als sozialpädagogisches Handlungsfeld soll jungen Menschen, laut der Vorgabe des Sozialgesetzbuchs (§ 11 Abs. 1 SGB VIII), „die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote zur Verfügung stellen“ und „an den Interessen junger Menschen anknüpfen“. Betont werden diesbezüglich Partizipationsmöglichkeiten und Mitgestaltungsrechte der Adressaten, welche sie zur „Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen“ sollen.

Jugendarbeit werde sowohl von freien als auch öffentlichen Trägern gestaltet und umfasse neben der pädagogischen Arbeit in Jugendfreizeiteinrichtungen sowie Kinder- und Jugendhäusern eine weite Spannbreite an Tätigkeitsbereichen und Angeboten (Cloos et al., 2009, S. 11).

Etwa seit den 1980er-Jahren nutzen in Deutschland laut Schmidt (2013) ca. 5-10% der 12 bis 17-jährigen regelmäßig, 20-30% gelegentlich Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit (S. 14). Einige Studien zeigen eindeutig, dass die Besucher „unverbindliche, offene Angebote“ bevorzugen (Schmidt, 2013, S. 15). Beratungs- und Unterstützungsleistungen würden von Jugendlichen insbesondere zu Beginn der Einrichtungsbesuche „nur partiell“ genutzt (Cloos & Köngeter, 2009, S. 87), denn im Mittelpunkt stehe für die Besucher das Jungendhaus in seiner Funktion als Freizeiteinrichtung (vgl. u.a. Schulz, 2013b; Cloos 2009).

Nach Schröder (2013) beziehe sich die Offenheit der Jugendarbeit auf die Prinzipien: „freiwillig, adressatenoffen, ergebnisoffen“ (S. 428). Demzufolge könne sich jeder Jugendliche in diesem „Experimentierfeld“ je nach persönlicher Interessenlage und Fähigkeiten ausprobieren. Gleichzeitig biete „ein verlässliches Angebot an Räumlichkeiten, an Strukturen und Personen“ Halt (ebd.). Müller et al. (2008) gehen einen Schritt weiter und bezeichnen Jugendarbeit als offen, wenn sie das „Reagieren müssen auf das, was die Jugendlichen tun (oder nicht tun), nicht mehr als Störung ihrer Pläne […] begreift, sondern als ihren eigentlichen Arbeitsauftrag“ (S. 58). Jugendarbeit sei als „Gelände mit Bildungschancen“ zu verstehen, wobei (strukturierte) Angebote als Antwort auf die Bedürfnisse der Besucher entstehen sollten (ebd., S. 59). Diese „subjektorientierte Bildung“ diene laut Rauschenbach et al. (2004) der Herstellung von „Handlungsfähigkeit“ und beinhalte „die Kompetenz zu einer autonomen Lebensführung, zur Gestaltung von sozialen Beziehungen, zur gegenseitigen Achtung und Auseinandersetzung über Werte, Normen und Orientierungen. Bildung in diesem Sinne schließe deshalb Lebensbewältigung mit ein“ (S. 210).

b) Herausforderungen und Besonderheiten im Hinblick auf pädagogische Interventionen und Interaktionen zwischen Fachkräften und Besuchern

Das Treiben in Jugendhäusern und ähnlichen Einrichtungen könne auf Außenstehende äußerst chaotisch wirken (vgl. u.a. Cloos, 2009). Müller, Cloos und Köngeter (2008) verweisen auf die scheinbar „diffusen Beziehungsmuster“ zwischen Pädagogen und Besuchern in diesem „befremdlichen Feld“ (S. 38). Anders als beispielsweise im schulischen Kontext seien die Interaktionen nicht eingebettet in einen strukturierten, institutionalisierten Rahmen (Schmidt, 2013, S. 17), der Orientierung und Sicherheit vermittelt.

Unter anderem bedingt durch die Tatsache, dass die Ziele von Jugendarbeit nicht präzise feststünden (vgl. u.a. Cloos & Köngeter, 2009, S. 88) und in den Einrichtungen mit „Diskontinuität“ umgegangen werden müsse, da die regelmäßige Anwesenheit der Besucher im Gegensatz zu anderen Institutionen nicht als Voraussetzung gelte (ebd., S. 86), entstehe laut Cloos et al. (2009) der Eindruck, das Handeln der Pädagogen könne nicht als professionell angesehen werden (S. 14). Vordergründig würden die Interaktionen zwischen Mitarbeitern und Besuchern alltäglichen Kommunikationsmustern ähneln, welche innerhalb der Peergroup zu finden seien (vgl. u.a. ebd.). Daran anknüpfend stellt sich die Frage, ob pädagogische Interventionen in der Offenen Jugendarbeit im herkömmlichen Sinn definiert werden können.

„Intervention“ beschreibt laut Leutner (2013) „eine Maßnahme, mit der in einen laufenden Prozess eingegriffen wird“, wobei hierbei ein diagnostischer Prozess vorausgesetzt werden müsse (S. 17). Es liegt die Vermutung nahe, dass Diagnostik, welche laut Klauer (1978) definiert wird, als „das Insgesamt von Erkenntnisbemühungen im Dienste aktueller pädagogischer Entscheidungen“ (S. 5 zit. nach Leutner, 2013, S. 17), im offenen Bereich eines Jugendhauses schwer durchzuführen ist, aufgrund eines schnellen Wechsels von „dezentrierter und zentrierter Interaktion“ (Cloos et al., 2009, S. 275). Zuweilen wirke es demnach, als würde nichts geschehen, bis plötzlich die sozialpädagogische Arena (vgl. 3a) zur Bühne wird, auf welcher sich die Jugendlichen präsentieren (vgl. u.a. Cloos et al, 2009; Cloos, 2013). Das zuvor erwähnte „Reagieren müssen“ (Müller et. al, 2008) der Fachkräfte innerhalb dieses Rahmens verlangt eine Flexibilität und Spontanität, die selbst auf der „Mikro-Ebene des Individuums“ (Leutner, 2013, S. 18) kaum vereinbar scheint mit dem Prinzip der Intervention als „gezielte Veränderung“ (ebd., S. 18), welche einen, diagnostischen, planenden Prozess und damit Zeit voraussetzt. Cloos et al. (2009) stellen diesbezüglich fest:

„Kinder- und Jugendarbeit erweist sich zum einen meist als orale Arbeitsfeldkultur, die ihre Beobachtungen weder aktenförmig festhält noch in Beobachtungs- und Diagnosebögen einträgt, und zum anderen als diagnoseabstinente Arbeitsfeldkultur, auch weil die weitere Fallbearbeitung in finanzieller oder organisatorischer Weise kaum von einer Diagnose abhängt – wie dies z. B. im Rahmen des Hilfeplanverfahrens für die weitere Feststellung der Hilfe [Anmerkung der Verfasserin: Hilfen zur Erziehung] notwendig ist“ (S. 254).

Erschwerend kommt hinzu, dass Mitarbeiter der Einrichtungen vor unterschiedlichsten Herausforderungen stehen und die eigentliche pädagogische Arbeit nur einen Teil ausmacht. Der Alltag der Offenen Kinder- und Jugendarbeit gleiche Müller (2013) zufolge einem „Urwald“, einem „Dschungel von Aufgaben und Zuständigkeiten. Sie ist eben so sehr Verwaltungs- und Hausmeisterarbeit wie Wechselbad zwischen Kindergartenarbeit und Löwenbändigung“ (S. 24).

In dem „Dschungel“ müssen Pädagogen darüber hinaus ihre Rolle in der Beziehung zu den Jugendlichen finden, beziehungsweise immer wieder neu definieren und aushandeln. Wie Müller et al. (2008) beschreiben, stelle diese Beziehungsform eine „Mischung“ aus Arbeitsbündnis zwischen Erzieher und Zögling oder Lehrer und Schüler dar – einer therapeutischen, beratenden, privaten und Arbeitsbeziehung (S. 61). Es gehe darum, den „Ton zu treffen“, zu „balancieren“ und dieses Spannungsverhältnis mit der einhergehenden Unsicherheit „auszuhalten“ (ebd., S. 61).

3) Jugendliche Akteure in der sozialpädagogischen Arena der Offenen Jugendarbeit

a) Formen der Alltagskommunikation

Das scheinbare „Nichts-Tun“ bestimme laut Cloos et al. (2009) den Alltag in Jugendhäusern. Die Jugendlichen „hängen ab“ und „chillen“ (u.a. Cloos et al., 2009). Schmidt (2004) betont, dass dieses „Nichtstun als ein Geflecht bedeutsamer, regelhafter Aktivitäten [von Peer-Gruppen] zu begreifen“ sei (S. 100). Peer-Groups bezeichnen „informelle, freizeitorientierte, natürlich gewachsene Kleingruppen“ (ebd., S. 100) bestehend aus Personen im gleichen Alter mit gleichem Status (ebd., S. 69). Die Peer-Group könne Corsa (2009) zufolge bezüglich der Verselbstständigungsprozesse Jugendlicher als bedeutend angesehen werden. Ihm zufolge diene die Gleichaltrigengruppe als „Experimentierfeld“ (S. 101). Praktiken wie „Kompetenz- und Statusdemonstrationen, Formen der Konfliktaustragung und –regelung […] die Verhandlungen von […] Mitgliedschaft oder Formen der Selbst- und Fremdkategorisierung“ (Neumann-Braun & Deppermann, 1998, S. 246) würden identitätsstabilisierend wirken und der Herstellung von Zugehörigkeit dienen (vgl. auch Cloos et al.).

[...]

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Pädagogische Interventionen in der offenen Jugendarbeit. Alltagskommunikative Praktiken
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Erziehungswissenschaft und Psychologie)
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
16
Katalognummer
V299823
ISBN (eBook)
9783656970446
ISBN (Buch)
9783656970453
Dateigröße
458 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erziehungswissenschaft, Kommunikation, Offene Jugendarbeit, Psychologie, Gesprächsführung, Soziale Arbeit, Intervention, Pädagogik
Arbeit zitieren
Joy Baruna (Autor:in), 2015, Pädagogische Interventionen in der offenen Jugendarbeit. Alltagskommunikative Praktiken, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/299823

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