Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Theoretische Grundlage
2.1 Von Steuerung zu Governance
2.2 Neokorporatismus
2.3 Was ist CSR
3. CSR - eine Frage der Legitimität
4. Das Beispiel der BMW Group
4.1 Input-Legitimation
4.2 Throughput-Legitimation:
4.3 Output-Legitimation
5. Fazit/Handlungsempfehlungen zur Bewertung von CSR Engage- ment
6. Quellenverzeichnis
1. Einleitung
„Verantwortung auch aus eigenem Interesse: Politisch stabile, demokratische Strukturen sind Vorraussetzung für erfolgreiches wirtschaften“1
Diese Aussage stammt nicht etwa von der neu gewählten Bundesregierung Deutschlands, oder der Kanzlerin persönlich. Sie wurde verfasst von Maximilian Schöberl, seines Zeichens Leiter des Bereiches Konzernkommunikation und Politik der BMW Group. Auf den ersten Blick scheint es verwirrend eine solche Stellungnahme von einem privaten Unternehmen, anstatt einer Regierungsstelle zu lesen. Wie kommt es, dass Unternehmen sich auf einmal in die Rolle von Politikern erheben? Waren sie es nicht, die vor allem in den 90er Jahren mit anderen Schlagzeilen auf sich aufmerksam machten? Große Unternehmen nutzten die Mechanismen der Globalisierung für ihr eigenes Interesse. Bekannt wurde in dieser Zeit, wie sie sich über Menschenrechte hinwegsetzten, ihre Arbeiter in Drittländern ausbeuteten und Umweltkatastrophen verschuldeten. Dieses Bild befindet sich momentan in einem starken Wandel und geht einher mit dem Begriff der Corporate Social Responsibility (CSR). Ein Begriff, der gerade seit der Jahrtausendwende in der öffentlichen Wahrnehmung Konjunktur hat und immer mehr Aufmerksamkeit findet. Im Rahmen von CSR-Aktivitäten engagieren sich Unternehmen in sozialen und gesellschaftlichen Themengebieten. Manche Unternehmen gehen sogar soweit ihre komplette Strategie einer nachhaltigen CSR anzupassen. Unternehmen handeln demnach nicht mehr als reine Gewinnmaschinen, bei denen Profit an oberster Stelle steht, sondern nehmen durch ihr Engagement auch bewusst politischen Einfluss auf die Gesellschaft. In Anbetracht beschriebener Entwicklungen, stellen sich jedoch auch einige Fragen: Wie kommt es, dass Staaten sich ihrer Pflichten freisprechen, ist es doch historisch gesehen ihre Aufgabe durch politische Steuerung die Wohlfahrt in der Gesellschaft zu sichern. Ebenso verwundert es, warum auf einmal Unternehmen glaubhaft diese Rolle übernehmen können, waren sie doch diejenigen die viele Probleme erst verursacht haben. Aus politikwissenschaftlicher Frage stellt sich allerdings eine weitere kritische Frage, welche in dieser Hausarbeit den zentralen Untersuchungsgegenstand darstellen soll: Wie schaffen es Unternehmen in ihrem gesellschaftlichen Engagement legitimiert zu handeln? So gibt es in Unternehmen keine offenen Wahlen bei denen die Bürger, wie auf staatlicher Ebene, ihrer Vertreter wählen können. Um dieser Problematik nachzugehen, werde ich im folgenden relevante Aspekte zur Steuerungstheorie und der Governance Ansätze untersuchen, um daraufhin eine Verbindung zum Begriff der Corporate Social Responsibility herzustellen. Ebenso wird der Begriff an sich definiert. Anschließend werden Methoden zur Untersuchung der Legitimität von CSR-Aktivitäten aufgezeigt, um diese am späteren Praxisbeispiel der BMW Group zu testen.
2. Theoretische Grundlage
2.1 Von Steuerung zu Governance
Staatlichkeit und die Formen ihrer Herrschaft befanden sich schon immer in einem kontinuierlichen Wandel. Auch Deutschland bildet hierbei keine Ausnahme. Der Übergang zur modernen Staatlichkeit verläuft in Deutschland mit der Gründung des deutschen Bundes 1870/71. Diese Staatsform prägt vor allem in der westlichen Welt, das 20. Jahrhundert und initiiert die Entstehung des demokratischen Rechts- und Interventionsstaates. Sie geht einher mit einem umfassenden Kompetenz- und Machtzuwachs des Staates. Ehemals persönliche Eigentums- und Treueverhältnisse sind jetzt der Herrschaft einer staatlichen Autorität unterworfen. Diese ist territorial klar abgegrenzt. Weitere, vorher private Bereiche, sowie z.B. das Gesundheitswesen, Bildung, Militär, oder Infrastrukturaufgaben fallen ebenfalls unter staatliche Kontrolle.2 Durch die neu entstandene demokratische Ordnung hatten die Bürger nun die Möglichkeit ihre Volksvertreter zu wählen und konnten sich so am politischen Prozess beteiligen. Die Entscheidungen zur politischen Steuerung wurden in demokratisch gewählten Organen gefällt. Diese beauftragten dann Verwaltungen, welche die Beschlüsse umsetzten. Durch die Wahlen erhielten die politischen Führer so zuvor Legitimation in ihrem Handeln. Trotzdem war die Steuerung grundsätzlich hierarchisch und auf einen Akteur fokussiert. Zur damaligen Zeit wurden einem solchen, starken Staat die größten Problemlösungskompetenzen zugesagt. Diese Entwicklungen waren und sind auch heute noch gesellschaftlichen Veränderungen und neuen politischen Anforderungen geschuldet.3
Um solche Steurungsprozesse und -funktionen zu untersuchen entstand in der Politikwissenschaft verstärkt in den 60er und 70er Jahren die Steuerungstheorie. Sie ging klar von einer hierarchischen Steuerung durch den Staat aus und unterschied zwischen Steuerungsobjekt und -subjekt.4 Genschel, Leibfried und Zangl beschreiben den Staat hier- bei als „ Gewaltmonopolist und Rechtsgarant, zentrale Legitimationsinstanz und universelle Wohlfahrtsversicherung. “5 An seiner Stelle wurden keine anderen Institutionen anerkannt, die zur Erbringung öffentlicher Güter in der Lage waren.
Das Bild des allmächtigen Staates begann sich jedoch am Ende des 20. Jahrhunderts zu wandeln. Das Ansehen in die staatliche Steuerungskompetenz hatte bereits in den 70er Jahren durch die globale Finanzkrise Risse erhalten. Weitere Probleme wie der Klimawandel und die Globalisierung lösten in der Folge einen grundsätzlichen Prozess des Umdenkens aus. Die staatliche Intervention widersprach der verfassungsrechtlich gewährten Unabhängigkeit wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Akteure. Exponentiell beschleunigt durch die Globalisierung waren diese Akteure auch nicht mehr nur einem territorialen Grenzgebiet zugehörig. Somit wuchs schrittweise die Erkenntnis, dass ein klassisch hierarchisches Top-Down Modell langfristig nicht von Erfolg gekrönt sein könne. Als Resultat entwickelten sich Praktiken hin zu einer stärkeren Einbindung gesellschaftlicher Akteure. Ebenso fand eine Veränderung der Regelsetzungspraktiken statt, die mehr auf Selbstregulierungsprozesse anstelle von Sanktionen setzte. Laut Schuppert war die klare Unterscheidung von Steuerungssubjekt und -objekt so auch nicht mehr gegeben.6 Im Zuge dieser Diskussionen entstand der Begriff des kooperativen Staates, oder des Gewährleistungsstaates. Ebenso ging mit dieser Entwicklung einher, dass nicht mehr von Steuerung sondern von Governance gesprochen wurde. Bis heute liegen eine Vielzahl von Definitionen zu diesem Begriff vor, die es oft nicht ermöglichen klare Abgrenzungen vorzunehmen. Wörtlich ins deutsche Übersetzt meint der Begriff den Prozess des Regierens. Im politikwissenschaftlichen Sinne ist dabei eine unhierarchische Form des Regierens gemeint. Private, korporative, sowie auch staatliche Akteure tragen zur Formulierung von Politik und dessen Implementierung bei.7 Renate Mayntz spricht in diesem Zusammenhang von der „ Gesamtheit der in einem Staat nebeneinander und miteinander bestehenden Formen der absichtsvollen Regelung ge- sellschaftlicher Sachverhalte. “8
Governance richtet sich in diesem Fall eher auf Institutionen, während Steuerungstheorie sich stärker auf zielorientiertes Handeln politischer Akteure konzentrierte. Wichtig ist zuletzt noch zu erwähnen, dass der Wandel hin zu kooperativen Formen keinesfalls automatisch mit einem gesamten Rückgang von Steuerung gleichzusetzen ist. Aufgrund der verschiedenen Ausprägungen von Governance soll im folgenden Kapitel der Teilbegriff des Neokorporatismus untersucht werden, da er eine Verbindung von Governance zur Corporate Social Responsibility am besten herstellen kann.
2.2 Neokorporatismus
Die neokorporatistischen Ansätze der Governance Forschung behandeln die Prozesse, in denen der Staat mit Arbeitgebern, Arbeitnehmern und den jeweiligen Dachverbänden in Aushandlungsprozessen die Gestaltung der Politik vollbringt.9 Diese Gruppen werden als Träger kollektiver Partikularinteressen definiert.10 Gleichzeitig bezeichnet der Begriff damit die Übertragung öffentlicher Gewalt auf gesellschaftliche Organisationen. Selbsteinschränkungsabkommen im Umweltschutz, die durch Verbände organisiert werden sind hier als Beispiel zu nennen. So kommen die Organisationen staatlichen Interventionen zuvor.11 Trotzdem ist hervorzuheben, dass dem Staat die endgültige Instanz zugesprochen wird. Zur genaueren Definition lässt sich weiterhin eine Unterteilung des Neokorporatismus in Makro- Meso- und Mikroebene vornehmen. Hierbei betreffen Aktivitäten auf der Makroebene gesamte Volkswirtschaften. Auf der Mesoebene werden lediglich einzelne Wirtschaftssektoren angesprochen, während auf der Mikroebene Probleme einzelner Unternehmen behandelt werden. Ordnet man die Aktivitäten der Corporate Social Responsibility ein, so befindet sie sich je nach Ausprägung auf der Makro- oder Mesoebene. Oft übertrifft sie durch internationale Aktivitäten auch diesen
Rahmen, weswegen teilweise die Forderung nach einer vierten transnationalen Ebene besteht.12
Unter normativen Gesichtspunkten soll Neokorporatismus eine Selbstregulierung von einzelnen Interessen ermöglichen, ohne dass der Eingriff von Staaten notwendig ist. Aufgrund ihrer Spezifikationen wird Organisationen (wie. z.B. Unternehmen oder Verbänden) eine höhere Problemlösungskompetenz zugesprochen. Sie ermöglicht es auch, dass diese Gruppen, die kollektive Partikularinteressen verfolgen, öffentliche Aufgaben übernehmen können.13 Dabei fungieren sie aufgrund ihrer Sozialpflichtigkeit gemeinwohlorientiert. Diese Prozesse werden entweder durch den Staat geduldet, oder aktiv gefördert. Im Endresultat sollen die Organisationen sogar autoritative Funktionen zur Durchsetzung öffentlicher Politik haben.
2.3 Was ist CSR
Ebenso wie für den Begriff Governance gibt es auch zur Corporate Social Responsibility noch eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen und Theorieansätze. Dies ist unter anderem dadurch geschuldet, dass das Konzept von CSR noch relativ jung ist und fächerübergreifend noch keine Konsolidierung stattgefunden hat. Eine der bekanntesten Definitionen ist die der ISO (International Standardization Organisation).14 Sie ist die größte, unabhängige internationale Organisation zur Standardisierung und Entwicklung von Normen. Die Nummer 26000 beschreibt in diesem Fall die Kennummer für den Begriff Social Responsibility. Im Vergleich zu anderen Definitionen ist in der ISO Definition lediglich von Social Responsibility die Rede, da nicht nur Unternehmen sondern auch Organisationen mit eingeschlossen werden sollen. Da die BMW Group, um die es im folgenden gehen soll, einerseits international tätig ist und ebenfalls Stiftungen beinhaltet, verwende ich in dieser Arbeit die Definition der ISO 26000 als Grundlage. Social Responsibility wird hier beschrieben als „ Verantwortung einer Organisation für die Auswirkungen ihrer Entscheidungen und Tätigkeiten auf die Gesellschaft und Umwelt durch transparentes und ethisches Verhalten zur nachhaltigen Entwicklung, Gesundheit und Gemeinwohl eingeschlossen, beiträgt, die Erwartungen der Anspruchsgruppen be-
[...]
1 Schöberl, Maximilian, CSR - Unternehmen und Gesellschaft im Wechselbeispiel der BMW Group, in: Schneider, Andreas/Schmidpeter, René (Hrsg.), Corporate Social Responsibility.Verantwortungsvolle Unternehmensführung in Theorie und Praxis, Wien/Berlin 2012, S.517.
2 Vgl. Bogumil, Jörg, Staatsaufgaben im Wandel, in: Politische Bildung 34:3 (2001) S. 29.
3 Vgl. ebd. S.30.
4 Vgl. Mayntz, Renate, Von der Steuerungstheorie zur Global Governance, in: Politische Vierteljahresschrift, 41:1 (2008), S.45.
5 Genschel, Phillipp/Leibfried Stephan/Zangl, Bernhard: 2006 Zerfaserung und Selbsttransformation Das Forschungsprogramm Staatlichkeit im Wandel (TranState Working Papers, 45).
6 Vgl. Schuppert, Gunnar Folke, Zur Neubelebung der Staatsdiskussion. Entzauberung des Staates oder bringing the state back in ? in: der Staat 28:1 (1989), S.95.
7 Vgl. Rhodes, Rod, Understanding Governance.Policy Networks, Reflexivity and Accountability, 2. Aufl., Buckingham/Philadelphia 1999, S. 51.
8 Mayntz, Von der Steuerungstheorie zur Global Governance, S. 46.
9 Vgl. Gawron, Thomas, Steuerungstheorie, Policy Forschung und Governance Ansatz.Zum verfehlten Governance Konzept der Regionalfroschung, in: Forschungsreihe Koremi, Band 7, Berlin/Leipzig 2010, S. 12.
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Neokorporatismus, <http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/40335/neokorporatismus?p =all> [Zugegriffen am 18.10.2013].
12 Vgl. Streeck, Wolfgang, Korporatismus in Deutschland. Zwischen Nationalstaat und Europäischer Union. Frankfurt/ Main 1999, S.162.
13 Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, Neokorporatismus, <http://www.bpb.de/nachschlagen/lexika/handwoerterbuch-politisches-system/40335/neokorporatismus?p =all> [Zugegriffen am 18.10.2013].
14 Vgl. About ISO <http://www.iso.org/iso/home/about> [Zugegriffen am 18.10.2013].