Leseprobe
Verzeichnis
1. Einleitung
2. Das Amerikabild in der Zwischenkriegszeit
3. Das Amerikabild im „Dritten Reich"
3.1 Das ambivalente Amerikabild im «Dritten Reich»
3.1.1 Drahtseilakt der Propagandisten: Adaption bei gleichzeitiger Distanzierung
3.1.2 Das wohlwollende Amerikabild der Friedenszeit - bis die Maske fiel!
3.1.3 Die propagierte Differenz zwischen einem guten und einem schlechten Amerika
3.2 Auswirkungen des propagierten Amerikabildes auf die breite Bevölkerung Deutschlands
4. Das Amerikabild in der Nachkriegszeit
4.1 Das positive Amerikabild - Begründungen aus psychologischer Sichtweise
4.2 Das negative Amerikabild - Begründungen aus psychologischer Sichtweise
5. Schluss
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dem Vorwort seines Buches „Amerika dich haßt sich's besser" verlautbart Andrei S. Markovits: „Kein Land dieser Erde ruft eine solche Totalität der Gefühle und Aversionen hervor, wie dies die USA und Israel tun."[1] Und in der Tat, wahrscheinlich findet sich keine Kultur, über die in Deutschland so viele meinungsstarke Ansichten und Stereotypen kursieren, wie über die amerikanische Kultur.[2] Dies ist jedoch nur teilweise der Fall, denn es scheint, als mischen sich Abneigung und Befremdung immer wieder mit Bewunderung und Begeisterung. Doch bei allem Pluralismus der Meinungen und Einstellungen zu den USA lässt sich eine subtil negative Grundstimmung ausmachen, die gerade in Krisen und epochalen Brüchen deutscher Geschichte immer wieder Oberhand gewinnt.[3] Zu Zeiten in denen diese negative Grundstimmung in Deutschland Oberhand gewinnt, kommen meist die immer wieder gleichen historischen Ressentiments zum Vorschein. Doch trotz des konstanten Vorhandenseins antiamerikanischer Ressentiments hat sich in Deutschland nach 1945 doch ein Bruch mit dem bisherigen deutschen Amerikabild abgezeichnet. Wie es zu diesem Wandel kam, und warum nun Amerika nicht mehr wie vor 1945 von rechter Seite aus kritisiert, sondern nun von den Linken in Deutschland kritisiert wurde, soll in dieser Arbeit dargestellt werden. Dabei ist es wichtig, erstmals auf das Amerikabild in der Zeit zwischen dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg einzugehen, um einen besseren Zusammenhang zu dem rechten Antiamerikanismus im „Dritten Reich" aufzuzeigen, der vorwiegend auf die antiamerikanistische Rhetorik der Zwischenkriegszeit anknüpfte. Bei der Erläuterung des Amerikabildes während des Zweiten Weltkrieges wird herausgearbeitet, weshalb die deutsche Bevölkerung nach Kriegsende, trotz des vernichtenden Amerikabildes das von Hitler propagiert wurde, die USA nicht so sehr als Feind, sondern vielmehr als Befreier wahrnimmt. Anschließend wird von der Stunde Null und der zivilen Wende, in der sich die antiwestlichen Vorbehalte aufzulösen scheinen in einem weiteren Schritt auf die Entstehung eines neuen Antiamerikanismus eingegangen. Hierbei stellt sich die Frage, inwieweit die Ablehnung eines imperialistischen Amerikas eine Art Vergangenheitsbewältigung der deutschen Bevölkerung darstellt, da man sich seit den 70er
Jahren in veränderter mit westlichen, demokratischen Werten gegen das neue Feindbild USA richtet.
2. Das Amerikabild in der Zwischenkriegszeit
In der Zwischenkriegszeit bilden sich zwei entgegen gesetzte Amerikaperspektiven heraus. Auf der einen Seite entsteht eine proamerikanische bzw. moderne Strömung, während sich auf der anderen Seite eine Gegenbewegung zu dieser modernen Strömung entwickelt. Die enge wirtschaftliche Anlehnung der Weimarer Regierung an die USA wird von weiten Teilen der Bevölkerung getragen, da die Bevölkerung gerne auch den wirtschaftlichen Erfolg um die Schlagworte Taylorismus und Fordismus nach Deutschland importiert hätte, um die enormen ökonomischen Probleme des Nachkriegsalltags besser zu meistern. Diese wirtschaftlich geprägte Amerikabegeisterung breiter Bevölkerungsschichten machte sich vor allem an den Verkaufszahlen - 200.000 verkaufte Exemplare - der Autobiographie Henry Fords «Mein Leben und Werk» bemerkbar. Doch die Amerikabegeisterung stützt sich nicht nur auf das rationale, wirtschaftliche Denken, sondern auch auf gesellschaftliche und kulturelle Einflüsse aus Amerika.[4] Es sollte dabei jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es sich bei der Entstehung einer kulturellen und gesellschaftlichen Moderne um einen umfassenden okzidentalen Modernisierungsprozess handelt, bei dem lediglich amerikanische Elemente einfließen und somit nur einen Teil davon ausmachen. Es entsteht in dieser Zeit eine echte Kulturindustrie mit Warenästhetik, Design und Dekor und Freizeitangebote, die zumindest potenziell allen offen stehen. Man denke dabei an Schlager, Revue, Operetten, Tanzsäle, Rummelplätze, Kino, Sportveranstaltungen und Warenhäuser.[5] Diese neue Erfahrung von nivellierender Demokratisierung veranlasst vor allem auf Seiten der nationalen Rechten, eine speziell seit 1924 wachsende Gegenbewegung zu dieser proamerikanischen bzw. modernen Strömung. Diese Gegenbewegung wurde hauptsächlich von Alldeutschen, der Deutschvölkischen Freiheitspartei und den Nationalsozialisten getragen. Diese Gruppe war es auch, die die pejorative Bedeutung des Begriffes «Amerikanismus» prägte, wobei Adolf Halfelds 1927 erschienenem und sofort breit rezipiertem Buch Amerika und der Amerikanismus eine Schlüsselrolle zukam, da es den Antiamerikanismus von nun an selbst in liberalen Kreisen salonfähig machte. Die 5 Punkte an denen Halfeld in seinem Buch die Defizite der amerikanischen Gesellschaft festmacht, kamen dem nationalsozialistischem Amerikabild der späten 1920er Jahre sehr entgegen, und wurden ebenso gerne später von regimetreuen Autoren gerne zitiert. Die von Halfeld ausgemachten 5 Punkte an denen er die Defizite der amerikanischen Gesellschaft festzumachen glaubt, sind das Fehlen einer originären amerikanischen Kultur und der Mangel an eigener Tradition, der Zwang zur Uniformität und die Unterdrückung alles Individuellen, der Materialismus und die seiner Ansicht nach daraus zwangsläufig resultierende Massenproduktion und die psychische Instabilität des Einzelnen mit der daraus folgenden leichten Beeinflussbarkeit durch die Massenmedien. Und zuletzt, der von Halfeld als größte Bedrohung dargestellte so genannten Kulturfeminismus, mit dem er den übermäßig starken Einfluss der Frau in der Gesellschaft meint. Adolf Halfeld wittert hierbei die moderne Auflösung traditionaler Sozialbeziehungen. Die Ursache dafür, dass die amerikanischen Männer diese, wie er behauptet unnatürliche Rollenverteilung akzeptieren, liege an dem Schulsystem, das völlig von weiblichen Lehrkräften dominiert werde.[6] Haifelds Argumentation, gesellschaftliche Veränderungen der Rollenverteilung weiblichen Lehrkräften zuzuschreiben, wird auch in aktuellen Diskussionen gerne herangezogen.[7] Neben Adolf Halfeld waren der Philosoph Martin Heidegger (1889-1979) und der Schriftsteller Ernst Jünger (1895-1998) weitere Vertreter der konservativen Revolution, die versuchten der Amerikanisierung und dadurch der Technolo- gisierung und Modernisierung Deutschlands entgegenzuwirken. Während die breite Masse und die einfachen Leute Begeisterung für neue kulturelle Schöpfungen wie Jazzmusik und Kino zum Ausdruck brachten, zeigte sich die deutsche Bildungselite und Oberschicht dieser Entwicklung gegenüber skeptisch und beunruhigt.[8]
3. Das Amerikabild im «Dritten Reich»
3.1 Das ambivalente Amerikabild im «Dritten Reich»
3.1.1 Drahtseilakt der Propagandisten: Adaption bei gleichzeitiger Distanzierung
Adolf Hitlers Amerikabild nahm von Beginn an ambivalente Züge an.[9] Zum einen machten sich die Nationalsozialisten die Amerikanisierungsdebatten der Zwanziger Jahre - in denen eine Trennung der Deutschen Moderne von der angloamerikanischen Vorstellung über Zivilisation und Demokratie entworfen wurde - zu nutze, zum anderen präsentierten sie sich in vielen Bereichen als ein Regime, das eine technische und partiell sogar soziale Modernisierung vorantrieb.[10] Hitler schreibt im Jahre 1928 Amerika durch den riesigen Binnenmarkt noch gewaltige geopolitiche Ausdehnungsmöglichkeiten und ein großes Wachstumspotential zu. Doch durch die Weltwirtschaftskrise ändert sich seine Sicht, und er scheint endgültig vom zwangsläufigen Niedergang des liberalistisch- kapitalistischen Wirtschafts- und Staatssystem überzeugt zu sein. Er adaptierte jedoch erfolgreiche Einzelaspekte des amerikanischen Gesellschaftsmodells und benutzte die transatlantische Macht vor allem als wirtschaftliche und technologische Vergleichsfolie, die er immer wieder symbolisch und real zu übertreffen versucht, um dem Deutschen Volk die Überlegenheit des nationalsozialistischen Systems zu demonstrieren.[11] Die amerikanischen Teilaspekte, die bei den Nationalsozialisten auf Zustimmung stießen, und zur Nachahmung anregten waren jedoch - mit Dan Diners Worten: „auf praktische Rationali- sierungs- und Modernisierungsmaßnahmen, auf Produktion und Fertigung, sowie auf die Partei und Staat betriebene Vermassung der Alltagskultur und der schichtübergreifenden Angleichung von Lebensformen [,..]"[12] beschränkt. Die Zustimmung Hitlers an Amerika lässt sich somit auf die zwei Einzelaspekte - Technik und Massenkultur - reduzieren.[13] Inge Marszolek spricht hierbei von den Problemen der nationalsozialistischen Propagandis- ten dem deutschen Volk die Überlegenheit der Deutschen zu verkaufen, ohne selbst eine Großmacht zu sein.[14] Auch Dan Diner schreibt von einem Drahtseilakt für Propagandisten, amerikanische Vorbilder zu adaptieren bei gleichzeitiger Distanzierung ebendieser. Sie sollten gegen den liberalistischen-amerikanistischen Egoismus und die Herrschaft der Maschine Stimmung machen, während gleichzeitig eine Anlehnung an die US- amerikanische Moderne und ihre technische Kultur stattfand.[15] Dass die in den USA entstandenen Formen rationeller industriekapitalistischer Produktion als Vorbild dienen konnten ohne eine gewisse Überlegenheit des Judentums zu thematisieren, lösten die Nationalsozialisten mit der Propaganda, dass „die Begründer der amerikanischen Technik [...] fast lauter schwäbisch-allemannische Menschen, mithin reinblütige Arier [sind, und somit] als Vorbild für die deutschen, rationalisierungsbewegten Ingenieure akzeptabel [seien]".[16] Dies war jedoch keine ideologische Kehrtwende, da sich Hitler bereits vor Beginn seiner politischen Karriere mit Begeisterung für Henry Ford aussprach, der durch seine Schrift Der Internationale Jude - in der Technikbegeisterung und Antisemitismus Hand in Hand gehen - bereits in der Weimarer Zeit das Fundament für antisemitische Einstellungen gerade unter Technikern, Betriebswissenschaftlern und Arbeitswissenschaftlern lieferte.[17] Diese beschriebenen Ambivalenzen trugen wahrscheinlich auch dazu bei, dass die deutsche Bevölkerung die Amerikaner nach dem Kriegsende nicht in dem Maße als Feind wahrnahmen.
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[1] Markovits, Andrei S.: Amerika, dich haßt sich's besser - Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa,
KW konkret, Hamburg, 2004, Zitat: S. 12
[2] Kelleter, Frank und Knöbl, Wolfgang (Hrsg.): Amerika und Deutschland- Ambivalente Begegnungen, Wallstein Verlag, Göttingen, 2006, vgl. S. 7f
[3] Diner, Dan: Verkehrte Welten - Antiamerikanismus in Deutschland, Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1993, vgl. S. 8
[4] Urban, Markus: Offizielle und halboffizielle Amerikabilder im «Dritten Reich»: Deutsche Amerikaliteratur als Spiegel der politischen Entwicklung?. In: Dowe, Dieter (Hrsg.): Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert - Studien zu Ost- und Westeuropa, Dietz Verlag, Bonn, 2005, vgl. S. 54
[5] Schwaabe, Christian: Antiamerikanismus - Wandlungen eines Feindbildes, Wilhelm Fink Verlag, München, 2003, vgl. S. 68f
[6] Urban, Markus: Offizielle und halboffizielle Amerikabilder im «Dritten Reich»: Deutsche Amerikaliteratur als Spiegel der politischen Entwicklung?. In: Dowe, Dieter (Hrsg.): Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert - Studien zu Ost- und Westeuropa, Dietz Verlag, Bonn, 2005, vgl. S. 56
[7] vgl. Artikel vom 12.03.09 Spiegel online: http://www.Spiegel.de/schulspiegel/wissen/0,1518,612997,00.html, Wochenzeitschrift Focus, Titelthema „Arme Jungs" Nr. 32 (2002): http://www.focus.de/panorama/boulevard/gesellschaft-arme-jungs_aid_204175.html und Wochenzeitung Die Zeit Nr. 24 (2007): http://www.zeit.de/2007/24/B-Jungen
[8] Markovits, Andrei S.: Amerika, dich haßt sich's besser-Antiamerikanismus und Antisemitismus in Europa, KW konkret, Hamburg, 2004, vgl. S. 87
[9] Urban, Markus: Offizielle und halboffizielle Amerikabilder im «Dritten Reich»: Deutsche Amerikaliteratur als Spiegel der politischen Entwicklung?. In: Dowe, Dieter (Hrsg.): Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert-Studien zu Ost- und Westeuropa, Dietz Verlag, Bonn, 2005, vgl. S. 54-56
[10] Marszolek, Inge: Das Amerikabild im «Dritten Reich» - Ambivalenzen und Widersprüche. In: von Thadden, Rudolf (Hrsg.): Amerika und Europa Mars und Venus - Das Bild Amerikas in Europa, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, vgl. S. 51
[11] Urban, Markus: Offizielle und halboffizielle Amerikabilder im «Dritten Reich»: Deutsche Amerikaliteratur als Spiegel der politischen Entwicklung?. In: Dowe, Dieter (Hrsg.): Antiamerikanismus im 20. Jahrhundert - Studien zu Ost- und Westeuropa, Dietz Verlag, Bonn, 2005, vgl. S. 57f
[12] Diner, Dan: Feindbild Amerika - Über die Beständigkeit eines Ressentiments, Propyläen Verlag, München, 2002, Zitat: S. 94f
[13] Diner, Dan: Feindbild Amerika - Über die Beständigkeit eines Ressentiments, Propyläen Verlag, München, 2002, vgl. S. 94f Marszolek, Inge: Das Amerikabild im «Dritten Reich» - Ambivalenzen und Widersprüche. In: von Thadden, Rudolf (Hrsg.): Amerika und Europa Mars und Venus - Das Bild Amerikas in Europa, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, vgl. S. 53
[15] Diner, Dan: Feindbild Amerika - Über die Beständigkeit eines Ressentiments, Propyläen Verlag, München, 2002, vgl. S. 94f
[16] Marszolek, Inge: Das Amerikabild im «Dritten Reich» - Ambivalenzen und Widersprüche. In: von Thadden, Rudolf (Hrsg.): Amerika und Europa Mars und Venus - Das Bild Amerikas in Europa, Wallstein Verlag, Göttingen, 2004, Zitat: S. 41
[17] Hachtmann, Rüdiger: Nazideutschland und die „Amerikanisierung" der Produktionsstrukturen. In: Lüdtke, Alf (Hrsg.): Amerikanisierung - Traum und Alptraum im Deutschland des 20. Jahrhunderts, Franz Steiner Verlag, Stuttgart, 1996, vgl. S. 43