Die Einheimischenmodelle im Lichte der europäischen Grundfreiheiten


Studienarbeit, 2013

86 Seiten, Note: 13 Punkte (Gut)


Leseprobe


Gliederung

Literaturverzeichnis

Gutachten

A. Einleitung und zugleich Einführung in den Sachverhalt

B. Zulässigkeit der Vorlage (da evtl. hypothetischer Sachverhalt)

C. Flämisches Einheimischenmodell
I. Sachlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten
1. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV
2. Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV
3. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV
4. Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV
5. Allgemeine Freizügigkeit, Art. 21 AEUV
6. Abgrenzung auf Anwendungsbereichsebene/Konkurrenzen
7. Zwischenergebnis
II. Beeinträchtigung der Grundfreiheiten
1. Beschränkung
2. Diskriminierung
3. Schlussfolgerung
4. De-minimis- Erfordernis III. Rechtfertigung
1. Öffentliche Ordnung
2. Art. 345 AEUV
3. Der Wohnungsbau der weniger kapitalkräftigen einheimischen Bevölkerung als zwingenden Grund des Allgemeinwohles
a. Allgemein
b. Ziele des flämischen Dekretes
c. Die Argumentation des Generalanwaltes
d. Raumordnungspolitische Ziele als zwingende Gründe
e. Anerkannte vergleichbare raumordnungspolitische Ziele
f. Ziele des flämischen Modelles als zwingender Grund
g. Zwischenergebnis
4. Verhältnismäßigkeit
a. Geeignetheit
b. Erforderlichkeit
5. Zwischenergebnis
IV. Fazit und Ausblick auf andere Einheimischenmodelle

D. Soziale Auflage
I. Anzuwendende Grundfreiheit
1. Die Argumentation des Generalanwaltes
2. Schwerpunkt auf der Kapitalverkehrsfreiheit
3. Zwischenergebnis
II. Beeinträchtigung III. Rechtfertigung
1. Ziele der sozialen Auflage als zwingenden Grund
2. Verhältnismäßigkeit
a. Geeignetheit
b. Erforderlichkeit
3. Zwischenergebnis IV. Fazit

E. Schluss

Anhänge:

Schlussanträge des Generalanwaltes Mazák zu den verb. Rs. C-197/11 und C-203/11 (Eric Libert u.a./Flämische Regierung) vom 4. Oktober 2012

Nachfolgendes Urteil des EuGH zu den verb. Rs. C-197/11 und C-203/11 (Eric Libert u.a./Flämische Regierung) vom

Literaturverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

A. Einleitung und zugleich Einführung in den Sachverhalt

Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum ist in vielen Mitgliedstaaten besonders in Bal- lungsgebieten und Urlaubsregionen zu einem Problem geworden. Gerade junge Familien und Menschen mit geringem Einkommen können sich ein Eigenheim oftmals nicht mehr leisten. Die Staaten versuchen, diesem Problem mit vielfältigen Maßnahmen entgegenzu- treten. So erschuf auch die flämische Regierung in ihrem Grundstücks- und Immobilien- dekret zwei Regelungen in diesem Bereich. Diese werden in den Schlussanträgen des Generalanwaltes Mazák vom 4. Oktober 2012 zu den verbundenen Rechtssachen C- 197/11 und C-203/11 behandelt.

Mit der einzigen Vorlagefrage der Rechtssache C-197/11 und der zwölften Frage der Rechtssache C-203/11 beschäftigt sich der Europäische Gerichtshof erstmalig auch mit dem für Deutschland relevanten Problem1 der sogenannten Einheimischenmodelle. Unter diesen Oberbegriff fallen Regelungen, wie die vorliegende flämische Vorschrift „Wohnen in der eigenen Region“. Diese regelt die Übertragung von Grundstücken in vorher festgeleg- ten Wohnerweiterungsgebieten in bestimmten Gemeinden, in denen der durchschnittliche Preis für Baugrundstücke der höchste und die interne oder externe Migration am stärksten ist. Unter Übertragung versteht das Dekret „Verkauf, Vermietung für mehr als neun Jahre oder Belastung mit einem Erbpacht- oder Erbbaurecht“. Diese Übertragung wird davon abhängig gemacht, ob der Käufer oder Mieter eine ausreichende Bindung zu der betref- fenden Gemeinde hat. Die Bindung ist dann erfüllt, wenn die Person mindestens sechs Jahre lang ohne Unterbrechung in der Gemeinde oder der angrenzenden Gemeinde, wel- che ebenfalls die oben genannten Kriterien aufweisen muss, wohnhaft ist, im Zeitpunkt der Übertragung eine Tätigkeit in der Gemeinde ausübt oder aufgrund eines anderen wichti- gen und dauerhaften Umstandes eine berufliche, familiäre, soziale oder wirtschaftliche Bindung zur Gemeinde aufgebaut hat.

Laut Mazák stellt das flämische Modell eine Beschränkung der allgemeinen Freizügigkeit, Art. 21 AEUV, der Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV, der Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV, der Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV und der Kapitalverkehrsfreiheit, 63 AEUV dar, welche zwar aus im Allgemeininteresse liegenden raumplanerischen Zielen ge- rechtfertigt sein können, hier aber weder geeignet, noch erforderlich seien, um dieses Ziel zu erreichen.2 Seine Argumentation ist im Ergebnis überzeugend, jedoch teilweise zu knapp und unvollständig begründet. Im Laufe der Bearbeitung wird deshalb herausgear- beitet, welche Grundfreiheiten einschlägig sind (C. I.), wie sich deren Beeinträchtigung darstellt (C. II.) und aus welchen Gründen eine solche zu rechtfertigen ist (C. III.). Dabei wird auch auf die Folgerichtigkeit der Schlussanträge eingegangen. Außerdem werden die Auswirkungen für andere Einheimischenmodelle herausarbeitet (C. IV.), sofern der EuGH dem Generalanwalt folgen sollte.

Bei der zweiten, neunten und zehnten Frage der Rechtssache C-203/11 geht es um eine soziale Auflage, die Parzellierungs- oder Bauprojekten, welche eine bestimmte Größe er- reichen, bei ihrer Genehmigung von Rechts wegen durch das flämische Dekret auferlegt wird. Bei der Verwirklichung des Bauprojekts ist die soziale Auflage entweder in natura (d.h. durch Bau von Sozialwohnungen oder ähnliche Maßnahmen) oder durch Zahlung ei- nes prozentualen Beitrags zu erfüllen. Der Generalanwalt hält dies für eine Maßnahme, welche im Vordergrund die Freiheit des Kapitalverkehrs beschränkt.3 Diese könne jedoch aus im Allgemeininteresse liegenden raumplanerischen Zielen gerechtfertigt sein, an der Geeignetheit bestehen aber Zweifel. Die wiederrum knappe Darstellung Mazáks über- zeugt im Endeffekt, mangelt jedoch oft an einer Begründung. Es wird daher zunächst der Anwendungsbereich der Grundfreiheiten erläutert (D. I.), dann auf die Beeinträchtigung dieser zu sprechen gekommen (D. II.), um dann die Rechtfertigung (D. III) und ein kurzes Fazit (D. IV) darzustellen.

Zuerst wird aber noch auf die für beide Maßnahmen relevante Vorfrage der Zulässigkeit der Vorlage eingegangen (B).

B. Zulässigkeit der Vorlage (da evtl. hypothetischer Sachverhalt)

Vorgeschaltet stellt sich die Frage der Zulässigkeit der Vorlage. Die flämische Regierung kritisiert bei beiden Maßnahmen, dass die Streitigkeit vor dem nationalen Gericht einen rein innerstaatlichen Sachverhalt betrifft.4 Dies ist nicht zu bestreiten, was auch der Gene- ralanwalt klarstellt.

Gleichwohl hat dies seiner Meinung nach nicht zur Folge, dass eine Prüfung der Grund- freiheiten ausscheidet.5 Zum einen handelt es sich bei dem Verfahren vor dem vorlegen- den Gericht um eine Nichtigkeitsklage, die bei einer Entscheidung eine erga omnes Wir- kung auch für die Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten hat. Zum anderen hat der Gerichtshof nicht zu beurteilen, ob das vorlegende Gericht in einem Nichtigkeitsverfahren das innerstaatliche Recht auch im Hinblick auf das Unionsrecht überprüfen kann, zumal das vorlegende Gericht die Vorabentscheidung für den Erlass seines Urteils erforderlich hält.6 Dies gilt es zu untersuchen.

Unbestritten ist festzuhalten, dass die Grundfreiheiten nur grenzüberschreitende Sachver- halte erfassen.7 Dennoch braucht es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes auch im Anwendungsbereich der Grundfreiheiten nicht immer einen Auslandsbezug, um eine Entscheidung seinerseits herbeizuführen. Bei einem Vorabentscheidungsverfahren obliegt es nämlich allein dem nationalen Gericht, die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Frage zu beurteilen.8 Dies hat es hier getan.9

Dennoch ist anzumerken, dass der EuGH mit dieser Rechtsprechung eigentlich die Vo- raussetzungen für die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten umgeht. Denn obwohl er immer beteuert, dass er keine hypothetischen Sachverhalte prüft,10 läuft dies im Endeffekt darauf hinaus.11

Mazák merkt hier aber an, dass ein Kläger, der sein Rechtsschutzinteresse geltend gemacht hat, sich vor dem hier vorlegenden Gericht auch auf andere Angriffsmittel - namentlich Verletzung von Grundfreiheiten - berufen kann.12 Dies deutet auf eine Fallgruppe hin, bei der die Auslegung von Vorschriften des Unionsrechtes gegeben sein kann. Eine Antwort des Gerichtshofes kann dem vorlegenden Gericht dann von Nutzen sein, wenn sein nationales Recht vorschreiben sollte, dass einem Staatsangehörigen die gleichen Rechte zustehen, die einem Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedstaates in der gleichen Lage kraft Unionsrecht zustünde.13 In Fällen solcher Inländerdiskriminierung, wo durch das nationale Recht, z.B. durch Gleichheitssätze,14 verhindert werden soll, dass es zu Benachteiligungen der eigenen Staatsangehörigen kommt, besteht ein klares Interesse daran, dass die Gemeinschaftsnormen ausgelegt werden.15

Mithin hindert die mangelnde Grenzüberschreitung dann nicht die Anwendbarkeit der Grundfreiheiten.

C. Flämisches Einheimischenmodell

Als nächstes stellt sich die Frage der Vereinbarkeit des flämischen Einheimischenmodelles mit den europäischen Grundfreiheiten.

I. Sachlicher Anwendungsbereich der Grundfreiheiten

Einheimischenmodelle wie dieses, können in Bezug auf viele Grundfreiheiten problema- tisch sein. Nicht ohne Grund wird der Gerichtshof hier um die Klärung der Vereinbarkeit mit Art. 21 (in dem Zusammenhang Art. 22 und 24 der RL 2004/38/EG16 ), Art. 45, Art. 49, Art. 56 und Art. 63 AEUV im Bezug auf die flämische Einheimischenprivilegierung gebe- ten. Deshalb ist es überraschend, dass der Generalanwalt kaum ein Wort dazu verliert, welche Grundfreiheiten einschlägig sind und nicht zwischen ihnen differenziert. Er stellt lediglich darauf ab, dass der Zugang zur Wohnung und zu anderen Immobilien eine Vo- raussetzung für die Ausübung der Grundfreiheiten ist und verweist dabei auf die Recht- sprechung des EuGHs.17 Man kann deshalb zwar davon ausgehen, dass er für den Zu- gang zu Wohnraum grundsätzlich alle genannten Grundfreiheiten für potenziell einschlä- gig hält. Zumal lange Zeit fraglich war, ob neben der oft geprüften Kapitalverkehrsfreiheit noch andere Freiheiten einschlägig sind, ist eine genaue Darstellung des Anwendungsbe- reiches aber wichtig. Dabei ist zunächst anzumerken, dass der Generalanwalt richtiger- weise nicht auch noch auf die Warenverkehrsfreiheit eingeht, da der Erwerb von Immobi- lien nicht darunter fällt, weil Art. 34 AEUV an die Bewegung der Ware über die Grenze an- knüpft, was bei Immobilien der Natur nach nicht möglich ist.18

1. Arbeitnehmerfreizügigkeit, Art. 45 AEUV

Fraglich ist, ob das flämische Modell in den Anwendungsbereich der Arbeitnehmerfreizü- gigkeit fällt. In den Art. 45 ff. AEUV finden sich direkt keine Bestimmungen, die ein Recht auf Grunderwerb zu Privatzwecken gewähren. Zu der typischerweise mit der Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung verbundene Tätigkeit gehört gleichwohl, dass Grundei- gentum zu Wohnzwecken erworben wird, was Art. 9 I VO (EU) Nr. 492/201119 im Hinblick auf Art. 45 AEUV konkretisiert.20 Danach sind Arbeitnehmer aus einem anderen Mitglied- staat hinsichtlich einer Wohnung einschließlich der Erlangung des Eigentums, aller Rechte und Vergünstigungen den Inländern gleichzustellen. Aber auch das Recht aus Art. 45 III lit c. AEUV, sich in den Mitgliedstaaten aufzuhalten, um dort eine Beschäftigung auszuüben, impliziert den freien Zugang zum Grundstücksmarkt, denn der Arbeitnehmer muss einen solchen haben, sonst läuft die Freiheit leer.21

Die Anwendbarkeit der Arbeitnehmerfreizügigkeit könnte hier aber insoweit fraglich sein, weil all diejenigen, die im Zeitpunkt der Übertragung in der Gemeinde arbeiten, über eine ausreichende Bindung an die Gemeinde verfügen, sofern die Tätigkeit durchschnittlich mindestens eine halbe Arbeitswoche in Anspruch nimmt. So sah auch der Europäische Gerichtshof in Kommission/Italien die Sache in Bezug auf die Arbeitnehmerfreizügigkeit als gegenstandslos an, nachdem die italienische Regierung ausländische Arbeitnehmer, die in Italien ansässig sind und dort ihre Arbeitstätigkeit ausführen, den italienischen Bür- gern bezüglich der Regelung gleichgestellt hatten.22 Die flämische Regelung fällt jedoch trotzdem in den Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV. Zum einen ist die Übertragung von Immobilien auch dann verwehrt, wenn der Arbeitnehmer in einer Nachbargemeinde arbeitet. Zum anderen werden durch die Arbeitnehmerfreizügigkeit ebenso Teilzeitarbeits- verhältnisse und geringfügig Beschäftigte geschützt,23 welche durch das Erfordernis, dass die Tätigkeit mindestens eine halbe Arbeitswoche in Anspruch nehmen soll, hier ausge- nommen werden. Die Bewerbung um ein Grundstück im Rahmen des flämischen Einhei- mischenmodells ist demnach tatbestandlich von der Arbeitnehmerfreizügigkeit erfasst.

2. Niederlassungsfreiheit, Art. 49 AEUV

Der Erwerb von Liegenschaften ist auch vom Wortlaut des Art. 49 AEUV nicht direkt umfasst. Das für eine Niederlassung entscheidende Merkmal einer „selbstständigen wirtschaftlichen Erwerbstätigkeit mittels einer festen Einrichtung“ zieht allerdings den Zugang zu baulichen Einrichtungen, die dem Zwecke der Ausübung der Erwerbstätigkeit dienen, wie Lager- und Büroräume, nach sich.24 Daraus folgt dennoch nicht direkt die Befugnis, Immobilien zu Privatzwecken zu erwerben.

Der Gerichtshof erstreckt Art. 49 AEUV gleichwohl auf solche Vorschriften hinaus, bei de- nen es um die verschiedenen, für die Ausübung dieser Tätigkeiten nützlichen, allgemeinen Befugnisse geht.25 Die Möglichkeit am Ort der Niederlassung privates Grundeigentum zu schaffen, stellt einen erheblichen Anreiz für die Ausübung der Niederlassungsfreiheit dar.26

Dies ergibt sich in systematischer Hinsicht auch aus Art. 50 II lit. e AEUV. Danach sind der Rat, die Kommission und das Europäische Parlament zur Verwirklichung der Niederlas- sungsfreiheit dazu verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass der Erwerb und die Nutzung von Grundbesitz in einem Mitgliedstaat durch Angehörige eines anderen Mitgliedstaates ermöglicht werden. Dabei stellt die Norm nicht lediglich eine Programmnorm dar, sondern beinhaltet eine grundsätzliche Entscheidung zugunsten des Grunderwerbs im Rahmen der Niederlassungsfreiheit.27 Ebenso erteilt das Allgemeine Programm zur Aufhebung der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit28 Niederlassungswilligen das Recht, unbewegli- ches Eigentum und Rechte daran zu erwerben, zu nutzen oder darüber zu verfügen. Dem Programm kommt zwar keine unmittelbare Anwendbarkeit, jedoch Hinweis- und Klarstellungsfunktion zu.29

Sofern der private Grunderwerb im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit steht,30 ist der Anwendungsbereich von Art. 45 AEUV demnach eröffnet. Deshalb ist auch für das flämische Modell festzuhalten, dass es sich an der Niederlassungsfreiheit messen muss.

3. Dienstleistungsfreiheit, Art. 56 AEUV

Weder im Wortlaut des Primär- noch des Sekundärrechtes der Dienstleistungsfreiheit lässt sich ein Recht auf Immobilienerwerb erkennen. Nach Art. 62 AEUV finden nämlich nur die Art. 51-54 AEUV auf die Dienstleistungsfreiheit Anwendung, was Art. 50 II lit. e AEUV ausnimmt. Auch das für die Dienstleistungsfreiheit charakteristische Merkmal der „nur vo- rübergehenden Aufenthaltsdauer“ scheint ein Recht auf Grunderwerb auszuschließen.31 Auch der Überlegung, dass für den Erwerb einer Liegenschaft eine Vielzahl von Dienst- leistungen folgen müssen, wie Reparaturarbeiten oder der Wohnungsbau selber,32 ist im Endeffekt nicht zu folgen. Dass die Entgegennahme der Arbeit, beispielsweise des Klempners, passiven Dienstleistungsverkehr darstellt, ist nicht zu bestreiten. Jedoch heißt das noch nicht, dass der Eigentumserwerb selbst als Gegenstand der Dienstleistungsfrei- heit zu qualifizieren ist.33

Es kann allerdings für einen Dienstleistenden wirtschaftlich sinnvoll sein, eine bestimmte Anlaufstelle im Aufnahmestaat zu haben, welche für die effektive Erbringung der fragli- chen Leistung nützlich ist.34 Außerdem zeigt auch das Allgemeine Programm zur Aufhe- bung der Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs35 ein weites Verständnis von der Dienstleistungsfreiheit erfassten Verhaltensweisen und erteilt in Abschnitt III, A, (d) die Befugnis, unbewegliches Eigentum und Rechte daran zu erwerben, zu nutzen oder dar- über zu verfügen.36

Dabei ist anzuerkennen, dass das Bedürfnis nach einer ständigen Wohnung normaler- weise bei der Erbringung einer Dienstleistung nicht besteht.37 Man kann aber nicht immer ausschließen, dass der Dienstleistende unter bestimmten Voraussetzungen, z.B. wenn er seinen Hauptwohnsitz im Heimatland beibehält, jedoch seine berufliche Tätigkeit während eines ausgedehnten Zeitraums in einen anderen Mitgliedstaat ausüben muss, dort eine feste Wohnung benötigt.38 Der Übergang zur Niederlassungsfreiheit ist aber fließend.39 Demnach ist das Recht auf Grunderwerb vom Schutzgegenstand des Art. 56 AEUV um- fasst.

4. Kapitalverkehrsfreiheit, Art. 63 AEUV

Unter Kapitalverkehr wird im Allgemeinen die Werteübertragung in Form von Sach- und Geldkapital, die regelmäßig zugleich eine Vermögensanlage darstellt, verstanden.40 Die Kapitalverkehrsrichtlinie 88/361/EWG41 enthält dafür eine nicht abschließende Nomenkla- tur von Kapitalverkehrstransaktionen. Nach Anhang I sind vom Kapitalverkehr auch Im- mobilieninvestitionen erfasst, die als Kauf von bebauten und unbebauten Grundstücken sowie der Bau von Gebäuden zu Erwerbszwecken oder persönlichen Zwecken durch Pri- vatpersonen definiert werden. Diese Richtlinie ist vor Einführung des heutigen Art. 63 AEUV erlassen worden und hat ihre ausdrückliche Rechtsgrundlage verloren.42 Dennoch dient sie weiterhin als Instrument zur Definierung des Kapitalverkehres.43 Die Kapitalver- kehrsfreiheit begründet demnach ein umfassendes Grunderwerbsrecht. Dieses besteht unabhängig von der Art und Weise der geplanten Nutzung und somit auch, wenn der Im- mobilienerwerb zum Zwecke des eigenen Wohnens erfolgt.44 Demnach fällt die flämische Regelung unter Art. 63 AEUV.

5. Allgemeine Freizügigkeit, Art. 21 AEUV

Art. 21 AEUV gewährleistet ein allgemeines Bewegungs- und Aufenthaltsrecht, das unabhängig von der wirtschaftlichen Betätigung allein an die Unionsbürgerschaft anknüpft.45 Schon nach dem Sinn und Zweck des Aufenthaltsrechtes muss dieses mit dem Recht, in einem anderen Mitgliedstaat einen Wohnsitz zu begründen, einhergehen, zumal auch sonst die Ausübung der Freizügigkeit wesentlich erschwert wäre.46

Darüber hinaus begründet Art. 21 iVm Art. 18 AEUV einen weitgehenden Anspruch auf Inländergleichbehandlung, was in Art. 24 RL 2004/38/EG, wie von Mazák richtigerweise gesehen,47 ausdrücklich kodifiziert wird.48 Davon ausgehend muss auch der Grunderwerb zur Ermöglichung oder Förderung des Aufenthaltes unter gleichen Bedingungen wie für Staatsangehörige möglich sein.49 Dafür spricht ebenfalls, dass der rechtmäßige Aufenthalt zeitlich unbegrenzt gewährleistet wird,50 weshalb der Erwerb von Grundeigentum im engen Zusammenhang mit der Ausübung der Freiheit steht.51 Demzufolge ist vorliegend auch Art. 21 AEUV einschlägig.

6. Abgrenzung auf Anwendungsbereichsebene/Konkurrenzen

Festzuhalten ist, dass das flämische Einheimischenmodell grundsätzlich in den sachlichen Anwendungsbereich von Art. 21, 45, 56 und 63 AEUV fällt. Zu klären ist aber, ob einzelne Freiheiten bei solchen Einheimischenmodellen andere Grundfreiheiten in ihrem Anwen- dungsbereich ausschließen. Darauf ist der Generalanwalt nicht eingegangen. In der Rechtsprechung des Gerichtshofes zum Grunderwerb zeigt sich keine klare Linie. Grundsätzlich prüft er immer unterschiedliche Grundfreiheiten.52 Dies lässt erkennen, dass es beim Anwendungsbereich jeweils auf den Zweck des Aufenthaltes des Unionsbürgers ankommt, jedoch keine Grundfreiheit von vornherein den Vorrang genießt.53 Greift eine Vorschrift wie hier unmittelbar in verschiedene Grundfreiheiten ein, weil sie (mangels Grenzüberschreitung) verschiedene wirtschaftliche Sachverhalte zugleich betreffen kann, so ist sie auch im Rahmen dieser Freiheiten schützenswert.54 Ein aufgrund einer Markt- freiheit Berechtigter kann sich dabei aber nur auf die Grundfreiheit berufen, die auf ihn anwendbar ist.55

Es ist dabei auch möglich, dass bei einem Sachverhalt sowohl eine Personenverkehrsfreiheit als auch die Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig ist, da ein Immobilienerwerb aufgrund der stetig steigenden Grundstückspreise immer als latent investiv betrachtet werden kann.56 Streitig ist dann, ob die Kapitalverkehrsfreiheit die Personenverkehrsfreiheit auf Konkurrenzebene ausschließt. Art. 26 II AEUV, der alle Grundfreiheiten nebeneinander nennt, macht aber klar, dass es keine Rangfolge unter ihnen geben soll.57 Stellt man auch auf den Sinn und Zweck der Grundfreiheiten ab, so sollen sie den Unionsbürgern die volle Ausschöpfung der wirtschaftlichen Freiheiten ermöglichen. Auch die wechselseitigen Vorbehalte bei der Niederlassungs- und Kapitalverkehrsfreiheit deuten auf eine parallele Anwendbarkeit hin.58 Demnach ist von einer solchen auszugehen.

Bei den Personenverkehrsfreiheiten untereinander ist allerdings anzumerken, dass die Grundfreiheiten sich vom Zweck der Vorschriften her gegenseitig ausschließen, weil die Dienstleistungsfreiheit beispielsweise eine vorübergehende und die Niederlassungsfreiheit eine dauerhafte wirtschaftliche Betätigung voraussetzt.59 Auch hier kommt es letztendlich darauf an, zu welchem Zweck der Unionsbürger die Grenze überschreitet. Nach allgemeiner Ansicht, der sich auch der EuGH angeschlossen hat,60 sind jedoch die Marktfreiheiten in ihrem Anwendungsbereich Spezialvorschriften und gehen dem allge- meinen Freizügigkeitsrecht als Auffangrecht vor.61 Für einen Immobilienerwerb zu Privat- zwecken bedeutet dies, dass Art. 21 AEUV nur dann maßgebend ist, wenn sich der Uni- onsbürger ohne wirtschaftliche Zielsetzung innerhalb der EU bewegen will.62

7. Zwischenergebnis

Im Endeffekt ist festzustellen, dass die flämische Einheimischenprivilegierung in den An- wendungsbereich aller Grundfreiheiten der Vorlagefrage fällt und dem Generalanwalt so- mit zu folgen ist. Hier zeigt sich besonders wieder die Auswirkung des mangelnden grenz- überschreitenden Sachverhaltes im Ausgangsverfahren, da schlussendlich in einem tat- sächlichen transnationalen Fall nicht alle Freiheiten betroffen sein werden. Nicht nur ein Verweis des Generalanwaltes auf die vorherige Rechtsprechung wäre hier zudem wichtig gewesen, da der EuGH bei Fällen, die sich mit dem Grunderwerb zu Privatzwecken be- schäftigen, mitunter die anzuwendende Grundfreiheit offen lässt und nicht selten ohne ge- naue Abgrenzung, mal die eine, mal die andere Grundfreiheit heranzieht.63

II. Beeinträchtigung der Grundfreiheiten

Sogleich stellt sich das Problem der Beeinträchtigung der Grundfreiheiten. Aufgrund der Konvergenz der Grundfreiheiten64 wird diese für alle Freiheiten gemeinsam geprüft.

1. Beschränkung

Laut Mazák stellt das flämische System, das sogar zu einem räumlich beschränkten Er- werbsverbot für Ortsfremde führt, eine Beschränkung der Grundfreiheiten dar.65 Dem ist zuzustimmen. Damit steht er auch in einer Linie mit dem Europäischen Gerichtshof, der auch in seinen Vorgängerurteilen zu Grunderwerbsbegrenzungen stets eine Beschrän- kung angenommen hat.66 Eine Beschränkung liegt immer dann vor, wenn eine nationale Maßnahme die Ausübung der Grundfreiheiten behindert oder weniger attraktiv macht.67

Aufgrund des faktischen Verbotes, Immobilien zu kaufen oder für länger als neun Jahre zu mieten, ist die Regelung geeignet, die Ausübung der durch den Vertrag garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen.68 Es behindert dabei auch nicht nur die ausländischen EU-Bürger, sich in die flämischen Regionen zu begeben. Ein Ansässigkeitserfordernis, wie das hier vorliegende, kann darüber hinaus ebenso Gemeindeangehörige davon abhalten, eine Zeit im EU-Ausland zu verbringen, weil sich dies negativ auf die Möglichkeiten, ein Grundstück zu erwerben, auswirkt.69

2. Diskriminierung

Fraglich ist jedoch, ob man in der Maßnahme nicht gar eine Diskriminierung sehen kann. Eine unmittelbare Diskriminierung scheidet von vornherein aus, da nicht aufgrund der Staatsangehörigkeit unterschieden wird.70 Eine versteckte Diskriminierung könnte jedoch möglich sein. Darunter versteht man solche Regelungen, die rechtlich zunächst unter- schiedslos anwendbar sind, jedoch an ein Merkmal anknüpfen, das typischerweise Nicht- staatsangehörige trifft.71 Hier wird auf den Wohnsitz bzw. auf die Tätigkeit in der Gemein- de oder eine andere besondere Bindung zur Gemeinde abgestellt. Dies ist insoweit prob- lematisch, da die typischerweise Benachteiligung nicht nur Ausländer, sondern auch einen Großteil der Inländer betrifft, die nicht vor Ort wohnen.72 Um eine Maßnahme als mittelbar diskriminierend qualifizieren zu können, muss sie aber nicht bewirken, dass unter Aus- schluss der Inländer nur die Staatsangehörigen der anderen Mitgliedsstaaten benachteiligt werden.73 Bei den heutigen Gegebenheiten in der Union sind es außerdem zum ganz überwiegenden Teil die eigenen Staatsangehörigen, die bereits vor Ort residieren.74

3. Schlussfolgerung

Im Endeffekt kann die Frage nach mittelbarer Diskriminierung oder Beschränkung jedoch dahinstehen, da allen Grundfreiheiten nicht nur ein Diskriminierungs-, sondern auch ein Beschränkungsverbot zu Grunde liegt.75 Außerdem gilt für eine Beschränkung und indirek- te Diskriminierung mittlerweile der gleiche Rechtfertigungsmaßstab, da der Gerichtshof nun auch für mittelbare Diskriminierungen auf zwingende Allgemeininteressen zurück- greift.76 Dies ist auch folgerichtig, da die Qualifizierung von diskriminierend oder beschrän- kend oftmals vom Wortlaut abhängt, zumal der Gerichtshof es mehrfach unterlässt, klar zwischen den beiden zu unterscheiden.77 Auch eine mittelbare Diskriminierung kann zudem legitime öffentliche Interessen verfolgen und ist oft auch nicht beabsichtigt.78 Mit der Nichtabgrenzung zwischen Beschränkung und indirekter Diskriminierung stellt sich Mazák somit nur in eine Reihe mit dem Europäischen Gerichtshof, was keine weiteren Folgen für die Behandlung der Frage hat.

4. De-minimis -Erfordernis?

Mazák stellt weiterhin klar, dass es für die Beschränkung keine Bedeutung hat, dass die flämische Regelung gegenwärtig nur in 69 Gemeinden gilt und ihre Anwendung auf be- stimmte Teile dieser Gemeinde beschränkt ist.79 Dies ist richtig, da es anerkannt ist, dass es eine Übertragung der im Wettbewerbsrecht geltenden de-minimis -Regel auf die Grund- freiheiten nicht gibt.80 Während die Wettbewerbsregeln als Einschränkung der Privatauto- nomie immer einen Eingriff in die Freiheitsrechte der Unternehmer darstellen und es des- halb angemessen ist, nicht spürbare Beschränkungen auszunehmen, fehlt eine vergleich- bare sachliche Legitimation, um den Staat innerhalb einer gewissen Spürbarkeitsgrenze von seinen Grundfreiheitspflichten freizustellen.81 Deshalb hat auch der Gerichtshof in dem Urteil Bluhme ausgeführt, dass einer staatlichen Maßnahme, die nur einen kleinen räumlichen Geltungsbereich besitzt, der Beeinträchtigungscharakter deshalb nicht abge- sprochen werden kann.82 Hier wird zudem alle drei Jahre eine neue Liste mit Gemeinden, für die das Dekret gilt, veröffentlicht, weshalb die Regelung so ausgeweitet werden kann.

III. Rechtfertigung

Bedeutsam ist hier, ob die flämische Maßnahme rechtfertigungsfähig ist.

1. Öffentliche Ordnung

Richtigerweise geht der Generalanwalt nicht auf die Rechtfertigung nach dem geschriebe- nen Grund der öffentlichen Ordnung gem. Art. 45 III, Art. 52, Art. 62 und Art. 65 II AEUV ein. Was unter öffentlicher Ordnung zu verstehen ist, lässt sich nicht genau definieren; es muss jedenfalls eine hinreichend schwere Gefährdung vorliegen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt.83 Obgleich man darüber nachdenken kann, dass „der Ausverkauf des eigenen Landes“84 ein solches Grundinteresse der Gesellschaft darstellen könnte, so muss man wegen des Ausnahmecharakters der öffentlichen Ordnung, die restriktiv ausgelegt werden soll, die Förderung des einheimischen Wohnungswesens85 aus dem Schutzbereich der öffentlichen Ordnung herausnehmen. Indem auch der Gerichtshof vermerkt, „selbst wenn (...) die Förderung des sozialen Wohnungswesen ein Grundinteresse der Gesellschaft sein sollte“86, zeigt er, dass er ähnliche Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Ordnung kritisch betrachtet.

2. Art. 345 AEUV

Zu Recht geht Mazák ebenso nicht auf Art. 345 AEUV ein, wonach die Eigentumsordnung in den Mitgliedstaaten von den Verträgen unberührt bleibt. Wenn der Anwendungsbereich des Unionsrechtes eröffnet ist, kann Art. 345 AEUV ein gegen Vertragsnormen versto- ßendes mitgliedstaatliches Handeln nämlich nicht rechtfertigen.87 So sieht es auch der EuGH.88

3. Der Wohnungsbau der weniger kapitalkräftigen einheimischen Bevölkerung als zwingenden Grund des Allgemeinwohles

Der Generalanwalt kommt unmittelbar auf die ungeschriebene Rechtfertigungsmöglichkeit der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses zu sprechen.89 Dabei ist von außerordentlicher Wichtigkeit, dass er das Ziel, den Immobilienerwerb der weniger finanzstarken Bevölkerung zu fördern, ein mit der Raumordnungspolitik im Zusammenhang stehendes gesellschaftliches Ziel und damit als grundsätzlichen Rechtfertigungsgrund anerkennt.90 Die Richtigkeit dieser Aussage, gilt es nun zu untersuchen.

a. Allgemein

Generell kann eine Rechtfertigung zugelassen werden, wenn mit ihnen ein zwingender Grund des Allgemeininteresses verfolgt wird.91 Diesen ungeschriebenen Rechtfertigungs- grund hat der Gerichtshof in der Entscheidung Cassis de Dijon92 zur Warenverkehrsfrei- heit anerkannt und seitdem auf alle Grundfreiheiten erstreckt.93 Dabei sind die zwingenden Gründe offen für neue Entwicklungen und schützen jeden beliebigen Gemeinwohlbelang, solange er nicht der Schutz von Individualinteressen dient oder einen wirtschaftlichen Grund darstellt.94

b. Ziele des flämischen Dekretes

Das Dekret soll, laut flämischer Regierung, die Förderung des einheimischen Wohnungswesens in den Wohnerweiterungsgebieten und so das Recht auf eine adäquate Wohnung und im weiteren Sinne den sozialen Zusammenhalt gewährleisten.95 Dabei soll durch Raumordnungsförderung den Wohnraumbedürfnissen der weniger kapitalkräftigen einheimischen Bevölkerung entsprochen werden. Diese wird wegen der hohen Grundstückspreise in bestimmten flämischen Gemeinden von finanziell stärkeren Bevölkerungsgruppen vom Markt verdrängt und sozial ausgegrenzt.

c. Die Argumentation des Generalanwaltes

Daraus schließt der Generalanwalt, dass, wenn das Dekret „tatsächlich den Wohnungsbau der weniger kapitalkräftigen einheimischen Bevölkerung in den Zielgemeinden fördert, (...) als ein mit der Raumordnungspolitik im Zusammenhang stehendes gesellschaftliches Ziel angesehen werden kann“.96 Mit einem kurzen Verweis auf die vorherige Rechtsprechung des Gerichtshofes erklärt er, dass dieser „bereits in diesem Sinne entschieden und festge- stellt hat, dass ein derartiges Ziel einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar- stellt.“ Gleichzeitig mahnt er an, dass die Erhaltung des flämischen Charakters in den Ge- meinden aber nicht als zwingender Grund des Allgemeinwohles anerkannt werden kann.97

d. Raumordnungspolitische Ziele als zwingende Gründe

In seinem Urteil Konle hat der EuGH die Raumplanung erstmals als ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel gelten lassen.98 Durch seine wiederholte Anwendung in der darauffolgenden Rechtsprechung zum Thema Grundverkehr99 haben sich die raumplanerischen Maßnahmen als Rechtfertigungsgrund gefestigt.100 Der Gerichtshof unterlässt es aber, genau zu definieren, was er unter raumordnungspolitischen Zielen versteht.101 Deshalb und aufgrund der Zuordnung verschiedenster Gründe zur Raumplanung im Laufe der Rechtsprechung kann man davon ausgehen, dass der EuGH diese Fallgruppe sehr weit fasst.102 Dafür, dass es sich dabei um gewichtige Interessen handelt, sprechen die vielfältigen mitgliedstaatlichen Regelungen in dem Bereich.

[...]


1 Offenes Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland: Pressemitteilung IP/10/820 v. 24.6.2010; vgl. auch § 11 I 2 Nr. 2 BauGB.

2 SchlA Mazák v. 4.10.2012, C-197/11 u. C-203/11, noch nicht in der Slg. veröffentlicht, Rn. 39.

3 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 64 ff. dort auch zum folgenden Satz.

4 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 22, 66; dort auch zum folgenden Satz.

5 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 23; dort auch zum folgenden Satz.

6 SchlA Mazák a.a.O Fn. 2, Rn. 24.

7 Ehlers/ Ehlers, Grundfreiheiten, § 7 Rn. 23; Frenz, Handbuch Europarecht I, Rn. 277.

8 EuGH v. 19.7.2012, C-470/11, noch nicht in der Slg. veröffentlicht, Rn. 18 - Garkalns.

9 Belgischer Verfassungsgerichtshof v. 6.4.2011, Urteil Nr. 49/2011, Rn. B.19.4.

10 EuGH v. 1.6.2010, C-570/07 u.a., Slg. 2010, I-04629, Rn. 39 -Pérez und Gómez.

11 Woraus sich auch noch Folgeprobleme für die weitere Behandlung des Falles ergeben.

12 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 24 dort Fußnote 6.

13 EuGH v. 5.3.2002., C-515/99 u.a., Slg. 2002, I-2157, Rn. 26 - Reisch.

14 So geschieht es z.B. in Österreich, siehe dazu: Freising/Plank, EuZW 2001, 219, 223.

15 EuGH v. 15.5.2003, C-300/01, Slg. 2003, I-4899, Rn. 34 - Salzmann.

16 Abl. L 158 vom 30.4.2004, S. 77 - 123.

17 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 26.

18 Gl ö ckner, EuR 2000, 592, 595; Roe ß ing, Einheimischenprivilegien, S. 140.

19 ABl. L 141 vom 27.5.2011, S. 1-12.

20 EuGH v. 30.5.1989, Rs 305/87, Slg. 1989, 1461, Rn. 18 - KOM/Griechenland.

21 Lange, EWS 2004, 389, 391.

22 EuGH v. 14.1.1988, Rs. 63/86, Slg. 1988, 29, Rn. 6, 7 - KOM/Italien.

23 Schwarze/ Schneider/Wunderlich, EU, Art. 45 AEUV Rn. 12.

24 Callies/Ruffert/ Br ö hmer, EUV/AEUV, Art. 49 AEUV Rn. 12.

25 EuGH KOM/Italien a.a.O. Fn. 22, Rn. 14; KOM/Griechenland, a.a.O. Fn. 20, Rn. 21, v. 25.1.2007, C- 370/05, Slg. 2007, I-1129, Rn. 22 - Festersen.

26 Hummer/Schweitzer, Raumordnung, S. 312; H ö rmann, Städtebauliche Verträge, S. 44.

27 Gl ö ckner, EuR 2000, 592, 602; Lange, EWS 2004, 389, 390, 391.

28 ABl. 2 v. 15.1.1962 S. 36-45, siehe dort Abschnitt III. A. (d).

29 EuGH KOM/Italien a.a.O. Fn. 22, Rn. 14.

30 Vgl. Pittino, Einheimischenmodelle, S. 210.

31 Bachlechner, ZEuS 1999, 519, 531.

32 SchlA Geelhoed v. 20.11.2001, C-515/99 u.a., Slg. 2002, I-2157, Rn. 57 - Reisch.

33 Ohler, EuZW 2002, 251, 252; Lange, EWS 2004, 389, 391.

34 Streinz/ M ü ller-Graff, EUV/AEUV, Art. 56 AEUV Rn. 27.

35 ABl. 2 v. 15.1.1962 S. 32-35; zur Hinweisfunktion dieser siehe Niederlassungsfreiheit.

36 Callies/Ruffert/ Kluth, EUV/AEUV, Art. 59 AEUV Rn. 20.

37 Roe ß ing, Einheimischenprivilegien, S. 138, 139; Bachlechner, ZEuS 1999, 519, 532.

38 EuGH KOM/Italien, a.a.O. Fn. 22, Rn. 14; KOM/Griechenland a.a.O. Fn. 20, Rn. 24.

39 Lange, EWS 2004, 389, 391.

40 Schwarze/ Glaesner, EU, Art. 63 AEUV Rn. 7, dort auch zum folgenden Satz.

41 Abl. L 178 vom 8.7.1988, S. 5-18.

42 Streinz/ Sedlaczek/Z ü ger, EUV/AEUV, Art. 63 AEUV Rn. 18, 19.

43 EuGH v. 16.3.1999, C-222/97, Slg. 1999, I-1661, Rn. 21 - Trummer und Mayer; v. 1.10.2009, C-567/07, Slg. 2009, I-9021, Rn. 20 - Sint Servatius.

44 EuGH v. 13.7.2000, C-423/98, Sgl. 2000, I-5965, Rn. 14 - Albore.

45 Frenz, Handbuch Europarecht I, Rn. 4023.

46 Schwarze/ Hatje, EU, Art. 12 AEUV Rn. 9; Lange, EWS 2004, 392.

47 SchlA Mazák v. 12.10.2012, C-197/11 u. C-203/11 Rn. 40.

48 Callies/Ruffert/ Kluth, EUV/AEUV, Art. 21 AEUV Rn. 12a.

49 Gl ö ckner, EuR 2000, 592, 600, Ehlers/ Kadelbach, Grundfreiheiten, § 19 Rn. 43.

50 vgl. Recht auf Daueraufenthalt, Kaptiel IV RL 2004/38/EG.

51 Roe ß ing, Einheimischenprivilegien, S. 155; Pechstein/Bunk, EuGRZ 1997, 547, 553.

52 Insbesondere in: EuGH v. 1.6.1999, C-302/97, Slg. 1999, I-3099, Rn. 22 - Konle.

53 Huber/Wollenschl ä ger, Einheimischenmod., Rn. 61; Weber, EuZW 1992, 561, 564.

54 Schwarze/ Glaesner, EU, Art. 63 AEUV Rn. 11; Knapp, EWS 1999, 409, 411.

55 Ohler, WM 1996, 1801, 1803.

56 Ehlers/ von Wilmowsky, Grundfreiheiten, § 12 Rn. 3; Gl ö ckner, EuR 2000, 592, 608.

57 Frenz, Handbuch Europarecht I, Rn. 393, 394, 403; dort auch zum folgenden Satz.

58 Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Ress/Ukrow, EUV/AEUV, Art. 63 AEUV Rn. 222.

59 Ohler, WM 1996, 1801, 1802.

60 EuGH v. 26.11.2002, C-100/01, Slg. 2002, I-10981, Rn. 26 - Olazabal.

61 Scheuing, EuR 2003, 744, 763 f.; HkEU/ Folz, Art. 21 AEUV Rn. 3.

62 Pechstein/Bunk, EuGRZ 1997, 547, 553; Schwarze/ Hatje, EU, Art. 12 AEUV Rn. 18.

63 Siehe dazu: Ohler, EuZW 2002, 251, 252.

64 Eberhartinger, EWS 1997, 43, 48; Haratsch/Koenig/Pechstein, Europarecht, S. 366.

65 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 26.

66 EuGH Konle a.a.O. Fn. 52, Rn. 39; Reisch a.a.O. Fn. 13, Rn. 32; Salzmann a.a.O. Fn. 15, Rn. 41; Sint Servatius a.a.O. Fn. 43, Rn. 21.

67 EuGH v. 30.11.1995, C-55/94, Slg. 1995, I-4165, Rn. 37 - Gebhard.

68 Mit Hinweis auf Beschränkung vgl: Kahl/R ö der, JuS 2001, 24, 28.

69 Huber/Wollenschl ä ger, Einheimischenmod., Rn. 65.

70 Br ö ll, BayGT 2008, 439; vgl. Wiethe-K ö rprich, BayGT 2010, 270, 271.

71 Ehlers/ Ehlers, Grundfreiheiten § 7 Rn. 26.

72 Kahl/R ö der, JuS 2001, 24, 28; Portz, KommJur 2010, 366, 367.

73 EuGH v. 16.1. 2003 - C-388/01, Slg. 2003, I-721, Rn. 14 - KOM/Italien.

74 Wollenschl ä ger, NVwZ 2008, 506, 509; Burgi, JZ 1999, 873, 880.

75 Frenz, Europarecht, Rn. 233; Herdegen, Europarecht, § 14 Rn. 3.

76 EuGH KOM/Italien a.a.O. Fn. 73, Rn. 21.

77 Streinz/Leible, EuZW 2000, 459, 462, 463; Ehlers/ Ehlers, Grundfreiheiten, § 7 Rn. 89.

78 von der Groeben/Schwarze/ W ö lker/Grill, EUV/EGV Band I, Art. 39 EG Rn. 13.

79 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 27.

80 Streinz/ M ü ller-Graff, EUV/AEU, Art. 49 AEUV Rn. 61 mwN.

81 Thomas, NVwZ 2009, 1202, 1204; K ö rber, Grundfreiheiten und Privatrecht, S. 173.

82 Bei Bluhme war nur 0,3% der Fläche des Staates betroffen, EuGH v. 3.12.1998, C-67/97, Sgl. 1998, I- 8033, Rn. 20 - Bluhme.

83 Siehe: Art. 27 II UA 2 RL 2004/38/EG.

84 Lange, EuZW 2004, 266, 269.

85 Ziel des Dekrets vgl: SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 32.

86 EuGH Sint Servatius a.a.O. Fn. 43, Rn. 28.

87 Statt aller: Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Wernicke, EUV/AEUV, Art. 345 AEUV Rn. 11.

88 EuGH Konle a.a.O. Fn. 52, Rn. 38.

89 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 28.

90 Dazu auch: Wollenschl ä ger, EuZW 2012, 885.

91 EuGH Gebhard a.a.O. Fn. 67, Rn. 37.

92 EuGH v. 20.2.1979, Rs. 120/78, Slg. 1979, 649, Rn. 8 - Cassis de Dijon.

93 EuGH Gebhard a.a.O. Fn. 67, Rn. 37; v. 15.12.1995, C-415/93, Slg. 1995, I-4921, Rn. 104 - Bosman; v. 3.2.1993, C-148/91, Slg. 1993, I-487, Rn. 9 - Veronica.

94 Oppermann/Classen/Nettesheim, EuropaR, § 23 Rn. 15; Jarass, EuR 2000, 705, 718.

95 Vgl zu alle dem: Parl. Dok, Flämisches Parlament, 2008-2009, Nr. 2012/5, S. 13.

96 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 33; dort auch zum folgenden Satz.

97 SchlA Mazák a.a.O. Fn. 2, Rn. 34.

98 EuGH Konle a.a.O Fn. 52, Rn. 40.

99 EuGH Reisch a.a.O. Fn. 13, Rn. 34; v. 23.11.2003, C-452/01, Slg. 2003, I-9743, Rn. 39 - Ospelt; Festersen a.a.O. Fn. 25, Rn. 27; Sint Servatius a.a.O. Fn. 43, Rn. 30.

100 Siehe: Grabitz/Hilf/Nettesheim/ Ress/Ukrow, EUV/AEUV, Art. 63 AEUV Rn. 184/185.

101 Fischer, ZEuS 2000, 391, 411; Frenz, Handbuch Europarecht I, Rn. 3821.

102 Roe ß ing, Einheimischenprivilegien, S. 339, 342; dort auch zum folgenden Satz.

Ende der Leseprobe aus 86 Seiten

Details

Titel
Die Einheimischenmodelle im Lichte der europäischen Grundfreiheiten
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Veranstaltung
-
Note
13 Punkte (Gut)
Autor
Jahr
2013
Seiten
86
Katalognummer
V300374
ISBN (eBook)
9783656979838
ISBN (Buch)
9783656979845
Dateigröße
1237 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgabenstellung: "Erörtern Sie in Form eines Rechtsgutachtens, ob die Schlussanträge des Generalanwaltes Mazák zu den verb. Rs. C-197/11 und C-203/11 (Eric Libert u.a./Flämische Regierung) vom 4. Oktober 2012 im Lichte der Grundfreiheiten überzeugen"
Schlagworte
einheimischenmodelle, lichte, grundfreiheiten
Arbeit zitieren
Lena Hornkohl (Autor:in), 2013, Die Einheimischenmodelle im Lichte der europäischen Grundfreiheiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300374

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