Ein bekanntes aber immer wieder diskutiertes Grundcharakteristikum moderner Gesellschaften besteht darin, dass die Bereiche Wirtschaft, Politik und Kunst einerseits eine strukturelle und funktionale Teilautonomie besitzen, andererseits aber miteinander wechselwirken. Aus dieser Gleichzeitigkeit von Teilautonomie und Wechselwirkung resultiert eine trilaterale Ko-Evolution von Wirtschaft, Kunst und Politik.
Bei der Analyse dieser Ko-Evolution ist bislang eine Vermittlungsfigur nur unzureichend und einseitig analysiert worden, und zwar die Figur des Arbeitshelden. Dies erstaunt aus mehreren Gründen. Zum einen steht diese Figur seit der Antike im Zentrum der großen abendländischen Erzählungen. Zum anderen gibt es zwischen den teilautonomen Bereichen Wirtschaft, Politik und Kunst wohl kaum eine passendere Vermittlungsfigur als den Arbeitshelden. Und schließlich hat der Sozialismus den Arbeitshelden als Vermittlungsfigur zwischen Wirtschaft, Politik und Kunst geradezu unübersehbar und sinnfällig gemacht.
Die vorliegende Arbeit unternimmt den Versuch, die zentrale Rolle der Arbeitshelden in der Ko-Evolution von Wirtschaft, Politik und Kunst exemplarisch herauszuarbeiten und zu plausibilisieren. Dabei wird gezeigt, dass diese Vermittlungsfigur nicht fix und unveränderlich ist, sondern dass sie sich in diesem trilateralen Ko-Evolutionsprozess wandelt, so wie sich auch die teilautonomen Bereiche Wirtschaft, Politik und Kunst und deren Wechselwirkungsgefüge wandeln.
Empirisch wird die Doppelfunktion des Arbeitshelden in der vorliegenden Studie am Beispiel des Heldenwechsels vom „Stoßarbeiter“ zum „mittleren Helden“ in der DDR analysiert. Dabei greift die Analyse sowohl auf kliometrische als auch auf literaturwissenschaftliche Untersuchungen zurück.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung: Wirtschaft, Politik, Kunst und Arbeitshelden
- 2. DDR: Periodisisierung und Trendbruchperiode
- 2.1. Periodisierung: Theorie und Empirie
- 2.2. Trendbruchperiode: Forschungsdefizite und Forschungshypothesen
- 3. Arbeitshelden: Mythologische und sowjetische Arbeitshelden
- 3.1. Mythologischer Heros der Arbeit: Herakles – Figur, Facetten und Funktionen
- 3.1.1. Figur: Herakles - Taten und Wirkungsgeschichte
- 3.1.2. Facetten: Herakles als Revolutions-, Arbeits-, Zivilisations- und Kulturheros
- 3.1.3. Funktionen: Herakles als Vermittlungs- und Identifikationsfigur
- 3.2. Sowjetische Heroen der Arbeit: Alexej Stachanow und die Winogradovas
- 3.2.1. Alexej Stachanow
- 3.2.2. Die Winogradovas
- 3.1. Mythologischer Heros der Arbeit: Herakles – Figur, Facetten und Funktionen
- 4. DDR-Arbeitshelden der ersten und zweiten Periode
- 4.1. DDR-Arbeitshelden der ersten Periode: Die preußischen „Stoßarbeiter“
- 4.1.1. Adolf Hennecke und Frida Hockauf
- 4.1.2. Hans Garbe und der Garbe-Stoff
- 4.1.3. Bearbeitungen des Garbe-Stoffes: Frühe, mittlere und späte Varianten
- 4.2. DDR-Arbeitshelden der zweiten Periode: Peter Hacks' „mittlere Helden“
- 4.2.1. „Eröffnung des indischen Zeitalters“ (1954): Columbus
- 4.2.2. Moritz Tassow (1961): Mattukat
- 4.2.3. „Prexaspes“ (1968): Darios
- 4.2.4. „Omphale“ (1969): Herakles
- 4.2.5. „Numa“ (1970/71): Quirini, Lucia und Numa
- 4.2.6. „Die Binsen“ (1981): Justine
- 4.1. DDR-Arbeitshelden der ersten Periode: Die preußischen „Stoßarbeiter“
- 5. Heldenwechsel: Vergleich und Agenda
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht den Wandel des Arbeitsheldenbildes in der DDR, von den „Stoßarbeitern“ der frühen Periode zu den „mittleren Helden“ in den späteren Jahren. Sie analysiert den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen, politischen und künstlerischen Entwicklungen und deren Einfluss auf die Konstruktion und die Repräsentation von Arbeitshelden.
- Entwicklung des Arbeitsheldenbildes in der DDR
- Der Einfluss von Wirtschaft und Politik auf die Heldenbilder
- Die Rolle von Kunst und Literatur in der Konstruktion von Arbeitshelden
- Vergleich zwischen mythologischen, sowjetischen und DDR-Arbeitshelden
- Analyse des „Heldenwechsels“ und seine Bedeutung
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung: Wirtschaft, Politik, Kunst und Arbeitshelden: Diese Einleitung skizziert die zentrale Forschungsfrage nach dem Wandel des Arbeitsheldenbildes in der DDR und begründet die Notwendigkeit einer interdisziplinären Betrachtungsweise, die Wirtschaft, Politik und Kunst miteinbezieht. Sie legt den Fokus auf die Entwicklung von den frühen, oft idealisierten „Stoßarbeitern“ zu den komplexeren, ambivalenten „mittleren Helden“ der späteren Jahre und kündigt die methodischen Ansätze der Arbeit an.
2. DDR: Periodisierung und Trendbruchperiode: Dieses Kapitel etabliert eine Periodisierung der DDR-Geschichte, die für die Analyse des Arbeitshelden relevant ist. Es beschreibt die theoretischen Grundlagen der Periodisierung und konfrontiert diese mit empirischen Daten. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Identifizierung von Trendbrüchen und Forschungsdefiziten in Bezug auf die Darstellung von Arbeitshelden in der jeweiligen Periode. Die Kapitel untermauern die Notwendigkeit einer differenzierten Betrachtung der DDR-Geschichte, um die Entwicklung des Arbeitsheldenbildes nachvollziehen zu können.
3. Arbeitshelden: Mythologische und sowjetische Arbeitshelden: Dieses Kapitel setzt den Fokus auf die Vorbilder für das DDR-Arbeitsheldenbild. Es analysiert die Figur des Herakles als archetypischen Arbeitshelden, wobei seine verschiedenen Facetten und Funktionen im Kontext von Revolution, Arbeit, Zivilisation und Kultur beleuchtet werden. Im Anschluss wird der Vergleich zu sowjetischen Arbeitshelden wie Alexej Stachanow und den Winogradovas hergestellt, um die historischen und ideologischen Einflüsse auf das DDR-Bild zu verdeutlichen. Die Analyse der mythologischen und sowjetischen Vorbilder ermöglicht es, die spezifischen Charakteristika der DDR-Arbeitshelden besser zu verstehen.
4. DDR-Arbeitshelden der ersten und zweiten Periode: Das Kernstück der Arbeit. Der erste Teil analysiert die „Stoßarbeiter“ der frühen DDR, exemplarisch dargestellt an den Figuren Hennecke, Hockauf und Garbe. Der Fokus liegt auf der Idealisierung und der propagandistischen Nutzung dieser Heldenbilder. Der zweite Teil befasst sich mit Peter Hacks' „mittleren Helden“, die eine deutlich komplexere und differenziertere Darstellung von Arbeit und Arbeiterpersönlichkeiten zeigen. Der Vergleich der beiden Perioden verdeutlicht den Wandel vom ideologisch aufgeladenen zum reflektierten Arbeitsheldenbild. Es werden verschiedene Dramen Hacks' analysiert und die jeweiligen Charaktere und ihre Bedeutungen im Kontext der jeweiligen Zeit interpretiert.
Schlüsselwörter
Arbeitshelden, DDR, Periodisierung, Stoßarbeiter, mittlere Helden, Peter Hacks, Mythologie, Sowjetische Arbeitshelden, Propaganda, Wirtschaft, Politik, Kunst, Ideologie, Heldenwandel, Sozialismus, Identität.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Thema "Wandel des Arbeitsheldenbildes in der DDR"
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Die Arbeit untersucht den Wandel des Arbeitsheldenbildes in der DDR von den frühen "Stoßarbeitern" zu den späteren "mittleren Helden". Sie analysiert den Einfluss von wirtschaftlichen, politischen und künstlerischen Entwicklungen auf die Konstruktion und Repräsentation dieser Heldenfiguren.
Welche Periodisierung der DDR wird verwendet?
Die Arbeit verwendet eine spezifische Periodisierung der DDR-Geschichte, die auf theoretischen Grundlagen basiert und mit empirischen Daten abgestimmt ist. Diese Periodisierung ist essentiell für die Analyse der Entwicklung des Arbeitsheldenbildes und der Identifizierung von Trendbrüchen.
Welche Arbeitshelden werden im Detail untersucht?
Die Arbeit analysiert sowohl "Stoßarbeiter" der frühen DDR (z.B. Adolf Hennecke, Frida Hockauf, Hans Garbe) als auch die "mittleren Helden" in den Dramen von Peter Hacks (z.B. Columbus, Mattukat, Darios, Herakles, Quirini, Lucia, Numa, Justine). Der Vergleich dieser Figuren verdeutlicht den Wandel im Arbeitsheldenbild.
Welche Rolle spielen mythologische und sowjetische Arbeitshelden?
Die Arbeit untersucht den Einfluss mythologischer Figuren wie Herakles und sowjetischer Arbeitshelden wie Alexej Stachanow und den Winogradovas auf das DDR-Arbeitsheldenbild. Diese Vorbilder werden analysiert, um die historischen und ideologischen Einflüsse zu verstehen.
Wie wird der Einfluss von Wirtschaft, Politik und Kunst dargestellt?
Die Arbeit untersucht den Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen, politischen und künstlerischen Entwicklungen und deren Einfluss auf die Konstruktion und Repräsentation von Arbeitshelden. Es wird gezeigt, wie diese Faktoren das Bild des idealisierten Arbeiters beeinflusst haben.
Welche Methode wird verwendet?
Die Arbeit verwendet einen interdisziplinären Ansatz, der Wirtschaft, Politik und Kunst miteinbezieht, um den Wandel des Arbeitsheldenbildes umfassend zu analysieren. Es werden sowohl historische Daten als auch literaturwissenschaftliche Methoden eingesetzt.
Was ist die zentrale These der Arbeit?
Die zentrale These ist, dass das Bild des Arbeitshelden in der DDR einem deutlichen Wandel unterlag, von einer stark ideologisch aufgeladenen und idealisierten Darstellung in der frühen Periode zu einer komplexeren und differenzierteren Darstellung in der späteren Periode.
Welche Schlüsselwörter beschreiben den Inhalt der Arbeit am besten?
Schlüsselwörter sind: Arbeitshelden, DDR, Periodisierung, Stoßarbeiter, mittlere Helden, Peter Hacks, Mythologie, Sowjetische Arbeitshelden, Propaganda, Wirtschaft, Politik, Kunst, Ideologie, Heldenwandel, Sozialismus, Identität.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit besteht aus fünf Kapiteln: Einleitung, Periodisierung der DDR, Mythologische und sowjetische Arbeitshelden, DDR-Arbeitshelden der ersten und zweiten Periode, und schließlich ein Vergleich und eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
Für wen ist diese Arbeit relevant?
Diese Arbeit ist relevant für Wissenschaftler*innen, Studierende und alle Interessierte, die sich mit der Geschichte der DDR, der Darstellung von Arbeit und Identität im Sozialismus sowie der Rolle von Literatur und Kunst in der politischen Propaganda beschäftigen.
- Citar trabajo
- Lutz Marz (Autor), 2015, Heldenwechsel. Vom "Stoßarbeiter" zum "mittleren Helden", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300410