Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Nah-Ost-Konflikt und der Prozess der Friedensverhandlungen
3. Analyse der Friedensverhandlungen
4. Einfluss des Aufnahmeantrags
5. Schlussfolgerung
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 23.September 2011 reichte Palästinenserchef Mahmud Abbas vor der UNO Generalversammlung den Antrag ein, den Staat Palästina als 195. Mitglied in die internationale Staatengemeinschaft aufzunehmen. Dieser Schritt richtete die internationale Aufmerksamkeit, die bis dahin gespannt auf die Umwälzung des arabischen Frühlings schaute, wieder auf den Jahrzehnte andauernden Konflikt zwischen Israel und dem palästinensischen Volk im Nahen Osten. Den Antrag als rein symbolischen Akt zu verstehen, greift zu kurz. Vielmehr geht es den Palästinensern darum, nach unzähligen gescheiterten Friedensverhandlungen mit Israel, einen neuen Weg in Richtung Selbstbestimmung und Freiheit zu beschreiten. Demzufolge beschäftigt sich diese Arbeit mit der Frage, welche Ursache und Wirkung der Antrag von Mahmud Abbas auf den Friedensprozess im Nahen- Osten hat und welche Veränderungen durch ihn herbeigeführt wurden. So soll in einem ersten Schritt der Konflikt an sich untersucht und Gründe für das bisherige Scheitern des Friedensprozesses herausgefunden werden, um dann zu analysieren welche Bedingungen für eine Konfliktlösung erfüllt sein müssen und welchen Beitrag der Antrag hierbei leistet. Die Determinanten des Konflikts sind facettenreich und machen ihn alles andere als überschaubar, so spielen sowohl geostrategische Interessen als auch die Auseinandersetzung der westlichen mit der arabischen Welt und somit auch religiöse Aspekte eine Rolle. Die Literatur zu diesem Thema spiegelt diese Vielfalt wieder, es herrscht nicht einmal Einigkeit darüber, dass am Ende eines Friedensprozesses eine Zwei- Staaten- Lösung gefunden werden sollte. Auch beschäftigen sich viele Arbeiten entweder mit der Frage warum welche Friedenskonferenz scheiterte, ohne dabei eine Antwort zu geben, was nötig ist um zu einer Lösung zu kommen oder es wird untersucht, ob Palästina den Kriterien eines Staates gerecht wird und überhaupt als solcher anerkannt werden kann. Letztlich geht es darum, dass Israel als direkter Konfliktpartner Palästina anerkennt. Es wird erwartet, dass der neue Ansatz der Palästinenser einen positiven Vorstoß in diese Richtung bewirkt.
2. Der Nah- Ost- Konflikt und der Prozess der Friedensverhandlungen
Nach dem Ende des 1. Weltkriegs wurde das Gebiet Palästina, das bis dahin Teil des Osmanischen Reiches war, von den Vereinten Nationen unter britisches Mandat gestellt, mit der Bedingung die „Balfour- Deklaration“ umzusetzen und das Mandat dazu zu nutzen, eine nationale Heimstätte für das jüdische Volk zu schaffen. 1947 beschlossen die Vereinten Nationen aus dem Mandatsgebiet Palästina einen jüdischen und einen arabischen Staat hervorgehen zu lassen. Israel reagierte darauf und rief am 14.Mai 1948 den Staat Israel aus, die Briten zogen einen Tag später ihr Mandat für Palästina zurück (Quigley 2010). Die Palästinenser und die umliegenden arabischen Staaten Ägypten, Libanon, Syrien und Irak wollten dies nicht anerkennen und eröffneten den „Palästinenserkrieg“, der mit einem Waffenstillstandsabkommen 1949 endete. Damit konnte Israel seinen Staat erfolgreich etablieren und kontrollierte 77% des ehemaligen Mandatsgebiets, anstatt der durch den UN- Teilungsplan vorgesehen 55% (Kelman 2007). Ostjerusalem blieb jedoch unter arabischer Kontrolle, in den eroberten Gebieten kam es zur massiven Vertreibung der arabischen Bevölkerung (Flüchtlingsproblem). 1964 erfolgte die Gründung der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) unter der Führung von Yassir Arafat mit dem Ziel, den jüdischen Staat zu zerstören und einen eigenen palästinensischen Staat zu gründen. Nach Grenzkonflikten zwischen Israel und den umliegenden arabischen Staaten Ägypten, Jordanien und Syrien kam es 1967 zum Sechstagekrieg, den Israel für sich entscheiden konnte und von da an das Westjordanland, die Altstadt von Jerusalem, die Golanhöhen, den Gazastreifen und die Sinaihalbinsel besetzt hielt (Westjordanland und Gazastreifen seit 1994 Palästinensische Autonomiegebiete). 1973 folgte der Jom- Kippur- Krieg bei dem Ägypten und Syrien abermals Israel angriffen und eine Niederlage einstecken mussten. 1979 kam es schließlich im Zuge der Camp- David- Verhandlungen zu einem Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten, der die gegenseitige Anerkennung und die Rückgabe der Sinaihalbinsel an Ägypten beinhaltete. Obwohl die PLO unter Arafat sich zunehmend radikalisierte und terroristische Terrorakte ausübte, wurde sie 1974 von den Vereinten Nationen als „Repräsentantin des palästinensischen Volkes“ anerkannt. Seitdem durften Vertreter der PLO an den Sitzungen der UNO- Generalversammlung und seit 1975 an den Sitzungen des Weltsicherheitsrats teilnehmen. 1977 wurde ihnen das Recht gewährt vor der Generalversammlung zu sprechen und Resolutionen einzubringen (Quigley 2010). 1987 begann die erste Intifada (arabisch für erheben, abschütteln), dem Aufstand der palästinensischen Bevölkerung gegen die israelischen Besatzer im Gaza- Streifen und Westjordanland, der teilweise friedlich verlief, teilweise aber auch in gewaltsame Aktionen mündete. Die israelischen Besatzer gingen gegen die Proteste gewaltsam vor, wodurch sich beide Seiten am Ende noch verfeindeter gegenüberstanden als vorher. Die Entwicklung gilt als Geburtsstunde der sunnitisch- islamistischen Palästinenserorganisation Hamas, die dazu überging terroristische Akte und Selbstmordattentate auf die israelische Armee und Zivilbevölkerung auszuüben (Kelman 2007). Beendet wurde der Aufstand durch die Friedenskonferenz in Madrid 1991, der Beginn des sich bis heute hinziehenden Friedensprozesses im Nahen- Osten. Die dargestellte Entstehung des Konflikts dient als Ausgangslage um zu verstehen, welche Streitpunkte und Schwierigkeiten in den nun kommenden Friedensverhandlungen bestehen.
Durch die 1.Intifada wuchs auf israelischer Seite das Verständnis für die palästinensische Forderung nach einem eigenen Staat. Die palästinensische Position wurde durch den Zusammenbruch der Sowjetunion und der Niederlage von Saddam Hussein im Golfkrieg geschwächt- beide Parteien unterstützten die Palästinenser (Peleg/ Scham 2010). So kam es 1993 zu ersten bilateralen Gesprächen zwischen Palästinenserchef Arafat und dem israelischen Regierungschef Yitzhak Rabin nach denen beide das jeweilige Existenzrecht das anderen anerkannten und sich darauf einigten eine Lösung des Konflikts durch direkte Verhandlungen herbeizuführen. Außerdem einigte man sich darauf den Gaza- Streifen und das Westjordanland bei gleichzeitigem Gewaltverzicht von Palästinenserseite der palästinensischen Autonomiebehörde zu unterstellen (Rose 2011). Von einer Zwei- Staaten- Lösung war man damals allerdings noch weit entfernt und so setzten nach der Konferenz die Israelis den Siedlungsbau fort und die Palästinenser bauten ihre Truppen- und Waffenstärke aus (Kelman 2007). Nach der Ermordung des israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin 1995 durch einen israelischen Extremisten konnte das gute Verhältnis zu Arafat durch den Nachfolger Ehud Barak nicht fortgesetzt werden. So scheiterten die von US- Präsident Bill Clinton initiierten Camp- David- Friedensgespräche, bei denen erstmalig von einer 2.Staaten- Lösung gesprochen wurde, im Jahr 2000 zum Teil an den unterschiedlichen Persönlichkeiten, zum Teil aber auch daran, dass eine große Unstimmigkeit über die Grenzen eines zukünftigen Palästinenserstaates herrschte. Auch eine weiter Verhandlungsrunde in Taba (Oslo II) sechs Monate später, bei der sich die Positionen der beiden Parteien noch weiter angenähert haben sollen (Kelman 2007), ist zu keinem Ergebnis gekommen. Der Besuch des Führers der israelischen Opposition, Ariel Scharon, auf dem in der Altstadt von Jerusalem liegenden Tempelberg führte anschließend zum Ausbruch der zweiten Intifada mit Selbstmordattentaten durch Palästinenserorganisationen und Aktionen des israelischen Militärs (Peleg/ Scham 2010). Der wenig später gewählte Ministerpräsident Ariel Scharon zog aus diesen Vorkommnissen den Schluss, dass es auf palästinensischer Seite keinen verlässlichen Partner für ein Friedensabkommen gebe und begann 2003 mit einer Politik der Abkopplung gegenüber den Palästinensern, die den Rückzug des Militärs aus den besetzten Gebieten und den Aufbau einer etwa 700km langen Sicherheitsmauer, die allerdings teilweise erheblich über der bisherigen „Grünen Linie“ lag, beinhaltete (Müller 2008 ). Damit wurde der sogenannte „Roadmap- Prozess“ ausgesetzt, den das Nah- Ost- Quartett, bestehend aus USA, Russland, EU und UNO wenige Monate zuvor initiiert hatte um den Friedensprozess wieder voranzutreiben (Farsakh 2011). Die zweite Intifada endete erst mit einem Waffenstillstandsabkommen 2005, das Scharon und der neue PLO- Chef Mahmud Abbas, der den 2005 verstorbenen PLO- Chef Arafat beerbte, unterzeichneten. 2006 verlor die Fatah- Partei von Abbas allerdings bei den Parlamentswahlen die Mehrheit im Gaza- Streifen an die radikale Hamas, was einen bis 2011 andauernden Bürgerkrieg in Palästina nach sich zog (bpb 2008). Auf Initiative der USA trafen sich 2007 der neu gewählte israelische Ministerpräsident Ehud Olmert und Mahmud Abbas im amerikanischen Annapolis um den Friedensprozess wiederzubeleben. Der Erfolg blieb allerdings aus, weil weiterhin kein Konsens über die Streitpunkte Grenzziehung, die Flüchtlingsfrage und Ost- Jerusalem gefunden wurde. 2009 ergriff die PLO selbst die Initiative und stellte einen Zwei- Jahresplan zum Aufbau von Institutionen für einen palästinensischen Staat innerhalb der Grenzen von 1967 und mit Ost- Jerusalem als Hauptstadt auf. Das Nah- Ost- Quartett reagierte daraufhin mit der Forderung nach einer Gründung eines palästinensischen Staates binnen zwei Jahren. Sowohl der neu gewählte israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu als auch Mahmud Abbas entgegneten, dass dies sogar binnen einer Jahresfrist zu bewerkstelligen sei. Jedoch forderte Abbas im Dezember 2010 einen sofortigen Stopp des fortschreitenden israelischen Siedlungsbaus und berief sich dabei auf die Rede von US- Präsident Obama 2009 in Kairo,in der er Israel öffentlich zu einem Stopp des Siedlungsbaus aufforderte. Damit brach Abbas mit den bisherigen Rahmen für bilaterale Friedensgespräche, der vorsieht, dass sich beide Verhandlungspartner ohne Vorbedingungen an den Verhandlungstisch setzen (Rosen 2011).
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