Die Unabhängigkeit europäischer Agenturen am Beispiel von Europol


Hausarbeit (Hauptseminar), 2011

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Überblick über die Arbeit der Agenturen

3. Theorien und Konzepte

4. Fallbeispiel Europol

5. Schlussfolgerung

6. Literatur

1. Einleitung

Bereits 1994 ging Giandomenico Majone in seiner Arbeit „The Rise of the Regulatory State in Europe” auf die mittlerweile gängigste Form des Regierens seitens der Europäischen Union ein und begann damit eine Debatte, die bis zum heutigen Tage in der Europaforschung kontrovers geführt wird und an Bedeutung hinzugewonnen hat. Der Begriff „Regulatory State“ beschreibt eine Veränderung des Regierungsstils in westlichen Demokratien, demzufolge die traditionelle interventionistische Form des Regierens zugunsten eines regulativen Politikverständnisses im Zuge der Liberalisierung der Märkte aufgegeben wurde. Die Europäische Union ist seit ihrem Bestehen abhängig von der Ressourcenbereitstellung ihrer Mitgliedsstaaten und aufgrund der begrenzten eigenen Mittel zum regulativen Regierungsstil verpflichtet. Diesen praktiziert sie zunehmend, indem sie an „non- majoritan institutions“ Kompetenzen überträgt. Wie weitreichend solche Kompetenzen z.B. an europäische Agenturen abgegeben werden beziehungsweise wie unabhängig Agenturen gegenüber anderen Institutionen arbeiten können, ist Gegenstand dieser Arbeit. Dabei gilt es sowohl die Unabhängigkeit der Agenturen, die ihnen durch ihr institutionelles Design zugesprochen wurde, als auch die Unabhängigkeit hinsichtlich ihrer alltäglichen Arbeit, zu berücksichtigen. Die konkrete Forschungsfrage zielt darauf ab herauszufinden, wie groß die Diskrepanz zwischen der „de jure“ und der „de facto“ Unabhängigkeit eigentlich ist. Der Frage soll am Beispiel der Agentur Europol nachgegangen werden- diese Agentur eignet sich im besonderen Maße zur Untersuchung, da an ihrem institutionelles Design seit ihrer Gründung einige Veränderungen vorgenommen wurden und sich damit die Unabhängigkeit der Agentur im Verlauf der Zeit herausstellen lässt. Diese Arbeit leistet den Beitrag, dass sie in vergleichender Weise bisher voneinander getrennte Ansätze zur Analyse der formalen und tatsächlichen Unabhängigkeit zusammenführt. Der Aufbau dieser Arbeit gestaltet sich wie folgt; in einem ersten Schritt wird ein Überblick über die Entstehung und die Ausgestaltung von europäischen Agenturen gegeben und anschließend die Theorien und Konzepte diskutiert, die im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit der Agenturen eine Rolle spielen. Der Fokus dabei liegt auf zwei sehr unterschiedlichen Ansätzen, die ausgiebig vorgestellt werden. Daraufhin wird die Entwicklung der Agentur Europol dargestellt, in Relation zu den genannten Theorien und Konzepten gesetzt und abschließend die Ergebnisse zusammengefasst.

2. Überblick über die Arbeit der Agenturen

Bei der Frage wie die Regulierung von Politikbereichen stattfinden soll, stehen die EU- Organe, der Europäische Rat und das Europäische Parlament, grundlegend vor drei Möglichkeiten; sie können die Aufgaben an die Europäische Kommission delegieren, sie können ein Netzwerk mit Repräsentanten von nationalen Behörden schaffen, oder sie geben Kompetenzen an europäische Agenturen ab, die die Kommission in ihrer Arbeit unterstützen sollen. Der Anstieg der Anzahl der europäischen Regulierungsbehörden geht einher mit der Liberalisierung des europäischen Binnenmarktes. Um dessen Harmonisierung zu gewährleisten gaben die Mitgliedsstaaten teilweise Politikbereiche ab, um sie auf der europäischen Ebene zu regulieren. Teilweise erhielt die Europäische Kommission dadurch neue Kompetenzen und Aufgaben, teilweise wurden diese Kompetenzen an Agenturen weitergegeben, weil man von ihnen eine glaubwürdigere, unabhängigere und politikfernere Arbeit erwartete und die Kommission dadurch effektiver arbeiten sollte. Zudem spielen weitere funktionale Vorteile eine Rolle bei der Entscheidung für die Gründung von Agenturen, so sollen Agenturen eine größere Expertise und Sachrationalität vorweisen und wichtige Politikbereiche dem Tauziehen der Parteien im Parlament und der Mitgliedsstaaten im Rat entzogen werden (Tömmel 2008). Kennzeichnend für alle europäischen Agenturen ist, dass sie durch europäisches Sekundärrecht geschaffen wurden, eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen und bis zu einem gewissen Grad organisatorische und finanzielle Autonomie genießen. Trotzdem sind sie hinsichtlich ihres institutionellen Designs zu unterschiedlich um von einen Einheitsmodell zu sprechen (Pollack 2003). Des Weiteren besitzen Agenturen keine exekutive Macht, das verbietet ihnen die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs, die in den sogenannten „Meroni- Doktrin“ von 1958 niedergelegt wurden. Diese legten fest, dass das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union nicht vorsieht Politikbereiche an Organe zu delegieren, die nicht Bestandteil des Europäischen Vertragswerkes sind. Die Interpretation dieser Rechtssprechung obliegt jedoch der Kommission und wurde mit der Zeit weniger strikt gehandhabt. (Peterson& Shackleton 2012). Die ersten Agenturen wurden in den 1970er Jahren gegründet (Cedefop/ Eurofound), erst ab den 1990er Jahren kam es allerdings zu einer regelrechten Welle von Agenturgründungen und heutzutage gibt es, je nach Definition, über 30 europäische Agenturen. Ein Großteil davon gilt als Gemeinschaftsagenturen, die der Säulenkonstruktion des Maastrichter Vertrages entsprechend der 1. Säule zugeordnet werden können. Sie befassen sich z.B. mit der Harmonisierung des Binnenmarktes oder der Umsetzung von Umweltrichtlinien. Je drei weitere Agenturen bilden die 2.Säule der Gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik und als 3. Säule die polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Wie sich im Verlauf der Arbeit herausstellen wird, ist diese Unterscheidung nach Säulenkonstruktion im Laufe der Jahre einigen Veränderungen unterworfen, fest steht allerdings, dass die Agenturen der 1. Säule einen supranationalen Charakter vorweisen und die Agenturen der 2. und 3. Säule intergouvernemental organisiert sind. Dies äußert sich beispielsweise im Bereich der Finanzierung; so finanzieren sich die Agenturen der 1.Säule größtenteils aus Gemeinschaftsmittel der EU, während die Agenturen der 2. und 3. Säule durch Beiträge der Mitgliedsstaaten finanziert werden. Organisatorisch werden die Agenturen von einem Verwaltungsrat und einem Direktor geleitet, wobei der Verwaltungsrat die Leitlinien festlegt und Arbeitsprogramme verabschiedet und die Direktoren als gesetzlicher Vertreter über deren Einhaltung wachen. Hinsichtlich der Besetzung des Verwaltungsrates und des Direktors zeichnet sich wieder ein stark heterogenes Bild ab. Die Verwaltungsräte haben zwischen 16 und 78 Mitglieder, bei älteren Agenturen setzt er sich aus Vertretern der Mitgliedsstaaten, Repräsentanten der Mitgliedsstaaten und Spezialisten aus dem Arbeitsgebiet zusammen, bei jüngeren Agenturen werden auch vom Europäischen Parlament benannte Mitglieder mit einbezogen. Der Direktor wird hingegen, je nach Agenturtyp, von der Kommission auf Vorschlag des Verwaltungsrates oder von dem Europäischen Rat direkt bestimmt. Die maßgeblichen Akteure, das Europäische Parlament, der Europäische Rat und die Europäische Kommission, haben allerdings nicht nur einen Einfluss auf die personelle Besetzung der Agenturen, sondern ihnen ist auch die Kontrollfunktion zugedacht. Wie genau sie diese Kontrollfunktion wahrnehmen, ist ein wichtiger Teil der Fragestellung dieser Arbeit und wird bei der Fokussierung auf die Agentur Europol später verdeutlicht.

3. Theorien und Konzepte

Mit der wachsenden Anzahl von „non- majoritan institutions“ in den letzten Jahren, stieg auch das Interesse der Europaforschung an diesen Institutionen. Ausgehend von strukturellen Faktoren, die Majone (Majone 1994) für die Entstehung des „regulatory state“ identifiziert, entstand bald auch ein Interesse an den funktionalen Aspekten für die Gründungen von europäischen Agenturen. Dreh- und Angelpunkt ist die Frage, warum die etablierten Institutionen Politikbereiche delegieren. Hierbei spielt das nachfolgend beschriebene Prinzipal- Agenten Konzept in fast allen Arbeiten eine große Rolle (Majone 1999/ Thatcher et al. 2002). Einige Arbeiten erforschen, wie sich die Gründung der Agenturen auf das exekutive Gefüge der EU ausgewirkt hat (Egeberg et al. 2010), andere untersuchen, warum es in bestimmten Politikbereichen zu Agenturgründungen kam, in anderen aber nicht (Keleman et al. 2009/ Groenleer 2010). Eine interessante Diskussion entstand über die Frage, welche Unabhängigkeit die Agenturen gegenüber den etablierten EU- Organen innehatten, wobei sich ein Großteil auf das formale institutionelle Design der Agenturen fokussierte, um auf die Unabhängigkeit zu schließen (Rittberger et al. 2010). Demgegenüber steht eine Gruppe von Wissenschaftlern, die ihren Fokus auf die de facto Unabhängigkeit der Agenturen legten, also welche Unabhängigkeit sie in ihrer täglichen Arbeit tatsächlich genießen, und vergleichen diese mit der formal gegebenen Unabhängigkeit (Busuioc 2009). Insbesondere wird hier auch das Verhältnis zur Europäischen Kommission untersucht, da dieser Akteur durch die enge Zusammenarbeit ein besonderes Verhältnis zu den Agenturen genießt (Egeberg et al. 2010). Ziel dieser Arbeit ist es, die Diskrepanz zwischen der „de jure“ gegebenen und der „de facto“ gelebten Unabhängigkeit am Beispiel der Agentur Europol näher zu beleuchten. Hierfür wird der nachfolgend beschriebene Unabhängigkeitsindex von Rittberger& Wonka verwendet, um die „de jure“ Unabhängigkeit der Agenturen zu den EU- Organen abzuleiten. Im Kontrast dazu wird der ebenfalls nachfolgende Ansatz von Madalina Busuioc beleuchtet, um die „de facto“ Unabhängigkeit der Agentur herauszustellen. Anschließend soll ein Vergleich der beiden Ansätze am Fallbeispiel Europol die Diskrepanz zu verdeutlichen.

Das Prinzipal- Agenten Konzept (Majone 1999/ Thatcher et al. 2002) untersucht die Delegation von Kompetenzen an nicht- majoritäre Institutionen, also Konstruktionen die aus staatlichen Ministerien ausgegliedert wurden und weder direkt gewählt noch durch gewählte Repräsentanten besetzt wurden. Die Frage dabei ist, unter welchen Bedingungen ein Prinzipal gewillt ist, Teile seiner Befugnisse an einen Agenten zu delegieren. Im Kontext der europäischen Agenturen geht es demnach darum, was die EU- Organe dazu veranlasst hat, Kompetenzen an Agenturen zu delegieren. Der Prinzipal gibt dann Kompetenzen ab, wenn der daraus resultierende Nutzen größer ist als die Delegationskosten in Form von Zeit und Ressourcen, um den Agenten zu installieren. Erwartet wird, dass der Agent ihm dabei hilft, Kommitment- Probleme mit anderen Organen und die Informations- Asymmetrie in technischen Bereichen zu bewältigen, sodass ein effektiveres Regieren möglich ist. Zudem können durch den Agenten unliebsame Aufgaben übernommen werden, für die der Prinzipal nicht verantwortlich sein möchte. Um den gewünschten Nutzen zu erlangen ist es aber unabdingbar, dass der Prinzipal dem Agenten teilweise Kompetenzen überträgt, was allerdings auch dazu führen kann, dass der Agent nicht im Sinne des Prinzipals handelt. Es besteht also seitens des Prinzipals immer ein kritisches Verhältnis zwischen Unabhängigkeit und Kontrolle des Agenten.

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Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Die Unabhängigkeit europäischer Agenturen am Beispiel von Europol
Hochschule
Universität Mannheim  (Lehrstuhl für Politische Wissenschaft und Zeitgeschichte)
Veranstaltung
Die EU als regulativer Staat
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
14
Katalognummer
V300447
ISBN (eBook)
9783656975076
ISBN (Buch)
9783656975083
Dateigröße
515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unabhängigkeit, agenturen, beispiel, europol
Arbeit zitieren
Carsten Müller (Autor:in), 2011, Die Unabhängigkeit europäischer Agenturen am Beispiel von Europol, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300447

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