Materialismus und Idealismus. Die Fragen nach dem Sein ausgehend von den ursprünglichen philosophischen Strömungen


Essay, 2015

14 Seiten, Note: 1,0

Baldur Jakob (Autor:in)


Leseprobe

Materialismus und Idealismus Die Fragen nach dem Sein ausgehend von den ursprünglichen philosophischen Strömungen

Was können wir wissen?

Was sollen wir tun?

Was dürfen wir glauben?

In der Beantwortung dieser drei Fragen sah Immanuel Kant rückblickend auf sein Lebenswerk den Zweck seiner Arbeit, der Arbeit eines Philosophen. Aus dem Staunen erwachsen im Menschen die Fragen nach dem Sein, welche ihn dazu bewegen, zu philosophieren.

Was können wir wissen?

Wie ist die Welt beschaffen? Was kann ich von ihr wissen und kann ich überhaupt etwas Sicheres über sie wissen?

Was sollen wir tun?

Wie soll ich mein Leben gestalten? Wonach soll ich vernünftigerweise streben? Wie verhalte ich mich zu meinen Mitmenschen und wie gegenüber der menschlichen Gesellschaft?

Was dürfen wir glauben?

Gibt es eine höhere Macht? Ist der Mensch in seinem Willen frei oder unfrei? Gibt es die Unsterblichkeit, ein Leben nach dem Tod?

Und nicht zuletzt: Lassen sich all diese Fragen überhaupt wahrhaftig beantworten?

Wir wollen unsere Betrachtung auf den Ursprung der abendländischen Philosophie richten und schildern nun die intensive Auseinandersetzung griechischer Philosophen der Antike mit den Fragen nach dem Sein. Wir stellen die beiden bedeutendsten konträren Strömungen der jungen Philosophiegeschichte dar, welche die Philosophie von da an spalten sollte: Der Materialismus und der Idealismus.

Um das 6. Jahrhundert v. u. Z.begann im antiken Griechenland erstmals der Versuch kraft vernunftmäßigen Denkens die Welt aus natürlichen Ursachen zu erklären. Dies wurde begünstigt durch verschiedene gesellschaftliche sowie politische Faktoren und nicht zuletzt durch die Loslösung von religiösen und spirituellen Vorstellungen. Resultierend aus florierenden Handelsbeziehungen des griechischen Kolonialreiches bis tief in den fernöstlich-asiatischen sowie nordafrikanischen Raum, kollidierten verschiedene Weltanschauungen.Diesführte zur kritischen Hinterfragung etablierter Ansichten und mündete schließlich im Bruch mit diesen. Liberale, demokratische Verfassungen, die z.B. die freie Rede garantierten, boten zudem einen fruchtbaren Nährboden zur Entfaltung philosophischen Gedankenguts.

Erstaunlicherweise kam es analog zu den Entwicklungen im Mittelmeerraum auch in anderen Gebieten derErde zum aufkeimenden Streben nach Antworten auf die Fragen nach dem Sein. So waren es z.B. Lao-Tse und Konfuzius im chinesischen Reich, Mahavira, der Stifter des Jainismus und Buddha im indischen Raum, Zarathustra, Prophetengestalt der persischen Religion sowie das Auftreten der Propheten des alten Judentums Jeremia und Hesekiel, die Karl Jaspers, einen deutschen Existenzphilosophen dazu bewegten, jene Ballung gedanklichen Fortschritts in der Menschheitshistorie als “Achsenzeit der Weltgeschichte” zu bezeichnen.

Doch wollen wir unseren Fokus nun auf das schlagartige Auftreten philosophischer Ansätze auf griechischen Boden legen, beginnend mit der Suche nach einem aller Materie zugrundeliegenden Urstoff.

Milet, eine pulsierende Handelsstadt im griechischen Kolonialreich an der Westküste Kleinasiens, stellt die Wiege der abendländischen Philosophie dar. Dort wirkte unter anderem Thales, der als vielgereister Staatsmann und Naturforscher erstmals der Frage nach dem aller Materie zugrunde liegenden Urstoff nachging und wies diese Eigenschaftdem Wasser zu. Er gilt als Ahnherr der antiken und modernen Philosophie. Anaximandros, ein Zeitgenosse von Thales, griff dessen Denken auf und erweiterte dieses um den Gedanken, das unsere Erde, welche er sich als frei im Raum schwebend dachte, zuerst flüssiger Natur gewesen sei und bei ihrer allmählichen Austrocknung, die Lebewesen hervorgebracht habe. Er war der Annahme, dass diese zunächst im Wasser lebten und später auf das Land überwechselten. Damit nahm er ein Stück moderner Evolutionstheorie vorweg. Ihm folgteAnaximenes, der in der Luft den Urstoff sah, welche jedoch nicht im stofflichen Sinne verstanden werden sollte, sondern wohl eher als ein belebender und die Seele nährender Atem.

Im weiteren Verlaufe des 6. Jahrhunderts v. Chr. trat mit Pythagoras ein weiterer wichtiger Denker der antiken Philosophie auf, der anders als die Milesier, die Welt nicht anhand eines Urstoffes zu ergründen versuchte, sondern vielmehr an ein Urgesetz dachte. Diese liegt nach ihm in der unveränderlichen zahlenmäßigen Beziehung unter den Bestandteilen unserer Welt.

Zeitgleich entstand an der Westküste des heutigen Italiens eine, nach ihrer Wirkungsstätte Elea benannte, philosophische Schule. Ausgehend von Xenophanes (geboren um 570 v. Chr.) vollzogen die Eleaten durch ihr kritisches, dialektisches Hinterfragen einen Angriff auf allgemein etablierte Vorstellungen. Xenophanes vertrat ein pantheistisches Weltbild, in welchem der „Gott” eine Einheit mit allem Seienden darstellt und weder in Gedanken noch in Gestalt vergleichbar mit dem Menschen, oder sonstigen leibhaftigen Geschöpfen sei.

Parmenides, vielleicht Schüler des Xenophanes, wurde durch seine Lehre, dass es nur ein Sein, nicht jedoch ein Nichtseiendes gibt und somit der Leugnung von Bewegung, zum wichtigsten Denker der eleatischen Schule. Diese Verneinung von Wandel bot eine große Angriffsfläche, die sich Parmenides Schüler Zenon zur Aufgabe machte, gegen kritische Einwände zu verteidigen. Durch seinen scharfsinnigen Weg der Beweisführung und der überspitzten Argumentation, legte er das Fundament der später zur Blüte gelangenden Dialektik.

Um 450 v. u. Z. trat der Universalgelehrte Empedokles in Erscheinung, welcher weniger durch neue, originelle Denkansätze an Bedeutung erlangte, sondern vielmehr dank seiner Leistung, einen Kompromiss aus Gedanken der milesischen, der eleatischen als auch der pythagoreischen Schule zu finden und zu einem Einheitlichen zusammenzufügen. So bringt er mit der Vereinigung von Feuer, Wasser, Erde und Luft zu vier gleichwertigen Urelementen, die von einem Urstoff ausgehende alte Naturphilosophie gewissermaßen zu einem Abschluss.

Nun erreicht die vorsokratische Philosophie mit dem Auftreten von Leukipp und dessen Schüler Demokritihren Höhepunkt. DieseDenker gelten als Urheber der Atomlehre, die bis heute das Fundament der materialistischen Weltanschauungen darstellt.

Vom Leben des Leukipp bestehen kaum unmittelbare Zeugnisse, vielmehr kennen wir die Atomlehre nur durch seinen großen Schüler Demokrit, der vermutlich alles von Leukipp gelehrte, zu einem geschlossen System erweiterte.

Demokrit stammte aus Abdera, der Wirkungsstätte seines Lehrers und lebte etwa von 470-360 v. Chr. Nach umfangreichen Studienreisen, die ihn bis nach Ägypten, Persien und Indien geführt haben sollen, kehrte er in seine Heimat Thrakien zurück und führte ein ganz dem Studium und dem Nachdenken gewidmetes Leben. Seine weitreichenden Kenntnisse erstreckten sich von Mathematik, Astronomie, Geographie bis hin zu Psychologie, Medizin, Musik und Philosophie. Nun sei der Kern der Atomlehre im Folgenden dargelegt:

Leukipp und Demokrit waren einerseits der Ansicht, dass Entstehen aus dem Nichts unmöglich sei, zogen daraus jedoch nicht wie die Eleaten den Schluss, Bewegung und Vielheit überhaupt zu leugnen und damit von einem unveränderlichen Sein auszugehen.Sie entschlossen sich vielmehr, doch ein nichtseienden, leeren Raum anzunehmen. Denn Bewegung eines Objektes setzt stets einen leeren Raum voraus, durch den es sich bewegen kann. Somit besteht die Welt aus einem raumerfüllenden Vollen, dem Seienden, und einer nichtseienden Leere, dem Raum. Das unserem Auge sichtbare Volle ist jedoch nicht etwa nur Eines, sondern besteht aus der Ansammlung unzähliger, in ihrer Größe von uns nicht mehr wahrnehmbarer Kleinstteilchen: Atomos.

So nehme man einen Stab aus Eisen und zerteile diesen. Nun nehme man die eine Hälfte und zerteile diese wiederum und wiederhole diesen Vorgang immerfort. Nach Leukipp und Demokrit müsse man irgendwann, nachdem sich der Zerteilungsprozess dem Sichtbaren entzogen hätte, an eine Grenze stoßen, an der sich das Material nicht mehr spalten ließe und somit unteilbar wäre - ein Atom. Diese Atome sind vollständig raumerfüllend und haben daher kein Leeres in sich. Des Weiteren sind sie alle aus dem gleichen Stoff, unterscheiden sich jedoch in ihrer Form, Größe und Anordnung, welche für die primären Eigenschaften der sichtbaren Dinge zuständig sind. Diese sind Schwere, Dichte und Härte.

Jegliche weitere Attribute eines Dinges, genannt sekundäre Eigenschaften, wie Farbe, Geruch, Geschmack, Wärme und Töne entspringen nicht der Beschaffenheit der Dinge an sich, sondern sind Produkt unserer eigenartigen Wahrnehmung. Somit sind sie die subjektive Zutat unserer Sinne.

Das Entstehen und Vergehen von Dingen resultiert aus der ewigen Bewegung der Atome, die nach dem Gesetz der Schwere durch Zusammenstoßen und Abprallen Wirbelbewegungen verursachen und sich so zu Atomkomplexen zusammenfinden. Durch ihre primären Eigenschaften, also Form und Größe, fügt sich nun Gleiches zu Gleichem und es entstehen von jeher die sichtbaren Dinge. Dieses Werden und Vergehen erfordert keinen lenkenden Geist, sondern ist gänzlich der dem Seienden innewohnenden Gesetzmäßigkeiten unterworfen. Damit ist erstmals das Kausalgesetz benannt, wonach jedes Ereignis eine Ursache hat und wiederum Ursache eines weiteren Ereignisses ist. So besagt der einzige überlieferte Ausspruch von Leukipp:

„Kein Ding entsteht planlos, sondern aus Sinn und unter Notwendigkeit.“

Selbst des Menschen Leib und Seele bestehen aus Atomen, wenngleich unter den seelischen Atomen etwas sehr feines, körperliches begriffen wird. Tod und Geburt, der Kreislauf des Lebens, kommt demnach durch das Zusammen-und Auseinandergehen von seelischen und körperlichen Atomen zustande.

Der Ethik widmeten Leukipp und Demokrit nur einen geringfügigen Teil ihres Werkes.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Materialismus und Idealismus. Die Fragen nach dem Sein ausgehend von den ursprünglichen philosophischen Strömungen
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
14
Katalognummer
V300634
ISBN (eBook)
9783668283565
ISBN (Buch)
9783668283572
Dateigröße
473 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Philosophie, Deutsch, Platon, Sokrates, Aristoteles, Leukipp, Demokrit, Parmenides, Pythagoras, Materialismus, Idealismus, Hegel, Marx, Höhlengleichnis, Sonnengleichnis, Liniengleichnis, Ideen, Wahrheit, Erkenntnis, Referat, Arbeit, Abhandlung, Essay, Konflikt, Dialektik, Sein, Fragen, Strömung
Arbeit zitieren
Baldur Jakob (Autor:in), 2015, Materialismus und Idealismus. Die Fragen nach dem Sein ausgehend von den ursprünglichen philosophischen Strömungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300634

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