Das anwaltliche Erfolgshonorar. Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts unter der aufschiebenden Bedingung des Erfolgs der anwaltlichen Bemühungen


Seminararbeit, 2015

22 Seiten


Leseprobe


A. Historische Entwicklung des Erfolgshonorars

Bis zum 1.7.2008 galt auf deutschem Boden ein absolutes Verbot der erfolgsbasierten Vergütung im anwaltlichen Berufsrecht.1 Die gesetzliche Grundlage fand das Verbot in §49b Abs.2 S.1 BRAO.

In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.12.20062 erklärte das Gericht das ausnahmslose Verbot der erfolgsabhängigen Vergütung für verfassungswidrig. Nach dem Prinzip der Verhältnis- mäßigkeit hat das Gericht die Norm als geeignet und erforderlich erachtet um bestimmte Interessen des Gemeinwohls zu sichern. So soll durch das Verbot die anwaltliche Unabhängigkeit gewahrt, der Rechtssuchende vor Übervorteilung durch überhöhte Vergütungssätze geschützt und die prozessuale Waffengleichheit aufrechterhalten werden.3 Aufgrund dieser Legitimationsgründe ging das Gericht von der Erforderlichkeit und Geeignetheit der Norm aus. Dennoch wurde das Totalverbot als unangemessener Eingriff in den Schutzbereich der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit aus Art. 12 GG erachtet.4 Es wurde festgestellt, dass ein derartiges Verbot eine erhebliche Beeinträchtigung der Wahrnehmung und Durchsetzung der Rechte des Rechtssuchenden darstellt.5 Obgleich die Norm dem Schutze des Mandanten dienen soll, kommt eine derartige Fassung dem Einzelnen gerade nicht zugute.

Das Verfassungsgericht beauftragte den Gesetzgeber bis zum 30. Juni 2008 eine Neuregelung zu schaffen, wonach gewisse Ausnahmetatbestände der erfolgsabhängigen Vergütungsvereinbarung im Anwaltsvertrag zulässig sein sollen. Insbesondere der Fall, dass ein Rechtsanwalt mit der Vereinbarung einer erfolgsbasierten Vergütung besonderen Umständen in der Person des Auftraggebers Rechnung trage, die diesen sonst davon abhielten, seine Rechte zu verfolgen6, ist dabei zu berücksichtigen. Bei diesem Regelungsauftrag wurde dem Gesetzgeber ein weites Ermessen eingeräumt, indem ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass auch die Möglichkeit einer vollständigen Freigabe des Verbots besteht, soweit die Gemeinwohlziele hinreichend berücksichtigt werden.7

Bis zum Eintritt einer neuen Regelung sollte die ursprüngliche Fassung zur Sicherung der Rechtspflege rechtskräftig bleiben.8 Am 1.7.2008 entschied der Gesetzgeber an einem grundsätzlichen Verbot weiterhin festzuhalten.9 Materiell rechtlich veränderte sich das Gesetz, indem ein Ausnahmetatbestand vom Verbot in §49b Abs.2 S.1 BRAO eingefügt wurde. Eine Erfolgshonorarvereinbarung ist danach zulässig, wenn sich aus dem RVG nichts Gegenteiliges ergibt.10

B. Einordnung in das gesamte anwaltliche Vergütungsrecht

I. Allgemeines zum Anwaltsvertrag

Bei einem sogenannten „Anwaltsvertrag“ zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist im Regelfall von einem Dienstvertrag mit einer Geschäfts- besorgung auszugehen (§§611, 675 Abs.1 BGB).11 Soweit die primäre Leistungspflicht ihren Schwerpunkt nicht in einem Tätigwerden an sich, sondern in einem Erfolg findet, kann es sich in Ausnahmefällen auch um einen Werkvertrag handeln. Obgleich das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) und die BRAO mehrmals den Begriff des Auftrags verwenden, ist im Regelfall nicht von einer unentgeltlichen Tätigkeit auszugehen.12

II. Vergütung des Rechtsanwalts

Nach zivilrechtlichen Maßgaben richtet sich die Vergütung des Dienstvertrags nach §612 Abs.1 BGB. Es gilt der Grundsatz der vereinbarten Vergütung.13 Fehlt eine entsprechende Vereinbarung, so gilt gemäß §612 Abs.2 BGB die „übliche Vergütung“ als geschuldet, es sei denn es existiert eine „staatliche Taxe“ für die entsprechende Dienstleistungstätigkeit. Bei dem RVG handelt es sich im anwaltlichen Berufsrecht um eine Taxe im Sinne dieser Norm. Das RVG regelt die gesetzliche Vergütungshöhe des Rechtsanwalts, welche sich am Streitwert bzw. Gegenstandswert gemäß §2 Abs.1 RVG orientiert.14 Die beinhalteten Auflagen- und Gebührentatbestände verweisen auf ein als Anlage beigefügtes Vergütungsverzeichnis, woraus sich für jeden Streitwert eine entsprechende Gebühr entnehmen lässt. Im Fall des Unterliegens einer Partei wirkt das RVG faktisch regulierend, da die unterliegende Partei nur die gesetzlichen Gebühren schuldet.15

Im Anbetracht der Vertragsfreiheit geht ein Großteil der Literatur davon aus, dass es sich bei dieser gesetzlichen Gebührenregelung um keine abschließende Regelung handelt.16 Die Privatautonomie des bürgerlichen Rechts entfaltet weiterhin ihre Wirkungsmöglichkeit und bleibt unangetastet.17 Demnach ist eine Vergütungsvereinbarung grundsätzlich zulässig, soweit die entsprechende Einigung gesetzlich nicht, z.B. aufgrund von Sittenwidrigkeit gemäß §138 BGB, untersagt ist und den formalen Anforderungen gemäß §§3a ff. RVG entspricht.18

Folgt man dieser Meinung, so soll die anwaltliche Vergütung nach den gesetzlichen Gebühren im Sinne der Grundidee des bürgerlichen Rechts nicht die Regel, sondern die Ausnahme sein und nur zur Anwendung kommen soweit keine individuellen Vereinbarungen getroffen wurden.19 Gegen die typische „Stufenfolge“ (Vereinbarung-Taxe-Üblichkeit) der Vergütung eines privatrechtlichen Dienstvertrages spricht, dass eine solche Vorgehensweise §1 Abs.1 Satz 1 RVG als auch §§3a ff. RVG nicht gerecht wird.20 Nach §1 Abs. 1 Satz 1 RVG bemisst sich die anwaltliche Vergütung nach dem RVG. Der Wortlaut lässt darauf schließen, dass es sich dabei um die grundsätzliche Art der Vergütung handelt und Abweichungen nach §3a ff. RVG zugelassen sind, jedoch die Ausnahme darstellen. Dennoch soll aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit, sich wie für jeden Dienstvertrag, auch beim Anwaltsvertrag die Vergütung nach §612 Abs.2 BGB richten und die Vereinbarung als Grundsatz behandelt werden.

Das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entfaltet gemäß §1 RVG Wirkung sowohl gegenüber allen zugelassenen Rechtsanwälten, als auch gegenüber anderen ihnen gleichgestellten Personen. Die Tätigkeit muss einen rechtlichen Beistand zum Gegenstand haben.21

Die Fälligkeit der Vergütung tritt nach §8 RVG mit Erledigung oder Beendigung der Angelegenheit ein.22

III. Vergütungsvereinbarungen

Da das RVG die Privatautonomie der Vertragsparteien unberührt lässt, ist es möglich, Zeit-, Pauschal- und seit dem 1.7.2008 - wenn auch nur eingeschränkt - Erfolgshonorare zu vereinbaren.

1) Zeithonorar

Bei der Vereinbarung eines Zeithonorars wird die Vergütungshöhe nach dem Volumen der aufgewendeten Zeitstunden berechnet. Die Höhe bemisst sich anhand bestimmter Stunden- bzw. Tagessätze.23 Im Allgemeinen wird eine derartige Vereinbarung vom Rechtssuchenden als gerecht empfunden, da ein bestimmtes Einkommen für ein konkretes Maß an Arbeitsaufwand versprochen wird. Dennoch bestehen erhebliche Missbrauchsgefahren, welchen durch detaillierte Aufzeichnungen vorgebeugt werden sollen. Die Höhe der Stundensätze soll von der Schwierigkeit und Komplexität, sowie der anwaltlichen Qualität abhängig gemacht werden.24 Es handelt sich um eine objektiv nachvollziehbare Vergütung, welche nicht in den Ermessensspielraum des Rechtsanwalts fällt und demnach nicht gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt.25

2) Pauschalhonorar

Die Pauschalvergütung ist eine zeit- und aufwandsunabhängige, feste Vergütung für den gesamten Auftrag.26 Bereits im Voraus einigen sich die Parteien auf einen Festbetrag, welcher grundsätzlich nach Mandats- beendigung ausbezahlt wird. Keinen Einfluss darauf nehmen Zeitaufwand, Leistung und Erfolg.27 Die Höhe der Pauschale bemisst sich an dem voraussichtlichen Arbeitsaufwand, der Komplexität des Sachverhalts und einem Sicherheitszuschlag für etwaige Schwierigkeiten im Mandatsverlauf.28

3) Erfolgshonorar

Der Begriff des Erfolgshonorars ist in §49b Abs.2 S.1 BRAO legal definiert. Danach liegt ein Erfolgshonorar vor, wenn die Vergütung oder ihre Höhe vom Ausgang der Sache oder vom Erfolg der anwaltlichen Tätigkeit abhängig gemacht wird (sog. Erfolgshonorar)29 oder der Rechtsanwalt einen Teil des erstrittenen Betrages als Honorar erhält (sog. „quota litis“).30

4) Zeitpunkt der Vergütungsvereinbarung

Aufgrund des privatautonomen Charakters eines Anwaltsvertrags liegt es im Ermessen der Parteien ob und wann sich über die Vergütung geeinigt werden soll. Zweckmäßig erscheint es allerdings, eine Einigung bei der Mandatsannahme zu treffen. Nach §158 Abs.1 BGB ist eine Absprache auch vor Auftragserteilung möglich. Ihre Wirksamkeit entfaltet die Einigung mit dem Eintritt des Mandats als Bedingung.

5) Zwischenergebnis

Zur Sicherung der Vertragsfreiheit sollen Vergütungsvereinbarungen im Anwaltsvertrag möglich sein. Bei der Gestaltung solcher Abreden sind im deutschen Recht verschiedene inhaltliche Ausgestaltungen erlaubt. Unter bestimmten Voraussetzungen sind seit dem 1.7.2008 auch erfolgsabhängige Vergütungsvereinbarungen im anwaltlichen Berufsrecht legitim.

C. Allgemeines zum Erfolgshonorar

Irreführend ist, dass die Begrifflichkeit, als auch die explizite Benennung des Erfolgshonorars in der gesetzliche Regelung (§4a RVG, §49b Abs.2 BRAO), auf ein selbstständiges Vergütungsmodell schließen lässt. Es handelt sich letztlich um ein gewöhnliches Zeit-, Pauschal- oder tarifliches Honorar, bei welchem die Anspruchsentstehung unter der aufschiebenden Bedingung des Erfolges gemäß §158 Abs.1 BGB steht.31

I. „Typen“ der Erfolgshonorarvereinbarung

Obwohl keine gesetzliche Differenzierung der Erscheinungsformen der vorgenommen wurde, sind verschiedene Gestaltungsformen denkbar: Zum einen kann die Vergütung insgesamt von einem Erfolg abhängig gemacht werden.32 Dies ist der Fall, wenn dem Rechtsanwalt ein bestimmtes Zeit- oder Pauschalhonorar oder die gesetzliche Gebühr nur bei Erfolgseintritt zusteht.

Auch können sich die Parteien auf eine Erfolgsprämie einigen. Dabei handelt es sich um ein zusätzliches Honorar im Erfolgsfall. Nicht nur die Vergütung an sich, sondern auch die Höhe kann somit auf einem bestimmten Erfolg basieren.33 Als Beispiele kommen dabei ein prozentualer Erfolgszuschlag, eine fixe Erfolgsprämie, ein höherer Streitwert oder ein höherer Stundensatz, welcher der Berechnung der Vergütung zugrunde gelegt wird, in Betracht.34 Zudem kann eine Vereinbarung einer am Erfolg orientierten gestaffelten Vergütung getroffen werden.35

Des Weiteren ist eine prozentuale Beteiligung am Streitwert möglich.36 Obwohl die Sonderform des Erfolgshonorars, auch „quota litis“ genannt, weltweit betrachtet in vielen Ländern unzulässig ist, hat der deutsche Gesetzgeber in §49b Abs.2 BRAO n.F. auf eine Differenzierung verzichtet.37 Nach dem Wortlaut ist anzunehmen, dass eine solche Vereinbarung nur auf prozessuale Angelegenheiten Anwendung findet („litis“ lateinisch für Prozess). Nach herrschender Meinung wird dieser Unterfall jedoch auf sämtliche Angelegenheiten angewandt.38

Zusammenfassend muss den unterschiedlichen Erscheinungsformen des Erfolgshonorars keine besondere Bedeutung zugesprochen werden. In §49b Abs.2 BRAO wurde ein allumfassendes Verbot normiert, wonach alle Gestaltungsmöglichkeiten gleichermaßen behandelt werden.39

[...]


1 Henssler/Prütting/ Kilian (Fn.1), §49b BRAO Rn. 58ff.

2 BVerfG, NJW 2007, 979ff.

3 Mayer/Kroiß/ Teubel, §4a RVG Rn.2.

4 BVerfG, NJW 2007, 979, 980, 984.

5 BVerfG, NJW 2007, 979, 985.

6 BVerfG, NJW 2007, 979, 985.

7 Mayer/Kroiß/ Teubel, §4a Rn.3.

8 Mayer/Kroiß/ Teubel, §4a Rn. 5.

9 Gerold/Schmidt/ Mayer, §4a RVG, Rn.1.

10 Kilian, NJW 2008, 1905.

11 Peitscher, Anwaltsrecht Rn.386.

12 §44, 46 I, 49 b I BRAO, §§4 II, 6, 7, 8 I, 9, 19 I RVG.

13 Hensseler/Prütting/ Kilian, §49b Rn. 6.

14 Kilian, Der Erfolg und die Vergütung des Rechtsanwalts S.30

15 BVerfG, NJW 1985, 727, 729.

16 Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht Rn. 483, 485.

17 Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht Rn. 483, 485.

18 OLG Frankfurt, OLGReport 1993, 307,308.

19 Kilian, NJW 2014, 1499.

20 Hinne/Klees/Müllerschön/ Teubel /Winkler, Vereinbarungen mit Mandanten Rn.12.

21 Krämer/Mauer/ Kilian, Vergütungsvereinbarungen- und Management Rn.435.

22 Gerold/Schmidt/ Mayer, §8 RVG, Rn.10-12.

23 Peitscher, Anwaltsrecht Rn.573.

24 Hartung/ Nerlich, §49b Rn.163.

25 LG München, NJW 1975, 937, 938.; Maurer/Krämer/ Kilian, Vergütungsvereinbarungen- und Management Rn.443.

26 Peitscher, Anwaltsrecht Rn. 575.

27 Winter, Erfolgshonorare für Anwälte S.27.

28 Römermann /Hartung, Anwaltliches Berufsrecht Rn.165.

29 BGH, NJW 2009, 3297ff.

30 Gerold/Schmidt/ Mayer, §4a RVG, Rn.4.

31 Henssler/Prütting/ Kilian §49b BRAO Rn. 102.; Krämer/Maurer/ Kilian, Vergütungsvereinbarungen und Management Rn. 476.

32 BGH, NJW 2009, 3297.

33 Blattner, AnwBl. 2012, 562.

34 Krämer/Maurer/ Kilian, Vergütungsvereinbarungen- und Management Rn. 479.

35 Koch/Kilian, Anwaltliches Berufsrecht Rn. 493.

36 Feuerich/ Weyland, §49b BRAO Rn.54.

37 BT-Drucks. 16/8384, S.9.

38 Krämer/Maurer/ Kilian, Vergütungsvereinbarungen- und Management Rn.480.

39 Koch/ Kilian, Anwaltliches Berufsrecht Rn. 494.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Das anwaltliche Erfolgshonorar. Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts unter der aufschiebenden Bedingung des Erfolgs der anwaltlichen Bemühungen
Hochschule
Universität zu Köln
Autor
Jahr
2015
Seiten
22
Katalognummer
V300748
ISBN (eBook)
9783656969020
ISBN (Buch)
9783656969037
Dateigröße
839 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anwaltsrecht, Erfolgshonorar, Rechtsanwalt, Vergütungsvereinbarungen, erfolgsabhängige Vergütung, zivilrechtliche Fragen des Anwaltsrecht
Arbeit zitieren
Ann Cathrin Müller (Autor:in), 2015, Das anwaltliche Erfolgshonorar. Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts unter der aufschiebenden Bedingung des Erfolgs der anwaltlichen Bemühungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300748

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