Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Historische Einbettung
2. Kants Einfluss auf die Aufklärung
2.1. Erziehung bei Kant
2.2. Sinn und Zweck der Erziehung
3. Die Nachwirkung Kants in der zeitgenössischen Pädagogik
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
Kant ist uns allen bekannt als einer der größten deutschen Philosophen. Weniger bekannt ist er jedoch für seinen Einfluss als Pädagoge. Moralphilosophie und Erziehung gehören allerdings oft zwangsläufig zusammen, zumindest wenn sie bedacht ist, den Menschen zu einem moralisch besseren Menschen zu erziehen Zudem ist Kant Teil der Epoche der Aufklärung, also einem Zeitalter in der die Menschen von ihrem blinden Folgen von Autoritäten, insbesondere der christlichen Kirche, abkommen sollten, und anstatt dessen selbst denken lernen sollten um Klarheit über ihr Leben und die Welt zu bekommen. Die wissenschaftlichen Durchbrüche der Zeit unterstützten den Fortschritt der Aufklärung ebenfalls maßgeblich.
In dieser Arbeit soll zunächst ein kurzer Überblick über die Epoche der Aufklärung gegeben werden und ihre Bedeutung für die Pädagogik der Neuzeit aufgezeigt werden. Im Folgenden soll das Wirken Kants als Pädagoge in dieser Epoche verdeutlicht werden sowie sein eigenes Verständnis von der Aufklärung.
In einem nächsten Schritt wird die Erziehungsphilosophie Kants vorgestellt, sowie seine Ziele und Zwecke. Hier soll auch deutlich werden, inwiefern die kantische Pädagogik im Zusammenhang mit Kant als Moralphilosoph steht.
In einem letzten Schritt wird Bezug auf die Pädagogik in der deutschen Geschichte und der Stellenwert der Pädagogik der Aufklärung in der Geschichte sowie in der zeitgenössischen Pädagogik genommen und überprüft, inwiefern die Pädagogik der Aufklärung heute noch relevant ist.
1. Historische Einbettung
"Die Aufklärung war eine europäische Bewegung, die im 17, Jahrhundert in England und den Niederlanden ihren Ursprung hatte, danach Frankreich und schließlich, vor allem in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, auch den deutschen Sprachraum erfasste."1 Das Besondere bei der Aufklärung lag in dem Vertrauen in die menschliche Vernunft, mit der die bisher gültigen Traditionen, vor allem die religiösen und die Stellung des Menschen in der Welt überprüft werden sollten. Vor der Aufklärung war der Mensch auf sein göttliches Schicksal ausgerichtet und wollte seiner Bestimmung nachgehen, die im Jenseits, also außerhalb des menschlichen Lebens, erst zu ihrer Erfüllung und zu ihrem Höhepunkt kommen sollte. „Mensch und Welt [galten] als Träger einer Bestimmung, der sie sich in der Zeit anzunähern haben, aber verwirklicht werden kann diese Bestimmung erst nach aller Zeit.“2 Nach dieser mittelalterlichen Auffassung mussten die Menschen blind einer göttlichen Autorität folgen und erst nach ihrem Leben auf Erden konnten sie zu ihrer Vollkommenheit gelangen.
Diese Lebenseinstellung der Menschen lief größtenteils unreflektiert ab und das göttliche Schicksal der Menschen wurde keineswegs hinterfragt. Bildlich gesprochen sind die Menschen vor der Aufklärung ihrer Bestimmung im Dunkeln gefolgt, während die neue Epoche Licht, also „Klärung“ in ihr Leben bringen sollte. „Das Licht soll und wird in dieser Welt aufgehen, nicht im Jenseits.“3 Demnach ist mit der Aufklärung der Weg aus einer Finsternis mit Hilfe der menschlichen Vernunft gemeint. Die Aufklärung ist der selbstständige Gebrauch des Intellekts, ein ‚Klären‘ der Dinge und Zustände, ein Aufweis der ‚nackten Wahrheit‘ gemeint. Eine Epoche, in der das Vertrauen zu der Kraft der menschlichen Vernunft größer ist als das Bedürfnis nach Orientierung und Anleitung durch Traditionen und Autorität.4
Durch die Abnabelung von der Kirche und ihrer Bevormundung konnten die Menschen erstmals unabhängig, nicht aufgrund von vorgebeteten Wahrheiten, denen zu folgen war, sondern mittels ihres eigenen Verstandes ihre Welt erklären und durch die eigene Vernunft mündig werden. Die Wissenschaften haben maßgeblich zu der Klärung des Weltbildes beigetragen. An die Stelle von biblischen Erläuterungen über die Beschaffenheit der Welt, traten nun die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Beispiel Galileis.
Die Idee der Aufklärung „unterstellte die Lernfähigkeit des einzelnen Menschen wie der Gesellschaft, verband also die Idee des historischen Fortschritts mit der des Lernens.“5 Erst durch die Erkenntnis, dass der Mensch selbst vernunftbegabt denken und handeln kann und die Möglichkeit ihn zum vernünftigen Denken zu erziehen, hat überhaupt den Grundstein gesetzt über die Erziehung der Menschen nachzudenken. Den Menschen als erziehungsfähiges Wesen zu erkennen war demnach die Grundvoraussetzung für die Beschaffenheit unserer heutigen Schulen.
Nachdem der Mensch als erziehungsfähiges Wesen erkannt worden ist, konnte man sich Gedanken über seine Erziehung und den Inhalt dessen machen, was der Mensch lernen sollte. Die Epoche der Aufklärung lag auch im staatlichen Interesse, da zur Zeit des 18. Jahrhunderts Armut und Not in der Bevölkerung herrschten und forderten eine Veränderung in der Gesellschaft ein. „Die Erziehung der Kinder wurde zur Voraussetzung des historischen Fortschritts erklärt; zugleich sollten damit einer historisch neuartigen Disziplinierung und Kontrolle unterworfen werden.“6 Ähnliche Inhalte der Erziehung sind auch bei Kant wiederzufinden.
2. Kants Einfluss auf die Aufklärung
Über die Frage, was Aufklärung eigentlich sei, hat Kant klar Stellung bezogen. Nach seiner Auffassung war der Mensch bis zur Zeit der Aufklärung unmündig und die Unmündigkeit nur durch die Anwendung des menschlichen Verstandes zu überwinden:
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Erschließung des Mutes liegt, sich seiner ohne die Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut, Dich Deines Verstandes zu bedienen!7
Der Begriff unmündig lässt sich allerdings nicht wie oft fälschlicherweise angenommen von Mund und in diesem Zusammenhang mit Sprachlichkeit ableiten, sondern entstammt den Rechtsbegriffen und wurde von Kant in die Aufklärung übertragen. "Mündig nennt er denjenigen, der ohne Leitung eines anderen, etwas eines Seelsorgers, Monarchen oder auch Gottes, sich seines Verstandes zu bedienen versteht und im maßvollen öffentlichen Gebrauch desselben zum mitgestaltenden Subjekt der Geschichte wird."8 Hier ist zum einen auch wieder deutlich die Abgrenzung von der Kirche zu erkennen, die unweigerlich Mut erfordert, aber auch den Willen, selbst zu denken, auch wenn dies eigene Anstrengungen erfordert.
Zum anderen kann man an Kants Ausführung sehen, dass die Mündigkeit nicht nur der Freiheit einzelner Menschen dienlich sein soll, sondern auch öffentlich, nämlich zugunsten der Gesellschaft, eingesetzt werden soll. Denn unter dem öffentlichen Gebrauch der Vernunft versteht Kant „den jemand als Gelehrter von ihr vor dem ganzen Publikum der Leserwelt macht.“9 Hier stellt sich jedoch die Frage, wer überhaupt, im Hinblick auf den geringen Anteil der gebildeten Bevölkerung, zu der Leserwelt gehört. Um die Verschiebung in den öffentlichen Bereich einer breiten Bevölkerungsschicht möglich machen zu können, muss die Erziehung also aus dem privaten Bereich in, für viele Menschen zugängliche, Institutionen verlegt werden.
Interessant ist ebenfalls, dass Kant dem Menschen bereits die Grundvoraussetzung der Vernunft, nämlich den Verstand, zuspricht und nur der Mut aufgebracht werden muss, ihn zu benutzen. Dies sagt aus, dass der Mensch bereits alle Anlagen für die Aufklärung aufweist, woraus sich auch das Selbstverschulden ergibt, wenn diese nicht genutzt werden. Nur „Faulheit und Feigheit“10 sind die Ursachen, warum die Menschen sich ihrer Mündigkeit und ihrem Verstand noch nicht bedienen, denn „es ist so bequem unmündig zu sein.“11
2.1. Erziehung bei Kant
Auch wenn Kants Erziehungsmodell bereits einen klaren Fortschritt zur Zeit vor der Aufklärung darstellt, muss sie heute kritisch betrachtet werden und entspricht nicht mehr unbedingt unserer heutigen Auffassung einer guten Erziehung. Denn „Erziehung ist im Horizont dieses Denkens kein mildes, kinderfreundliches Geschäft“12 und obwohl sie der Freiheit bedurfte und auch den Menschen dienlich sein sollte um ihre eigene Mündigkeit, also auch Freiheit, zu entfalten, hatte sie Kontroll- und Zwangsansätze, auf die im Folgenden noch näher eingegangen wird, zum Inhalt.
Kant hat unter der Erziehung der Menschen die Vervollkommnung gesehen, denn der Mensch ist aus seinen Augen noch in seiner Entwicklung um überhaupt erst Mensch zu werden. „Der Mensch kann nur Mensch werden durch Erziehung. Er ist nichts, als was die Erziehung aus ihm macht.“13 Der Mensch hat zwar die Veranlagung dazu vollkommen zu werden, Kant nennt diese „Naturanlagen“14, jedoch ist er bisweilen zu befangen in seiner Unmündigkeit diese auszubauen. Um die Naturanlagen zu vervollkommnen bedarf es der Erziehung der Menschen, „denn hinter der Edukation steckt das große Geheimnis der Vollkommenheit der menschlichen Natur.“15 Diese kann wiederum nur von Menschen durchgeführt werden, also Menschen, die selbst der Erziehung noch bedürfen und nicht vollkommen sind, was dazu führt, dass die Vervollkommnung der Menschheit nur langsam voran schreiten kann. Kant malt sich aus, was wäre, wenn man diese Hürde umgehen könne und bemerkt: „Wenn einmal ein Wesen höherer Art sich unserer Erziehung annähme, so
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1 Baumgart, Franzjörg (Hrsg.): Erziehungs- und Bildungstheorien. 2007, S. 27.
2 Blankertz, Herwig: Die Geschichte der Pädagogik. Von der Aufkläung bis zur Gegenwart. 2011, S. 23.
3 Ebd.
4 Ebd., S. 21.
5 Baumgart (Hrsg.) S. 27.
6 Baumgart (Hrsg.), S. 31.
7 Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784), in: I. Kant: Werke, hrsg. Von Ernst Cassirer, Bd. 4, S, 169. In: Blankertz, S. 22.
8 Kant, Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784), in: I. Kant: Werke, hrsg. Von Ernst Cassirer, Bd. 4, S. 167-176, in: Fischer und Löwisch, S. 126.
9 Baumgart (Hrsg.), S. 40.
10 Kant: Über Pädagogik. 1803, in: Baumgart (Hrsg.), S. 39
11 Ebd.
12 Ebd.
13 Ebd., S. 42.
14 Ebd.
15 Ebd., S. 42.