„Es geht auch dich an, wenn deines Nachbarn Haus brennt“ schrieb der römische Dichter Horaz bereits zwischen 65 und 8 vor Christus. Rund 2000 Jahre später weiß man auch in Deutschland, dass die Staatsschuldenkrise im Euroraum eine Gefahr ist, auch wenn das Feuer derzeit nicht in unmittelbarer Nachbarschaft brennt, sondern besonders in den südeuropäischen Ländern Portugal, Spanien und Griechenland hohe Flammen schlägt.
Man hat also erkannt, dass diese Krise ein Problem ist, das es innerhalb der Europäischen Union zu lösen gilt. Die Verursacher und Schuldigen für diese Krise sucht man bisher fast ausschließlich in den betroffenen Staaten selbst und versucht daher mit hohen Sparauflagen, die man vor allem Griechenland auferlegt, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Welche Rolle Deutschland in der Entstehung dieser Krise eingenommen hat, bleibt allerdings häufig unbeleuchtet.
Die Situation in Deutschland ist schließlich nicht schlecht. Die starke Exportwirtschaft sorgt für Überschüsse bei der Leistungsbilanz, die die Importe und Exporte von Gütern erfasst. Das wiederum führt zu Wohlstand und geringer Arbeitslosigkeit. Deutschland ist innerhalb der Europäischen Union eines der wenigen Länder, die noch nicht in einer Rezession angekommen sind und trägt bei der Bewältigung der Staatsschuldenkrise mit der Bereitstellung von Krediten die größte Last aller EU-Mitgliedsstaaten. Warum sollte man also in Deutschland nach Schuldigen für die derzeitige Situation suchen?
Deutschland hat sich mit einer stark zurückhaltenden Lohnpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten einen großen Standortvorteil gegen-über den anderen Staaten der EU verschafft. In Kombination mit einer gestiegenen Produktivität hat das dazu geführt, dass der deutsche Staat weitaus wettbewerbsfähiger ist als andere Staaten. Deutsche Unternehmen können ihre Waren kostengünstig herstellen und im Ausland vertreiben. Folglich erzielt Deutschland hohe Leis-tungsbilanzüberschüsse, die sich unter anderem auf Seiten der südeuropäischen Staaten als Leistungsbilanzdefizite niederschlagen und für eine steigende Staatsverschuldung sorgen. Es stellt sich also die Frage: Ist Deutschland das Zugpferd Europas oder lebt es auf Kosten der südeuropäischen Länder?
Inhaltsverzeichnis
- Große Wettbewerbsvorteile machen Deutschland zur Wirtschaftsmacht Europas
- Die Kehrseite der Medaille - Leistungsbilanzdefizite und Staatsverschuldung in Südeuropa
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Der Text analysiert die Rolle Deutschlands in der Entstehung der Staatsschuldenkrise im Euroraum. Er untersucht, inwieweit Deutschlands Wettbewerbsvorteile, die durch eine zurückhaltende Lohnpolitik und steigende Produktivität erzielt wurden, zu Leistungsbilanzdefiziten und Staatsverschuldung in südeuropäischen Ländern beigetragen haben.
- Die Bedeutung der deutschen Lohnpolitik für die Wettbewerbsfähigkeit
- Der Zusammenhang zwischen deutscher Exportstärke und Leistungsbilanzdefiziten in Südeuropa
- Die Auswirkungen der deutschen Wettbewerbsfähigkeit auf die Staatsverschuldung in Südeuropa
- Die Rolle Deutschlands als "Zugpferd Europas" und die Frage, ob es auf Kosten anderer Länder lebt
Zusammenfassung der Kapitel
Große Wettbewerbsvorteile machen Deutschland zur Wirtschaftsmacht Europas
Dieses Kapitel analysiert die Faktoren, die zu Deutschlands großem Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen europäischen Ländern geführt haben. Es wird die Bedeutung der deutschen Lohnpolitik, die im Vergleich zu anderen EU-Staaten deutlich zurückhaltender war, hervorgehoben. Die Entwicklung des realen effektiven Wechselkurses wird ebenfalls betrachtet, um die Veränderungen in der Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands im Vergleich zu Griechenland, Spanien und Portugal aufzuzeigen. Das Kapitel betont die positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft und die steigenden Exporte, die durch diese Wettbewerbsvorteile begünstigt wurden.
Die Kehrseite der Medaille - Leistungsbilanzdefizite und Staatsverschuldung in Südeuropa
Dieser Abschnitt beleuchtet die negativen Auswirkungen der deutschen Wettbewerbsfähigkeit auf die südeuropäischen Länder. Es wird gezeigt, wie die zurückgehende Wettbewerbsfähigkeit in diesen Ländern zu sinkenden Exporten und steigenden Leistungsbilanzdefiziten führte. Der Zusammenhang zwischen den hohen Leistungsbilanzüberschüssen Deutschlands und den Defiziten in Südeuropa wird aufgezeigt. Das Kapitel diskutiert die Frage, ob die deutsche Lohnpolitik einen direkten Einfluss auf die Staatsverschuldung in Südeuropa hat.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter des Textes sind: Lohnpolitik, Wettbewerbsfähigkeit, Leistungsbilanz, Staatsverschuldung, Deutschland, Südeuropa, Eurokrise, Export, Produktivität.
- Arbeit zitieren
- Christoph Rahe (Autor:in), 2013, Deutschland. Zugpferd Europas oder Leben auf Kosten südeuropäischer Länder?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/300882