Eines wird schnell deutlich auf der Zugfahrt durch Niederschlesien von der deutschen Grenze, von Dresden und Görlitz, in Richtung Breslau : Alles ist polnisch…
Weil sie in ihrer Umhängetasche aus Kalbsleder jederzeit zwei von den sechs [Einkaufsnetzen, AH] mit sich führte, leitete er diese Vorsorge von der in allen Ostblockstaaten herrschenden Mangelwirtschaft ab: ‚Plötzlich gibt es irgendwo frischen Blumenkohl, …
Zwei Menschen beschreiben ihre Eindrücke in Polen. Der – nicht fiktive - Journalist Strothmann leitet seine Reportage „Polens Wille zum Wandel“ mit Feststellungen ein, die zu einigen polemischen Bemerkungen herausfordern könnten. Doch soll ein Vergleich zur Illustration genügen: Türkei- oder Amerikareisende werden sich wohl kaum darüber wundern, wenn sie in ein Land einreisen, in dem kein Deutsch gesprochen und verstanden wird. Man mag dem Autor zugute halten, daß er mit seinen Feststellungen auf die wechselvolle Geschichte Niederschlesiens anspielen will. Man kann aber auch zu dem Schluß kommen, daß Strothmann hier ein gewisses Mißtrauen ausdrückt, wenn er sagt, daß Kenntnisse der deutschen Sprache auf Seiten der Polen, die ihm begegnen, nicht erkennbar sind. Denn dies impliziert ja, daß sie dem Fremden, womöglich der polnischen Sprache Unkundigen, reserviert entgegentreten. Was der Autor aufgrund der Rolle der Deutschen in der Vergangenheit sicher auch verstehen würde, so scheint es mitzuklingen. Und gerade diese subtile Mischung von Mißtrauen und Verständnis ist es, welche die Wirksamkeit der Vorbehalte deutlich macht. Verständnis basiert hier auf der Nutzung des Verstandes, ist rational begründet und wird positiv bewertet. Doch unter der Schicht des Verständnisses entlarvt der Autor die emotionale Ebene seines Mißtrauens unbeabsichtigt selbst. Die Beschreibung der Freundlichkeit und des Bemühens um Kontakt, denen er begegnet, ist nur auf den ersten Blick positiv konnotiert. Ist es doch nur ein Lächeln, mit dem man mit ihm kommuniziert. Darüber hinaus erinnert seine Beschreibung der Kontaktaufnahme bei ungenügender fremdsprachlicher Qualifikation an die Beschreibung von Ureinwohnern in zu kolonisierenden Gebieten. Die eigene Unfähigkeit, die Menschen in deren Muttersprache anzusprechen, wird nicht reflektiert und keineswegs in Frage gestellt, die Muttersprache des Reisenden erscheint als Maßstab.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Zur Fragestellung
- Gegenstand der Untersuchung
- Der Einfluß von Stereotypen
- Kategorien
- Zwischen Panorama und Spiegelbild
- Literarische Bilder vom Land Polen und von polnischen Menschen
- Zur Illustration des Bisherigen: Bestandsaufnahme
- Die Zeit der Polenlieder
- Der Umschwung
- Bilder der polnischen Nation
- Die Verwendung nationalistischer Termini in der Literatur
- Die Vermeidung von Nationalitätsbezeichnungen
- „E bißche vom polnischen Leichtsinn“
- Nationalität als abgrenzende Eigenschaft
- Die Relativität von nationalen Stereotypen
- Von der Ebene des Konkreten zu übergreifenden Erklärungen
- Bilder der Individuen
- Zwischen deklarierter Völkerfreundschaft und Individualität
- Gemeinsamkeiten
- Einzelne Menschen im Fokus der literarischen Beschreibung
- Die Witwe Piątkowska
- Kindheiten
- Objekte im Zoom
- Wahrgenommenes
- Städtebilder
- „Daẞ Häuser altern, hast du gewußt.“
- Landschaften
- Ausdruck der Eindrücke
- Alltagsdarstellungen - Die Bedingtheit des täglichen Lebens
- Gastfreundschaft
- Auseinandersetzungen
- Markttage
- Schwarzmarkt und Jugend
- Entwicklungen: Kirche und Solidarność
- Maßstäbe
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit untersucht die Darstellung Polens und der Polen in der deutschen Literatur der Nachkriegszeit und der Gegenwart. Sie analysiert ausgewählte Texte, um zu zeigen, wie in diesen das Bild des Nachbarlandes und seiner Bewohner gezeichnet wird, und ob und wie sich Stereotype und Vorurteile in den Darstellungen widerspiegeln.
- Stereotype und Vorurteile gegenüber Polen in der deutschen Literatur
- Analyse von Texten aus verschiedenen literarischen Genres
- Der Einfluss der deutsch-polnischen Geschichte auf die Darstellung Polens
- Die Rolle von Sprache und Kultur in der Konstruktion von Bildern
- Differenzierte Betrachtung der polnischen Identität und des Alltagslebens
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung führt den Leser in das Thema der Hausarbeit ein und beleuchtet die Fragestellung. Sie stellt die Relevanz der Untersuchung dar und verdeutlicht die Bedeutung der Auseinandersetzung mit Stereotypen und Vorurteilen gegenüber Polen in der deutschen Literatur.
Im zweiten Kapitel wird die Fragestellung präzisiert. Es wird untersucht, wie Stereotype in der deutschen Literatur über Polen wirken und welche Kategorien zur Analyse herangezogen werden können.
Das dritte Kapitel bietet eine Bestandsaufnahme und beleuchtet die Darstellung Polens in der deutschen Literatur der Nachkriegszeit. Es werden die „Polenlieder“ und der Wandel in der Darstellung des Landes analysiert.
Das vierte Kapitel widmet sich den „Bildern der polnischen Nation“. Es wird untersucht, wie Nationalität in der Literatur dargestellt wird und welche Stereotype in diesem Zusammenhang verwendet werden.
Das fünfte Kapitel konzentriert sich auf die „Bilder der Individuen“. Es werden exemplarische Figuren aus der deutschen Literatur vorgestellt, die Einblicke in das Leben von Polen geben.
Das sechste Kapitel befasst sich mit der „Wahrnehmung“ von Polen und behandelt Themen wie Städtebilder, Landschaften und die Darstellung des Alltags.
Das siebte Kapitel widmet sich den „Alltagsdarstellungen“ und zeigt, wie das tägliche Leben in Polen in der deutschen Literatur gezeigt wird. Es beleuchtet Themen wie Gastfreundschaft, Auseinandersetzungen und Markttage.
Schlüsselwörter
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit den Themen Polenbild, deutsche Literatur, Stereotype, Vorurteile, Nachkriegszeit, Gegenwart, deutsch-polnische Geschichte, nationale Identität, Alltag, Sprache, Kultur. Sie analysiert literarische Texte und erforscht die Konstruktion von Bildern und deren Einfluss auf das Verständnis des Nachbarlandes und seiner Bewohner.
- Arbeit zitieren
- Magister Artium Andrea Himmelstoß (Autor:in), 2000, Das Bild Polens und der Polen in der deutschen Literatur am Beispiel ausgewählter Texte von der Nachkriegszeit bis zur Gegenwart, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30102