Die Grundrechte in Deutschland

Ein Überblick


Zusammenfassung, 2015

54 Seiten

Marc Daniels (Autor:in)


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Menschenwürde, Art. 1 I GG

II. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG

III. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II 2 GG

IV. Freiheit der Person, Art. 2 II 2 GG

V. Glaubensfreiheit, Art. 4 I, II GG

VI. Gewissensfreiheit, Art. 4 I GG

VII. Meinungsfreiheit, Art. 5 I 1 (Var. 1) GG

VIII. Informationsfreiheit, Art. 5 I 1 (Var. 2) GG

IX. Pressefreiheit, Art. 5 I 2 (Var. 1) GG

X. Rundfunkfreiheit, Art. 5 I 2 (Var. 2) GG

XI. Filmfreiheit, Art. 5 I 2 (Var. 3) GG

XII. Kunstfreiheit, Art. 5 III 1 Alt. 1 GG

XIII. Wissenschaftsfreiheit, Art. 5 III 1 Alt. 2 GG

XIV. Schutz von Ehe und Familie, Art. 6 I GG

XV. Elternrecht, Art. 6 II, III GG

XVI. Schulwesen, Art. 7 I GG

XVII. Versammlungsfreiheit, Art. 8 GG

XVIII. Berufsfreiheit

XIX. Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG

XX. Eigentum, Art. 14 GG

XXI. Gleichheitsrechte

I. Menschenwürde, Art. 1 I GG

Problem: Grundrechtsgehalt? Kann die Menschenwürde Prüfungsmaßstab eine Verfassungsbeschwerde sein?

e.A.: Art. 1 III GG gibt einen Hinweis darauf, dass Art. 1 I GG kein Grundrecht ist, wenn er sagt, dass „die nachfolgenden Grundrechte“ Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht binden. Deshalb liegt der Umkehrschluss nahe, dass der vorangehende Art. 1 I GG kein unmittelbar geltendes Grundrecht sein soll.

h.M.: Der Wortlaut in Satz 3 schließt die Menschenwürde als Grundrecht nicht aus. Vielmehr ergibt sich aus Art. I 2 GG, dass Art. 1 I 1 GG unmittelbar bindendes Recht darstellt. Einer Wiederholung in Art. 1 III GG bedarf es also nicht. Zudem steht Art. 1 I GG im Grundrechtsteil des Grundgesetzes (vgl. die Überschrift vor Art. 1 I GG: „Die Grundrechte“). Schließlich werden Schutzlücken geltend gemacht, wenn man den Grundrechtsgehalt der Menschenwürdegarantie nicht anerkennen würde.

Merke: Nur in den Fällen, in denen die Menschenwürdegarantie den Schwerpunkt darstellt, sollte der Grundrechtscharakter des Art. 1 Abs. 1 GG diskutiert werden.

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

Die Menschenwürde ist ein Jedermann-Grundrecht.

Schutz des werdenden Lebens:

Geschützt wird auch der Nasciturus.

Postmortaler Persönlichkeitsschutz:

Die Menschenwürde stellt sich damit nicht als subjektives Recht des Toten, sondern als objektiv-rechtliche Schutzpflicht des Staates dar, welche die Nachkommen geltend machen können.

b) Sachlicher Schutzbereich

-> Allgemeiner Eigenwert, der dem Menschen kraft seiner Persönlichkeit zukommt.

Der Mensch darf nicht zum bloßen Objekt staatlichen Handelns gemacht und nicht einer Behandlung ausgesetzt werden, die seine Subjektqualität prinzipiell in Frage stellt (Objektformel).

Fallkonstellationen:

- Verletzung der körperlichen Identität oder Integrität (Gefahrenabwendungsfolter, wrongful birth, wrongful life, Inzest, heimliche Vaterschaftstests, Verbot von Geschlechtsumwandlungen)
- Verletzung der geistig-seelischen Integrität
- Fehlende Grundsicherung individuellen oder sozialen Lebens (Besteuerung/Gewährleistung des (menschenwürdigen) Existenz-minimums, menschenwürdige Ausgestaltung des Strafvollzugs)
- Verletzung des postmortalen Persönlichkeitsrechts
- Beeinträchtigung des Kernbereichs privater Lebensgestaltung (Onlinedurchsuchung)
- sonstige Fallkonstellationen

(Kampfspiele mit virtueller Tötungsmöglichkeit, finaler Rettungsabschuss, Schockwerbung)

Merke: Es muss eine gewissen Erheblichkeit der Verletzung vorliegen. (Nicht bei der Leichenöffnung im Ermittlungsverfahren oder dem Friedhofszwang für Urnen)

Beachte: Ist der Schutzbereich der Menschenwürde eröffnet, liegt zwangsläufig ein Eingriff in den Schutzbereich vor. Ein solcher ist stets unzulässig, denn die Würde des Menschen ist unantastbar (also nicht einschränkbar; eine Verletzung der Menschenwürde ist nicht zu rechtfertigen).

Hinweis: Als Kontrollüberlegung kann man anschließend überlegen, ob eine der anerkannten Fallgruppen einschlägig ist. Andernfalls sollte bloß das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG) herangezogen werden. In der Fallbearbeitung ist bei Art. 1 Abs. 1 GG besonders darauf zu achten, dass nicht jedes staatliche Handeln, das man persönlich für unerträglich hält, die Menschenwürde betrifft. Zumeist sind die speziellen Freiheitsrechte einschlägig. Deshalb empfiehlt sich ein Ausgehen von der Objektformel, da sich mit ihrer Hilfe am ehesten eine klare juristische Subsumtion vornehmen lässt.

II. Allgemeine Handlungsfreiheit, Art. 2 I GG

Merke: Die allgemeine Handlungsfreiheit ist grds. in allen Lebensbereichen thematisch einschlägig. Sie ist subsidiär zu speziellen Freiheitsrechte und vor möglicherweise einschlägigen Gleichheitsrechten zu prüfen.

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

-> Jedermann-Grundrecht (steht auch Ausländern zu, insbesondere, wenn sie sich nicht auf die Deutschen-Grundrechte berufen können).

Auch juristische Personen können sich auf Art. 2 I GG berufen.

b) Sachlicher Schutzbereich

e.A.: Geschützt wird nicht jede banale Tätigkeit, sondern nur die freie Entwicklung der Persönlichkeit. Arg.: Wofür sonst überhaupt spezielle Freiheitsrechte?

h.M.: Geschützt wird jedes Verhalten, also das Recht zu tun und zu lassen, was man will. Umfasst sind jedoch nur solche Verhaltensweisen, welches nicht von einem speziellen Freiheitsrecht erfasst werden, ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht ihm für die Persönlichkeitsentfaltung zukommt, wobei nicht nur aktives Handeln, sondern auch Nichthandeln erfasst ist. Arg.: Lückenschließung, leichte Rechtfertigung, VHM

Hinweis: Art. 2 I GG ist gegenüber den speziellen Freiheitsrechten ein (subsidiäres Auffanggrundrecht. Ist der sachliche und persönliche Schutzbereich eines speziellen Freiheitsrechts eröffnet, tritt die allg. Handlungsfreiheit hinter diesem zurück.

Tipp: Wegen der Subsidiarität des Art. 2 I GG, ist mit der Grundrechtsprüfung der speziellen Freiheitsrechte zu beginnen. Ist der Schutzbereich des speziellen Grundrechts eröffnet, ist zu erwähnen dass hier eventuell auch Art. 2 I GG einschlägig wäre, dieses jedoch aufgrund des subsidiären Charakters zurücktritt.

2. Eingriff

Besonderheit: Nach h.M. schützt die allg. Handlungsfreiheit grundsätzlich nicht gegen Eingriffe i.S.d. modernen (nicht rechtlichen) Eingriffsbegriffs, um die Möglichkeit Verfassungsbeschwerde zu erheben, nicht ausufern zu lassen.

Beachte: Ein Eingriff in die allg. Handlungsfreiheit liegt nicht vor, wenn der Grundrechtsberechtigte im konkreten Fall auf seinen grundrechtlichen Schutz wirksam (nicht durch Zwang oder aufgrund von Willensmängeln) verzichtet hat, also in den Eingriff eingewilligt hat.

3. Rechtfertigung

Als Schrankenvorbehalte nennt Art. 2 I GG die verfassungsmäßige Ordnung, Rechte anderer und das Sittengesetz (Schrankentrias).

Beachte: Das Zitiergebot gilt bei Art. 2 I GG nicht.

Die verfassungsmäßige Ordnung bedeutet verfassungsmäßige Rechtsordnung, d.h. die Gesamtheit der Normen, die formell und materiell mit der Verfassung in Einklang stehen.

Da es sich um einen einfachen Gesetzesvorbehalt handelt, sind grds. alle formellen Gesetze, materielle Gesetze (Satzungen , Rechtsverordnungen) und die auf der Grundlage dieser Gesetze ergehenden Maßnahmen der Exekutive (Verwaltungsakte) erfasst.

Merke: Die Rechte anderer beschreiben subjektive Rechte. Diese sind, - da sie einer gesetzlichen Grundlage bedürfen -, bereits Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung. Was unter dem Sittengesetz zu verstehen ist, ist umstritten. Stellt man auf die „guten Sitten“ oder „Treu und Glauben“ ab, sind diese normiert (§§ 138, 242 BGB) und daher ebenfalls von der verfassungsmäßigen Rechtsordnung erfasst.

Verhältnismäßigkeit:

Als Abwägungsdirektive: Je mehr der gesetzliche Eingriff elementare Äußerungsformen der menschlichen Handlungsfreiheit berührt, umso sorgfältiger müssen die zu seiner Rechtfertigung vorgebrachten Gründe gegen den grundsätzlichen Freiheitsanspruch des Bürgers abgewogen werden.

Abstraktes Merkmal: Lediglich Auffanggrundrecht -> somit kein hohes Gut von Verfassungsrang.

Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG

Das allg. Persönlichkeitsrecht gilt als Ausfluß der allg. Handlungsfreiheit durch richterliche Rechtsfortbildung gem. Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG.

a) Persönlicher Schutzbereich

-> Jedermann-Grundrecht

Bei juristischen Personen (ungeklärt) kommt es auf die Wesensmäßigkeit an.

b) Sachlicher Schutzbereich

Das allg. Persönlichkeitsrecht umfasst den autonomen Bereich privater Lebensgestaltung und unterteilt sich in folgende Teilbereiche:

aa) Selbstbestimmungsrecht

Die Berechtigung, seine Identität selbst zu bestimmen.

Dazu gehört das Recht, sich der eigenen Identität zu vergewissern und die Freiheit, nicht in einer Weise belastet zu werden, die die Identitätsbildung und –behauptung massiv beeinträchtigt.

Bsp.: Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung, Namensrecht, Recht auf Beibehaltung des Geburtsnamens, Bestimmung der eigenen Fortpflanzung, Recht auf selbstbestimmte Sexualität, Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Recht des Vaters auf Kenntnis, ob ein rechtlich ihm zugeordnetes Kind tatsächlich von ihm abstammt, Recht eines Minderjährigen auf schuldenfreien Eintritt in die Volljährigkeit, Recht eines Straftäters auf Förderung seiner sozialen Integration.

bb) Selbstbewahrungsrecht

Gewährleistung, für sich und allein zu bleiben. Recht auf sozialen und räumlichen Rückzug und Abschirmung.

Bsp.: Schutz vor Krankheiten, Schutz der persönlichen Vermögensverhältnisse, Schutz vor dauerhafter polizeilicher Observation

cc) Selbstdarstellungsrecht

Schutz vor herabsetzender, verfälschender, entstellender und unerbetener öffentlicher Darstellung, aber auch unerbetener heimlicher Wahrnehmung seiner Person.

Bsp.: Schutz der persönlichen Ehre, Schutz vor Äußerungen, die geeignet sind, sich abträchlich auf das Bild des Einzelnen in der Öffentlichkeit auszuwirken, Recht am eigenen Bild und Wort (dazu gehört Schutz vor heimlichen Mit- oder Abhören und Aufnehmen), Recht auf Gegendarstellung und Berichtigung

Merke: In Anknüpfung an das Recht auf Selbstdarstellung hat das BVerfG ein umfassendes Recht auf informationelle Selbstbestimmung entwickelt. Grundsätzlich soll jeder selbst entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden. Das informationelle Selbstbestimmungsrecht enthält sowohl ein Recht auf Abwehr staatlicher Datenerhebungen und –verarbeitungen, als auch ein Recht auf deren Kenntnis.

Bsp.: offene Videoüberwachung öffentlicher Orte, präventiv polizeiliche Rasterfahndung, DNA – Analyse gem. § 81g StPO bei einem 14-jährigen

Hinweis: Das informationelle Selbstbestimmungsrecht stellt ein Auffangrecht dar.

dd) Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme

Vertraulichkeitsschutz: Die vom System erzeugten, verarbeiteten und gespeicherten Daten müssen vertraulich bleiben.

Integritätsschutz: Die Integrität des Systems muss gewahrt bleiben und darf nicht beschädigt sein. Datenbestände dürfen nicht manipuliert werden und auf das System darf nicht unbefugt durch Dritte zugegriffen werden können.

2. Eingriff

Beim allg. Persönlichkeitsrecht stellen alle beeinträchtigenden staatlichen Maßnahmen Eingriffe dar. Dies liegt auch daran, dass die meisten Eingriffe in das allg. Persönlichkeitsrecht eher faktischer statt rechtlicher Natur sind.

Beachte: Ein Eingriff in das allg. Persönlichkeitsrecht liegt nicht vor, wenn der Grundrechtsberechtigte im konkreten Fall auf seinen grundrechtlichen Schutz wirksam (nicht durch Zwang oder aufgrund von Willensmängeln) verzichtet hat, also in den Eingriff eingewilligt hat.

3. Rechtfertigung

Die Abwägungsdirektive der allg. Handlungsfreiheit wird beim allg. Persönlichkeitsrecht durch die Sphärentheorie konkretisiert.

Sphärentheorie

Merke: Die Sphärentheorie ist in der Angemessenheit anzusprechen.

1. Intimsphäre

Unantastbarer Kernbereich privater Lebensgestaltung.

-> Alle Eingriffe, die in die Intimsphäre eindringen, sind stets unzulässig.

Bsp.: Äußerung der innersten Gefühle oder Ausdrucksformen der Sexualität

2. Privatsphäre

Die private, der Öffentlichkeit entzogene Lebensgestaltung (engerer persönlicher Lebensbereich)

-> Eingriffe in die Privatsphäre sind nur zulässig, sofern sie unter strenger Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes im überwiegenden Allgemeininteresse erfolgen.

Bsp.: heimliche Infiltration informationstechnischer Systeme

3. Individual- oder Sozialsphäre

Lebensbereich, in dem sich der Einzelne bewusst in der Öffentlichkeit bewegt (Schützt das Ansehen des Einzelnen in der Öffentlichkeit)

- Eingriffe sind unter den allgemeinen Voraussetzungen zulässig.

III. Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, Art. 2 II 2 GG

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

-> Jedermann-Grundrecht

Beachte: Es gibt kein lebensunwertes Leben.

Problem: Nasciturus grundrechtsberechtigt?

e.A.: (-), weil subjektive Rechtsstellung zu weitgehend

a.A.: (+), weil auch ungeborenes Leben schutzwürdig ist und der primäre Abwehrcharakter der Grundrechte und die Notwendigkeit der Effektivität des Grundrechtsschutzes gewahrt werden müssen.

b) Sachlicher Schutzbereich

Recht auf Leben

Leben meint das körperliche Dasein, d.h. die biologisch-physische Existenz des Menschen.

Beachte: Ein Recht auf Selbstmord kann nicht aus dem Recht auf Leben abgeleitet werden. Ein Recht auf Selbstmord ist durch die allg. Handlungsfreiheit geschützt.

Recht auf körperliche Unversehrtheit

Körperliche Unversehrtheit meint die Gesundheit im biologisch-physiologischen Sinne sowie das psychisch-seelische Wohlbefinden.

Merke: Über den Wortlaut hinaus garantiert das Recht auf körperliche Unversehrtheit auch das psychisch-seelische Wohlbefinden. Damit gebietet das Recht jedenfalls Schutz vor solchen psychischen Beeinträchtigungen, die in ihren Wirkungen körperlichen Schmerzen gleichkommen.

Merke: Das Recht auf Leben beginnt spätestens 14 Tage nach Einnistung in die Gebärmutter (Nasciturus) und endet mit dem Hirntod.

2. Eingriff

Eingriff in das Recht auf Leben:

- Jeder Entzug und jede Gefährdung des Lebens stellt einen einwilligungsunfähigen Eingriff dar.

Bsp.: staatlich veranlasste Tötung, polizeilicher Todesschuss, finaler Rettungsabschuss gem. § 14 III LuftSiG.

Eingriff in die körperliche Unversehrtheit:

- Jede Antastung der körperlichen Unversehrtheit. (Solche Eingriffe liegen nicht nur dann vor, wenn Schmerzen zugefügt oder empfunden werden, sondern auch, wenn die Gesundheit geschädigt oder gefährdet wird).

Bsp.: Menschenversuche, Zwangskastration, Zwangssterilisation

Problem: Eingriff bei unwesentlicher Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit?

e.A.: Wegen der Geringfügigkeit schon kein Eingriff. Nicht jede als unangenehm empfundene Einwirkung auf den Körper könne erfasst werden. Nur Art. 2 I GG sei einschlägig.

a.A.: Eingriff (+), denn die Geringfügigkeit kann bei der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt werden.

Beachte: In einen Eingriff in das Recht auf Leben kann nicht eingewilligt werden, weil das Leben nicht disponibel (wg. Absolutem Lebensschutz, starkem Bezug zur Menschenwürde und Unumkehrbarkeit der Entscheidung) ist. In einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrtheit kann hingegen eingewilligt werden, da dieses Rechtsgut disponibel ist.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

Schranken:

In das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit kann „auf Grund eines Gesetzes“ eingegriffen werden.

Schranken-Schranken (Grenzen der Schranken):

-> Art. 102 GG bestimmt das die Todesstrafe abgeschafft wurde

(von Staats wegen angeordnete (repressive) Tötung eines Menschen zwecks Ahndung einer Straftat.

Merke: Daraus ergibt sich e.c., dass eine präventive staatliche Tötung verfassungsrechtlich grds. legitimiert ist. Voraussetzung ist jedoch, dass sie stets die ultima ratio bildet.

-> Nach Art. 104 I 2 GG dürfen festgehaltene Personen, d.h. Personen, die sich im staatlichen Gewahrsam befinden, weder körperlich noch seelisch misshandelt werden.

Merke: Umfasst sind nicht nur menschenunwürdige Behandlungen.

Greift weder Art. 102 GG noch Art. 104 I 2 GG, ist die Verhältnismäßigkeit zu prüfen.

IV. Freiheit der Person, Art. 2 II 2 GG

Art. 2 II 2 GG gewährleistet zusammen mit Art. 104 GG die Freiheit der Person.

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

Jedermann-Grundrecht (alle natürlichen Personen)

Merke: Auf juristische Personen i.S.d. Art. 19 III GG ist Art. 2 II 2 GG nicht anwendbar.

b) Sachlicher Schutzbereich

Schutz der körperlichen Bewegungsfreiheit in form von positiver und negativer Bewegungsfreiheit.

aa) Positive Bewegungsfreiheit:

Fortbewegungsfreiheit (Freiheit einen bestimmten Ort zu verlassen)

Freiheit des Einzelnen, sich von einem Ort fortzubewegen.

Merke: Nach h.M. wird die Hinbewegungsfreiheit, also die Freiheit, einen bestimmten Ort aufzusuchen nicht von Art. 2 II 2 GG erfasst, sondern nur von Art. 11 I GG.

bb) Negative Bewegungsfreiheit:

Fraglich ist, ob Art. 2 II 2 GG ebenfalls die Freiheit erfasst, einen bestimmten Ort zu meiden, bzw. nicht zu verlassen.

h.M.: (-), sofern es sich nur um eine Anordnung und nicht um staatlichen Zwang handelt, bleibt die körperliche Bewegungsfreiheit als solche erhalten.

a.A.: (+) , denn das Gebot, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort aufzuhalten, enthalte ein Bündel von Verboten, andere Orte aufzusuchen.

2. Eingriff

Freiheitsentziehung ist eine Beschränkung der körperlichen Bewegungsfreiheit, die auf einen eng umgrenzten Raum und nicht nur kurzfristig erfolgt.

Sonstige Freiheitsbeschränkungen sind Maßnahmen, die den Einzelnen durch physischen Zwang oder Drohung daran hindern, einen begrenzten Raum zu verlassen. In zeitlicher Hinsicht sind die sonstigen Freiheitsbeschränkungen auf die Dauer der Durchführung einer bestimmten Maßnahme begrenzt.

3. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

a) Schranke

Wie die Grundrechte aus Art. 2 II 1 GG steht das Grundrecht auf Freiheit der Person unter dem Vorbehalt des Art. 2 II 3 GG, nach dem in die Freiheit der Person „aufgrund eines Gesetzes“ eingegriffen werden kann. Art. 104 I 1 GG überlagert jedoch den einfachen Gesetzesvorbehalt des Art. 2 II 3 GG und normiert eine qualifizierte Schranke für die Eingriffe in die Freiheit der Person. Erforderlich ist für alle Freiheitsbeschränkungen daher ein formelles Gesetz.

Nur bei der Freiheitsentziehungen sind – neben Art. 104 I 1 GG – die Verfahrensregeln des Art. 104 I 2 GG sowie Art. 104 Abs. 2 bis 4 GG zu beachten. Bei sonstigen Freiheitsbeschränkungen ist – neben Art. 104 I 1 GG – dagegen nur die Verfahrensregel des Art. 104 I 2 GG zu berücksichtigen.

Merke: In der VHMK ist darauf zu achten, dass das Gewicht des Freiheitsanspruchs gegenüber dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung mit zunehmender Dauer der Freiheitsentziehung vergrößert wird.

V. Glaubensfreiheit, Art. 4 I, II GG

1. Schutzbereich

a) Persönlicher Schutzbereich

Hier sind drei Formen der Glaubensfreiheit zu unterscheiden:

aa) Individuelle Glaubensfreiheit

Die Glaubensfreiheit ist ein Jedermann-Grundrecht. Somit fällt jede einzelne natürliche Person in den persönlichen Schutzbereich der Glaubensfreiheit.

Merke: Sofern Minderjährige noch nicht grundrechtsmündig sind, werden sie von ihren gesetzlichen Vertretern (i.d.R. Eltern) vertreten.

bb) Kollektive Glaubensfreiheit

Gerade die Glaubensfreiheit stellt ein Grundrecht dar, das darauf angelegt ist, zusammen mit anderen Gläubigen in einer Gruppe wahrgenommen zu werden.

cc) Korporative Glaubensfreiheit

Auch juristische Personen oder sonstige Vereinigungen können sich auf die Glaubensfreiheit berufen, sofern deren Zweck die Pflege oder die Förderung des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses oder die Verkündung des Glaubens ihrer Mitglieder ist.

Somit werden auch nicht rechtsfähige Vereine, Religionsgesellschaften und weltanschauliche Vereinigungen geschützt, die gem. Art. 137 V, VII WRV i.V.m. Art. 140 GG den Status einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft haben (wie bspw. die kath. und evangelische Kirche. Diese sind trotz ihres Status als jur. Pers. des öff. Rechts nicht Teil des Staates, Art. 137 I WRV i.V.m. Art. 140 GG).

Beachte: Ist die religiöse Gemeinschaft zugleich wirtschaftlich aktiv, ist fraglich ob sie noch in den persönlichen Schutzbereich der Glaubensfreiheit fällt. Maßgeblich für diese Beurteilung ist das Selbstverständnis der Gemeinschaft. Nach h.M. fällt auch eine karitative Tätigkeit inkl. Wirtschaftlichem Erfolg einer Religionsgemeinschaft in den Schutzbereich, sofern die ideelle Zielsetzung nicht nur vorgeschoben sind, um Gewinn zu erzielen.

b) Sachlicher Schutzbereich

Art. 4 I, II GG bilden zusammen ein umfassend zu verstehendes einheitliches Grundrecht der Glaubensfreiheit. Es wird die Freiheit gewährleistet, einen Glauben oder eine Weltanschauung zu bilden zu haben, zu äußern und entsprechend zu handeln.

-> Die Glaubensfreiheit schützt jedes glaubens- oder weltanschaulich-motivierte Denken, Reden oder Handeln.

Umfasst sind religiöse Anschauungen (Anschauungen, die das Wesen der Welt vor allem durch eine Gottesvorstellung und einen Jenseitsbezug erklären wollen) und Weltanschauungen (Anschauungen, die die Stellung des Menschen in der Welt antireligiös oder atheistisch erklären wollen). Maßgeblich ist, das eine Wahrheitsüberzeugung gebildet wird, die das Wesen der Welt und die metaphysische Stellung des Einzelnen in der Welt betrifft.

[...]

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Die Grundrechte in Deutschland
Untertitel
Ein Überblick
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltung
Grundrechte
Autor
Jahr
2015
Seiten
54
Katalognummer
V301277
ISBN (eBook)
9783956873980
ISBN (Buch)
9783668004498
Dateigröße
669 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundrecht, Grundrechtsprüfung, Grundrechte, Schutzbereich, Eingriff, Rechtfertigung, Verfassungsbeschwerde, Freiheitsrechte
Arbeit zitieren
Marc Daniels (Autor:in), 2015, Die Grundrechte in Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301277

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