Was bedeutet es nach Kant, Eigentum „an“ einem Gegenstand zu erwerben und warum kann ein solcher Gegenstand ursprünglich kein anderer als der Boden sein?
Auf den ersten Blick scheint es paradox zu sein, wie ein empirischer Akt der Besitznehmung (Apprehension) des Bodens ein nicht-empirisches (Vernunft-) Recht begründen kann. Denn Kant zufolge handelt es sich bei der Rechtslehre um ein aus der Vernunft hervorgehendes System des Rechts, das jedoch auf in der Erfahrung vorkommende Fälle angewandt werden muss. Wie es Kant gelingt, dieses Spannungsfeld zwischen Vernunft und Erfahrung aufzulösen, ist Gegenstand dieser Arbeit, die somit das für Kants Rechtsphilosophie im Zentrum stehende Problem der empirisch-rationalen Doppelbedeutung rechtlich relevanter Handlungen im Rahmen des Eigentumsrechts behandelt.
Die Arbeit weist nach, wie sich die einseitige „Anmaßung“ eigenmächtiger, ursprünglicher Apprehension des Bodens vernunftrechtlich auflösen lässt, indem sie zunächst die Bedeutung des empirischen Akts der Apprehension für Kants Erwerbslehre erläutert (Kapitel 2) und sodann Kants Begründung im Sinne eines Vernunftrechts nachvollzieht (Kapitel 3).
Die Arbeit stellt die These auf, dass die Apprehension des Bodens im Rahmen der „primo occupatio“ (Bemächtigung), als Nahtstelle zwischen dem Noumenalen und dem Phänomenalen, nicht rechtskonstitutiv beim Eigentumserwerb ist, sondern lediglich demselben seine inhaltliche Bestimmung zuweist. Weiterhin wird aufgezeigt, dass die „Schwierigkeit“ erfahrungstauglicher und zugleich (vernunft-) rechtsbewährter Zueignung insofern aufgeht, als sich der Grund des empirischen Erwerbstitels in der Idee eines ursprünglichen Gesamtbesitzes des Bodens, der Vernunfttitel der Erwerbung dagegen in der Idee eines a priori vereinigten Willens wiederfindet. Die Arbeit schließt mit einem Fazit und der Einbeziehung kritischer Stellungnahmen zur Eigentumslehre Kants (Kapitel 4).
Inhaltsverzeichnis (Table of Contents)
- Einleitung
- Die Apprehension und „die Art etwas Äußeres zu erwerben“
- Das „,Äußere“ ist in Anwendung der Kategorienlehre „Substanz“
- Die Erwerbung des Bodens als „die erste Erwerbung einer Sache“
- Die drei Voraussetzungen der Apprehension
- Das Problem der Apprehension oder das scheinbare Paradoxon, durch empirische Besitznehmung nicht-empirisches (Vernunft-) Recht zu erwerben
- Die vernunftrechtliche Begründung ursprünglicher Erwerbung
- Das rechtliche Postulat der praktischen Vernunft
- Die Ideen der vereinigten Willkür a priori und der ursprünglichen Gemeinschaft des Bodens
- Fazit und Schlussbetrachtungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte (Objectives and Key Themes)
Diese Hausarbeit befasst sich mit der Frage, wie sich die einseitige „Anmaẞung“ eigenmächtiger, ursprünglicher Apprehension des Bodens vernunftrechtlich auflösen lässt, indem sie Kants Begründung des Eigentumsrechts am Beispiel der ursprünglichen Erwerbung des Bodens analysiert. Die Arbeit untersucht die Bedeutung des empirischen Akts der Apprehension für Kants Erwerbslehre und beleuchtet anschließend Kants vernunftrechtliche Begründung.
- Die Bedeutung der Apprehension im Rahmen der Erwerbslehre Kants
- Die vernunftrechtliche Begründung ursprünglicher Erwerbung
- Die Beziehung zwischen Vernunft und Erfahrung im Eigentumsrecht
- Die Rolle des Bodens als Gegenstand ursprünglicher Erwerbung
- Das Problem der Rechtfertigung einer einseitigen Besitznehmung
Zusammenfassung der Kapitel (Chapter Summaries)
- Die Einleitung führt in das Thema der Arbeit ein und erläutert den Spannungsbogen zwischen Vernunft und Erfahrung im Recht nach Kant.
- Kapitel 2 analysiert den Begriff der Apprehension und seine Bedeutung für Kants Erwerbslehre. Es beleuchtet den Unterschied zwischen ursprünglicher und abgeleiteter Erwerbung und die Rolle des Bodens als Gegenstand der ursprünglichen Erwerbung.
- Kapitel 3 untersucht die vernunftrechtliche Begründung ursprünglicher Erwerbung nach Kant. Es setzt sich mit dem rechtlichen Postulat der praktischen Vernunft auseinander und beleuchtet die Rolle der Ideen der vereinigten Willkür a priori und der ursprünglichen Gemeinschaft des Bodens.
Schlüsselwörter (Keywords)
Die Arbeit beschäftigt sich mit zentralen Begriffen wie „Apprehension“, „ursprüngliche Erwerbung“, „Vernunftrecht“, „Erfahrung“, „Boden“, „Eigentumsrecht“, „praktische Vernunft“ und „vereinigte Willkür“. Sie analysiert Kants Argumentation zur Rechtfertigung der ursprünglichen Erwerbung des Bodens und beleuchtet die Spannung zwischen empirischer Besitznahme und der Begründung eines nicht-empirischen (Vernunft-) Rechts.
- Arbeit zitieren
- Michael Fetik (Autor:in), 2015, Vernunft und Erfahrung im Eigentumsrecht nach Kant, dargestellt am Problem der Apprehension, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301320