„Kleider machen Leute“! Was steckt hinter dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl aus dem Evangelium nach Matthäus?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl Mt 22, 1-14

3 Kontextanalyse

4 Bilder

5 Geschichte

6 Parabolische Christologie

7 Kommentar

8 Erzähltextanalyse
8.1 Die Ereignisse (story)
8.2 Die Personen (story)
8.3 Der Erzähler (discourse)
8.4 Die Struktur des Textes (discourse)
8.5 Der Schauplatz (discourse)
8.6 Die Zeit (discourse)

9 Ergebnis

Literaturverzeichnis:

1 Einleitung

Auf den ersten Blick mag die von mir gewählte Überschrift zu meiner Seminararbeit etwas ungewohnt erscheinen: „Kleider machen Leute“. Auch wenn diese Redewendung ein wenig aus der Mode gekommen ist, so werden dennoch sicherlich viele ihr zustimmen. Und in gewisser Weise hat sie auch einen wahren Kern. Allzu oft wird man in unserer Gesellschaft nach dem Äußeren beurteilt und behandelt.

Aber gerade deshalb finde ich passt diese Redewendung zu dem Gleichnis vom königli- chen Hochzeitsmahl aus dem Evangelium nach Matthäus Kapitel 22 Verse 1-14. Denn auf Grund der Kleidung eines Gastes, fällt der Gastgeber der Hochzeitsfeier in dieser Parabel ein Urteil über jenen Gast. Da es sich hier aber um ein Gleichnis über „das Kö- nigreich der Himmel“ handelt, drängt sich die Frage auf, wie in diesem Reich der König, an Hand der äußeren Erscheinung eines Gastes, ein so sehr hartes Urteil fällen kann. Scheinbar geht es in diesem Gleichnis - anders als an vielen Stellen unserer Gesellschaft - nicht um Oberflächlichkeiten. In diesem Gleichnis steckt mehr. Und genau dieses „Mehr“ möchte ich versuchen in meiner Seminararbeit herauszustellen. Zu diesem Zweck habe ich eine Arbeitsübersetzung angefertigt, die sich im nachfolgenden Kapitel finden lässt.

2 Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl Mt 22, 1-14

1 Und antwortend redete Jesus wieder in Gleichnissen zu ihnen, sagend:2 Gleich ist das Königreich der Himmel einem Menschen, einem König, welcher machte eine Hochzeits- feier für seinen Sohn.3 Und er sandte seine Knechte aus, zu rufen die Gerufenen zur Hoch- zeitsfeier, und nicht wollten sie kommen.4 Wieder sandte er andere Knechte aus, sagend: Sagt den Geladenen: Siehe - mein Mahl habe ich bereitet - meine Ochsen und das Mast- vieh sind geschlachtet, und alles ist bereit; kommt zur Hochzeitsfeier.5 Sie aber, sich nicht kümmernd, gingen weg, der eine auf seinen Acker, der andere zu seinem Geschäft,6 aber die Übrigen, nachdem sie seine Knechte ergriffen hatten, misshandelten und töteten sie. 7 Aber der König wurde zornig, und nachdem er seine Heere geschickt hatte, brachte er jene Mörder um, und ihre Stadt zündete er an.8 Dann sagte er zu seinen Knechten: Zwar ist die Hochzeitsfeier bereitet, aber die Geladenen waren nicht würdig:9 Geht nun zu den Ausgängen der Straßen und alle die ihr findet, ladet ein zur Hochzeitsfeier.10 Und nach- dem jene Knechte auf die Straßen hinausgegangen waren, versammelten sie alle die sie fanden, Böse sowohl als auch Gute, und gefüllt wurde der Hochzeitssaal mit zu Tische Liegenden.11 Als aber der König hineingegangen war, um zu sehen die zu Tische Liegen- den, sah er dort einen Menschen nicht bekleidet mit einem Gewand für die Hochzeit;12 und er sagte zu ihm: Mein Lieber [oder: Freund], wie bist du hereingekommen hierher, nicht habend ein Gewand für die Hochzeit? Er aber blieb stumm.13 Da sagte der König zu den Dienern: Gebunden habend seine Füße und Hände, werft ihn hinaus in die äußerste Finsternis. Dort wird sein das Weinen und das Knirschen der Zähne.14 Viele nämlich sind berufen, wenige aber auserwählt.

3 Kontextanalyse

Betrachten wir zunächst einmal den Kontext in den die vorliegende Perikope eingebettet ist. Wenn man das Matthäusevangelium gliedern will, so kann man Mt. 21,1 - 25,46 zu- sammenfassen und betiteln mit „Jesu Wirken in Jerusalem“.1 Jesus ist also bereits in Je- rusalem eingezogen und spricht zu den ihn Umgebenden - Pharisäern, Hohenpriester, Volk und Jünger - in Gleichnissen. Mit dem Vers 2 der vorliegenden Perikope schließt Matthäus das Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl direkt an das vorangegangene Gleichnis von den bösen Winzern an. An die Parabel vom Hochzeitsmahl schließen sich Streitgespräche zwischen Jesus und Pharisäern und Sadduzäern an, in denen es um die Steuerfrage, die Frage nach der Auferstehung und die von Jesus selbst gestellte Frage nach dem Messias geht.

Betrachtet man einen etwas weiter gefassten Kontext, so erkennt man eine Überschnei- dung der vorliegenden Perikope mit Mt. 8,11-12. Jesus greift quasi bei seinem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl auf die von ihm bereits relativ zu Beginn des Evangeli- ums gesagten Worte zurück. Er ruft diese Worte noch einmal in Erinnerung und verdeut- licht sie.

Da Matthäus zu den sog. Synoptikern zählt, bietet es sich an auch einen Blick in die anderen synoptischen Evangelien zu werfen.

Geht man für das Entstehen des Matthäusevangeliums von der sog. Zwei-Quellen-The- orie aus, gilt das Markusevangelium zusammen mit der Logienquelle Q als Grundlage für das Matthäusevangelium. Matthäus folgt im Großen und Ganzen dem Erzählduktus des Markusevangeliums.2 Allerdings unterbricht Matthäus mit dem Gleichnis vom königli- chen Hochzeitsmahl „den Zusammenhang seiner Markusvorlage (Mk 12,1-12 = Mt 21,33-46; Mk 12,13-17 = Mt 22,15-22). D.h., er will das Gleichnis unbedingt an dieser Stelle seinen Lesern erzählen.“3 Im Markusevangelium selbst finden wir keine unserem Gleichnis entsprechende Parallelstelle.

Eine Parallele zu dem von Matthäus geschilderten Gleichnis findet sich allerdings im Lukasevangelium. Hier ist das Gleichnis in einem anderen Kontext eingeordnet ist. Es ist das Gleichnis vom Festmahl, Lk 14,15-24. Im Lukasevangelium findet diese Gleichnis- rede Jesu noch vor seinem Einzug in Jerusalem statt. Diesem Gleichnis fehlt allerdings der Teil in dem es um den Gast mit dem fehlenden Hochzeitsgewand geht. Man kann also bei den Versen 11-13 davon ausgehen, dass sie nicht auf die Logienquelle Q zurückgehen, sondern es sich bei ihnen um sog. matthäisches Eigengut handelt. Ob den Versen 2-10 des Matthäusevangeliums und dem Gleichnis im Lukasevangelium ein gemeinsamer Text zu Grunde liegt, bzw. sie sich auf eine gemeinsame Quelle zurückführen lassen, ist um- stritten. „Die wörtlichen Entsprechungen sind gering. Ein beiden Fassungen gemeinsamer Wortlaut ist nicht zu rekonstruieren.“4 Lange Zeit wurde daher vertreten, „daß hier zwei verschiedene, von Jesus bei verschiedenen Gelegenheiten gesprochene Parabeln vorlä- gen.“5 Aber auch wenn die beiden Fassungen des Gleichnisses in weiten Teilen einen unterschiedlichen Wortlaut haben, „gibt es doch einige wenige wörtliche Übereinstim- mungen, und zum andern liegen die story, der plot und die patterns der beiden Versionen so eng beieinander, dass der Schluss auf eine gemeinsame Vorlage in der Redenquelle unausweichlich ist.“6

Die Frage, ob es eine gemeinsame Quelle gibt, oder es sich um zwei verschiedene Parabeln handelt, kann hier jedoch offen bleiben. Zumal man sich darüber einig ist, dass die Parabel auf Jesus selbst zurück geht.7

Eine weitere Parallele zu Mt 22,1-14 findet sich auch im Thomasevangelium, in Logion 64. Auf diese Parallelstelle werde ich in meiner Arbeit jedoch nicht speziell eingehen, da eben jenes Logion von den beiden synoptischen Versionen des Gleichnisses abhängig ist.8

4 Bilder

In dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl im Matthäusevangelium werden zahlreiche Bilder, resp. Motive aufgegriffen. So z.B. das Bild, bzw. Motiv vom Hochzeitsmahl, des Königs, des Sohnes, der Knechte, oder auch des Hochzeitsgewandes. Es bietet sich hier eine genauere Betrachtung der einzelnen Motive an.

Zunächst das Motiv des Hochzeitsmahles, oder allgemeiner das Motiv eines Gastmahles. Dieses Bild ist ein sehr vielfältiges Motiv. In der damaligen Zeit war es üblich bei Gast- mählern Einladungen an unterschiedliche Schichten in der Gesellschaft auszusprechen. „Die Einladung der Mächtigen im Land verpflichtete die Gäste zur Loyalität dem Herr- scher gegenüber. […] Das Volk von den Straßen wird von den Mächtigen, die sich die Massen verpflichten wollen, zu Festen eingeladen.“9 Auch wenn man in Vers 3 eine Ein- ladung an die „Mächtigen“ sehen könnte und dann in den Versen 9 und 10 eine Einladung an die breite Masse der Bevölkerung, geht es bei den Einladungen zum Gastmahl im vor- liegenden Gleichnis nicht um eine solche Einladung mit „politischer Berechnung“. Dies wird bereits durch die Einleitung in Vers 2 angedeutet, wenn es heißt „gleich ist das Kö- nigreich der Himmel“. Das Motiv eines Hochzeitsmahles, resp. eines Gastmahles hat ne- ben der von mir als „politischen Berechnung“ bezeichneten Bedeutung auch eine escha- tologische Bedeutung. Denn „in der jüdischen Tradition ist das Bild einer Mahlzeit mit dem kommenden neuen Äon eng verbunden“10. Bereits bei dem Propheten Jesaja findet sich ein solcher Hinweis, Jes 25,6-12 und Jes 55,1-3. Aber nicht nur bei dem Propheten Jesaja, sondern auch bei Spr 9,1-6 und auch in Offb 19,9. Genau diese eschatologische Bedeutung wird man für das Motiv des Hochzeitsmahles in dem vorliegenden Gleichnis wohl annehmen können. Zwar handelt es sich in dem Gleichnis Mt 22,1-14 um ein Hoch- zeitsmahl und die eschatologische Bedeutung trifft hauptsächlich auf ein Gastmahl bzw. Festmahl zu, allerdings dürfte daraus kein Problem erwachsen. Denn ein Hochzeitsmahl stellt nichts anderes als ein Festmahl dar, wenn auch zu einem bestimmten Anlass.

Der Umstand, dass es bei Matthäus ein Hochzeitsmahl ist, wird sehr wahrscheinlich einer starken christologischen Tradition geschuldet sein. „Der Gedanke von Israel als Braut Gottes ist jüdisch nur selten eschatologisch akzentuiert und kaum je mit dem Messias verbunden worden. Aber die Leser/innen kennen Jesus als Bräutigam (9,15) und vermut- lich auch christliche Erwartungen des kommenden himmlischen Bräutigams Jesus.“11 Daher ist es verständlich hier von einem Hochzeitsmahl zu sprechen, ohne dass die es- chatologische Bedeutung darunter leidet. Darüber hinaus unterstreicht die Einleitung in Vers 2 „gleich ist das Königreich der Himmel“ noch einmal die eschatologische Bedeu- tung für das Mahlmotiv.

Der König dürfte in dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl wohl mit Gott gleichzusetzen sein. Ein solcher Schluss liegt schon allein durch das Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger in Mt 18,23-35 nahe.

Die Knechte, die ausgesandt worden sind, wären demnach die in der Vorzeit aufgetretenen Propheten.

Der Sohn, der der Grund für die Hochzeitsfeier ist, wäre in diesem Fall mit dem Sohn Gottes, also mit Jesus gleich zu setzen. Dies würde auch zu den Leitmotiven des Matthä- usevangeliums passen. Denn schließlich wird Jesus bei Matthäus - wie auch im Markus- evangelium - als Sohn Gottes dargestellt, z.B. Mt 3,17; Mt 17,5; Mt 27,54. Das Hochzeitsgewand, oder besser gesagt das „fehlende Gewand für die Hochzeit“ stellt sicherlich ein besonderes Motiv dar. Dies hat vor allem mit zwei Punkten des Gleichnis- ses zu tun, die im Kontext mit dem „Gewand für die Hochzeit“ ein wenig erstaunen. Der erste Punkt ist, dass „die zu Tische liegenden“ quasi direkt von den Straßen kommen und man somit nicht unbedingt erwarten kann, dass sie ein besonderes Gewand an haben. Dies wurde bei antiken Hochzeiten wohl auch nicht unbedingt erwartet.12 Der zweite Punkt ist, dass der König den Saal betritt, nachdem alle Gäste dort versammelt sind, „um zu sehen die zu Tische Liegenden“. D.h., er begutachtet sozusagen seine Gäste. Diese Besonder- heiten und das Urteil über den Gast, der kein entsprechendes Gewand trägt, legen den Schluss nahe, dass es „offenbar bei diesem besonderen Hochzeitsmahl ungewöhnliche Eintrittsbedingungen“13 gibt. Lange Zeit gab es in Bezug auf das Gewand „die These, dass es sich bei dem Hochzeitskleid um ein geschenktes Kleid handle, dessen Annahme der böse Gast verweigert habe“14. Dies ist aber abzulehnen. Denn „davon steht weder etwas im Text, noch wissen wir von einem solchen Brauch im damaligen Judentum“15.

[...]


1 Vgl. Schnelle, Udo, Einleitung in das Neue Testament. 6. neubearbeitete Auflage, Göttingen 2007, S. 268.

2 Vgl. Schnelle, Udo, S. 269.

3 Limbeck, Meinrad, Das Matthäusevangelium. In: Limbeck, Meinrad/ Müller, Paul-Gerhard/ Porsch, Felix, Stuttgarter kleiner Kommentar zu den Evangelien. Sonderausgabe der Bände 1 bis 4 des Stuttgarter kleinen Kommentars zum Neuen Testament [kurz SKK], Stuttgart 2009, S. 198.

4 Luz, Ulrich, Das Evangelium nach Matthäus. 1. Auflage, Neukirchen-Vlyun 1997 (Evangelisch-Katho- lischer Kommentar zum Neuen Testament, 3. Teilband Mt 18-25) [kurz EKK], S. 233.

5 Luz, EKK, S. 232/233.

6 Söding, Thomas, Die Verkündigung Jesu - Ereignis und Erinnerung. 1. Auflage, Freiburg im Breisgau 2011, S. 349.

7 Vgl. Luz, EKK, S. 236.

8 Söding, Die Verkündigung Jesu, S. 349.

9 Schottroff, Luise, Verheißung für alle Völker. Von der königlichen Hochzeit (Mt 22,1-14). In: Zimmermann, Ruben (Hrsg.), Kompendium der Gleichnisse Jesu. Gütersloh 2007, S. 482.

10 Luz, EKK, S. 237.

11 Luz, EKK, S. 239.

12 Vgl. Luz, EKK, S. 244.

13 Luz, EKK, S. 244.

14 Luz, EKK, S. 248.

15 Limbeck, SKK, S. 200.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
„Kleider machen Leute“! Was steckt hinter dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl aus dem Evangelium nach Matthäus?
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Lehrstuhl für Neues Testament)
Veranstaltung
„Wer Ohren hat, zu hören, höre“ (Mk 4,9) - Die Gleichnisse Jesu
Note
1,3
Autor
Jahr
2012
Seiten
18
Katalognummer
V301323
ISBN (eBook)
9783656979531
ISBN (Buch)
9783656979548
Dateigröße
663 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gleichnisse, Jesus, Mt 22 1-14
Arbeit zitieren
Oliver Schmitz (Autor:in), 2012, „Kleider machen Leute“! Was steckt hinter dem Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl aus dem Evangelium nach Matthäus?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301323

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