Salonkultur als öffentliche und individuelle Erfahrung. Jüdische Salonièren in Berlin um 1800


Hausarbeit, 2013

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Hauptteil
2.1 Quellenkritik
2.1.1 Beschreibung und Überlieferung
2.1.2 „äußere Kritik“
2.2 Quelleninterpretation
2.2.1 Inhaltsangabe
2.2.2 Interpretation

3 Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die Existenz der Öffentlichkeit erscheint heute als etwas Selbstverständliches, ebenso wie die Möglichkeit, beispielsweise Bücher im Internet zu bestellen, Rezensionen zu lesen und sich umfassend über Politik und Philosophie auszutauschen. Doch diese Errungenschaften sind relativ neu. Allein die Möglichkeit für eine Frau eine angemessene (Schul-)Bildung zu erhalten und sich persönlich entfalten zu können, wie wir es in der westlichen Welt gewohnt sind, war um 1800 noch eher ein utopischer Gedanke. Doch in dieser Zeit begann eine Entwicklung in eine „neue Öffentlichkeit“.

Der folgende Text widmet sich der Frage, ob und wenn ja wie bürgerliche, jüdische Frauen im Berlin um 1800 durch die Betätigung als Salonière an der Entstehung einer „neuen Öffentlichkeit“ beteiligten und wie sich diese explizit darstellte. Zweifellos gibt es wesentlich mehr Aspekte, die zur Entwicklung einer umfassenderen Öffentlichkeit beigetragen haben; allerdings würde die Ausweitung des Themenbereichs im Rahmen dieser Arbeit zu weit führen.

Zum Themenkomplex Frauen und Öffentlichkeit ist bis dato eher wenig publiziert worden, jedoch deutlich mehr zur Salonkultur in Berlin um 1800. Wichtig zu nennen ist an dieser Stelle die Dissertation „Patriotische Jungfrauen, treue Preußinnen, keifende Weiber, Frauen und Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt“1, welche sich intensiv mit der Thematik Frauen und Öffentlichkeit auseinandersetzt. Weiterhin werden sich Argumentation sowie Umriss der Situation der Berliner Salons um 1800 an „Geschlechterdiskurs und Lebensrealität um 1800, Elisabeth von Stagemann – Ihr literarisches Werk und ihr Salon“2, sowie „ Die jüdischen Salons im alten Berlin“3 und „Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780-1914)“4 anlehnen.

Zeitlich und räumlich wird diese Arbeit sich auf das Berlin um 1800 konzentrieren und lässt sich in den Bereich der Frauen- bzw. Geschlechter- und der Öffentlichkeitsforschung einordnen.

Zu dieser Zeit entwickelt sich erstmalig eine Art bürgerliche Öffentlichkeit, die über den elitären Charakter der vorhergegangenen Zeit herausgeht.5 Der Bereich des Öffentlichen wurde traditionell dem Mann zugeschrieben, so wie das Private, Häusliche der Frau zugeordnet wurde.6 Da diese Zuschreibung in der Forschung lange Zeit als Realität akzeptiert und nicht hinterfragt wurde, liegt es nahe sie auf ihre Korrektheit zu überprüfen, um mögliche Abweichungen der Realität, von der Norm zu entdecken.

Jedoch gibt es nur sehr vereinzelte Ego-Dokumente von Frauen dieser Zeit und diese können nur lichtkegelartige Einblicke in die damalige Salonkultur geben. Dies ist als ein Versuch zu verstehen eine detaillierte Einzelfallstudie zu betreiben. Sie soll und wird nur an einigen Stellen Anspruch auf Verallgemeinerung stellen können. Anhand einer Quellenkritik und einer anschließenden Quellenanalyse soll exemplarisch ein Abschnitt aus der Biografie von Henriette Herz7 – einer jüdischen Salonièren in Berlin - herausgegriffen und analysiert werden. Dass ein Teil einer Biografie ausgewählt wurde, geschah aus dem Grund, dass sie Informationen über die (Selbst-)Wahrnehmung einer Person, sowie deren Denken und Deutungen Auskunft geben können. Auch spiegeln sich gesellschaftliche Vorstellungen in Biografien.

Die Quellenkritik beginnt mit der Beschreibung der Quelle und deren Überlieferungsgeschichte. Anschließend folgt eine äußere Quellenkritik, welche sich mit den Fragen auseinandersetzt, wer, wem, wann, warum und wo die Quelle produziert hat. Nachfolgend steht die Quelleninterpretation, beginnend mit der Inhaltsangabe der Quelle und der Einordnung in den historischen Kontext, welche durch einen Abriss der Biographie Henriette Herzs abgerundet werden.

Es wird versucht folgende Fragen anhand der Quelle zu beantworten: Wie stellt sich die Klientel des Salons dar? Welche emanzipatorische Bedeutung hat die Salonkultur für Frauen und Juden im Allgemeinen und für jüdische Frauen im besonderen? Welche Abweichungen vom Bild der rein männlichen Öffentlichkeit sind zu beobachten?

2 Hauptteil

2.1 Quellenkritik

2.1.1 Beschreibung und Überlieferung

Bei der verwendeten Quelle handelt es sich um das Kapitel „Lesegesellschaften“ aus einer Biografie von Henriette Herz8. Die Biographie wurde 1858, also elf Jahre nach dem Tod Henriette Herzs in Buchform veröffentlicht, wie es viel bekannte Frauen dieser Zeit veranlassten.9 Jedoch erschien ihre Biografie bereits früher in einem Tagblatt.10 Die „Erinnerungen“, der zweite Abschnitt des Buches, aus dem die Quelle entnommen wurde, sind in der zweiten Auflage hinzugefügt worden. Zur Überlieferung merkt der Herausgeber folgendes an:

„Die folgenden Aufsätze sind zum größten Theile aus den eigenen mündlichen Mittheilungen der Verstorbenen hervorgegangen, […].

- Als sie nach Vernichtung des größten Theiles ihres Briefwechsels auf die Bedeutung des Verlustes aufmerksam gemacht worden war, wurde ihren näheren Freunden ihr Bestreben merkbar auf dem Wege mündlicher Mittheilung das Verlorene einigermaßen zu ersetzen. Oft gab ihr eine einzige Frage den Anlaß zu längeren Erzählungen, und waren ihr Einzelheiten einer interessanten Thatsache im Augenblicke nicht genau erinnerlich, so versprach sie darüber nachzusinnen, und ertheilte fast immer in möglichst kurzer Zeit eine Auskunft. […]

Wie dies bei mündlichen Mittheilungen öfter geschieht, holte die Erzählende bisweilen weit aus bis sie zu ihrem eigentlichen Gegenstande kam, und schweifte dagegen ein Andermal von diesem ab. Eine spätere Sichtung oder Sonderung hätte hier dem Charakter der Unmittelbarkeit Eintrag gethan, welcher bei solchen Mittheilungen so ungern vermißt wird.-

Ausgemerzt ist wenig Anderes worden als was die Discretion bis jetzt noch mitzutheilen verbietet.“11

An dieser Stelle wird deutlich, dass es sich um keine unmittelbar nach einer Situation getätigten Aussagen zum Beispiel in einem Tagebucheintrag oder einem Brief handelt, sondern um Teile eines Jahre nach den Geschehnissen geführten Gespräches, aus dem „Aufsätze“ entstanden. Diese wurden vom Herausgeber teilweise verändert, jedoch dürften die Veränderungen auf Grund fehlender Markierungen im Quellentext für die Forschung nicht mehr nachvollziehbar sein. Es handelt sich also um eine Sekundärquelle, die an dieser Stelle zur Primärquelle wird, da die Originaldokumente von der Autorin selbst vernichtet wurden und sich die Erzählungen aus H. Herzs Erinnerungen speisen.

Zum Einen ist die Quelle also kritisch, da Erinnerungen an sich und nicht nur durch den zeitlichen Abstand zum Erzählten ein sehr flüchtiges Medium sind12 ; zum Anderen sind mögliche Verfälschungen durch den Herausgeber nicht auszuschließen. Folglich müssen also alle Schlussfolgerungen, die mithilfe dieser Quelle gemacht werden auf dieser Folie kritisch betrachtet werden.

Auffälligkeiten hinsichtlich der Darstellung der „Lesegesellschaften“ (welche folgend gleichbedeutend mit „Salons“ verwendet werden) ergeben sich an mehreren Stellen. Zum Einen verwundert es, dass Herz ihren eignen Salon nicht thematisiert. Zum Anderen ist die Darstellung der Teilnehmer grundsätzlich sehr positiv und vermutlich idealisierend, da es sich zu einem großen Teil um persönliche Freunde handelt. Da die Charakterisierungen der Personen für diese Arbeit nicht weiter von Bedeutung sind wird dieser Punkt jedoch nicht weiter verfolgt.

2.1.2 „äußere Kritik“

Auf Grund der bereits erwähnten Eingriffe seitens des Herausgebers ergibt sich das Problem, dass es sich nicht um ein unmittelbares Zeugnis handelt, weswegen die Zeit um die es inhaltlich geht und die Entstehungszeit der vorliegenden Quelle nicht deckungsgleich sind. Des Weiteren gilt es die Entstehungszeit der hier verwendeten Quelle einzugrenzen, da auch der Termin der vorliegenden Gesprächsaufzeichnung unbekannt ist.

In der Quelle sind diesbezüglich einige Hinweise zu finden; so beginnt der erste Satz mit den Worten „In meiner Jugendzeit [...]“13. Des Weiteren heißt es „damals“14 und „zu jener Zeit“15, was ebenso wie die Tatsache, dass der komplette Text in Vergangenheitsform abgefasst ist, ein Zeichen dafür ist, dass Herz in hohem Alter auf ihr Leben zurückschaut. Auch findet sich in der „Allgemeinen Deutschen Biographie“ folgender Hinweis: „Von ihren Briefen ist leider so gut wie nichts gedruckt worden; ihre Erinnerungen, nach Erzählungen, die sie in ihrem hohen Alter vorgetragen, von Anderen ausgezeichnet, entbehren nicht selten rechter Zuverlässigkeit.“16 Folglich ist davon auszugehen, dass Herz ihre Erinnerungen Mitte bis Ende der 1830er Jahre vortrug.

Dafür spricht zudem, dass die „Mittwochs-Gesellschaft“ nach Herzs Abgabe zum Zeitpunkt des Gespräches noch besteht, welcher von Panwitz mit der Bemerkung belegt wird, dass „in den 1840er Jahren berichtet [wird], daß diese Mittwochsgesellschaft 'schon lange' nicht mehr existiere.“17

Als Verfasser der Quelle ist im Prinzip der Herausgeber Julis Fürst zu betrachten, welcher die Gespräche mit Henriette Herz zu den vorliegenden „Aufsätzen“ bündelte. Julius Fürst war Orientalist, Professor für jüdische Literatur und Publizist; die Art und Weise seiner Verbindung zu Henriette Herz ist nicht bekannt.18 Als Adressat der Quelle ist die Nachwelt anzusehen, da eine Biographie grundsätzlich eine Überlieferungsabsicht voraussetzt.

[...]


1 Myrrhe, Ramona: Patriotische Jungfrauen, treue Preußinnen, keifende Weiber; Frauen und Öffentlichkeit in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Sachsen-Anhalt, Freiburg 2006 (im Folgenden: Myhrre, 2006).

2 Vogel, Caroline: Geschlechterdiskurs und Lebensrealität um 1800, Elisabeth von Stagemann – Ihr literarisches Werk und ihr Salon [Regensburger Skripten der Literaturwissenschaft, Bd. 21], Regensburg 2001 (im Folgenden: Vogel, 2001).

3 Hertz, Deborah: Die jüdischen Salons im alten Berlin, Frankfurt am Main 1991 (im Folgenden: Hertz, 1991).

4 Wilhelmy-Dollinger, Petra: Der Berliner Salon im 19. Jahrhundert (1780-1914) [Veröffentlichungen der historischen Kommission zu Berlin; Bd. 73] , Berlin 1989 (im Folgenden: Wilhelmy-Dollinger, 1989).

5 Vgl. Myhrre, 2006, S. 1.

6 Vgl. Myhrre, 2006, S. 86.

7 Fürst, Julius: Henriette Herz, Ihr Leben und ihre Erinnerungen, Berlin2 1858 (im Folgenden: Fürst, 1858).

8 Fürst, 1858, S. 102–109.

9 Vogel, Caroline: Geschlechterdiskurs und Lebensrealität um 1800, Elisabeth von Stagemann – Ihr literarisches Werk und ihr Salon [Regensburger Skripten der Literaturwissenschaft, Bd. 21], Regensburg 2001, S. 63 (im Folgenden: Vogel, 2001).

10 Fürst, 1858, S. III.

11 Fürst, 1858, S. 89-90.

12 Mehr zur Thematik Erinnerungen: Welzer, Harald: Das Kommunikative Gedächtnis, Eine Theorie der Erinnerung, München 2008. Oesterle, Günther: Studien zur kulturwissenschaftlichen Gedächtnisforschung, Göttingen 2005.

13 Fürst, 1858, S. 102.

14 Ebda.

15 Ebda.

16 Geiger, Ludwig: Herz, Henriette, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1880), http://www.deutsche-biographie.de/pnd118550152.html, entnommen: 07.09.2013, 14:11:14 Uhr (im Folgenden: Geiger, 1880).

17 Panwitz, Sebastian: Die Berliner Vereine 1786 – 1815, in: Berliner Klassik. Eine Großstadtkultur um 1800/Online-Dokumente, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften 2001, http://www.berliner-klassik.de/berliner_klassik/projekte/forschung/werkvertraege/panwitz_vereine/vereine.html, entnommen: 09.09.2013, 17:28:15 Uhr, S. 22 (im Folgenden: Panwitz, 2001).

18 Vgl. Auerbach, Jakob: Fürst, Julius, in: Allgemeine Deutsche Biographie (1878), http://www.deutsche-biographie.de/pnd116846275.html, entnommen: 08.09.2013, 14:16:55 Uhr.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Salonkultur als öffentliche und individuelle Erfahrung. Jüdische Salonièren in Berlin um 1800
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Deutschland unter Napoléon
Note
2,0
Autor
Jahr
2013
Seiten
16
Katalognummer
V301517
ISBN (eBook)
9783656979951
ISBN (Buch)
9783656979968
Dateigröße
399 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
salonkultur, erfahrung, jüdische, salonièren, berlin
Arbeit zitieren
Birte Katrin Jensen (Autor:in), 2013, Salonkultur als öffentliche und individuelle Erfahrung. Jüdische Salonièren in Berlin um 1800, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301517

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