Diese Studie versucht zu erklären, welche Behörde für das Ermöglichen der Flucht des NSU-Trios in Thüringen am 26.01.1998 verantwortlich war. Dafür nimmt sie ein causal process tracing vor. Das Ziel ist es, festzustellen, in wessen Verantwortungsbereich die kritischen Weggabelungen der Kausalkette fallen. Die erste kritische Weggabelung war die Unterschätzung der rechtsterroristischen Gefahr durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz. Die Folgen dieses falschen framings decken sich mit den durch Robert Jervis (1976) beschriebenen Auswirkungen von Fehlwahrnehmungen und seiner kognitiven Dissonanztheorie. Die zweite kritische Weggabelung ist beim Landeskriminalamt anzusiedeln, das Durchsuchungsmaßnahmen mehrerer Garagen nur unzureichend vorbereitete. Dieses zweite Behördenversagen folgt der Logik von Robert Mertons (1964) trained incapacity. Die Studie beweist zuletzt, dass der CPT-Ansatz sich außerordentlich gut dafür eignet, Verantwortung für historische Phänomene zuzuschreiben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Stand der Literatur und Quellenlage
- Die Methode des causal process tracing
- Grundlagen, Vorgehen und Ziel
- Die Bedeutung des CPT für das Zuschreiben von Verantwortung
- Die Fallauswahl
- Ereignisgeschichte
- Phase 1: Hintergrund
- Phase 2: Vorgeschichte
- Phase 3: Der 26.01.1998
- Phase 4: Nachgeschichte
- Die Analyse des Behördenversagens am 26.01.1998
- Die primäre Kausalkette – Böhnhardts Entkommen
- Die erweiterte Kausalkette – die unzureichenden Vorbereitungen
- Schlussfolgerungen - kritische Weggabelungen und kausale Mechanismen
- Generalisierbarkeit der Ergebnisse
- Schluss
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Studie analysiert das Versagen der deutschen Strafverfolgung beim Abtauchen des NSU-Trios in Thüringen am 26.01.1998. Sie verfolgt das Ziel, die verantwortliche Behörde für dieses Ereignis zu identifizieren, indem sie eine kausale Kette von Ereignissen untersucht. Das Ziel ist es, die kritischen Weggabelungen in dieser Kette zu analysieren und die kausalen Mechanismen aufzudecken, die zu dem Abtauchen des NSU-Trios führten.
- Die Rolle der Fehlwahrnehmung und kognitiven Dissonanz bei der Unterschätzung der rechtsterroristischen Bedrohung durch die Landesbehörde für Verfassungsschutz
- Die Auswirkungen von "trained incapacity" bei unzureichenden Vorbereitungen auf Durchsuchungsmaßnahmen durch das Landeskriminalamt
- Die Bedeutung des causal process tracing (CPT) für die Zuschreibung von Verantwortung in komplexen historischen Ereignissen
- Die Generalisierbarkeit der Ergebnisse und die Analyse von möglichen Kontrafakten
- Die Analyse der Verantworungsstrukturen und -mechanismen im Kontext des NSU-Falls
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt den NSU-Fall und die Bedeutung der Untersuchung des Abtauchens des Trios am 26.01.1998 vor. Kapitel 2 beleuchtet den aktuellen Forschungsstand zur "NSU-Affäre" und die Quellenlage. Kapitel 3 erläutert die Methode des causal process tracing (CPT) und deren Bedeutung für die Zuschreibung von Verantwortung. Das vierte Kapitel beschreibt die Ereignisgeschichte in vier Phasen: Hintergrund, Vorgeschichte, der Stichtag 26.01.1998 und Nachgeschichte. Das fünfte Kapitel analysiert das Versagen der Behörden, indem es zwei Kausalketten identifiziert. In Kapitel 5.3 werden die kritischen Weggabelungen und die zugrunde liegenden kausalen Mechanismen herausgestellt. Kapitel 6 untersucht die Generalisierbarkeit der Ergebnisse, während das abschließende Kapitel die Schlussfolgerungen zusammenfasst und mögliche Kontrafakten beleuchtet.
Schlüsselwörter
NSU-Trio, Abtauchen, rechtsterroristische Gefahr, Behördenversagen, causal process tracing (CPT), kritische Weggabelungen, kausale Mechanismen, Fehlwahrnehmung, kognitive Dissonanz, trained incapacity, Landesbehörde für Verfassungsschutz (LfV), Landeskriminalamt (LKA), Verantwortung, historische Analyse
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- Maximilian Woidich (Author), 2014, Das Versagen der Deutschen Strafverfolgung beim Abtauchen des NSU-Trios, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301561