Eine Detektivgeschichte wird durch die detaillierte Verbrechensaufklärung charakterisiert. Dazu gehört zunächst die Verdächtigung eines Unschuldigen, der Kampf des Guten für die Verurteilung des wahren Täters und letzen Endes die Bestrafung des Bösen.
Eine Schlüsselrolle kommt bei dieser Verbrechensaufklärung der Titelfigur Fräulein von Scuderi zu. Ihr künstlerisches Gespür, ohne taktisches Kalkül oder eiskalten Ermittlungsdrang, lässt sie gegen alle Indizien zu dem gepeinigten Brußon halten. Sie entspricht also nicht einer typischen, distanzierten Detektivfigur; sie dient für alle Figuren als Bezugsperson, die als vertrauensvoll, gutherzig und empathisch gilt (unter anderem auch für den echten Täter, der sich ihr anvertraut).
Ähnlich changierend gestaltet Hoffmann auch seine Figur des habgierigen Goldschmieds Cardillac. Auch er genießt hohes Ansehen im Volke, da er als „rechtlichster Ehrenmann, uneigennützig, offen, ohne Hinterhalt“ gilt und ein Meister seiner Profession ist. Dennoch bietet die Figur des Goldschmieds Gelegenheit, die für E.T.A Hoffmann typischen, dunklen Elemente in die Geschichte einzubringen. Magdaleine und Cardillac bilden also ein Künstlerpaar, das gegensätzlicher nicht sein könnte.
Diese widersprüchliche Figurendarstellung führt zu einer Gattungsproblematik, die eine Einordnung der Erzählung in eine feststehende literarische Kategorie schwierig macht. Diese Einschätzung findet sich auch bei Müller-Dietz und dient als Grundlage für meine Arbeit, in der ich sein Verfahren genauer analysieren möchte.
Nach einer narrativen, biografischen und rechtswissenschaftlichen Analyse kommt der Schriftsteller zu dem Schluss, dass Hoffmann mit dieser Erzählung eine Koinzidenz von wahrer Menschlichkeit und wahrhaftigem Künstlertum geschaffen hat, die die Fragen nach der Vermittlung von Poesie und Recht und das ureigene Verständnis von Künstlertum nicht beantworten kann.
Diese Schlussfolgerung ist nicht umfassend genug, da er die Aspekte der Kritik am politischen preußischen System vernachlässigt und die erzieherischen Tendenzen der Novelle übersieht.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Analyse
- Symbiotische Züge zwischen Inhalt und Narration
- Polyphonie als Kritik am System
- René Cardillac als Ausdruck des Gespenster-Hoffmanns
- Die drakonische Justiz
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert E.T.A. Hoffmanns Novelle „Das Fräulein von Scuderi“ und beleuchtet die komplexen Beziehungen zwischen Inhalt und Narration, die gesellschaftskritischen Aspekte des Werks sowie die Rolle der Kunst im Kontext von Recht und Moral.
- Die ambivalente Natur der Figuren und ihre Rolle in der Darstellung von Gut und Böse
- Die Kritik am politischen System und der Justiz im Preußen des frühen 19. Jahrhunderts
- Die Bedeutung der Kunst als Mittel der Kritik und der Vermittlung von Moral
- Die Verbindung von Vernunft und Irrationalität als charakteristisches Merkmal der Romantik
- Die Bedeutung der Erzählstruktur und der Symbiose von Inhalt und Form
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung beleuchtet die Forschungsgeschichte zu „Das Fräulein von Scuderi“ und stellt die zentralen Debatten um die Einordnung der Novelle als Kriminal- oder Detektivgeschichte dar. Die Analyse untersucht die symbiotischen Züge zwischen Inhalt und Narration, indem sie die ambivalente Natur der Figuren beleuchtet und die konkordante Darstellung von Moral und Unmoral im Kontext des preußischen Systems hervorhebt. Hierbei wird die Bedeutung der Kunst als Mittel der Kritik und der Vermittlung von Moral im Vordergrund gestellt. Die Arbeit schließt mit einer kritischen Würdigung der Schlussfolgerungen von Heinz Müller-Dietz und zeigt auf, dass er die gesellschaftskritischen Aspekte der Novelle vernachlässigt.
Schlüsselwörter
Die Arbeit konzentriert sich auf die Themenbereiche Kunst und Recht, Gesellschaftskritik, Romantik, Kriminalgeschichte, Ambivalenz, Polyphonie, E.T.A. Hoffmann, „Das Fräulein von Scuderi“, René Cardillac, preußisches System, Justiz, Moral.
- Quote paper
- Cathrin Utesch (Author), 2014, Gier und Begierde. Die Ambivalenz von Kunst und Gesellschaft in ETA Hoffmanns "Das Fräulein von Scuderi", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301562