Ästhetik ist heute nicht mehr das absolut gesetzte Schöne. Aber auch das Nicht-mehr-Schöne verschwand damit aus dem Brennpunkt der Debatte. Es kam in Ausdrücken wie „dynamisch“, „pathetisch“, „ambivalent“, „abgerissen“, Disharmonie und Schmerz durch die Hintertür wieder herein. Der Begriff des Schönen ist aus der Definition des Ästhetischen verschwunden. Die kontemplative Betrachtung moderner Werke ist die Anbetung des Nicht-mehr-Schönen als das Hässliche, Absurde, Groteske, Triviale und Banale. Das Schöne ist standardisiert nach dem Börsenwert. Das kennzeichnet auch Kunst. In der Vermarktung wird beides über einen Leisten gehauen: Schön, hässlich, banal, kitschig, absurd und grotesk sind definiert durch ihren Marktwert. Hier können alle auf einen Nenner gebracht werden.
Der Schreckenseinbruch des Absurden ist immer ein Einbruch in das Bewusstsein auf das gelebte Selbst in seiner Vergänglichkeit. Die auf den Augenblick fixierte Schönheit lässt den Menschen allein. Hinter den Grenzen, die sich zwischen dem Schönen, Banalen, Absurden, Grotesken und dem Kitsch im Phantastischen der Fiktion und im Realitätsverlust der Modernen im Bewusstsein des Menschen vermischen, grinst auch nur wieder die Einsamkeit des Menschen vor dem Nichts. Was hier als Kitsch erfahren werden kann oder als Realitätsverwischung zwischen gelebter Wirklichkeit und Phantastik bleibt dem einzelnen Individuum überlassen. Das ist nicht mehr an der Objektivierbarkeit des Kunstwerkes auszumachen. Hier wird die Realität des Seins der Kunst als Nicht-Sein manifest. Kunst wird in sich selbst absurd.
Trotzdem bleibt die Faszination vor der Kunst. Im Widerstreit und in der Unvereinbarkeit der Elemente muss Welt immer aufs Neue gefunden, gedeutet und gelebt werden. Hier zeigt sich das Schöne der Kunst als „Sichereignen der Wahrheit“ (Heidegger, 1977, 69) auch in der Postmodernen und Transmodernen Kunst, womit die Schönheit im Absurden und Grotesken als „Wahrheit im Werk und als Werk“ (Heidegger, 1977, 69) sichtbar wird. Das ist ein Schritt, den Heidegger selbst nicht zu gehen wagte, er wagte nicht, das Scheinen des Schönen als Wahrheit in der „Nicht-mehr-schönen-Kunst“ zu erkennen.
Inhaltsverzeichnis
- Von der Kunst des Schönen zur Kunst des Nicht-mehr-Schönen
- Transformationsprozesse des Schönen in der Rezeption von Waclaw Nijinskijs Choreographie
- Der Umbruch vom klassischen Ballett zum Modernen Tanz
- „Le Sacre du Printemps“ als Bruch mit der Ästhetik des Schönen
- Die Grundbedeutung des Pathetischen als Hauptthema von „Le Sacre du Printemps“
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit verfolgt das Ziel, die Transformationsprozesse des Schönen in der Rezeption von Waclaw Nijinskijs Choreographie „Le Sacre du Printemps“ zu untersuchen. Dabei werden die ästhetischen Konzepte von Kant und Hegel sowie die philosophischen Ansätze von Heidegger und Fraleigh herangezogen, um die Revolution des Tanzes im frühen 20. Jahrhundert zu analysieren.
- Der Wandel des Kunstbegriffs im Kontext der Modernen Kunst
- Die Bedeutung des „Nicht-mehr-Schönen“ in der Ästhetik des 20. Jahrhunderts
- Der Einfluss von „Le Sacre du Printemps“ auf die Entwicklung des modernen Tanzes
- Die Verbindung von Musik, Bewegung und szenischer Gestaltung in Nijinskijs Choreographie
- Die Rolle des Pathetischen als ästhetisches Prinzip in der modernen Kunst
Zusammenfassung der Kapitel
Das erste Kapitel beleuchtet die historische Entwicklung des Kunstbegriffs und stellt den Wandel vom traditionellen Schönheitsverständnis zum „Nicht-mehr-Schönen“ dar. Dabei werden die philosophischen Ansätze von Kant und Hegel beleuchtet.
Das zweite Kapitel konzentriert sich auf die Transformationsprozesse des Schönen im Tanz. Es untersucht den Umbruch vom klassischen Ballett zum Modernen Tanz und analysiert die Bedeutung von „Le Sacre du Printemps“ als Bruch mit der traditionellen Ästhetik.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Grundbedeutung des Pathetischen in „Le Sacre du Printemps“. Es wird analysiert, wie Nijinskijs Choreographie die menschliche Schwäche, Angst und Tod auf sinnliche Weise darzustellen vermag und damit eine neue Ästhetik des Erhabenen etabliert.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Schlüsselbegriffen Schönheitsverständnis, „Nicht-mehr-Schönes“, ästhetische Transformation, Tanzgeschichte, „Le Sacre du Printemps“, Waclaw Nijinsky, Igor Strawinskij, Pathetisches, Erhabenes, Modernität, Kunstbegriff, Philosophie der Kunst, Hegel, Kant, Heidegger, Fraleigh.
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- Dr. phil. MA Heide Marie Herstad (Author), 2004, Von der Kunst des Schönen zur Kunst des Nicht-mehr-Schönen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301737