Bereits in frühem Kindesalter ergeben sich erste Begegnungen mit Lyrik in Form von Abzählreimen, einfachen Kindergedichten oder Liedtexten. Dabei reagieren Kinder auf lyrische Texte unbefangen und mit einer Art ‚ästhetischem Erstaunen‘. Sie scheinen ihnen gegenüber offen und empfänglich zu sein. Mit zunehmendem Alter ändert sich dies jedoch. Viele ältere Kinder und Jugendliche formulieren Verständnisprobleme und neigen dazu, vor lyrischen Texten zu resignieren. Diese Beobachtungen harmonieren mit der Tatsache, dass der Anteil lyrischer Texte am Bestand eines üblichen Buchladens einen auffällig geringen Teil ausmacht. Lyrik stellt für Verleger, abgesehen von einigen Geschenkbänden vielleicht, de facto ein Verlustgeschäft dar. [...]
Lyrik stellt sich damit als eine Textsorte dar, die lediglich von einem kleinen Leser- oder Hörerkreis rezipiert wird, die zwar von Kindern begrüßt, von der Mehrheit Jugendlicher und Erwachsener aber abgelehnt wird. Selbst in der Schule, obwohl gerade diese als Raum für Auseinandersetzungen mit Literatur jeglicher Art gilt, lässt sich diese Beobachtung machen. Lyrik gilt unter Referendaren und Lehrkräften allgemeinhin als ‚schwierige‘ Gattung und damit auch als eines der unbeliebtesten Themen des Deutsch- und Literaturunterrichts. Worin aber begründet sich die besondere Schwierigkeit lyrischer Texte?
Der Begriff 'schwierig' impliziert, dass die beschriebene ablehnende Haltung gegenüber lyrischen Texten aus einer Unzugänglichkeit auf der Verstehensebene entsteht. Lyrik wird demnach gemieden, weil sie tendenziell schwieriger zu verstehen ist als andere literarische Texte, was die Fragen aufwirft, inwiefern lyrische Texte sich von anderen literarischen Texten unterscheiden und was es überhaupt bedeutet, einen Text zu verstehen; ferner stellen sich auch die Fragen, wodurch ein Verständnis bedingt wird und ob sich die Schwierigkeit lyrischer Texte konkret feststellen oder gar messen lässt.
Die nachfolgende Arbeit versucht, diesen Fragen nachzugehen.
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Literarisches und lyrisches Textverständnis
- 2.1 Zu den Begriffen Textkompetenz, Lesekompetenz und Textverstehen.
- 2.2 Zwei Faktoren des Textverständnisses.
- 2.2.1 Merkmale des Textes.
- 2.2.2 Eigenschaften des Lesers.
- 2.3 Zur Besonderheit lyrischer Texte.
- 3. Exemplarische Betrachtung...
- 3.1 Wesenszüge expressionistischer Lyrik: Begründung der Gedichtauswahl.
- 3.2 Analyse I - Georg Heym: Berlin I.…….………….……………...
- 3.3 Analyse II - Gottfried Benn: Nachtcafé.
- 4. Fazit und Implikationen für die Unterrichtspraxis
- 5. Ausblick
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Schwierigkeit lyrischer Texte im Vergleich zu anderen Textformen. Sie will herausfinden, warum Lyrik von vielen Menschen als unzugänglich empfunden wird und welche Faktoren zum Textverstehen beitragen.
- Die Bedeutung von Text- und Lesekompetenz für das Textverstehen
- Die Rolle von Merkmalen des Textes und Eigenschaften des Lesers
- Die besondere Schwierigkeit lyrischer Texte im Vergleich zu anderen Textarten
- Exemplarische Analyse von expressionistischen Großstadtgedichten
- Implikationen für den Deutschunterricht
Zusammenfassung der Kapitel
Kapitel 2.1 definiert die Begriffe Textkompetenz, Lesekompetenz und Textverstehen. Kapitel 2.2 beleuchtet die Faktoren, die das Textverstehen beeinflussen: die Merkmale des Textes und die Eigenschaften des Lesers. Kapitel 2.3 untersucht die Besonderheit lyrischer Texte und deren Anforderungen an den Leser. Die Kapitel 3.2 und 3.3 präsentieren exemplarische Analysen von Gedichten der expressionistischen Großstadtlyrik, um die theoretischen Erkenntnisse zu veranschaulichen. Kapitel 4 fasst die Ergebnisse zusammen und leitet erste Implikationen für die Unterrichtspraxis ab. Kapitel 5 blickt auf offene Fragen und zukünftige Forschungsbedarfe.
Schlüsselwörter
Lyrik, Textverstehen, Lesekompetenz, Textkompetenz, expressionistische Großstadtlyrik, Gedichtanalyse, Unterrichtspraxis
- Arbeit zitieren
- Annika Lüttenberg (Autor:in), 2015, Zum besonderen Schwierigkeitsgrad lyrischer Texte. Eine Faktorenanalyse am Beispiel expressionistischer Großstadtlyrik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/301867