Lerntheorie Herbarts


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

20 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

Einleitung

Kapitel І: Herbarts Bild der Seele

Kapitel ІІ: Das Erziehungsziel

Kapitel ІІІ: Der Weg zum Erziehungsziel: Regierung- Unterricht- Zucht (Besonnenheit)

Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Einführung

Der deutsche Pädagoge und Philosoph Johann Friedrich Herbart, geboren am 4. Mai 1776, gestorben am 14. August 1841, war einer der Begründer der modernen wissenschaftlichen Pädagogik. Er unterrichtete an den Universitäten in Göttingen (1802-09, 1833-41) und Königsberg (1809-33) und verfasste viele Werke über Pädagogik, Psychologie und Philosophie, die einen wesentlichen Einfluss auf Theorie und Praxis der Erziehung in Europa und den Vereinigten Staaten ausübten. Er war Gegner der populären Theorie der Psychologie der Fähigkeiten, dem Glauben, dass der Geist aus relativ unabhängigen Fähigkeiten zusammengesetzt ist, die durch Studium bestimmter akademischer Fächer geübt und trainiert werden können. Herbart war ein Pionier in der Entwicklung einer auf der Psychologie basierenden systematischen Theorie zum Lernen und Lehren. Laut seiner Apperzeptionstheorie werden neue Gedanken, wenn sie dem Schüler gründlich unterbreitet werden, mit bereits existierenden Gedanken verknüpft und bilden ein System von verbundenen Ideen, die so genannte apperzeptive Masse.

Herbart sah die grundsätzliche Aufgabe des Lehrers darin, die bereits bestehenden Interessen des Schülers herauszufinden und diese mit dem großen Wissen und der Kultur der Menschheit in Beziehung zu setzen, um dem Schüler zu helfen, Teil des zivilisierten Lebens zu werden. Er vertrat außerdem die Ansicht, das höchste Ziel der Erziehung sei eher die Entfaltung eines ethischen Charakters denn der Ausbildung des Wissens. Nach Herbarts Tod wurde seine Philosophie von seinen Schülern in ein strenges Regelwerk für den Unterricht umgesetzt. der Herbartianismus, der Name dieses pädagogischen Systems, übte besonders in den Vereinigten Staaten einen mächtigen Einfluss auf die Lehrpraktiken des späten 19. Jahrhunderts aus.

Für Verständnis seiner Lerntheorie sind folgende Werke zu bemerken:

Die erste Vorlesung über Pädagogik (1802), Über die ästhetische Darstellung der Welt als das Hauptgeschäft der Erziehung (1804), Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), Allgemeine praktische Philosophie (1806), Von der Erziehungskunst (1831), Pädagogische Briefe, oder Briefe über die Anwendung der Psychologie auf die Pädagogik (1832).

Das Ziel der Arbeit ist den Überblick über Lerntheorie Herbarts zu schaffen.

Die Hausarbeit besteht aus Einführung, drei Kapitel: Herbarts Bild der Seele, Das Erziehungsziel, Der Weg zum Erziehungsziel: Regierung- Unterricht- Zucht (Besonnenheit) und Schlussbemerkung.

Kapitel І: Herbarts Bild der Seele

Für Herbart wird das Kind ohne echten Willen geboren, es besitze nur wilden Ungestüm, welcher unterworfen werden müsse, um ein sittliches Verhältnis zu schaffen.

„Willenlos kommt das Kind zur Welt, unfähig demnach jedes sittlichen Verhältnis. So können die Eltern, teils freiwillig, teils auf die Forderung der Gesellschaft, sich seiner wie einer Sache bemächtigen. Zwar wissen sie wohl, dass in dem Geschöpf, welches sie jetzt, ohne es zu fragen, nach Gutfinden behandeln, sich mit der Zeit ein Wille hervortun wird, den man gewonnen haben muss, wenn Missverhältnisse eines von beiden Seiten unstatthaften Streites vermeiden bleiben sollen. Aber es ist lange bis dahin; zunächst entwickelt sich in dem Kinde statt eines echten Willens, der sich zu entschließen fähig wäre, nur ein wilder Ungestüm, der hierin und dorthin treibt, der ein Prinzip der Unordnung ist, die Einrichtungen der Erwachsenen verletzt und die künftige Person des Kindes selbst in mannigfaltige Gefahr setzt. Dieser Ungestüm muss unterworfen werden…“[1]

Kinder besitzen von Anfang an Individualität, jedoch keinen Charakter. Charakter heißt bei Herbart auch Zucht und könne erst dann wirken, wenn sich der bewusste Wille des Kindes gestaltet habe. Die Charakterform sei demnach ein Teil des vernünftigen Willens und muss dem heranwachsenden Menschen bewusst werden. Beide, sowohl Charakter wie auch Individualität, stehen sich im Kampf gegenüber, was einerseits die Männlichkeit ausmacht, andererseits auch zur Krankheit führen könne.[2]

Winfried Böhm in seiner Vorlesungsreie „Die Pädagogik und ihre Geschichte“ hat Model von Herbart mit Kompjutermodell veranschaulicht.

Herbart stellt sich unser Geist wie ein Kompjuter vor. Feste Platte ist am Anfang an leer und muss programmiert werden, damit später konnte das Kind richtige Daten (Taten) produzieren (richtig Handeln).

Die menschliche Entwicklung ist sowohl Evolution[3] als auch Epigenese[4]. Menschliche Kraft vermag letztlich nur das auszubreiten, was sie empfangen hat. Deshalb gilt es ein entsprechendes Angebot zu unterbreiten. Und gerade darin besteht die Aufgabe des erziehenden Unterrichts. Das geistige Leben ist in einen polaren Prozess eingebunden, „das Atmen des Geistes“. Jeder Mensch muss sich an eine Erfahrung hingeben und diese anschließend in den individuellen seelischen Zusammenhang einordnen.[5]

„Was Kindern fehlt ...was überhaupt am Menschen als vernünftigem Wesen charakterfähig ist, das ist der Wille, und zwar der Wille im strengen Sinn, welcher von den Anwandlungen der Laune und des Verlangens weit verschieden ist, denn diese sind nicht entschlossen, der Wille aber ist es. Die Art der Entschlossenheit ist der Charakter.

Wollen, sich entschließen, dies geht im Bewusstsein vor. Die Individualität aber ist unbewusst.“[6]

„Die Art der Entschlossenheit hieß uns Charakter. Das, was der Mensch will, verglichen mit dem, was er nicht will.“[7]

Herbart knüpft den Charakterbegriff[8] direkt an das Wollen. Die Gegenstände des Wollens fallen in zwei Kategorien: in „das, was der Mensch will, verglichen mit dem, was er nicht will.“ Als Resultat entschlossenen Nicht-Wollens bzw. Wollens bildet sich allmählich eine Struktur des Willens heraus.[9] Die Beschaffenheit der so entstehenden Ordnung von allgemein Gewolltem und Nicht-Gewolltem ist der Charakter.

Die Charakterbildung ist ein Prozess der Selbstprägung, eine Formung des Menschen aus sich selbst heraus. Das eigene Wollen und Handeln prägt den Menschen (und schafft zugleich neue Möglichkeiten zukünftigen Handelns). Von außen kann der Charakter lediglich indirekt – über den Willen – geformt werden (wenngleich die Einwirkungen großen Einfluss haben können). Mit Blick auf die Pädagogik heißt das, dass der Charakter einzig und allein in der Vermittlung des je individuellen Willens zum Gegenstand der Erziehung gemacht werden kann.

Herbart unterscheidet objektiver und subjektiver Teil des Charakters.

Die Zweiteilung lässt sogleich an Kants Unterscheidung von empirischem und intelligiblem Charakter denken. Keineswegs aber ist es so, dass der objektive Charakterteil bei Herbart dem empirischen Charakter bei Kant entspricht und der subjektive dem intelligiblem. Das Verhältnis der beiden Konzeptionen ist weitaus komplexer.

Bei Kant war die Zeitlichkeit (im sinne der klassischen Mechanik) und die damit verbundene empirische Fassbarkeit das Abgrenzungskriterium zwischen empirischem und intelligiblem Charakter. Herbart lehnt dies ab. Für ihn gibt es keinen Charakter außerhalb der Zeit. Der Charakter eines jeden Menschen ist einerseits gebunden durch die zeitlich vorangegangenen Erfahrungen des Subjekts und andererseits offen für neue Erfahrungen.

„Was beharrlich gewollt, beschlossen oder ausgeschlossen wird, ist das Elementarische des Objektiven im Charakter.“[10]

Der Wille des Individuums stimme dem sich betrachtenden Subjekt zu oder widerstreite ihm. Der Teil, welcher sich vom Objektiven unterscheide, mache den „subjektiven Charakter“ aus.[11]

Auch innerhalb des objektiven und subjektiven Teiles jeweils zwei Teilungsglieder „Gedächtnis des Willens - Wahl“ ; „Grundsatz – Kampf“[12],so dass sich folgendes Gefüge ergibt:

Gedächtnis des Willens

Objektiver Teil

Wahl

Charakter

Grundsatz

Subjektiver Teil

Selbstnötigung

„Wo Gedächtnis des Willens ist, da wird auch die Wahl sich von selbst entscheiden. Das Gewicht der Wünsche wird dieselben unwillkürlich einander unterordnen. Ohne alle theoretische Überlegung – denn nur durch ursprüngliche Wahl können weiterhin die angeknüpfte Motive ihre praktische Bedeutung bekommen – wird der Mensch innewerden, was er lieber wolle und was er lieber opfere, was er mehr und minder scheue, er wird es in sich erfahren.“[13]

„Der Mensch lernt, sich nach Motiven bestimmen; er lernt Gründe anhören, das heißt, er lernt, seinen angenommenen Obersätzen jedes Mal die Untersätze, welche die Zeit eben herbeibringt, subsumieren und erst die entstandenen Schlüsse in Handlung setzen. Diese Eigenschaft des Charakters nenne ich Motivität…“[14]

[...]


[1] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.79.

[2] Nieberg, Kevin: Der Begriff der „Bildsamkeit“ ein Konstrukt „Allgemeiner Pädagogik“ bei Johann Friedrich Herbart und Wilhelm Flitner. Regensburg 2002,S.72.

[3] Evolution: allmählich fortschreitende Entwicklung; Fortentwicklung im Geschichtsablauf

[4] Epigenese: Entwicklung eines jeden Organismus durch aufeinander folgende Neubildungen (nach der Entwicklungstheorie von C.F. Wolff, 1759)

[5] Fournes, Angelika: Johan Friedrich Herbarts Bestrebung um eine systematische Einheit pädagogischen Denkens und Handelns. Frankfurt am Main, Berlin, Bern, Bruxeles, New York, Oxford, Wien 2002, S.3.

[6] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.88.

[7] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.141.

[8] Die Bezeichmung „Charakter“ stammt ursprünglich aus dem Griechischen („Werkzeug zum Gravieren; Gravierer; Stempel; Siegel; Zeichen, Buchstabe; Gepräge, Eigenart“) und wurde über das Lateinische (charakter) ins Mittelhochdeutsche übernommen. Während es anfangs nur im Sinne von „eingeprägtes Zeichen; Zauberschrift, -spruch; Gepräge, Merkmal“ verwendet worden war, wurde es seit dem 17. Jahrhundert auch auf Wesen des Menschen übertragen und meinte von nun an auch dessen quasi in der Seele eingeprägten Eigenschaften. Ganz allgemein ist heute mit „Charakter“ zunächst einmal die individuelle Eigenart, das Gepräge, die Einprägung, aber auch die Gesamtheit der wesensbestimmenden Züge gemeint.

[9] „Soviel ist gewiss, dass ein Mensch, dem sein Wollen nicht gleich den Vorstellungen im Gedächtnis, so oft sich die Veranlassung erneuert , ohne weiteres als dasselbe wieder hervortritt, der sich erst durch Überlegung auf den vorigen Entschluss zurückführen muss, große Mühe haben wird, Charakter zu gewinnen.“ Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.142-143.

[10] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.143.

[11] Nieberg, Kevin: Der Begriff der „Bildsamkeit“ ein Konstrukt „Allgemeiner Pädagogik“ bei Johann Friedrich Herbart und Wilhelm Flitner. Regensburg 2002, S.72.

[12] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.142.

[13] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.143.

[14] Allgemeine Pädagogik aus dem Zweck der Erziehung abgeleitet (1806), in: Herbart, Johann Friedrich: Systematische Pädagogik. Eingeleitet, ausgewählt und interpretiert von Dietrich Benner. Stuttgart 1986, S.144.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Lerntheorie Herbarts
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg
Veranstaltung
Hauptseminar: Theorien der frühkindlichen Erziehung
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2004
Seiten
20
Katalognummer
V30194
ISBN (eBook)
9783638315128
Dateigröße
496 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lerntheorie, Herbarts, Hauptseminar, Theorien, Erziehung
Arbeit zitieren
Tatjana Klimkova (Autor:in), 2004, Lerntheorie Herbarts, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30194

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