In der internationalen Forschungsliteratur ist seit der Buchveröffentlichung von Lifton/Markusen (1988; 1992) ´genocidal mentality´ als wissenschaftlicher Terminus wenn auch ungebräuchlich so doch eingeführt. Er wird von diesen Sozialpsychologen als individuelle und/oder kollektive Disposition/en, die geeignet ist/sind, die „gesamte menschliche Bevölkerung“ zu zerstören, umschrieben. Damit ist aus der Sicht genannter Autoren diese besondere und besonders destruktive Mentalität ein notwendiges Moment der Zerstörungspraxis allen menschlichen Lebens („omnicide“) im atomaren Inferno, das auch Homocide (wörtlich: Menschheitsmord) genannt werden könnte.
Demgegenüber benütze ich den deutschen Begriff Völkermordmentalität in doppelter Weise spezifischer: Einmal nicht übergreifend allgemein. Sondern historisch. Und zum anderen nicht projiziert in denkbare Zukünfte. Sondern bezogen auf reale Vergangenheiten. Die gewiss, nach einem Wort des US-amerikanischen Autors William Faulkner, gerade wenn es um Genozidpolitik geht, nicht tot sind (wie die wirklichen Toten). Sondern die, im Wortsinn, nicht einmal vergangen sind.
Das deutsche Kompositum Völkermordmentalität bezieht sich auf Völkermord und Mentalität. Entsprechend verstehe ich hier unter Mentalität keine wissenschaftliche Kategorie (Gebhardt/Kamphausen 1994, 30-32). Sondern einen alltäglich geprägten Begriff: Mentalität meint, ähnlich wie im englischen ´mentality´ und/oder im französischen ´mentalité´, eine geistige Haltung ebenso wie eine Anschauungs- und Auffassungsweise einzelner Menschen und/oder von Menschengruppen. Gegenüber dieser scheinbar ´naiven´ Begriffbestimmung unterlege ich meinem Verständnis von Völkermord jedoch nicht nur die naheliegende juristische Definition des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 220a StGB), sondern erweitere sie um die wissenschaftliche Perspektive von Rafael Lemkin (1944). Dieser zunächst polnische, dann US-amerikanische Völker(straf)rechtler hat nämlich als Besonderheit von Völkermord die biopolitisch-intergenerative Seite herausgearbeitet.
Inhaltsverzeichnis
- In der internationalen Forschungsliteratur ist seit der Buchveröffentlichung von Lifton/Markusen (1988; 1992) 'genocidal mentality' als wissenschaftlicher Terminus wenn auch ungebräuchlich so doch eingeführt. Er wird von diesen Sozialpsychologen als individuelle und/oder kollektive Disposition/en, die geeignet ist/sind, die „gesamte menschliche Bevölkerung“ zu zerstören, umschrieben.
- Demgegenüber benütze ich den deutschen Begriff Völkermordmentalität in doppelter Weise spezifischer: Einmal nicht übergreifend allgemein. Sondern historisch. Und zum anderen nicht projiziert in denkbare Zukünfte. Sondern bezogen auf reale Vergangenheiten.
- Das deutsche Kompositum Völkermordmentalität bezieht sich auf Völkermord und Mentalität. Entsprechend verstehe ich hier unter Mentalität keine wissenschaftliche Kategorie (Gebhardt/Kamphausen 1994, 30-32). Sondern einen alltäglich geprägten Begriff: Mentalität meint, ähnlich wie im englischen 'mentality' und/oder im französischen 'mentalité', eine geistige Haltung ebenso wie eine Anschauungs- und Auffassungsweise einzelner Menschen und/oder von Menschengruppen.
- Gegenüber dieser scheinbar 'naiven' Begriffbestimmung unterlege ich meinem Verständnis von Völkermord jedoch nicht nur die naheliegende juristische Definition des deutschen Strafgesetzbuchs (§ 220a StGB), sondern erweitere sie um die wissenschaftliche Perspektive von Rafael Lemkin (1944).
- Insofern verweigert sich dieses historische Verständnis von Genozid/Vökermord als crimen magnum des vergangenen Jahrhunderts der im Zusammenhang mit den neuen Balkankriegen der 90er Jahre erkennbaren politischen Wortinflationierung von Völkermord/Genozid, weil es um ihre Besonderheiten geht. Und die lassen sich, methodologisch gesprochen, eben nicht im Allgemeinen ethnischer Säuberungen einerseits und demographischer Homogenisierungen andererseits auflösen.
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Dieses Werk analysiert die „Völkermordmentalität“ im 20. Jahrhundert und untersucht, wie diese Mentalität zu den beiden herausragenden Menschheitsverbrechen des Jahrhunderts, dem Armenocide und dem Holocaust, geführt hat. Der Autor beleuchtet die historische Entwicklung und die spezifischen Merkmale dieser Mentalität und zeigt, wie sie sich in staatlichen Maßnahmen und gesellschaftlichen Einstellungen manifestiert hat.
- Definition und Charakterisierung der „Völkermordmentalität“
- Analyse des Armenocide und des Holocaust als Beispiele für „moderne“ Genozide
- Die Rolle von staatlicher Politik und gesellschaftlichen Normen in der Entstehung und Durchführung von Genoziden
- Die Bedeutung von historischem Gedächtnis als Mittel der Prävention von Völkermord
- Kritik an der politischen Inflationierung des Begriffs „Völkermord“
Zusammenfassung der Kapitel
- Kapitel 1: Der Autor führt den Begriff „Völkermordmentalität“ ein und unterscheidet ihn von dem in der Literatur verbreiteten Begriff „genocidal mentality“. Er argumentiert, dass „Völkermordmentalität“ auf konkrete historische Ereignisse bezogen ist, während „genocidal mentality“ eher eine allgemeine Disposition bezeichnet.
- Kapitel 2: Der Autor erörtert die Definition von Völkermord aus juristischer und wissenschaftlicher Sicht und betont die biopolitisch-intergenerative Dimension des Völkermordes, die von Raphael Lemkin herausgearbeitet wurde. Er analysiert, wie Völkermord die Zukunftsentwicklung einer Gesellschaft beeinflussen kann.
- Kapitel 3: Der Autor beleuchtet den „Armenocide“ und den „Holocaust“ als Beispiele für „moderne“ Genozide und zeigt die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen diesen Ereignissen. Er kritisiert die politische Inflationierung des Begriffs „Völkermord“ und betont die Bedeutung des historischen Gedächtnisses zur Prävention weiterer Genozide.
Schlüsselwörter
Völkermordmentalität, Genozid, Armenocide, Holocaust, Staatsverbrechen, historische Erinnerung, biopolitisch-intergenerative Dimension, ethnische Säuberung, politische Inflationierung.
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- Dr. Richard Albrecht (Author), 2004, Völkermord(e) im 20. Jahrhundert - Politik-soziologische und sozial-psychologische Hinweise zu Geschichte und Mentalität des Menschheitsverbrechens im 20. Jahrhundert, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/30199