Optische Sauerstoffmessung in der in vitro Zellkultur zur Bestimmung der orts- und zeitaufgelösten, diffusionslimitierten Sauerstoffkonzentrationen


Masterarbeit, 2015

101 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

In vivo Studien sind sich darin einig, dass die Sauersto^onzentrad'on im Gewebe zwischen 5 und 50 mmHg (0.67 und 6.7 kPa) liegen (Wion, 2009; Tsai, 2010). Das ist mehr als eine GroGenordnung geringer als der Pardaldruck von Sauerstoff in der Atmosphare (160 mmHg oder 21 kPa). Schon 1976 untersuchte Balin die Aus- wirkung von Sauerstoff auf Wachstum und Zellmetabolismus von WI-38 Zellen. Er beobachtete die kurzeste Proliferadonszeit bei 44 mmHg (5.9 kPa). Lange schon ist bekannt, dass zu viel Sauerstoff sogar toxisch auf Zellen wirkt (Balin, 1978 und 2002; Haugaard, 1968). Zudem wird diskudert ob Sauerstoffmangel in Tumoren die Metastasenbildung fordert (Chaudary, 2007). Neuronale Stammzellen bilden in einer Umgebung mit 15.2 bis 38 mmHg (2 bis 5 kPa) Neurosphare statt TH-posi- dve Neuronen (Zhang, 2011). In Hypoxieversuchen ware eine Auflosung im Be- reich unter 0.1 bis 1 kPa gefragt (Ebbesen, 2004).

Dies macht deutlich, dass es fur die physiologische Relevanzvon in vitro Zellversu- chen existendell wichdg ist, die Sauersto^onzentradon exakt zu kontrollieren. Auf Grund von mangelnden geeigneten Methoden wird dies oftmals ganz unter- lassen (Toussaint, 2011). Haudg wird auch der Sauerstoff auGerhalb der Probe kontrolliert und angenommen, dass in der Probe die gleichen Bedingungen herr- schen. Dies ist aber falsch, wie auch in Kapitel 3.6 dieser Arbeit gezeigt werden kann. Zellen sind Sauerstoffverbraucher, was dazu fuhrt das die Geometrie und die Materialeigenschaften die Nachdiffusion von Sauerstoff und somit die Konzen- tradon in der Probe besdmmen.

Einige Gruppen versuchen den Sauerstoffgehalt in den Proben mathemadsch zu simulieren (Bassom, 1997; Brown, 2007; Radisic, 2006; Vaupel, 1998). Das ist eine auGerst aufwandige Methode, und kann eine Kontrollmessung dennoch nicht er- setzen.

Deshalb braucht die Zellforschung eine Methode, mit der Sauerstoff einfach, kos- tengunsdg und kondnuierlich in direkter Umgebung der Zellen gemessen werden kann.

Eine solche Methode musste eine raumliche Auflosung in der GroBenordnung von einigen Zellen (wenige 100 pm) bieten. Lebende Zellen passen ihren Stoffwechsel permanent an auBere Einflusse an. Deshalb muss eine zeitliche Auflosung im Mi- nutenbereich moglich sein. Des Weiteren durfen Zellen durch die Messung keinen Schaden nehmen. Sie sollte nicht invasiv, biokompab'bel und steril durchfuhrbar sein, um den Zellen nicht zu schaden oder sie zu kontaminieren. Daruber hinaus sollte es moglich sein die Zellen am Mikroskop parallel zu beobachten. In der Zell - mikroskopie werden oftmals Fluoreszenzfarbungen eingesetzt. Die Methode soll­te deshalb unabhangig von Hintergrundfluoreszenz funkb'onieren. AuBerdem musste sie entweder sehr geringen Aufwand verlangen oder ganzlich softwarege- steuerte Sauersto^ontrolle bieten. Nicht zuletzt sollte gleichzeib'g der pH-Wert des Mediums und die Temperatur reguliert werden konnen.

Opb'sche Messmethoden, die die Sauersto^onzentration uber Phosphoreszenz- abklingzeiten von Farbstoffmolekulen bestimmen, existieren bereits. (Die physika- lischen Hintergrunde dazu werden im Kapitel Phosphoreszenzloschung erlautert.) Sie profltieren von einem Miniaturisierungspotenzial auf MolekulgroBe und einer zeitlichen Auflosung im Sekundenbereich. Das von Elmar Schmalzlin entwickelte Messsystem basiert auf dieser Methode. Die Phosphoreszenzfarbstoffe sind hier in Mikrobeads von 50 pm Durchmesser eingebunden. Es ist vergleichsweise kos- tengunstig, und an jedem Mikroskop installierbar. AuBerdem bietet es eine Steue- rungssoftware und misst unabhangig von Hintergrundfluoreszenz.

Jedoch wurde es bisher nie in Zellkultur verwendet. Die Vorteile dieses Systems mussen fur die Zellforschung nutzbar gemacht werden.

Deshalb ist das Ziel dieser Arbeit die Entwicklung der notigen Methoden um das System in der Lebenszellmikroskopie einzusetzen. Daruber hinaus werden die ent- wickelten Methoden und die Moglichkeiten des Systems in der Zellforschung im Rahmen von Langzeitzellexperimenten am Mikroskop getestet.

Die Sauersto^onzentration wird in der Literatur in verschiedenen Einheiten an- gegeben. Quellen aus der Medizin und Biologie benutzen meist Millimeter Queck- silbersaule (mmHg), auch unter der Bezeichnung Torr, was dem statischen Druck einer Quecksilbersaule der Hohe 1 mm entspricht. Das Sauerstoffmessgerat misst in Prozent von einem zuvor kalibrierten Satogungswert. Angaben in Prozent Sato- gung beziehen sich immer auf die maximale Loslichkeit von Sauerstoff in Material das mit Raumluft equilibriert ist. Gase werden ublicherweise in Volumenprozent oder Pascal angegeben. Tabelle 1.1 bietet eine Obersicht uber die verwendeten Einheiten.

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Tabelle 1.1: Umrechnungverwendeter Einheiten furSauerstoff

1.1. Sauerstoffiransport und Physiologie der Zelle

Erwachsene Menschen metabolisieren etwa 200 g Sauerstoff pro Tag (Wang, 2014). Zellen sind die lebenden Einheiten des menschlichen Korpers. Er besteht aus etwa 100 Billionen Zellen (Guyton, 2006, S.3). Jede davon braucht kontinuier- lich Sauerstoff, um sich und unseren Korper mit Energie zu versorgen.

Es ist verbreitet, die Abhangigkeit der Verbrauchsrate zur vorhandenen Sauer- sto^onzentration mit der Michealis-Menten Kineb'k zu beschreiben. Sie wird bei- spielsweise von (Bassom, 1997; Brown, 2007; Lewis, 2005; McElwain, 1978; Se- comb, 1993) verwendet. Gleichung (1.1) zeigt die Michealis-Menten Gleichung.

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M0 reprasentiert den maximalen Sauersto^onsum wenn dieser nicht durch die Versorgung eingeschrankt ist. P0 beschreibt die Sauersto^onzentrab'on (p02), die den Konsum halbiert im Vergleich zu M0 (Secomb, 2004). M und P sind die tat- sachliche Konsumrate der Zelle und die vorhandene Sauersto^onzentration.

In der Literatur finden sich auch Messwerte zum Sauersto^onsum verschiedener Zellarten. Die Werte liegen im Bereich von 1.9 bis 5.2 107 Sauerstoffmolekule pro Sekunde (Casey, 2000; Jorjani, 1999; Kim, 2013).

Das in der Lunge mit Sauerstoff angereicherte Blut wird uber immer feiner wer- dende GefaBe im Korper verteilt. Aus den Arteriolen und KapillargefaBen diffun- diert der Sauerstoff schlieBlich zu den einzelnen Zellen. KapillargefaBe haben Ab- stande von unter 200 ym. In Geweben mit hohem Energieumsatz, wie Hirnrinde oder Skelettmuskulator befinden sich KapillargefaBe im Abstand von 35 bis 40 pm (Schmidt, 2010). Schon 1919 entwickelte Krogh ein einfaches Modell zu diffusi- onslimib'erten Sauerstoffversorgung von Gewebe. Es ist immer noch aktuell und in Abbildung 1.1 zu sehen.

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Abbildung 1.1: p02-Verteilung im Versorgungsbereich einer Kapillare. Sche- mabsche Darstellung der errechneten 02-Parbaldruckverteilung im Versor- gungszylinder einer Kapillare in der GroBhirnrinde des Menschen (Schmidt, 2010)

Wie in Abbildung 1.1 dargestellt reduziert sich der Sauerstoffparbaldruck inner- halb einer Kapillare von 90 mmHg (12,0 kPa) auf 28 mmHg (3,7 kPa). Entlang des Radius des Versorgungszylinders einer Kapillare fallt die Sauersto^onzentrabon um weitere 26 mmHg (3,5 kPa) ab.(Schmidt, 2010)

Zellen haben im Korper weniger als 90 mmHg 02 (12 kPa) zur Verfugung. Tsai misst 2010 fur Hamsterruckgewebe sogar nur 20 bis 30 mmHg (2.7 bis 4.0 kPa). Erhohte Sauersto^onzentrationen sind im Korper durch Hyperoxie bedingt. Das fuhrt aufgrund der vermehrten Bildung von reakb'ven Sauerstoffspezies zu schwe- ren und teilweise irreversiblen Zellschaden (Schmidt, 2010).

In in vitro Versuchsaufoauten, bei welchen Zellen in Medium kulb'viert werden, das mit Luft equilibriert ist, leiden diese schnell an bis zu 160 mmHg 02 (21 kPa).

Balin, Pratt, & Allen konnten 2002 belegen, dass Sauersto^onzentrationen uber 4.3 %vol (4.13 kPa) zunehmend toxisch wirken. Sie untersuchten das Wachstum von Haut-Fibroblasten in Abhangigkeit verschiedener Sauersto^onzentration und Spenderalter.

Fur Zellversuche in dieser Arbeit wurde die Zelllinie Rat-1 verwendet. Die Fibro- blasten der Ratte zeichnen sich durch ihre einfache Handhabung in Zellkultur aus, und proliferieren stark. Aus diesem Grund wird ein hoher Sauerstoffverbrauch vermutet, was die Ergebnisse der geplanten Experimente deutlicher macht.

1.2. Diffusion

Die Mathematik der Diffusion gleicht der, der Warmeleitung. Wichtig ist die Ab- grenzung zur Konvektion. Konvektion beschreibt den Massentransport durch die Bewegung des Mediums, in dem der transportierte Stoff gelost ist. Diffusion hin- gegen beschreibt die Nettobewegung eines Stoffes durch die Summe der zufalli- gen Einzelbewegungen seiner Molekule. Die treibende Kraft der Diffusion ist die Steigerung der Entropie. Die Geschwindigkeit der Diffusion wird unter Anderem von der Dichte des Mediums in dem sich der Stoff bewegt beeinflusst. Je dichter das Medium, desto kurzer ist die mittlere freie Weglange, und desto langsamer diffundiert der Stoff.

Um Diffusion mathematisch nachzuvollziehen und vorhersagen zu konnen wurde eine grundlegende Hypothese aufgestellt. Bereiche geringer Sto^onzentration uben einen Sog auf Teilchen in Bereichen mit hoherer Sto^onzentraff'on aus. Adolf Fick stellte diesen Zusammenhang 1855 mathemab'sch dar und legte damit den Grundstein fur Berechnungen zur Diffusion. Gleichung (1.2) zeigt das erste Fick'sche Gesetz.

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Der Diffusionskoeffizient D mulffpliziert mit dem raumlichen Gefalle der Konzen- traffon C ergibt die Durchflussrate F durch eine Einheitsflache senkrecht zum Kon- zentraffonsgradienten. (Crank, 1975)

Aus dem ersten Fick'schen Gesetz wird durch Betrachtungen eines infinitesimal kleinen Quaders die Diffusionsgleichung (1.3) abgeleitet.

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Die zeitliche Ableitung der Konzentraffon ist proporffonal zu ihrer doppelten ortli- chen Ableitung. Gleichung (1.3) gilt nur fur isotrope und von der Konzentraffon C unabhangige Diffusionskoeffizienten D. Fur Flussigkeiten und Gase triffi dies zu. In Tabelle 1.2 sind einige Diffusionkoeffizienten fur verschiedene Medien zusam- mengefasst.

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Tabelle 1.2: Diffusionskoeffizienten verschiedener Materialien

In Luft ist die Flussrate von Sauerstoff bei gleichem Konzentraffonsgradienten um einige GroBenordnung groBer als in Wasser. Nahrmedium, dass zu einem GroBteil aus Wasser besteht beeintrachbgt die Diffusion von Sauerstoff nahezu genauso wie Wasser. Glas ist fur Sauerstoff vergleichsweise undurchdringbar.

Diffusion durch Materialschichten

Die Fickschen Gesetze beschreiben die Diffusion innerhalb eines Materials. Im Fall der in dieser Arbeit zum Einsatz kommenden Versuchsaufoauten wird aber vor al- lem auch der Gastransport von Luft durch Zellkulturmedium oder Kunststoff zu den Zellen interessant.

Die Zellen befinden sich in Zellkulturmedium, das entweder direkten Kontakt zur Gasmischung in der Inkubab'onskammer hat (Abbildung 1.2), oder durch eine Kunststoffschicht davon getrennt ist (Abbildung 1.3). Beim Stofflxansport durch verschiedene Materialien muss beachtet werden, dass die Diffusion innerhalb ei­nes Materials nur einen Teil des Vorgangs beschreibt. Zwischen zwei Materialien findet ein standiger Austausch staff. Zwischen Luft und einem Material spricht manvon Sorpb'on. Im Gleichgewichtwird die Menge desvom Material aufgenom- menen Stoffes durch den Sorpbonskoeffizienten beschrieben.

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Abbildung 1.3: Diffusion von Gas durch Medium

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Abbildung 1.2: Diffusion von Gas durch Kunststoff und Medium

Der Parb'aldruck ist uber die Materialgrenze steb'g. Mit Gleichung (1.4) kann aus der Loslichkeit S von Gas in einem Material und dem Parb'aldruck p des Gases auf die Konzentra bon c im Material geschlossen werden. (Gesetz von Henry)

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Diffusion durch Kunststoff

Je nach Art des Kunsstoffs gibt es groBe Unterschiede. Ober den fur diese Arbeit relevanten Kunststoff ist lediglich eine Sauerstoffdurchlassigkeit (Permeabilitat) bekannt, die 2001 durch das Fraunhofer Insb'tut fur Verfahrenstechnik und Verpa- ckung besb'mmt wurde.

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Tabelle 1.3: Permeabilitat zweier Kunststofffolien (Fraunhofer IVV, 2004)

Um diese Werte in eine allgemeine Permeabilitat umzurechnen werden die Ein- zelwerte mit der Schichtdicke mulb'pliziert. Dies fuhrt zu den in Tabelle 1.4 darge- stellten Ergebnissen.

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Tabelle 1.4: Permeabilitat des Objekttrager Kunststoffs

Der Stofflxansport J durch Materialschichten wird durch die Permeabilitat P des

Materials und das Parbaldruckgefalle Ap uber die Schicht besb'mmt, und durch Gleichung (1.5) beschrieben (Muller, 2003).

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1.3. Grundlagen zurSauerstoffmessung

Zur Messung von molekularem Sauerstoff exisberen zahlreiche Methoden (Amao, 2003; Quaranta, 2012). Chemische Methoden wie die Winkler Titrabon sind ex- akt, aber aufwandig und nicht biokompabbel. Im biomedizinischen Bereich war in den letzten Jahrzehnten die Clark Elektrode vorherrschend. Sie wurde immer wei- ter miniaturisiert bis Auflosungen von wenigen Mikrometern erreicht wurden. Die Spitze der Elektrode wird zur Messung in die Probe eingestochen und uber den Stromfluss die Sauersto^onzentrati'on besb'mmt. Sie galt in den letzten Jahrzehn­ten als die zuverlassigste Methode, um Sauerstoff in kleinen Volumina zu messen (Wang, 2014). Nachteile der Clark Elektrode sind, dass es eine invasive Methode ist und, dass elektrische Interferenz sowie der Sauersto^onsum der Elektrode selbst das Ergebnis beeinflussen (Amao, 2003). Optische Methoden mit phospho- reszierenden Sensorfarbstoffen genieBen in den letzten drei Jahrzehnten immer mehr Aufmerksamkeit (Quaranta, 2012). Sie profitieren von ihrem nicht chemi- schen und reversiblen Messmechanismus, in dem weder Probe noch Sensor ver- braucht werden, und von ihrer hohen Sensibilitat (Papkovsky, 2004).

Phosphoreszenzloschung durch Sauerstoff

In Abbildung 1.4 veranschaulicht ein Jablonski Diagramm die energetischen Ober- gange in einem Sensormolekul fur Sauerstoff. Bei der Anregung der Elektronen tritt Fluoreszenz und Phorphoreszenz auf. Als Oberbegriff fur beide Erscheinungen wird in dieser Arbeit die Bezeichnung Lumineszenz verwendet.

Abbildung 1.4(1) zeigt die Absorption eines Photons durch das Sensormolekul. Dabei wird ein Elektron auf ein hoheres Energieband angeregt. Ein Teil der Anre- gungsenergie kann innerhalb eines Energieniveaus durch Schwingungen (innere Umwandlung) abgegeben werden. Wie (3) der Abbildung zeigt, kann es unter Aussendung eines Photons in den Grundzustand zuruckkehren. Das so abgestrahl- te Licht heiBt Fluoreszenz und tritt im Bereich von 10-9 bis 10-7s nach Anregung (Spektrum, 1998; Puschnig, 2013) auf.

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Umwandlung. (3) Fluoreszenz (4) intersystem Crossing. (5) Phosphoreszenz (6) Ruckkehr in den Grundzustand durch Wechselwirkung mit einem Loscher

Beim intersystem Crossing andert das Atom durch Umkehrung des Spins seine Multiplizitat Das findet auf einer Zeitskala von 10-10 bis 10-8 s (Puschnig, 2013) statt. Es geht in den angeregten Triplettzustand uber. Bei den Sauerstoffsensor- farbstoffen uberschneiden sich die Energieniveaus des ersten angeregten Sigulett- zustandes und des ersten angeregten Triplettzustandes. Deshalb ist der Ubergang bei diesen Stoffen sehr wahrscheinlich. Von hier aus kann das Atom nur zuruck in den Grundzustand, indem der Spin des Elektrons wieder umgekehrt wird, und Licht (in diesem Fall Phosphoreszenzlicht) abgestrahlt wird, wie in (5) verdeutlicht. Dieser Ubergang geschieht selten, weil er nach der Multiplizitatsregel verboten ist. Er findet auf einer Zeitskala von 10-3 bis 100 s (Puschnig, 2013)statt. Bei Sauer- stoffsensoren entspricht die Energielucke der von Sauerstoff. Die Sensormolekule konnen aus dem angeregten Triplettzustand in den Singulettgrundzustand zuruck- kehren, indem ein mit ihnen kollidierendes Sauerstoffmolekul seine Multiplizitat andert und seinerseits angeregt wird. (6) zeigt diese Wechselwirkung.

Sauerstoff hat starke loschende Eigenschaften gegenuber Metallporphyrinen und Rutheniumkomplexen, wie beispielsweise gegenuber

- Pt-ll- tetrapentafluorophenylporphyrin (kurz PtPFPP), und
- Tris(4,7-diphenyl-1,10-phenanthroline)ruthenium(ll)perchlorat (kurz Ru(dpp)3).

Aufgrund ihrer hohen Photostabilitaten finden diese beiden Farbstoffe Verwen- dung in kommerziellen Sauerstoffmessgeraten. Die Abklingkurven der Phospho- reszenzvon PtPFPP bei unterschiedlichen Sauersto^onzentrationen sind in Abbil- dung 1.5 zu sehen. Je hoher die Konzentration von Sauerstoff, desto kurzer die Abklingzeit.

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Abbildung 1.5: Sauerstoffabhangige Phosphoreszenz-Abklingkurven (Graphik nach Schmalzlin, 2014)

Obwohl die ersten Systeme zur Messung von Sauerstoff mittels Phosphoreszenz- loschung schon I960 bis 1980 eingefuhrt wurden, machte die Entwicklung dieser Methode erst seit den 1990'ern und 2000'ern groBere Fortschritte (Papkovs- ky 2013).

2. Material und allgemeine Methoden

2.1. Messprinzip OPAL

In dieser Arbeit wurde mit Sauerstoffsensoren gearbeitet, die wie folgt aufgebaut sind. Eine kugelformige Polystyrolmatrix mit einem Durchmesser von 50 pm bil- det das Grundgerust. Sie ist licht- und sauerstoffdurchlassig und verhindert den Austritt von toxischem Triplettsauerstoff (Schmalzlin, 2014). Darin eingebettet be- findet sich der Sensorfarbstoff PtPFPP oder Ru(dpp)3 und Photostabilisator. Der Photostabilisator loscht den angeregten Sauerstoff, sodass dieser seine Energie nicht wieder auf das Sensormolekul ubergeben kann. (Enko, 2013)

Die Mikrokugeln (CPOx-Beads) konnen direkt in die Probe gebracht werden. Das OPAL Messsystem wird wie in Abbildung 2.1 an einem Mikroskop installiert. Die Probe mit den Beads wird auf das Mikroskop gelegt.

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Wie in Kapitel 1.3 Grundlagen zur Sauerstoffmessung erklart, ist die Abklingzeit der Phosphoreszenz des Sensorfarbstoffs abhangig von der Sauersto^onzentrad- on. Diesen Zusammenhang beschrieben Otto Stern und Max Volmer schon 1919 mit Gleichung (2.1).

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Das Verhaltnis der Phosphoreszenz-lntensitaten P0 und P in Abwesenheit und An- wesenheit eines Loschers ist gleich dem Verhaltnis der Abklingzeiten t0 und t in Abwesenheit und Anwesenheit des Loschers. KSV ist die Stern-Volmer Konstante und [O2] die Konzentradon des Loschers Sauerstoff.

Die am Detektor ankommende Intensitat des Phosphoreszenzlichtes hangt vom Lichtweg des Versuchsaufoaus, wie der Lampenintensitat, der lokalen Sensorkon- zentradon, Streu- und Absorpdonseigenschaften der Probe, und vom Bleichen des Sensorfarbstoffes uber die Zeit ab. (Wang, 2014)

Aus diesem Grund nutzt das OPAL System das Verhaltnis der Abklingzeiten. Die Abklingzeit t0 in Abwesenheit von Sauerstoff und die Stern-Volmer Konstante KSV werden durch die Kalibrierung des Systems gewonnen. Um auf die Sauersto^on- zentradon in der Probe zu schlieGen wird nun die aktuelle Abklingzeit x der Phos­phoreszenz benodgt.

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Um ein kondnuierliches Echtzeit Signal zu erhalten, wird das Anregungslicht sinus- formig moduliert, statt einzelne Lichtpulse zu senden. Abbildung 2.2 zeigt das si- nusmodulierte Anregungslicht der LED-Lichtquelle, das den Bead (orange) be- leuchtet. Die vom Bead emitt'erte Phosphoreszenz ist um die Phase q verscho- ben.

Gleichung (2.2) stellt den Zusammenhang zwischen der Phasenverschiebung y, der Modulab'onsfrequenz w, und der Abklingzeit rdar. (Demas, 1999; Holst, 1997; Andrzejewski, 2002)

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Die Phasenlage des Anregungslicht wird als Nullpunkt debniert, und y entspricht der Phasenverschiebung.

Hierbei handelt es sich um eine Oberlagerung von Hintergrundfluoreszenz, Reste des Anregungslichts, und dem tatsachlichen Phosphoreszenzsignal. Das uber- lagerte Signal hat eine scheinbare Abklingzeit rapp, die von der Frequenz des Anre­gungslichts abhangt. (Andrzejewski, 2002)

Um die tatsachliche Abklingzeit messen zu konnen wird gleichzeib'g mit zwei Fre- quenzen moduliert. Das Verhaltnis der Intensitat der Hintergrundfluoreszenz l2 zum Phosphoreszenzsignal l1 wird durch Gleichung (2.3) beschrieben (Gratton, 1985; Lakowicz 1999).

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/1 und l2 sind die maximalen Intensitaten des emitterten Phosphoreszenzlichts und des Hintergrundsignals. Das Verhaltnis ist unabhangig von der Anregungsfre- quenz w (Schmalzlin, 2005). Aus diesem Grund konnen, wie in Gleichung (2.4), fur zwei verschiedene Anregungsfrequenzen w, und p die jeweiligen Verhaltnisse der Hintergrundfluoreszenzen l2 w, und l2p und Phosphoreszenzsignale llw, und lip gleich gesetzt werden. AuBerdem ist die Abklingzeit der Fluoreszenz t2, die den GroRteil des Hintergrunds ausmacht, im Vergleich zur Abklingzeit der Phosphores- zenz t1 sehr klein, und kann vernachlassigt werden. Das Verhaltnis von Signal zu Rauschen gibt die Genauigkeit dieser Naherung an.

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Die Gleichungen (2.3) und (2.4) fuhren zu Gleichung (2.5).

Die beiden Modulationsfrequenzen w und ^ werden manuell uber die Software eingegeben. Abbildung 2.3 veranschaulicht die Auswahl geeigneter Modulations- frequenzen fur das Anregungslicht.

Das Maximum der Differenz der Phasenverschiebung (grun in Abbildung 2.3) und damit der hochste Dynamikbereich liegt bei 5 kHz Anregungsfrequenz. Fur die doppelt sinusmodulierte Anregung mussen zwei Frequenzen im Bereich des Maxi- mums gewahlt werden. Durch eine Wahl der Anregungsfrequenzen im hochsten Dynamikbereich wird die maximale Sensitivitat erreicht.

Die scheinbare Abklingzeit rapp wird, wie in Gleichung (2.2), uber die scheinbaren Phasenverschiebungen q berechnet. Gleichung (2.5) kann nach der tatsachlichen Phosphoreszenzabklingzeit ^ des Sensorfarbstoffes aufgelost werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.4: Schnitt durch einen Bead.

Die Lumineszenz wird im Anteil x starker durch Sauerstoff geloscht, als im inneren Bereich.

In den CPOx Beads befinden sich die Farbstoffmolekule in einer kugelformigen Po- lystyrolmatrix. Das fuhrt dazu, dass die auGerste Schicht der Farbstoffmolekule stab'sb'sch ofter durch Sauerstoffmolekule der Umgebungsluft geloscht werden als Sensorfarbstoff im Inneren der Beads. Es wird deshalb die adapb'erte Stern Vol- mer Gleichung (2.6) verwendet. Dazu wird angenommen, dass ein Anteil x der Farbstoffmolekule in einem CPOx Bead vollen Zugang zu umgebenden Gas haben, wahrend die restlichen Farbstoffmolekule nie von einem Sauerstoffmolekul ge­loscht werden. Es konnte empirisch bestatigt werden, dass diese Annahme ausrei- chend ist (Klimant, 1995). Das Prinzip ist in Abbildung 2.4 veranschaulicht.

Die Stern-Volmer Konstante KSV und die Abklingzeit t0 ohne Sauerstoff werden durch Kalibrierung in sauerstofffreier Umgebung und in sauerstoffgesatt'gter (21 kPa) Umgebung besb'mmt. Um den Anteil xzu besb'mmen wird ein dritter Ka- librierpunkt bei 50 % Sauerstoffsatt'gung (10.5 kPa) verwendet.

2.2. Materiallisten

In den folgenden Tabellen sind die verwendeten Gerate, Verbrauchsmaterialien und Gerate, und die verwendete Software aufgefuhrt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 2.1: Verwendete Gerate

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Tabelle 2.2: Verbrauchsmaterialien und Reagenzien

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Tabelle 2.3: Software

2.3. Aufoau technisches Equipment

Sauerstoffmessungen wurden entweder am Zeiss Axiovert S100 oder am Nikon Eclipse mit automaftschem Tisch durchgefuhrt.

Sauerstoffmessung am Zeiss Axiovert

Der Aufoau am Zeiss Mikroskop ist in Abbildung 2.5 von vorne und in Abbildung 2.6 in Seitenansicht zu sehen.

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Abbildung 2.5: Versuchsaufoau Zeiss: A) Laptop; B) Zeiss Axiover S100; C) Ka- meraausgang; D) Objektt'sch mit Inkubaftonskammer; E) Gas Incubafton Controller mit F) Befeuchtungssaule; G) Heaftng Controller fur die Beheizung der Inkubaftonskammer; H) OPAL Hardware Unit

Das Mikroskop (A) hat einen manuell verstellbaren Tisch, und einen Kameraaus- gang (c-mount). In der Inkubationskammer herrschen Brutschrankbedingungen (5 %vol C02,37 °C, ca 90 %rel. Luftfeuchtigkeit). Die Temperatur der Kammer wird durch den Heating Controller gesteuert. Die Gaszusammensetzung und die Luft­feuchtigkeit werden durch den Gas Incubation Controller und die Befeuchtungs- saule kontrolliert. Fur die Sauerstoffmessung ist ein Steuerungsgerat (OPAL Hard­ware Unit) mit einem Laptop, auf dem die zugehorige Software installiert wurde, verbunden.

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Abbildung 2.6: Seitenansicht Zeiss. A) LED Lichtquelle; B) OPAL Filter- wurfel; C) Detektoreinheit; D) Inkubationskammer

Zur optischen Messung von Sauerstoff sind weiterhin eine LED-Lichtquelle, den je- weiligen Beads entsprechende Filterwurfel und die Detektoreinheit am Kamera- ausgang des Mikroskops installiert. Fur die Versuche wird das 10x PHI oder das 40x Plan Objektiv verwendet.

Sauerstoffmessung am Nikon Eclipse

Das Nikon Eclipse bietet den Vorteil eines programmierbaren automatischen Tischs. Das eroffnet die Moglichkeit zum Beispiel einen ortlichen Gradienten (Ver- such beschrieben in Kapitel 3.7) mit mehreren Messpunkten uber einen langeren Zeitraum zu verfolgen.

Das Nikon Mikroskop hat zudem einen Kameraausgang mehr als das Zeiss Mikro- skop, was es ermoglicht zwischen den Messungen Bilder aufzunehmen. Techni- sches Gerat zur Sauerstoffmessung wird am Nikon genauso aufgebaut wie am Zeiss.

2.4. Bedienung OPAL und Software

Vor einer Sauerstoffmessung werden zuerst alle Parameter im Menu Calibration (2.7) eingestellt und uberpruft. Die Modulah'onsfrequenzen werden passend zur jeweiligen Beadsorte eingegeben. Die exakten Werte sind hier weniger relevant. Die beiden Frequenzen durfen kein Vielfaches voneinander sein und liegen im Bereich F1=50 kHz und F2= 30 kHz fur Ru-Beads, und Fa=9 kHz und F2=5 kHz fur Pt- Beads. Der f-Wert wird einmalig fur jede Beadsorte aus einer 3-Punkt Kalibrierung durch die Software automah'sch ermittelt. Naheres dazu wird in Kapitel 3.4 er- klart. Die Temperaturfaktoren werden in Kapitel 3.2 Temperaturfaktoren experi- mentell ermittelt. Auch sie hangen von der Beadsorte ab. Durch Eingabe des Zeit- intervalls wird eine Rate besh'mmt, wie oft Messwerte ausgegeben werden. Syste- mintern werden diese Werte aus dem Mittelwert eines Intervalls gebildet. Das fuhrt zu ruhigeren Messwerten bei langeren Intervallen. Je nach Anwendung wur- de mit Intervallen von 0.1 s, 1 s, oder 10 s gemessen. Die Abklingzeiten bei 0 %sat und 100 %sat wurden vor jedem Experiment auf die exakten Bedingungen kali- briert. Dabei wird auch die zugehorige Temperatur festgehalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.7: Unter Calibration konnen alle fur die Messung relevanten Pa­rameter eingegeben werden. A) Einstellung der Modulationsfrequenzen, B) Kontrolle des f-Wertes, C) Temperaturfaktoren, D) Ausgabeintervall, E) und F) Eingabe der Abklingzeiten bei 100 %sat und 0 %sat mit zugehoriger Tem- peratur. G) Bereich fur 3-Punkt Kalibrierung.

Nachdem alle Parameter eingestellt und kontrolliert sind wird die Messung vorbe- reitet. Dazu wird uber die Art der Temperaturmessung entschieden, und im Fens- ter Optical Measurement das entsprechende Hakchen gesetzt. Nun wird mit Hilfe des verstellbaren Objektt'schs ein Bead in den Fokus des Detektors geruckt, wobei der Fokus durch das Maximum der beiden Amplituden definiert wird. Alternativ wird auch ein Kreuzstrichokular zu Hilfe genommen. Die Blende wird je nach Ex­periment und Objektiv eingestellt. Die LED Lampe wird so eingestellt, dass sich die Lumineszenz des Beads im Bereich der linearen Steigerung der Intensitat be- findet. AnschlieGend wir die Sensibilitat des Detektors so angepasst, dass Ampli­tuden von 0,1 V bis 0,5 V angezeigt werden.

Dann wird der Nullpunkt fur die Phasenmessung gesetzt. Dazu wird die Referenz- lampe eingeschaltet. Die Intensitat der LED Lampe wird fur den restlichen Versuch nicht mehr verandert. Die Sensibilitat wird wie vorhin angepasst. Der Schalter set phases to zero setzt die Phasenlage der Referenzlampe als Nulllage fest. Es wird kontrolliert ob die Phasen nun 0° anzeigen. Jetzt kann auf die Probenlampe zu- ruck geschaltet werden. Die Sensibilitat des Detektors wird wieder angepasst, und durch betatigen von Start wird eine Messung begonnen.

[...]

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Details

Titel
Optische Sauerstoffmessung in der in vitro Zellkultur zur Bestimmung der orts- und zeitaufgelösten, diffusionslimitierten Sauerstoffkonzentrationen
Hochschule
Technische Universität München
Note
1,0
Autor
Jahr
2015
Seiten
101
Katalognummer
V302331
ISBN (eBook)
9783956877162
ISBN (Buch)
9783668005891
Dateigröße
6563 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Phosphoreszenz, Sauerstoffmessung, Sauerstoff, Zellmetabolismus, Metabolismus, Zellatmung, Abklingzeit, inVitro, Zellkultur, physiologisch, optisch, Sauerstoffkontrolle
Arbeit zitieren
Lena Friedmann (Autor:in), 2015, Optische Sauerstoffmessung in der in vitro Zellkultur zur Bestimmung der orts- und zeitaufgelösten, diffusionslimitierten Sauerstoffkonzentrationen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302331

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