Die literarischen und journalistischen Arbeiten des Autors Joachim Lottmann sind seitens der Literatur- und Medienwissenschaft sowie der Journalistik bislang keiner genaueren bzw. umfangreichen Untersuchung unterzogen worden. Auf den ersten Blick mag das nicht verwundern: seine Romane scheinen typische, kaum nennenswert überformte Texte der deutschen Popliteratur mit 90er Jahre Prägung zu sein, d.h. es herrscht ein einfacher Schreibstil vor, mehr oder minder relevante Alltagsbefindlichkeiten und -beobachtungen stellen sein Sujet; seine Reportagen bspw. für den Spiegel oder die Zeit hingegen erweisen sich als schlecht recherchiert, teilweise tendenziös in ihren Aussagen, strotzen genau wie die Romane vor frauenverachtender Altmännererotik. Mit anderen Worten: die Texte erweisen sich an den Kriterien des professionellen und konventionellen Journalismus gemessen als inadäquat. Die Reaktionen bspw. in Form von Leserbriefen bzw. Kommentaren auf die Online-Versionen der Reportagen münden häufig in Beschimpfungen und Zweifeln an seiner journalistischen Kompetenz und müssen regelmäßig von den jeweiligen Redaktionen zensiert werden.
Ziel dieser Arbeit ist es, eine eigene Poetik für die Werke Lottmanns herauszuarbeiten, die sich im Wesentlichen aus der Poetik des New Journalism speist.
Dabei soll ein Blick auf das Gesamtwerk Joachim Lottmanns geworfen werden, wobei sich diese Arbeit auf die Romane Zombie Nation und Hundert Tage Alkohol konzentrieren wird, da diese nicht nur das Spannungsfeld zwischen literarischem und journalistischem Schreiben thematisieren, sondern selbst auch repräsentieren. Darüber hinaus soll sein Reportagenband Auf der Borderline nachts um halb eins fokussiert werden, außerdem werden ausgewählte Reportagen aus dem gleichnamigen Weblog bei der taz, sowie Reportagen aus der Zeit sowie dem Spiegel analysiert.
Die zu erarbeitende Poetik bedient sich sowohl in den Romanen als auch in den Reportagen immer wieder einer strategisch kalkulierten Selbstinszenierung des Autors, die nach Ansicht dieser Arbeit auf eine Unentscheidbarkeit zwischen der vermeintlich realen Person Joachim Lottmann und den Protagonisten seiner Reportagen und Romane abzielt. Der rhetorische Faktor dieses strategischen Kommunikationsgeschehens im sowohl journalistischen als auch literarischen Kontext erfordert eine Diskussion der noch recht jungen literaturwissenschaftlichen Autofiktionsdebatte.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Eingrenzende Themenanalyse
- Kommunikationstheoretische Grundlagen literarischer Kommunikation
- Rhetoriktheoretische Definitionen - Kode, Zeichen, Text, Medium
- Das Buchmedium und der Roman
- Intertextualität und Diskursframe
- Der Autor und sein rhetorisches Organon
- Kalkül
- Autorschaft
- Die kommunikative Spielregel
- Joachim Lottmanns Selbstpoetik
- Autofiktion
- Repragmatisierungsdruck als Problem oder Strategie der Autofiktion
- Inszenierung
- Agon und Ethos
- Borderline-Journalismus: niemals an schnöden Fakten kleben
- Die Reportage als Autobiographie?
- Operative Anschlüsse
- Der Borderline-Blog: Verifikation durch ein Hybridmedium?
- Die Romane
- Zombie Nation
- Das Ramones-Musical
- Gott führt uns zusammen
- Kein Roman mit Joachim Lottmann
- Poetologische Reflexionen: Ein Bauer in Albanien
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Werk des Autors Joachim Lottmann, dessen literarische und journalistische Arbeiten bislang wenig Beachtung in der Literatur- und Medienwissenschaft gefunden haben. Die Arbeit verfolgt das Ziel, eine eigene Poetik für Lottmanns Werke zu entwickeln, die sich aus der Poetik des New Journalism speist. Dabei liegt der Fokus auf der strategischen Selbstinszenierung des Autors, die eine Unentscheidbarkeit zwischen der vermeintlich realen Person Joachim Lottmann und den Protagonisten seiner Reportagen und Romane schafft.
- Die Rolle des Autors in der Kommunikation
- Die Grenzen zwischen Fiktion und Faktualität in Lottmanns Texten
- Die Verwendung von rhetorischen Strategien zur Inszenierung der Autorschaft
- Die Bedeutung des New Journalism für Lottmanns Werk
- Die Analyse von Lottmanns Texten im Kontext der Autofiktionsdebatte
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungslücke und die Zielsetzung der Arbeit dar. Sie beleuchtet die Besonderheiten von Lottmanns Werk und die Gründe für die bisherige fehlende wissenschaftliche Auseinandersetzung.
Kapitel 2 liefert die kommunikationstheoretischen Grundlagen für die Analyse von Lottmanns Texten. Es werden wichtige Konzepte der Rhetorik, wie Kode, Zeichen, Text und Medium, erläutert. Außerdem wird die Rolle des Autors und der Autorschaft in der Kommunikation beleuchtet.
Kapitel 3 untersucht die Selbstpoetik von Joachim Lottmann. Es werden die Konzepte der Autofiktion, der Repragmatisierungsdruck, der Inszenierung sowie Agon und Ethos diskutiert. Der Fokus liegt auf der strategischen Selbstinszenierung des Autors und der Verwischung der Grenzen zwischen Roman und Reportage.
Kapitel 4 analysiert die Romane von Joachim Lottmann. Die Kapitelübersichten fokussieren auf die zentralen Themen und Argumente der Romane, ohne jedoch zu spoilern.
Schlüsselwörter
Die Arbeit beschäftigt sich mit den zentralen Themen der Autorschaft, der Autofiktion, dem New Journalism, der Inszenierung, der Grenzverwischung zwischen Fiktion und Faktualität, der rhetorischen Strategie, der kommunikativen Spielregel, sowie der Kritik am Literaturbetrieb.
- Quote paper
- Nils Wiegand (Author), 2014, Joachim Lottmann. Strategische Inszenierung von Autorschaft als Grenzverwischung zwischen Roman und Reportage, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/302362